Nur wenige Kunden würden Facebook, Twitter & Co. für Service-Anfragen nutzen, so die These von Walter Benedikt von 3C Dialog.
“Ob im Freundes- und Bekanntenkreis, im Büro oder bei Kundenterminen – ich mache immer wieder die Erfahrung, dass zum einen viele Menschen eher selten bis kaum Kontakt mit dem Social Web haben und zum anderen noch seltener darüber Service-Anfragen stellen. Es steht außer Frage, dass Social Media mehr und mehr Platz in unserer Gesellschaft einnimmt. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass es außerhalb unseres ‘Dunstkreises’ auch noch ‘die Anderen’ gibt. Gehört man selbst zu den Early Adoptern, dann schaut man nicht schlecht, wenn sich auf die Frage, wer den Foursquare kennt, bei einer Branchenveranstaltung nur zwei von 100 Teilnehmern melden. Das führt mich zu meinem vorherigen Punkt zurück: Letztlich gestaltet die Nachfrage das Angebot, und diese ist eben noch nicht besonders stark ausgeprägt. Geben wir dem Ganzen ein wenig Zeit”, so die Erkenntnis von Benedikt.
Also ohne Nachfrage kein Angebot? Lieber Walter, wie soll ich denn als Kunde auf den Facebook-Seiten von irgendwelchen Anbietern meine Service-Anfrage stellen, wenn dort nur Marketing-Gesülze ausgebreitet wird? Was machen 9 von 10 Kundenanliegen im Social Web, die einfach nicht beantwortet werden? Was fange ich mit Social Media-Teams an, die gar keine Kompetenzen besitzen, mein Problem zu lösen? Oder mit den Lila-Laune-Bärchen, die mich auf Facebook förmlich zwingen, bei einer Hotline anzurufen, wie bei meinem Disput mit E-Plus? Ich habe mich übrigens geweigert, selbst zum Telefonhörer zu greifen oder gar angerufen zu werden und verlangte die Lösung im Angesicht der Social Media-Öffentlichkeit. In Wahrheit hassen die Anbieter die öffentliche Netzkommunikation und bevorzugen die “vertraulichen” Eins-zu-Eins-Loslabereien, weil ihre Inkompetenz dann zumindest nur eingeschränkt wahrgenommen wird.
Also wo soll sich denn die Nachfrage der Kunden manifestieren? Sollen sie Postkarten an die Firmen schicken, einen Wunschzettel an den Weihnachtsmann richten oder einen Tweet verfassen “Bitte bedient mich auch im Social Web”?
Diese Logik vertritt ja auch der VATM – also der Verband der Telekom-Konkurrenten – beim nur zögerlichen Breitbandausbau in Deutschland. Siehe auch: VATM-Studie: Zur Lage der TK-Dinosaurier – Warum Apple und Google besser sind.
Auf der VATM-Veranstaltung in Köln wurde ebenfalls behauptet, dass der Ausbau nach schnelleren Angeboten wegen der schwachen Nachfrage nicht richtig in Gang kommt.
Knapp 70 Prozent der DSL-Anschlüsse haben eine maximale Empfangsgeschwindigkeit von bis zu 6 Mbit pro Sekunde. Vom Ziel der Bundesregierung, bis 2014 in der Fläche auf Anschlüsse mit über 50 Mbit pro Sekunde zu kommen, sind wir meilenweit entfernt. Bislang liegt man bei 0,8 Prozent. Beim Internet-Zugang über Glasfaser, um den überfälligen Eintritt in die Gigabit-Gesellschaft zu schaffen (was Bundeskanzlerin Merkel auf IT-Gipfeln so vollmundig in Aussicht stellt) sind wir ähnlich weit entfernt. Siehe: Altherren-IT-Gipfel, Krankenakte digitale Wirtschaft und leere Versprechen eines Ministers.
