Perfektes Timing, perfekter Service: Bau-Team Alfredo & Sohn und @FassbenderBonn

Die neue Terrasse

„Manche Firmen meinen, sie könnten ihre Kunden behandeln wie eine Karre Mist. Doch wer in Zeiten von Social Media denkt, ein Markt funktioniere auch ohne Respekt und Rücksicht, wird hoffentlich eines Besseren belehrt“, schreibt Sascha Lobo in seiner aktuellen Kolumne und thematisiert die Kraft der öffentlichen Empörung im Fall von „United Airlines“, bei dem ein zahlender Kunde gewalttätig aus dem Flugzeug geschleift wurde.

Generell gilt: „If you make customers unhappy in the physical world, they might each tell six friends. If you make customers unhappy on the Internet, they can each tell 6.000 friends“, so Amazon-Chef Jeff Bezos.

Und das läuft auch umgekehrt. Man darf ja nicht nur meckern. Beim Neubau unserer Terrasse erlebte ich einen perfekten Service des Baustoffhändlers Fassbender Tenten, der auf gewerbliche Kunden und auch auf Privatkunden ausgerichtet ist.

Das fing mit der Beratung bei der Auswahl der Terrassen-Steinplatten an mit dem Verweis auf ein unschlagbar günstiges Sonderangebot. Alles wurde haargenau vom Kundenberater durchgerechnet. Die Menge an Basaltsplitt (es waren 4,5 Tonnen, die wir verarbeitet haben) und auch die Zahl der Platten. Am Ende ist nur ein winziger Verschnitt übrig geblieben. Dann die spektakuläre Anlieferung der Big Bags und Steinplatten mit einem Kran-LKW (18 Tonnen-Fahrzeug), der sich durch die kleine Ettighoffer Straße bis zu unserem Grundstück durchkämpfen musste. Sechs Paletten und vier Big Bags sind mit dem Kran punktgenau über den Gartenzaun gehoben worden.

Über ein Pfandsystem wurden die Paletten und Big Bags wieder zurückgenommen. Alles ist abgelaufen wie ein Uhrwerk. Vereinbarte Lieferzeiten wurden eingehalten und jede Frage für den Bau der Terrasse wurde fachmännisch beantwortet.

So konnten Alfredo & Sohn in einem Zeitfenster von nur sechs Tagen ein richtiges Prachtwerk vollenden. Die Steinplatten mit Holzoptik sehen aus wie Parkettboden. Höchst praktisch und haltbar für Jahrzehnte. Vernetzte Kunden können auch loben 🙂

Die Sommersaison für die 25 Quadratmeter große Terrasse kann beginnen. Beste Bedingungen für das DorfCamp am Samstag, den 24. Juni.

Shitstorms und wie man Dödelsberg-Kundenservice in den Wahnsinn treibt

Über die Wirkung netzöffentlicher Protestes
Über die Wirkung netzöffentlicher Proteste

Auf Facebook wird gerade intensiv über meine Shitstorm-Kolumne disputiert. Vieles sei eher ein Sturm im Wasserglas, was sich im Netz abspielt und würde keine wirtschaftlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Die Frage ist nur, warum dann Organisationen die netzöffentliche Diskussion scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Bekenntnisse zum Open Service sind wenig zu vernehmen. Im Kundendialog liebt man die Kommunikation per Telefon, Fax, Brief oder E-Mail. Selbst wenn Serviceärgernisse von Kunden aus der analogen Welt ins Social Web gehoben werden, gibt es verzweifelte Versuche bei den Anbietern, die verärgerten Verbraucher so schnell wie möglich wieder in den abgeschlossenen Kosmos der klassischen Kommunikation abzudrängen. Ein netzöffentlicher Dialog könnte die Schwächen im Management zu schnell offenlegen. Vernetzte Services sind Mangelware. Belegt wird dies durch eine Studie der Hochschule Bremerhaven zur Nutzung von Social Media im Kundenservice: Nur etwa 19 Prozent der Führungskräfte können sich vorstellen, dass sich ihre Mitarbeiter frei bewegen und den Kundensupport für das Unternehmen übernehmen.

„Kurzfristige Ziele für Umsatz, Absatz und Gewinn rangieren fast immer vor den Zielen im Kundenservice. Und bislang blieben diese Verhaltensweisen ja auch weitestgehend unentdeckt. Das zieht sich durch alle Branchen. Erst wenn ein Kunde sich massiv beschwert – oder noch besser – das Unternehmen ans Licht der Öffentlichkeit zerrt und diese Praktiken aufdeckt, gibt es eine Chance, dass Prozesse und Konditionen verändert werden. Früher mussten Kunden warten bis sich Frontal21 oder Tageszeitungen der Sache annahmen. Über Social Media geht das viel einfacher ohne Umweg über die Massenmedien“, so die Erfahrung von Harald Henn vom Beratungshaus Marketing Resultant.

Nach Meinung von Social Media-Coach Daniel Backhaus gibt es häufig einen Bruch zwischen dem Engagement in sozialen Netzwerken und der realen Organisation von Unternehmen. Wenn Kunden etwa aus einer Web 2.0-Umgebung auf die normale Homepage eines Anbieters stoßen, erleben sie Angebote, die von Formularen geprägt sind. Ein öffentlicher Dialog finde auf den Firmen-Websites nicht statt. Die Schwarmintelligenz entlarvt die Textbausteinwelt des Managements. Der soziale Austausch über die marketingplumpen und vertriebsdreisten Semantik-Blasen kann sich für Anbieter verheerend auswirken, wie Amazon-Chef Jeff Bezos konstatiert:

„If you make customers umhappy in the physical world, they might each tell 6 friends. If you make customers umhappy on the internet, they can tell 6.000 friends.“

Kunden sprechen nicht länger ausschließlich mit einem Service-Mitarbeiter; sie beziehen auch andere Kunden in die Unterhaltung und in die Lösungsfindung mit ein.

„Social Media-Plattformen wie Twitter und Facebook werden Teil des Service-Universums”, erläutert Henn.

Diese Dialoge werden für alle sichtbar, ob die Anbieter das nun wollen oder nicht. Postings zu einem defekten DSL-Router beim Twitter-Account der Telekom können von vielen Kunden und Interessierten wahrgenommen und weitergegeben werden. Oder die Problemlösung kommt von einem anderen Kunden, ganz ohne Beteiligung eines Mitarbeiters. In der „Global CMO Study“ von IBM wird erwähnt, dass vier von zehn Kunden im Geschäft stehend mittels ihres Smartphones Bewertungen über Produkte abfragen, um sich begleitend zur Beratung des Verkäufers weitere Infos von der der Community zu holen. Gegen diese Bewertungen können Unternehmen nach Einschätzung von Daniel Backhaus nichts ausrichten. So etwas lässt sich nicht verbieten.

