Ob jetzt die Google-Kampagne gegen das Leistungsschutzrecht klug ist oder nicht, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter kommentieren. Ändert ja eh nichts mehr. Pharisäerhaft finde ich die gekünstelte Empörung über den Suchmaschinen-Gigant, der seine Marktmacht für öffentliche Kampagnen missbraucht. Da brüllen ja die richtigen Salon-Löwen. Eine Melange der Springer-Döpfner-Keese-Lobbyisten-Gesetzgebungsantreiber übt sich in einer perfiden Agitation nach dem Muster “Haltet den Dieb”. Gewichtige Kritik am Gesetzentwurf lassen die die Gralshüter des Qualitätsjournalismus so ganz nebenbei unter den Tisch fallen. Dafür rauscht seit Monaten im redaktionellen Teil eine Kampagne nach der anderen durch den Blätterwald. “Mein Kopf gehört mir” und so weiter…..
Die Argumentation der liebwertesten Leistungsschutz-Gichtlinge ist so simpel wie bei eingeschaltetem Verstand fragwürdig, berichtet das Medienmagazin dwdl:
“Google verdiene ja Geld mit journalistischen Inhalten der Verlage. Gemeint sind jene kurzen Anreißer-Texte in den Suchergebnissen von Google und Google News. Man scheint bei den Verlagen keinerlei Vertrauen in die eigenen Inhalte zu haben, sonst müsste man sich kaum darum sorgen, dass die Leser sich mit diesen Info-Häppchen in der Suchübersicht von Google zufrieden geben würden. Aber eine ohnehin schon durch den verminderten Mehrwertsteuersatz staatlich subventionierte Branche, die seit Jahren mehrheitlich das Jammern und Klagen perfektioniert statt mit Leistungen zu überzeugen oder gar zu begeistern, ist sich zur Rechtfertigung eines Leistungsschutzrechtes nicht zu schade, journalistische Grundwerte über Bord zu werfen. Willkommen in der Propaganda eines Print-Kartells – und kaum jemand empört sich hörbar öffentlich, weil die veröffentlichte Meinung abgesehen von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und wenigen unanhängigen Bloggern und Online-Journalisten zum Kartell gehört.”
Was so alles unter der Decke bleibt, hat Stefan Niggemeier eindrucksvoll zusammengefasst. “Lügen fürs Leistungsschutzrecht.”
Warum werden eigentlich die Redakteure in den so genannten Qualitätsmedien angehalten, für die Online-Ableger ihrer Publikationen möglichst google-optimiert zu schreiben?
Sie werden angehalten, die richtigen Schlagworte in der richtigen Häufigkeit einzusetzen. Nur so schnellen die Zugriffe auf Artikel hoch und erzielen die gewünschte Aufmerksamkeit. Was zahlen eigentlich die Verleger für die Dienste von Google, die sie jeden Tag bislang kostenlos in Anspruch nehmen?
Wenn nun die Verleger Google zur Kasse bitten, könnte ich es verstehen, wenn der Suchmaschinen-Konzern den Spieß umdreht. Werden die Anreißer-Texte nicht mehr eingeblendet, brechen die Klickraten ein. Das Leistungsschutzrecht wird das Siechtum der Verlage sogar noch beschleunigen. An den strukturellen Defiziten ändert das nichts – sie werden eher konserviert und verlangsamen den Wandel, wie es Wolfgang Münchau in seiner Kolumne “Tod der Verleger” ausführte.
“Springer-Chef Matthias Döpfner beschwor neulich in der Welt ‘gute Zeiten für Verleger, die Wachstum gestalten wollen’. Ich sehe das ganz anders. Die Krise ist eine fantastische Gelegenheit für neue Medienunternehmer, aber nicht für ihn und andere Großverleger vergangener Zeiten. Das hat nichts mit der Qualität des Managements zu tun, sondern ist eine Frage ökonomischer Logik. Das ‘Internet als Chance für Verleger’ gehört – nach dem Satiriker H.L. Mencken – in die Kategorie von Thesen, die hübsch, plausibel und falsch sind.”
In den analogen Zeiten hätten sich die Verleger mit ihren Zeitungen und Magazinen dumm und dusslig verdient. Das digitale Zeitalter habe dieses Geschäftsmodell vollständig zertrümmert. Die Prozess sei mit einfacher mikroökonomischer Logik erklärbar.
“Zum Ersten sind die Eintrittsbarrieren verschwunden. Mit Plattformen wie WordPress kann jeder sein eigenes Blog, sogar bescheidene News-Webseiten gestalten. Mit Open-Source-Redaktionssystemen kann man mit geringem Aufwand die komplexesten Websites managen. Für wenige Tausend Euro und ein bisschen Fantasie kann man ein Online- und Mobilangebot hinbekommen, das denen fast aller deutscher Verlage überlegen ist. Die meisten quetschen immer noch ihre analogen Inhalte auf die Website oder auf das iPad, anstatt die kommunikativen Möglichkeiten auszunutzen, die diese neuen Medien bieten. Mit der Extrem-Absenkung der Eintrittsbarrieren verschwand das Oligopol der Verlage in kürzester Zeit. Außenseiter wie die Huffington Post überrundeten in den USA jahrhundertealte etablierte Organisationen wie die New York Times. Die Neuen haben ein von Grund auf multimediales Internetkonzept kreiert”, so Münchau.
Große Verlage seien weniger flexibel in der Ressourcenallokation.
“Ihre relative Größe ist heute kein Wettbewerbsvorteil mehr. Meine eigene Erfahrung mit Verlagsmanagern gerade in Deutschland ist, dass sie vorwiegend analog gestrickt sind. Wenn ich lese, dass ein Verlag sich damit brüstet, massiv in das Internet zu investieren, dann erahne ich ein massives Missverständnis: Der analoge Mensch sieht das Internet als einen weiteren Vertriebskanal für analoge Produkte”, führt der FTD-Kolumnist weiter aus.
Kommt mir irgendwie bekannt vor. Sagen die Manager in der Service-Industrie auch immer. Mit Kanälen ist in der digitalen Welt aber nichts mehr zu machen:
“In digitalen Medien sind Informationen aufteilbar. Die alte Zeitung war, technologisch bedingt, eine Art große Koalition aus Politik, Wirtschaft, Feuilleton und Sport. Die meisten Leser legen immer sofort mindestens zwei Teile einer solchen Zeitung weg, obwohl sie dafür bezahlt haben. Die Katze im Sack ist im Internet unverkäuflich, weil es genügend Katzen außerhalb der Säcke gibt”, meint Münchau.
IBM und Kodak seien zwei entgegengesetzte Beispiele dafür, wie man sich aufgrund einer monumentalen Marktverschiebung anpasst. Kodak gehe gerade den Bach runter, weil es auf sein Geburtsrecht des Marktführers pochte, das es im digitalen Zeitalter nicht aufrechterhalten konnte. IBM verkleinerte sich und flüchtete in eine Reihe lukrativer Nischen.
“Nach meinen persönlichen Erfahrungen droht den deutschen Verlagen das Schicksal von Kodak”, resümiert Münchau.
Das Leistungsschutzrecht wirkt dabei wie ein Katalysator. Und tschüs.
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