Professor Gerpott, der die VATM-Studie vorstellte, relativierte diese Sache dann etwas und bestätigte, dass sicherlich das Angebot eine entsprechende Nachfrage generieren würde. Richtig. Ohne Ausbau der Breitband-Infrastruktur werden sich keine neuen Geschäftsmodelle entfalten. Das hat Roman Friedrich von Booz & Co. sehr viel besser auf den Punkt gebracht:
„Es gibt eine ganz starke Korrelation zwischen der Infrastruktur-Ausstattung eines Landes und dem Sozialprodukt. Hier fallen wir zurück. Im weltweiten Maßstab sinken unsere Investitionen für Festnetz, Mobilfunk und Breitbandkommunikation. Wir verschenken damit Wachstum. Das ist leider ein Ergebnis der Regulierung.”
Wie groß, lieber Walter, war denn die Nachfrage nach dem ersten iPhone, also vor der Markteinführung im Januar 2007? Wie groß war die Nachfrage nach Apps und dem mobilen Internet? Wie groß war die Nachfrage nach Tablet-PCs vor der Einführung des iPads? Steve Jobs hat diese Produkte und Dienste wie iTunes oder den App-Store ohne Marktbefragung eingeführt. Sein Antrieb war die Frage, was für ihn und seine Mitarbeiter selbst nützlich sei: So sagte Jobs zum Zune-Desaster von Mircosoft.
“Der Zune war beschissen, weil die Leute von Microsoft nicht besonders viel für Musik oder Kunst übrig haben, anders als wir. Wir haben uns durchgesetzt, weil wir Musik lieben. Wir haben den iPod für uns gemacht, und wenn man etwas für sich macht oder für den besten Freund oder die Familie, dann produziert man keinen Schrott. Wenn man nicht wirklich mit dem Herzen dabei ist, gibt man sich schneller zufrieden, hängt nicht noch ein Wochenende für die Arbeit dran und akzeptiert das Erreichte einfach.”
Und wenn Dich die NICE-Studie als Geschäftsführer eine Dialogcenters positiv stimmt, lieber Walter, dann ist das vielleicht ein wenig zu viel Selbstzufriedenheit, die Steve Jobs so auf die Palme brachte. So sei nach dem Zahlenwerk von Nice der telefonische Service ein wichtiger Kanal der “zweiten Ebene”. Mehr als jeder Zweite wende sich an ein Call Center, wenn man Probleme über andere “Kanäle” nicht selbstständig lösen könne.
Die Schlussfolgerung von Walter Benedikt:
“Auch wenn das Social Web mehr und mehr Einzug in den Kundenservice halten wird, werden wir als Dienstleister weiterhin telefonische Kundenbetreuung anbieten und durchführen. Damit ist für mich die Diskussion um den baldigen Untergang der Callcenter nun endgültig ad acta gelegt. Das ist ein Ergebnis aus 2012!”
Man kann diese Zahlen aber anders lesen, lieber Walter. Die Angebote für Kundenservice abseits der Call Center sind so beschissen, dass ich förmlich genötigt werde, einen Hotline-Agenten anzurufen – allerdings ohne Garantie für kompetente Beratung.
Ich will hier nicht zum wiederholten Male den Call Center-Blues anstimmen, was mir von Branchenvertretern so gerne an den Kopf geballert wird. Es geht um vernetzte Services und nicht allein um das Social Web. Das wäre eine doch sehr verkürzte Wiedergabe für die Aufgaben, die im Kundenservice zu lösen sind. Telekom-Manager Andreas Bock hat das überaus pointiert dargestellt:
„Kunden möchten dort, wo sie beim Unternehmen mit einem Anliegen ‚landen’, sofort die Wegweiser finden, wo es langgeht. Sie möchten wissen, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Sie möchten schnell zum Ziel kommen und mühelos das Anliegen erledigen, um danach mit einem guten Gefühl ‚weiterzureisen’“, so Bock in seinem Opus “Kundenservice im Social Web” (erschienen im O’Reilly-Verlag).