„Die ‚DNA‘ des Social Web besteht ja geradezu darin, dass Individuen ohne technische Hürden publizieren“, sagt Backhaus.

In Bild, Ton und Schrift, auch live via Hangout on Air wie die Beschwerde eines Apple-Kunden über das gebogene iPhone 5 seines Sohnes. Angeblich sei die Krümmung durch einen Anwendungsfehler entstanden, der zum Garantieausschluss führt. Wenn der Nutzer das Gerät in seine Hosentasche steckt und einer Temperatur von 35 Grad aussetzt, kann es zur Deformation führen. Die Kosten für eine Reparatur müsse daher der Kunde bezahlen. Nun wird kaum ein Anwender das Binnenklima seiner Kleidung messen. Sollte das wirklich die offizielle Position eines Weltkonzerns sein, ist das wohl nur als schlechter Scherz zu verbuchen. Was passiert eigentlich im Sommer bei 40 Grad im Schatten? Müssen iPhone-Besitzer dann Kühlschläuche mitführen? Um Anbieter vollends in den Wahnsinn zu treiben, empfiehlt Spiegel-Kolumnist Tom König König eine Social-Web-Guerilla-Taktik:

„Nehmen wir an, Sie ärgern sich über die unverschämt hohen Gebühren, die Ihre Bank für eine Transaktion berechnet hat. Sagen Sie es nicht dem Schalterfuzzi. Schreiben Sie keinen Brief an das Servicecenter. Machen Sie stattdessen ein Foto Ihres Kontoauszugs und posten Sie es bei Flickr oder Twitpic, mit der Überschrift: ‚Kundenabzocke bei der Sparkasse Dödelsberg‘.“

Wenn dann der Kundendialog immer noch verweigert wird, ist das wie ein Sechser im Lotto. Dann kann man den Anbieter zur Schlachtbank führen:

„Ich dachte, das hier ist eine Social-Media-Seite für menschlichen Kundendialog! Ich habe ganz höflich eine individuelle Frage gestellt und möchte nicht mit vorgefertigten Satzbausteinen aus der Rechtsabteilung abgespeist werden, sondern eine individuelle Antwort erhalten. Alles andere wäre eine Frechheit. Ich bitte deshalb nochmals um Erklärung, warum ich für diese Standardtransaktion 17 Euro zahlen soll.“

Noch schöner ist es, wenn der Anbieter den Eintrag löscht, um in die nächste Runde des Partisanen-Kampfes eintreten zu können:

„Denn als findiger Guerilla-Kunde hatten Sie von Ihrem Facebook-Posting natürlich einen Screenshot gemacht. Und deshalb können Sie jetzt beweisen, dass die Sparkasse Dödelsberg ein Gegner der verfassungsmäßig verbrieften Meinungsfreiheit ist.“

Das geht so lange weiter, bis das Anliegen erfüllt wird.

„Unternehmen sehen Kritik naturgemäß lieber in den dafür vorgesehenen Beschwerdekanälen, wo sie für die Außenwelt unsichtbar bleiben. Bei Twitter hingegen ist die Kritik öffentlich und lässt sich auch nicht einfach löschen wie zum Beispiel auf Facebook-Unternehmensseiten. Verbraucher haben damit einen Hebel, Unternehmen zu einer Reaktion zu bewegen”, schreibt Kathrin Passig in einem Beitrag für das Buch „Die Kunst des Zwitscherns“, erschienen im Residenz Verlag.

Microblogging wirke wie ein Transmissionsriemen. Es sei viel einfacher geworden, eine Information sehr breit zu streuen. Als Beispiel nennt Passig wir-sind-einzelfall.de.

„Der Initiator hatte immer schlechteren Handyempfang, wurde aber von 02 als ‘Einzelfall’ abgetan.”

Nach dem Aufruf über Twitter war der Kunde nicht mehr allein. Innerhalb weniger Wochen kamen auf der Website 10.000 solcher „Einzelfälle” zusammen. So kann aus der von Firmen so geliebten Hotline-Anonymität ein Sturm der Entrüstung losgetreten werden: Ein Einzelfall für alle.

Buch für die TV-Autonomen
Buch für die TV-Autonomen

Ausführlich nachzulesen im Kapitel „Vernetzte und offene Kommunikation im Kundenservice – Warum Unternehmen Netzwerkeffekte unterschätzen, die Kommunikation für Abwesende vergessen und die Weisheit der Kunden missachten“ unseres Livestreaming-Buches, das am 4. September im Hanser-Verlag erscheint.

Welche betriebs- und volkswirtschaftlichen Auswirkungen die Netzwerk-Effekte von negativer Kundenkritik haben, ist schwer zu sagen und müsste in den nächsten Jahren intensiver von der empirischen Sozialforschung unter die Lupe genommen werden. Mit Sturm-im-Wasserglas-Semantik kommt man da nicht weiter.

Das Social Web-Schweigegelübde der Hotline-Mönche

Kauf, Du Arsch, aber kommuniziere mit mir nicht im Social Web
Kauf, Du Arsch, aber kommuniziere mit mir nicht im Social Web

Endlich hat mal einer aus der Hotline-Branche, der aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht und die Social Web-Dingsbums-Kommunikation als wenig hilfreich dargestellt: Der Self Service im Internet werde arg überstrapaziert. Komplexe Anliegen könnten sich ohnehin nicht mit 140 Zeichen über Twitter klären lassen, meint Harry Wassermann von SNT Deutschland im Interview mit dem Fachmagazin Call Center Profi.

„Wie soll ein Kabelnetzkunde bei Facebook oder im Self Service im Internet Hilfe bekommen, wenn sein Fernseher kurz vor Beginn des Champions-League-Finales schwarz ist“, fragt sich der Hotline-Experte.

Soviel Ehrlichkeit erlebt man in der Kall Zenta-Industrie selten. Offiziell gibt man sich meistens so vollmundig offen für den Kundenservice 2.0 – etwa auf den Plakaten, die man beim Berliner Fachkongress Call Center World an die Infostände klebt. Alles nur leeres Geschwafel auf einer ziemlich langweiligen Totenmesse.

