Wann lernen Social Web-Dienstleister liquide Demokratie? Lehren aus dem Instagram-Fall

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Wie viel liquide Demokratie wagen die oligopolistischen Social Web-Dienstleister eigentlich? Etwa ein hochrangiger Marketing-Fuzzi von Google, der mich als akkreditierten Journalisten nach seinem Vortrag in der Pause anraunzt, meine Videoaufnahme seiner phrasenhaften und eintönigen Rede zu löschen, da er der öffentlichen Versammlung, die vorher öffentlich eingeladen wurde, irgendwelche Suchmaschinen-Staatsgeheimnisse auf langweiligen Bullshit-Bingo-Bullit-Points-Folien an die Wand geworfen hat. Schreiben dürfe ich über den Vortrag, aber bewegte Bilder müssen im elektronischen Papierkorb entsorgt werden – basta! Merkwürdig, so argumentieren eigentlich sonst nur die Generaldirektoren der Deutschland AG.

Gleiches gilt für die die Pressesprecherin von Facebook Deutschland, die sich nach Ausführungen von martONE-Blogger „zwar nicht selbst öffentlich zu Wort meldet und lieber in geschlossenen Gruppen kommuniziert, sowie nur einen ihr gefälligen Artikel der Computerwoche zitiert, der dann von zahlreichen Twitter-Vögeln (nicht despektierlich gemeint – wir sind doch alles Vögel) als ein Statement von ihr weitergeteilt wird“. Vielleicht hat die Kommunikationsdame einfach nur die falschen Vorbilder und orientiert sich mehr an der PR-Taktstock-Politik der Deutschen Bank oder an der geheimen Hinterzimmer-Kabinettspolitik von Fürst Metternich und Konsorten.

Wenn ich mir also über die neue Beteiligungskultur im Social Web die Finger wund schreibe, über die wachsende Macht der Kunden, über ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen Produzent und Konsument beim Crowdfunding, über die Notwendigkeit von ePartizipation bei Stadtplanungen, über liquide Demokratie in der Wirtschaftswelt, über die Ökonomie nach dem Prinzip „Teilen statt Herrschen“, dann kann ich Gleiches auch von den Social Web-Dienstleistern verlangen.

Und das gilt besonders für Veränderungen der AGBs und Nutzungsbedingungen. Es reicht eben nicht aus, wenn sich die Facebook-Tochter Instagram in knappen Worten an die Netzöffentlichkeit wendet und veränderte Geschäftsbedingungen ankündigt. Wie wäre es denn mal mit einem aktiven Dialog? Mit der Möglichkeit der Beteiligung? Mit einem Diskurs auf Augenhöhe? Warum macht man nicht ein Pressegespräch im Netz – ohne Sprachregelungen und ohne gezielte Einladungspolitik? Warum wird nicht zumindest eine Opt Out-Regel eingeführt (also die Möglichkeit zum Widerspruch, ohne gleich meine komplette virtuelle Existenz bei einem Anbieter löschen zu müssen)?

Bei aller berechtigten Kritik an der medialen Hysterie über die Fehlinterpretation der künftigen Ausrichtung des Fotodienstes, schließe ich mich der Schlussfolgerung von Zeit-Redakteur Patrick Beuth an: Nutzungsbedingungen und Datenschutz-Richtlinien sind nicht länger unbeachtete, lästige Pop-ups zum reflexartigen Wegklicken sind.

„Sie werden gelesen und ernst genommen. Und das ist eine gute Nachricht.“

Und auch überarbeitet und geändert, wie im Instagram-Fall.

Hiermit bestätige ich Google, Facebook, Apple, Microsoft und Co. eben nicht mehr, was sie mir an AGB-Diktaten unterjubeln wollen. Das wollen wir in der zweiten Session des Blogger Camps am 30. Januar von 19,30 bis 20,00 Uhr debattieren. Thema: Über die AGB-Diktatoren des Netzes.

Wer an der Gesprächsrunde, die live ins Netz via Hangout On Air übertragen wird, mitmachen möchte, sollte sich bei mir melden.

Ich setze also die Akzente etwas anders als Thomas Knüwer:

Instagram und die traurige Realität des Journalismus.

2 Gedanken zu “Wann lernen Social Web-Dienstleister liquide Demokratie? Lehren aus dem Instagram-Fall

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