Egal ob Selfservice-Software oder persönlicher Dialog, ob im direkten Gespräch oder über Medien vermittelt, die “Bedienung” durch Mensch oder Maschine müsse sich für Kunden „gut anfühlen“, leicht zugänglich, offen und freundlich sein, empathisch und verständlich. Für jedes Nutzungsszenario sollte ein entsprechendes Service-Angebot vorhanden sein, um personalisierte Services zu garantieren – ohne Restriktionen und Ausreden: Zu Hause, am Arbeitsplatz, im Geschäft, unterwegs im Auto, in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf dem Fahrrad oder zu Fuß. Per stationärem PC, Notebook, Telefon, Handy, Smartphone oder Tablet PC. Auf Facebook, Twitter, Google+, Blogs, Foren, Frage-Antwort-Portalen, im Chat, per E-Mail, SMS, FAQ, Apps oder über das Kontaktformular.
Oder über ein intelligentes und semantisches Netz, wie es Bernd Stahl von Nash Technologies gestern in der ersten Session des Blogger Camps ausführte.
Oder über neue Formate via Hangout On Air. Etwa in Diskussionsrunden mit so genannten Power-Usern – also besonders kenntnisreichen Kunden – die ihre Erfahrungen an andere Kunden weitergeben und über Netzwerkeffekte Fragen beantworten, bevor sie überhaupt gestellt werden. Das kam in der zweiten Session des Blogger Camps zur Sprache, in dem über neue Formate in der Netzkommunikation nachgedacht wurde.
Das alles kann man nicht entwickeln, wenn man sich an der Nachfrage der Kunden orientiert. Also etwas mehr Geistkapital investieren, wenn es um Konzepte für vernetzte Services geht. Wie das ausschauen sollte, möchte ich in der nächsten Woche in einem Beitrag näher ausführen. Bitte um Anregungen. Mache gerne auch Interviews. Also auf der Suche nach dem iService – die unendliche Geschichte.
Reblogged this on Vernetzt Euch!.
Zum Unterthema des schnellen Internet und der Frage, ob Nachfrage ein Angebot generiert: Dieser Tage hatte ich ein Gespräch mit dem Support von 1&1, meinem DSL-Provider. Ich fragte an, ob und wann die Aussicht darauf bestünde, einen schnelleren als den derzeitigen 16 Mbit/s-Anschluss (nominell – bei mir kommen aufgrund der Entfernung von 2,6 km zum Verteiler max. 11 Mbit/s am Router an) zu erhalten. Der Support-Mitarbeiter war äußerst freundlich und kompetent, hat gemeinsam mit mir die Leitung getestet und Tipps gegeben, wie ich von meiner Seite das Maximum aus Router und WLAN heraus holen kann, so dass nicht weitere Bandbreite verloren geht. Allerdings war die Information über einen möglicherweise schnelleren Anschluss recht ernüchternd. 1&1 hat die Leitung bei der Deutschen Telekom, diese wiederum bei einem lokalen Unternehmen angemietet. 1&1 habe daher so gut wie keinen Einfluss darauf, ob und wann die Infrastruktur ausgebaut,der Verteilers an ein schnelles Glasfasernetz angebunden oder weitere Verteiler (in meiner unmittelbaren Nachbarschaft) eingerichtet werden. Ich solle doch mal die Augen aufhalten, ob in meiner näheren Umgebung die Straße aufgerissen werde, um dort Kabel zu verlegen oder einen neuen Verteiler zu setzen. Ich müsste dann von mir selbst aus tätig werden, damit mein bestehender Anschluss an den neuen Verteiler angebunden werde. Da ich ja bereits einen Anschluss hätte, würde ich i.d.R. aber gar nicht berücksichtigt bei der Anbindung an einen neuen, näheren oder leistungsstärkeren Verteiler. Und selbst wenn ich dann den Antrag stellen sollte, meinen Anschluss doch mit dem neueren Verteiler zu verbinden, sei dies wahrscheinlich nicht erfolgreich, weil Verteiler meist nur dann neu gesetzt werden, wenn sie vorab schon ausgelastet, d.h. ihre Kapazität in großem Umfang vermietet seien. De facto heißt es also für mich: sei zufrieden mit dem, was du schon hast. Mir bietet sich nun lediglich die Alternative, auf Unitymedia umzuschwenken, die über den Kabelanschluss bis zu 150 Mbit/s versprechen. Allerdings hält mich meine bisherige Erfahrung als Kabel-TV-Kunde dieses Unternehmens von diesem Schritt ab.