In Wahrheit verkrümeln sich die Anbieter hinter altertümlichen TK-Anlagen mit erschreckend schlechten Multikanal-Funktionen. Jedes Anruferlebnis entwickelt sich mit den uralten Standards der Hotline-Beitreiber zur Alzheimer-Reise ins Ungewisse. Wir müssen als Kunden halt öfter anrufen, um beim zehnten Mitarbeiter vielleicht eine Lösung unseres Problems zu erfahren. Oder glaubt Wassermann allen Ernstes, via Telefon seinen Fernseher über Hotline-Agenten reanimieren zu können?

Selbst so profane Dinge wie Kündigungen kann man nur mit einem kräftezehrenden Hindernislauf anstreben, um dann auf der zwanzigsten Unterseite der Firmen-Website ein Faxformular auszugraben, das man in dreifacher Ausfertigung per Post an die Serviceabteilung schicken muss. Telefonische Bekundungen für eine finale Grabrede auf die Geschäftsbeziehungen zum Anbieter seien leider nicht möglich:

„Sie können aber jederzeit per Hotline ein Upgrade ihres Vertrages bestellen.“

Ob der Kündigungsbrief per Einschreiben mit Rückschein weiterhilft, wird erst nach drei Monaten innerer Einkehr vom Dienstleister beantwortet – Schweige-Gelübde sollen ja gut fürs Seelenheil sein, warum sollten sich die Hotline-Gichtlinge anders verhalten als die Karthäuser-Mönche.

Das Social Web-Schweigen der Hotline-Lämmer bringt für Kunden, die mit der Vernetzung ihrer Kommunikation schon im 21. Jahrhundert angekommen sind, ungemein viele Vorteile. Es erleichtert die Selektion von Gestern-Dienstleistern aus dem Portfolio unserer Kaufaktivitäten. Wenn die Wassermänner der Call Center-Industrie nicht wortmächtig genug sind, prosaische Kundenanliegen in Kurzform auf Twitter zu beantworten, wissen wir, warum wir nach dem Kündigungsformular suchen müssen.

Siehe auch:

Call Center Profi im Abseits? Die Überschrift verwirrt mich etwas. Warum soll der Überbringer der schlechten Nachricht für die schlechte Nachricht verantwortlich sein?

Wassermanns Weisheiten: „Schlagworte wie ‚Kundenservice‘ 2.0 halte ich für komplett unsinnig“ Jeder Krämer lobt ja seine Ware, aber selbst Wassermann bekennt in dem Interview, Hotline-Anrufe sehr, sehr selten zu tätigen. Er könne sich kaum erinnern, jemals bei seiner Bank oder seinem Mobilfunkanbieter angerufen zu haben. Und ist sein TV-Bildschirm eigentlich immer noch schwarz? Fragen über Fragen.

Replik auf Wassermann: Digitale Transformation – symmetrische Interessen.

Nachhilfe über Twitter-Prosa im Kundenservice, Herr Wassermann! Loslassen und Zwitschern: Über die Vorteile der asynchronen Kundenkommunikation.

Vielleicht kommen die Wassermänner einfach zum StreamCamp14 nach München am 15. und 16. November, um etwas über Netzwerkeffekte via Videokommunikation im Kundenservice zu erfahren. Es geht ja im Social Web nicht nur um verschriftete Kommunikation.

#Base und die Hotline-Drückerkolonnen – Über die Meister der Upgrade-Rhetorik.

Nietzsche, Vorstandschefs und die heilsame Wirkung von Gesprächen mit KUNDEN

Das Nietzsche-Rätsel
Das Nietzsche-Rätsel

Es sei nicht Job eines Unternehmenschefs, sich um irgendetwas anderes zu kümmern, als dass an den richtigen Stellen die richtigen Leute sitzen, die von ihrem Fachgebiet mehr verstehen als er selbst, kontert Jürgen Braatz von Fondswissen meine gestrige The European-Kolumne über die Marktschreier auf Facebook.

„Was du forderst ist einerseits romantisch, andererseits verachtet es Fachleute und wünscht sich den Super-Chef. (Bist du heimlich unterbewußt Nietsche-Fan?) Den gibt es in der GmbH und, wie du richtig schreibst, in einer Bäckerei“, so die Reaktion von Braatz auf Google Plus.

Was mein Beitrag mit Nietzsche zu tun haben soll, kann ich jetzt nicht genau beurteilen. Aber er meint wohl einen anderen Autor namens Nietsche – den habe ich nicht gelesen. Ansonsten ist mir wohl bewusst, dass ein Konzernchef zeitlich nicht in der Lage ist, Kundenanfragen zu beantworten, Twitter-Accounts oder Facebook-Seiten zu pflegen. Für wie blöd hält mich der Fondswissen-Manager?

Es wäre für Führungskräfte allerdings eine heilsame Kur, ab und an in die operativen Gefilde der eigenen Organisation einzutauchen und ein wenig Praxisluft zu schnuppern. Nichts anderes besagen meine Zeilen, die ich gestern publiziert habe:

Vielleicht sollten Organisationen mal den Versuch wagen, einfach nur mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen, sie von Produkten und Diensten zu überzeugen, Kritik nicht als feindlichen Angriff zu werten, Anregungen zur Verbesserung der Angebote zu nutzen und Servicewünsche direkt ohne Warteschleifen-Bürokratie zu erfüllen. In Crowdfunding-Kampagnen muss man um jeden Unterstützer kämpfen, man muss jeden Schritt erläutern, damit die Community nicht auseinanderfliegt. Das sollten sich die Fanpage-Gewinnspielproduzenten als Vorbild nehmen.

Ich bin so schön

Es wäre ja schon mal ein großer Fortschritt, wenn Organisationen sich ihren Schönwetter-Gesprächsmodus abgewöhnen und normale Gespräche mit der Netzöffentlichkeit führen würden. Als weiteren Indikator könnte man die Aktivitäten der Unternehmen und sonstigen Organisationen in sozialen Medien und Blogs heranziehen.

Wie oft sprechen denn Mitarbeiter und Vorstand mit Interessenten, Kunden und Kritikern? Wie oft werden Kundenanfragen auf Facebook und Co. beantwortet und wie zufrieden sind die Anfragenden? Wie dauerhaft wird denn über Themen gesprochen, die in Corporate Blogs präsentiert werden? Wie viel wird in externen Blogs über eine Marke geschrieben? Wer erhebt die Daten? Wird die Methodik ausreichend beschrieben?

Wie in analogen Zeiten wird die Fliegenbein-Zählerei von jenen Agenturen durchgeführt, die auch für die Social-Web-Kampagnen verantwortlich sind. Dann könnte man auch meine Oma fragen, wie sie denn ihren Lieblingsenkel beurteilt. Für meine Oma war ich natürlich immer der Größte – meine Lehrer dachten allerdings ganz anders.

Vorbild Bäckermeister

Für pragmatische und bodenständige Unternehmen bietet die direkte Kommunikation über Social-Web-Plattformen gigantische Möglichkeiten. Macht Expertenrunden via Hangout on Air mit Euren wichtigsten Kunden, setzt auf die Zusammenarbeit mit externen Fachleuten, macht virtuelle Stammtisch-Runden mit Bloggern, die in den Themen der eigenen Angebote Ahnung haben. Kuratiert kritische Erfahrungen der Kundschaft und beantwortet die Serviceanfragen über YouTube-Videos. Macht die Super-User zur wichtigsten Anlaufstelle beim Abtesten von neuen Diensten und Produkten. Verschwendet kein Geld für x-beliebige iPad-Verlosungen, sondern bastelt endlich eine Kundenversteher-Meta-App, die meinen Alltag als Verbraucher verbessert. Entsprechende Vorschläge hat Andreas Klug von Ityx im ichsagmal-Bibliotheksgespräch gemacht:

Schickt auf Facebook & Co. keine Marketing-Jünglinge ins Feld, sondern den Chef des Unternehmens (so als kleine Lehrstunde, Meister Braatz), um nicht mehr mit dem Rücken zum Kunden zu agieren. Schielt nicht auf die Zahlenspielchen der Excel-Exegeten, sondern erfreut Euch über jeden einzelnen Dialog, der Kunden zufriedenstellt. Nehmt Euch bewusst die großen Konzerne mit ihren Marketing-Truppen nicht zum Vorbild. Probiert einfach mal etwas anderes. Schmeißt die strategischen „Prozess-Empfehlungen“ der Consulting-Schmierlappen in den Müll und setzt auf Euren gesunden Menschenverstand. Bauchgefühl schlägt die Schein-Rationalität der Zahlendreher. Hier liegt die hohe Kunst, die der Bäckermeister intuitiv besser versteht als hoch dotierte Konzernchefs:

„Marketing zwar machen, aber unbewusst, aus der Intuition heraus; und dabei das eigene Handeln noch nicht einmal als Marketing zu verstehen“, schreibt „Wiwo“-Autor Thomas Koch, dessen Werbesprech-Kolumnen als Buch erschienen sind mit dem Titel „Werbung nervt“.

Die oberste Führungsetage in großen Unternehmen gehört in die erste Reihe, gehört mit der Nase in die Belange des Kunden gedrückt, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Nicht Monologe, die allein dem Kreativen-Ego dienen, wären plötzlich Maß aller Dinge, sondern Dialog mit Stammkunden, „mit den Begeisterten und den weniger Begeisterten. Gespräche. Respekt. Empathie“, so Koch. Etwas, was in Bäckereien, Kneipen oder Friseurläden jeden Tag praktiziert wird – ohne infantiles Facebook-Werbesprech.

Nihilistisch im Sinne von Nietzsche ist das doch überhaupt nicht. Es geht eher um meine scheinbar naive Vorstellung von Kundenzufriedenheit. Scheint aber wohl bei Braatz nicht richtig angekommen zu sein. Was meint Ihr? Vielleicht löst Ihr auch das Nietzsche-Rätsel.

Update:

Das Nietzsche-Rätsel ist immer noch nicht gelöst in der Fortsetzung unserer kleinen Google Plus-Debatte:

https://twitter.com/ratingwissen/status/456829259101655041

Vernetzungsstress: Supergeiler Kundenservice im Social Web? #Bloggercamp.tv-Sendung am Mittwochnachmittag

Call Center sind alles andere als social, so die wenig überraschende Feststellung von Michael Sann von brightONE.

„Social Media mit uninformierten, unterbezahlten Agenten zu kombinieren, ist zum Scheitern verurteilt. Für Social Media gilt noch mehr als für traditionelle Kundenkontakte: die Zitrone ist ausgepresst! Die Beantwortung dieser Kontakte erfordert qualizierte Mitarbeiter mit Insiderwissen, die die Sprache und Ausdrucksweise des Kunden spiegeln können.“

Und noch wichtiger und für viele Unternehmen eine unangenehme Tatsache. Es spielen sich im Social Web zwischen Kunde und Unternehmen keine abgeschotteten 1 zu 1-Kontakte ab.

„Der Kundenbetreuer wird zum Moderator von Diskussionen und zum Mediator von Konflikten“, schreibt Sann.

Und zum Botschafter oder gar Pressesprecher seines Unternehmens. Der Schritt vom Korsett der Skriptorientierung des Call Center-Agenten zum öffentlichen Kundendialog sei enorm, bestätigt der Berater Daniel Backhaus.

Nur die wirklich guten Agenten seien intellektuell für Social Media geeignet. Entsprechend höher müsse die Bezahlung dieser Mitarbeiter ausfallen. Social Media-Agenten müssten in der Öffentlichkeit im Namen der Marke kommunizieren. Eine Domäne, die bislang der PR- und Marketingabteilung vorbehalten war.

Das ist aber nur ein winziger Aspekt, wenn es um die Vernetzungsintelligenz im Kundenservice geht. Warum platzieren Firmen nicht auch die Vorstände und weiteren Führungskräfte in die erste Sitzreihe von sozialen Medien, um mit Kunden, Journalisten und Interessenten zu diskutieren? Warum pflegt man nicht virtuelle und offene Gesprächsrunden via Livestreaming-Dienste mit Interaktion über Facebook, Twitter und Google Plus? Warum unternimmt kaum eine Firma den Versuch, virale Netzwerk-Effekte auch im Kundenservice auszulösen und sich nicht nur an irgendwelchen nett gemacht Werbefilmchen zu ergötzen, die supergeil in sozialen Medien funktionieren?

Warum gibt es keine Service-Apps, die den Titel „Persönlicher Concierge“ wirklich verdienen? Fragen über Fragen, die wir morgen in unserer Sendung diskutieren.

Diskutiert mit! Hashtag wie immer #Bloggercamp oder die Frage-Antwort-Funkiton von Google Plus benutzen. Man sieht und hört sich bei Bloggercamp.tv 🙂

Vernetzte Services für eine vernetzte Welt: ichsagmal-Gespräch

Gespräch mit Thomas Dehler, Geschäftsführer des Berliner Dienstleisters Value5. Start um 17:30 Uhr.