Das ist die bittere Realität in Deutschland und Du bist sicherlich kein Einzelfall, Christian. Wird jetzt Deine Nachfrage irgendwo dokumentiert, gemessen, geht in die Rechnung von Walter Benedikt oder in die Studie des VATM ein? Wer misst denn empirisch sauber die Nachfrage? Und wer kann das so technisch ausdrücken wie Christian, wenn etwa Onkel Alfred mit einem Anbieter spricht? Ich würde zum Kabelanbieter wechseln – bei Dir in Bensberg wird sich so schnell nichts bewegen. Im Service sind die alle gleich schlecht.
Hinzu kommt. Seit meiner Erfahrung mit Entertain, einem Produkt der Telekom, weiss ich: Weder Hotline noch Social Media Menschen haben die Möglichkeit, den Irrsinn der dort waltet, (Anweisung des Technik Supports: Ziehen sie jetzt mal den Netzstecker, ich … Erneute Einwahl ins das System und das Spiel beginnt von vorn) zu stoppen. Da hilft nur der Jurist und selbst der wartet seit Wochen. Auf Antwort auf unsere Sicht auf das wahr genommene Problem.
Klar, wenn Produkte und Dienste nichts taugen, hilft auch das Social Web nicht weiter.
Der zentrale Punkt des Artikels ist für mich, warum Unternehmen nicht den Schritt nach vorne wagen und moderne Kundenservicekonzepte entwickeln und anbieten. Die Antwort darauf ist aus meiner Sicht leider sehr einfach: Ein Faktor ist die Angst vor Veränderung. Der zweite Faktor ist das fehlende Verständnis für den Mehrwert von gutem Service! Service wird in der Regel als reiner Kostenfaktor betrachtet, der irgendwie ins Produkt eingepreist werden muß und unterm Strich aus Controller Sicht nur die Margen schmälert. Warum sollte ein Unternehmen hier investieren und ein bestehendes, teilweise sogar gut funktionierendes und steuerbares System verändern?! Dass guter Service Zukunftswerte schafft, ist mit bilanztechnisches Mitteln nicht messbar. Somit wird selbst ein bestehender Wille zur Veränderung durch die fehlenden Budgets blockiert.
Ich finde es schon erstaunlich, wie mein Erfahrungsbericht vom 3C-Blog hier gedeutet und in diesem Artikel als Thesen dargestellt wird. Martin Luther hatte mal Thesen an die Kirchentüre genagelt. Dies hab ich natürlich nicht getan. 🙂
In meinem Beitrag ging es vielmehr darum, die praktischen Erfahrungen aus unserer täglichen Arbeit als Callcenter in Relation zu der Social-Media-Nutzung und zahlreichen Kundengesprächen zu setzen.
Wann und wie sich der Kundenservice im Social Web durchsetzen wird, werden wir erst rückblickend in einigen Jahren sehen. Fakt ist aber aus meiner Sicht, dass sich die Etablierung von Social Media in der Masse bei Weitem noch nicht durchgesetzt hat. Hier würde alleine schon ein Vergleich der Kundenkontakte (Telefon und E-Mail versus Twitter und Facebook) bei der Telekom, die immer als Best-Case-Beispiel genannt wird, vermutlich schon etwas Ernüchterung bringen.
Dann ist da auch noch der Faktor Vertrauen in One-to-one-Kommunikation. Wir bearbeiten im Schnitt circa 15.000 Vorgänge am Tag. Bei unserer Kundenklientel sind davon rund 80 Prozent der Anliegen vertraulich und personenbezogen – konkrete Fragen zum Mietvertrag, Nebenkostenabrechnung, Fragen zu Bonitätsauskünften, etc. Wann hier in der Bevölkerung das Vertrauen da ist, derartigen Fragen über das Social Web anzusprechen, kann ich nicht beurteilen. Ich persönlich möchte derartige Kommunikation jedenfalls nicht Facebook anvertrauen, auch nicht als Direktnachrichten.
Schade ist sicherlich dass sich die Callcenter-Branche bei diesen Themen eher verhalten äußert und beteiligt. Damit wird dieser Themenkomplex eine große Spielwiese für alle anderen Experten …