Das Interview ist eine Fortsetzung der Story zum Thema: NETZÖKONOMIE BRAUCHT VERNETZTE SERVICE-ORGANISATIONEN UND KEINE STARREN CALL CENTER-SILOS. Credo von Dehler:

„Zentralistisch geprägte Call Center-Organisationen passen nicht mehr in eine Landschaft, die von Vernetzung und Mobilität geprägt ist. Es fällt zunehmend schwerer, die besten Talente an einem Ort zu gewinnen. Die Rekrutierung von Mitarbeitern muss sich mit Verlegenheitslösungen über Wasser halten. Agenten stehen in Großraum-Büros unter einem enormen Leistungsdruck und reagieren häufig mit Ellbogen-Mentalität gegenüber Kollegen. Die Teamarbeit und der Wissensaustausch bleiben auf der Strecke – auch wenn in der Öffentlichkeit das Gegenteil behauptet wird.“

Das passt gut zu einem Beitrag der SZ: Ein Hoch auf das Home-Office.

Der klassische Arbeitstag, der um neun beginnt und um 17 Uhr endet, sei ein Auslaufmodell, so die SZ. Auch in Tarifrunden gehe es nicht mehr allein um Geld oder darum, möglichst viel Freizeit auszuhandeln.

„Es geht immer öfter um menschenfreundliche Arbeitsmodelle. Um besseres Arbeiten für Ältere und um die Chancen der Jungen. Vielleicht wollen die Älteren weniger Stunden am Tag arbeiten, weil sie nicht mehr so kräftig sind. Vielleicht wollen Jüngere mehr arbeiten, weil sie sich leistungsstark fühlen. Für solche Bedürfnisse müssen Lösungen her, auch die Gewerkschaften sind da gefragt“, so die SZ.

Es geht auch um Vertrauen. Arbeit in den eigenen vier Wänden wird immer noch misstrauisch betrachtet, wie die Yahoo-Chefin Marissa Mayer zum Start ihrer Amtszeit unter Beweis stellte. „Ich sitze im Büro meines Unternehmens, also arbeite ich.“

So sehen es immer noch viele Entscheider in der Wirtschaft.

„Nun, so misstrauische Chefs sind von vorgestern. Bei der Arbeit im Home-Office geht es nicht darum, dass die Leute zu wenig arbeiten. Das Gegenteil ist meist der Fall“, so die SZ.

Man vertrödelt vielleicht weniger Zeit mit der Imitation von Arbeit gegenüber Arbeitskollegen. Auch am Arbeitsplatz des Arbeitgeber ist es möglich, in der Nase zu bohren oder seine Zeit beim Schwätzchen mit anderen Mitarbeitern zu verbringen.

All das werde ich heute mit Thomas Dehler besprechen, denn seine Firma praktiziert schon seit fast zehn Jahren flexible Arbeitsmodelle.

Übrigens ist die Planung von Livestreaming-Sessions bei Google Plus sehr viel einfacher geworden, wie Hannes Schleeh in seinem Blog erläutert.

Bislang bekam man den Einbettungscode für das Livestreaming erst kurz vor dem Start der Hangout on Air-Session. Das hat Google jetzt verbessert. Ein Segen für die Verbreitung von Gesprächen und Kongressen, die direkt ins Netz übertragen werden:

„Der Iframe steht sofort auch für Sendungen weit in der Zukunft schon zur Verfügung. YouTube / Google zeigt dann ein leeres schwarzes YouTube-Fenster auf dem Blog an. Wenn man darauf klickt wird einem der Countdown bis zum Beginn der Sendung angezeigt“, schreibt Schleeh.

Über die Q & A-Funktion, die man bei der Terminierung der Sendung aktiveren kann, können im Vorfeld des Livestreamings Fragen gestellt werden. Auch sehr löblich. Das steigert die Interaktion!

Also wer für die Gesprächsrunde um 17:30 Uhr Anmerkungen und Fragen hat, kann das hier loswerden. Während der Live-Übertragung ist das natürlich auch möglich – das war schon vorher so.

Social Media-Mimikry der Unternehmen: Ich habe Prozesse, also bin ich

Erwachsene Branche mit Tools, Prozesse und so.
Erwachsene Branche mit Tools, Prozessen und so.

Angeblich wird die Social-Media-Branche erwachsen und weist derzeit fünf große Trends – von Communities, über eigene Abteilungen bis hin zu Social CRM – auf. So steht es zumindest in einem Fachbeitrag für gruenderszene.de.

„Durch Social Media hat sich die Art, wie Unternehmen das Internet nutzen, stark verändert. Das Bild des sendenden Unternehmens und des empfangenden Konsumenten hat sich gewandelt. So haben sich die Unternehmen angepasst und sind dorthin gegangen, wo der Kunde ist“, schreibt die Autorin Susanne Rump.

Der Dialog zwischen Usern und Unternehmen rücke im Social Web immer stärker in den Mittelpunkt und wird zum entscheidenden Kanal (was für ein Kanal?). E-Mail und Telefon werden gerade bei der jüngeren Zielgruppe immer unbeliebter. Zustimmung. Aber mehr Übereinstimmung gibt es zu diesem Beitrag nicht.

Dann folgt der übliche semantische Brei über Analyse-Software, Kundenverhalten beobachten über Monotoring-Tools, Social-CRM und ganz wichtig: Prozesse. Ich habe Prozesse, also bin ich.

Der Publizist Gunter Dueck hat das in einem Vortrag in Bonn herrlich auf die Schippe genommen:

Rump aber folgt schön der Leimspur des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW):

„Wachsende Budgets und mehr Investitionen etwa in Tools, die nicht nur zur Erfassung und zur Messung dienen, sondern auch mehr Professionalisierung des Dialogs durch Community-Management-Tools bieten, sind die Folge. ‚Die Zeit der Experimente ist vorbei‘ sagt der BVDW, und so hält die harte Währung der KPIs Einzug. Messbare Größen und definierte Kennzahlen, geregelte Prozesse und speziell geschulte Mitarbeiter, unternehmensbereichsübergreifende Projekte und die Integration in bestehende Prozesse – Social Media ist angekommen.“

Geregelte Prozesse? Solche Formulierungen machen vor allem die Controlling-Gichtlinge der Unternehmenswelt glücklich – mehr auch nicht.

Aber an einer Stelle des Beitrages möchte ich massiven Widerspruch anmelden:

„Unternehmensbereiche jenseits von Marketing und Sales entdecken allmählich das Social Web für sich – sei es die Personalabteilung, der Einkauf, die Marktforschung oder auch die Produktentwicklung.“

Knöpfen wir uns mal die Personalabteilungen vor und rufen uns das ins Gedächtnis, was Professor Peter Wippermann im ichsagmal-Interview ausführte:


In Deutschland könne man die Rückständigkeit als vernetzte Ökonomie relativ simpel überprüfen.

“Man muss sich nur das Personalmanagement anschauen. Alle großen Unternehmen sind in irgendeiner Weise im Web 2.0 aktiv. Entweder in den branchenspezifischen Angeboten wie Xing oder LinkIn oder auf Portalen wie Facebook. Aber 64 Prozent der deutschen Mitarbeiter in Personalabteilungen schauen nicht ins Internet. Die Betreuung der Web-Angebote läuft nicht über die Personalabteilung, sondern über PR, Marketing oder IT. Das macht deutlich, dass wir ganz am Anfang stehen”, erläutert Wippermann.

Wobei natürlich Personalmanager auch ins Internet schauen. Es wird aber nicht aktiv als tägliches Werkzeug für die Arbeitsorganisation eingesetzt. Den Lippenbekenntnissen nach außen folgen keine Taten nach innen. Technisch sei die Reise relativ klar vorgezeichnet, sagt Wippermann. Es gebe in den Organisationen große Widerstände, die allerdings öffentlich nicht zugegeben werden.

“Man verteidigt ein System der arbeitsteiligen Industriekultur mit einer Kommunikation, die Top-Down verteilt wird und nicht interaktiv ist. So lange wir noch von Neuen Medien und den Herausforderungen des Internets sprechen, wird es noch weitere 20 Jahre dauern, bis sich unsere Kultur umgestellt hat.”

Bestätigung erfährt die Einschätzung von Wippermann durch Björn Braune, der gerade mit einer ungewöhnlichen Selbstinszenierung zur Jobsuche via bjoernstarter.de für Schlagzeilen sorgt.

Der klassische Peronalmanager könne mit dem Social Web schlichtweg nichts anfangen, sagte Björn im Bloggercamp.tv-Interview.

Sie verstehen auch nicht seinen Webauftritt.

„Für mich dient das als Filter. Mit diesen Leuten komme ich nicht ins Gespräch. Und das gilt auch umgekehrt.“

In solchen Organisationen findet er keinen Platz und strebt das auch gar nicht an. Er schließt die Unternehmen mit einer alten Arbeitskultur bewusst aus. Nach dem Motto: Wenn ein Job für mich interessant ist, wird er mich finden.

Ein Modell, das sich nach Einschätzung von Björn Braune immer stärker ausbreiten wird. Insofern bekommen die hierarchisch geführten Unternehmen – und das ist die große Mehrheit – immer mehr Probleme, die Talente mit digitaler Kompetenz an sich zu binden. Mit oder ohne vermeintliche Social Media-Prozesse.

Susanne Rump und Vertreter des BVDW sind übrigens herzlich eingeladen, ihre Thesen in Bloggercamp.tv zu diskutieren. Da gilt aber das gesprochene Wort, ohne Tools, Sprachregelgungen und Freigabeschleifen.

Siehe auch:

The Björn: Online-Bewerbung mit gesunder Portion Selbstironie

Altes Wissen für neue Technologien

Die neue Welt kann nicht sein ohne die alten Fertigkeiten
Die neue Welt kann nicht sein ohne die alten Fertigkeiten

Je höher die Innovationsgeschwindigkeit ist, desto weniger veraltungsanfällig sind alte Lebensformen, so die überraschende Feststellung des Philosophen Odo Marquard. Die moderne Wandlungsbeschleunigung würde selber in den Dienst der Langsamkeit treten. So sollte man sich beim modernen Dauerlauf Geschichte – je schneller sein Tempo wird – unaufgeregt überholen lassen und warten, bis der Weltlauf – von hinten überrundend – wieder bei einem vorbeikommt. Gerade die neuesten Technologien benötigen die alten Fertigkeiten und Gewohnheiten. Unsere Arche Noah im Umgang mit der Überinformation sei eine alte Kunst: der Rückgriff aufs Mündliche. Das war schon zur Zeit des Buchdrucks so.

„Wir werden künftig mitnichten dauernd vorm Bildschirm sitzen, sondern – je mehr datenspendende Schirme flimmern – wir werden fern vom Bildschirm im kleinen oder großen Gesprächskreise mündlich jenes Wenige besprechend ermitteln, was von dieser flimmernden Datenflut wichtig und richtig ist“, schreibt Marquard in seinem überaus klugen Essay „Zukunft braucht Herkunft“.

So bleiben die schnellen Informationsmedien zähmbar und in der Reichweite der langsamen Menschen. Auch die neue Welt kommt ohne die alten Fähigkeiten nicht aus. Jedes Medium rücke verdrängte Effekte oder Eigenschaften wieder in den Vordergrund. Marshall McLuhan hat das in seiner Tetrade am Beispiel des Radios dokumentiert: Es stellt das gesprochene Wort wieder in den Vordergrund. Ähnliches vollzieht sich in der Videokommunikation. Auf Facebook, Twitter oder Blogs dominiert wieder das geschriebene Wort. Das spielt einem wortmächtigen Autor wie dem ehemaligen WDR-Hörspielchef Wolfgang Schiffer in die Karten, der mit seinem Literaturblog „Wortspiele“ in kürzester Zeit für Aufmerksamkeit sorgte.

Die Renaissance der Verschriftung im Kundenservice bestätigt das. Wo dumme Call Center-Anbieter vom Markt gefegt und in die Insolvenz getrieben werden, entdeckt man alte Fähigkeiten mit überraschenden Vorteilen. Die Kundenanfrage über eine Hotline ist anonym und garantiert nicht, auf den richtigen Experten zu treffen. Läuft die gleiche Anfrage in schriftlicher Form über Twitter, Facebook oder über eine Online-Community, dann kann sie gesichtet und gezielt an den Spezialisten weitergegeben werden. Im technischen Service eines größeren Heizungsherstellers sind das Meister, Techniker und Ingenieure, die speziell für das Social Web geschult werden. Die beantworten auch Fragen auf Facebook und eben nicht das Marketingteam. Effekt: Viele Fragen werden gar nicht mehr gestellt, da die Antworten auf den Social Web-Präsenzen des Unternehmens schon abrufbar sind – andere Kunden hatten das gleiche Problem und eine Lösung liegt für die Crowd vor.

Altes Ingenieurswissen up to date

Selbst beim Umgang mit Datenbanken ist altes Können gefragt. Egal, wo Daten abgelegt und organisiert werden. In Fragen der Systemsoftware braucht man immer noch Kenntnisse der alten Programmiersprachen, um die Migration der Daten in andere Umgebungen erfolgreich abzuschließen. Auch die radikale Umstellung und Konvergenz von Fernsehen, Telefon, Videokonferenzen oder Musikdienste auf das Internet-Protokoll ist kein profaner Vorgang, der ein- und ausgeschaltet werden kann wie ein Lichtschalter, so die Erfahrung des Netzwerkspezialisten Bernd Stahl von Nash Technologies.

So genannte All-IP-Netze benötigen einen sanften Übergang von der alten analogen in die digitale Welt.

„Um das zu realisieren, muss man beide Welten gut verstehen. Entsprechend ist auch das alte Systemwissen der Telekommunikation mehr denn je gefragt, wenn es um Ausfallsicherheit und dergleichen mehr geht“, bestätigt Stahl im ichsagmal-Interview.

Ausführlich nachzulesen in meiner heutigen The European-Kolumne: Zurück in die Zukunft.

Siehe auch:

Telekommunikationsnetze im Übergang – Vom Telefon zum intelligenten Allzwecknetz.

Auch bei der Abwehr von Smartphone-Dieben sind „alte“ Fähigkeiten gefragt 😉

Rückbesinnung auf wirklich lokale Berichterstattung wäre auch nicht schlecht.

Man könnte auch noch die Makers-Bewegung nennen, die alte Manufakturen wieder belebt – allerdings mit anderen Technologien.

Habt Ihr weitere Beispiele für „neu braucht alt“ parat?

Auto mit Flügeln ist noch kein Düsenjet: Über die Online-Strategien des Handels

Welche Zukunft hat der stationäre Handel?
Welche Zukunft hat der stationäre Handel?

Online-Geschäft und stationärer Handel greifen angeblich immer besser ineinander. Immer mehr Anbieter würden die unterschiedlichen Vertriebskanäle miteinander verknüfen, um den Kunden ein durchgängiges Einkaufserlebnis zu ermöglichen. Wie im vergangenen Jahr auch, wird der IBM Omnichannel Maturity Index 2013 vom Elektronik-Fachhandel mit Conrad auf dem ersten Platz angeführt, doch die Abstände werden enger: Warenhäuser und Mode schließen auf, allerdings bietet das Fashion-Segment immer noch ein eher uneinheitliches Bild. Der Lebensmittelhandel hinkt aufgrund der geringen Brutto-Margen und der hohen Logistikanforderungen nach wie vor hinterher.

„Die Kunden differenzieren immer weniger zwischen Online und Filiale“, sagt Roland Scheffler, Partner in der Strategieberatung bei IBM Global Business Services.

Stationäres Geschäft und Online-Handel müssten sich deshalb ergänzen und können sich im besten Fall auch gegenseitig beflügeln. Ein nahtloses, durchgängiges Kundenerlebnis sei dabei wichtig für den Erfolg. Kanalübergreifende Kundenbindungsprogramme gehörten dazu. Sie werden derzeit jedoch von weniger als der Hälfte (47 Prozent) der untersuchten Unternehmen eingesetzt.

Auch in diesem Jahr schnitten die großen Elektronik-Händler am besten ab, mit Abstand führend bleibt Conrad. Das Unternehmen erreichte mit 82 Prozentpunkten (Saturn: 66 Prozent, Media Markt: 64 Prozent) die höchste Punktzahl. Insgesamt fünf der besten zehn Unternehmen kommen aus diesem Segment.

Generell trägt der Handel auch dem Trend zum Mobile Business Rechnung: Über eine mobile App verfügen 56 Prozent (Vorjahr 41 Prozent) der untersuchten Unternehmen, eine mobile Website bieten 63 Prozent (Vorjahr 47 Prozent). Mobile Bestellungen sind bei 32 (App) beziehungsweise 54 Prozent (mobile Website) möglich.

Insgesamt kommen die Autoren der Untersuchung zu dem Schluss, dass es bei der Entwicklung integrierter Handelskonzepte nicht den einen „Königsweg“ gibt:

„Wir beobachten, dass die klassischen Filialisten ihre Online-Kompetenz rasch erweitern und die ehemaligen reinen Online-Händler zum Teil sehr erfolgreich ein Filialnetz aufbauen“, behauptet IBM-Mann Scheffler.

Ich sehe das nicht so – zumindest beim stationären Handel sehe ich den Wandel nicht. Auch nicht bei den zitierten Elektronikketten.

„Wenn sie Flügel an ein Auto montieren, wird es trotzdem kein Düsenjet werden. Es geht eben nicht um den Wettbewerb der Vertriebswege, um Omni-Channel. Am Markt entscheidet das Businessmodell. Der Kampf verläuft zwischen Product Centricity gegen Consumer Centricity. Die von IBM ausgelobten Branchensieger, wie Conrad, Saturn und Mediamarkt kämpfen nicht miteinander um ein Omni-Channel-Maturity-Ranking,
sondern um Konsumenten. Ihre Herausforderer halten sich nicht an traditionelle Branchen- und Landesgrenzen um Kunden zu gewinnen, sie organisieren und optimieren Beziehungen und verkaufen nebenbei Produkte. Es handelt sich um die Unternehmen der Netzwerkökonomie, wie Amazon, Ebay, Google und vielleicht auch einmal Zalando“, kommentiert Trendforscher Professor Peter Wippermann.

Ähnlich kritisch kommentiert Smart Service-Blogger Bernhard Steimel den Befund von IBM:

„Omnichannel ist hier nur eine weitere Worthülse. Entscheidend wird sein, ob Unternehmen bereit sind, konsequent ihre Prozesse auf den Prüfstand zu stellen und auf Einfachheit, Durchgängigkeit und Konsistenz zu trimmen.“

Multichannel, Cross Channel und jetzt Omnichannel kaum ein Kraut ist gegen die Vergesslichkeit der meisten Unternehmen gefeit.

Die Unternehmen seien zwar auf vielen Kanälen auf Sendung gegangen, ohne die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass man die Kunden entlang dieser Kontaktpunkte wiedererkennt und ihnen ein konsistentes Service-Erlebnis vermittelt.

„Diese Digitale Demenz wird meines Erachtens bis 2020 zum strategischen Wettbewerbsnachteil, wenn der Typus des digital vernetzten Kundens nicht die Ausnahme, sondern der Regel sein wird“, so Steimel.

Wie seht Ihr das? Hat der stationäre Handel in Deutschland wirklich den Amazon-Gong schon gehört und die richtigen Konsequenzen gezogen?

Würde gerne zu dieser Frage ein paar Hangout-Interviews machen. Wer interessiert ist, sollte sich bei mir melden.

„Vous êtes mon ami“: Die Kempelen-Wundermaschine und Sprachdialog-Systeme für Kundenservice #gforce13

Kempelen und die Sprechmaschine

Wird über Sprachautomatisierung debattiert, fallen sicherlich jedem Konsumenten sofort eine Reihe nerviger Hotline-Ansagetexte ein, die den Blutdruck in Wallung bringen. Legendär hat das der Werbefilm von Yello Strom auf die Schippe genommen mit dem roboterhaften Obstverkäufer: „Interessieren Sie sich für unsere Bananen, sagen Sie ‚Bananen’……“

Den Forschungsarbeiten für die künstliche Nachahmung menschlicher Stimmen wird das nicht gerecht. So war schon im 18. Jahrhundert der Hofkammerrat Wolfgang von Kempelen unter Maria Theresia und ihres Sohnes Joseph II. davon beseelt, eine Sprechmaschine zu erfinden, die dem Menschen nützt: Der aufklärerisch gesinnte Beamte konstruierte einen Apparat, der gehörlose Menschen zur Lautsprache führen konnte. Die Maschinen-Sprache sollte nicht nur hörbar, sondern vor allem für das Auge verständlich werden.

Kempelen äußerte sich optimistisch, „dass die Maschine ohne sonderliche Kunst mit Tasten, wie ein Klavier oder eine Orgel einzurichten wäre, dass Spielen auf derselben, gegen die dermalige Art Jedermann viel leichter fallen würde“, berichtet 1792 das „Magazin für das Neueste aus der Physik und Naturgeschichte“ (Band 8, Seite 101). Das mechanische Stimm-Wunder funktionierte sogar polyglott und beglückte das staundende Publikum mit Sätzen wie „vous êtes mon ami – je vous aime de tout mon Cœur“. Es glänzte auch in lateinischer Sprache: „Leopoldus Secundus – Romanum Imperator – Semper Augustus“.

Forschung im 18. Jahrhundert

Die Idee, dass ein lebendiger Organismus nach physikalischen Gesetzen funktioniert und prinzipiell mit Mitteln der Mechanik simuliert werden kann, war spätestens seit dem 17. Jahrhundert nicht länger unklar und verdächtig, sondern wissenschaftliche Hypothese. Die Pionierarbeit von Kempelen wirkte bis ins 20. Jahrhundert auf Persönlichkeiten wie Charles Babbage, dem „Father of computing“, Homer Dudley, der den Voice Operation Demonstrator (VODER) baute oder auf Mathematiker wie John von Neumann und Norbert Wiener, die sich mit Sprache und Logik beschäftigten.

Durch die Sprachsteuerung per Computer ist die mechanische Kempelen-Konstruktion heute nicht mehr relevant.

„Wissenschaftsgeschichtlich jedoch ist es nach wie vor von Bedeutung, ebenso seine Ansichten und seine philosophische Betrachtungsweise“, erläutert die Kempelen-Expertin Alice Reininger von der Universität für angewandte Kunst in Wien.

G-Force in Wien

Die natürliche Sprache zur Steuerung von Geräten, beim Diktieren von Texten und zur Abfrage von Standardinformationen zu nutzen, ist längst Realität und funktioniert erstaunlich gut, auch wenn viele Hotline-Betreiber immer noch auf die veralteten Tastenwahl-Systeme „Drücken Sie die 1, 2 oder 3“ setzen.

„Viele Firmen haben die Kosten gescheut und sich auf das Drücken von Knöpfchen konzentriert. Aber immer mehr entscheiden sich für Sprachdialog-Systeme. Der Kunde erwartet personalisierte Services. Und wenn er dann schon mit der einer Maschine reden soll, dann sollte es auch zu Ergebnissen führen. Beim Knöpchen drücken ist das eben nicht der Fall, weil die dahinter liegende Struktur ein Spiegel der inneren Organisation des Kundendienstes ist“, erläutert Heinrich Welter von HFN Medien auf der Technologiekonferenz G-Force in Wien.

In welches Schubfach der Anbieter welchen Service gelegt hat, könne der Kunden bei den alten Systemen nur mit einem Ratespiel beantworten.

„Bei einer Sprachdialog-Anwendung kann ich das konkreter äußern. Ich habe ein Problem mit dem Rechnungsbetrag oder der Rechnungsadresse oder mit der Rechnung generell. Bei den Tastenkombinationen kann man das nicht genau eintüten“, so Welter.

Sprachsteuerung werde immer populärer durch die Erfolge von Apple und Google.

„Die Spracherkennung ist wesentlich besser geworden. Die Hardware ist mittlerweile nicht mehr so teuer und auch die smantischen Analyseverfahren, um den Sinnzusammenhang von Sprache zu deuten, wurden verfeinert. Auf dieser Basis gibt es jetzt Standard-Angebote, die für die Unternehmenswelt erschwinglich sind – ohne großen Schulungs- und Anpassungsbedarf wie früher“, betont der Service-Experte.

Mit dem Voice Content Management sei das ohne Expertenwissen beherrschbar – ohne das Gängelband der Tastenwahl. Interessante Einsatzmöglichkeiten sieht Welter bei der mobilen Kommunikation über Applikationen – etwa die Identitätsüberprüfung via Stimme. Auf Passworte könne man dann verzichten:

„Ist die Überprüfung abgeschlossen kann ich meiner App über die Sprachsteuerung sagen, was sie machen soll. Das ist bei kleinen Geräten mit den Beschränkungen der Tastatur ein großer Vorteil und erleichtert die Navigation.“

Generell gebe es noch sehr viel Nachholbedarf, die Personalsiierung in der Werbung und im Service zu einem echten Erlebnis zu machen.

Das zog sich wie ein Roter Faden durch die Sessions der diesjährigen G-Force in Wien.

G-Force Session in Wien

Besonders in der Service-Kommunikation hapert es immer noch am Wissensmanagement, um an jedem Kontaktpunkt das gleiche Kundenerlebnis hervorzubringen und die Silos der internen Organisation abzubauen, so das Credo von Genesys-Vorstandschef Paul Segre.

Das mechanische Kempelen-Meisterwerk kann man übrigens im Deutschen Museum in München bewundern.