
Am 11. September schrieb ich an den „Kundenservice“ von Base folgende E-Mail, die in ihrer Diktion eigentlich nicht missverstanden werden kann und einen höchst profanen Inhalt hat. Mein Sohn, der nun schon lange volljährig ist, möchte den Base-Vertrag für sein Smartphone, der bislang über mich läuft, übernehmen. Was für ein riesiges Kundenanliegen, liebwerteste Service-Gichtlinge des Mobilfunks. Diese Hängepartie läuft nun schon seit einigen Wochen. Deshalb schrieb ich dem Base-Kundenservice nun „noch“ eine freundliche Mail:
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor einigen Wochen habe ich für die Rufnummer XXX die Vertragsübernahme auf Herrn Constantin Sohn beantragt. Alle erforderlichen Dokumente und Anträge sind Ihnen per Post zugegangen.
Ich bitte um zeitnahe Mitteilung, wann die Umstellung erfolgt.
Gruß
Gunnar Sohn
Immerhin gut einen Tag später antwortet Base und belegt eindrucksvoll, dass nicht nur die von mir so häufig gescholtenen Hotline-Agenten unter Alzheimer leiden – in diesem Fall wohl eher eine chronische Leseschwäche. Und das klingt so:
Lieber Herr Sohn,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Gern haben wir Ihr Anliegen geprüft.
Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir um die Vertragsübernahme durchzuführen eine gut lesbare Kopie des Personalausweises und der EC-Karte benötigen. Diese beiden Nachweise waren in Ihrem letzten Brief leider nicht lesbar.
Dies wurde Ihnen auch als Antwort gesendet.
Wenn Sie noch Fragen oder Wünsche haben, melden Sie sich einfach unter der Rufnummer 1140*.
Wir beraten Sie immer gern.
Viele Grüße
Ihr BASE Team
Wir leiden nicht unter digitaler Demenz, Herr Spitzer, sondern unter Kundenservice-Demenz. Da kam bei mir natürlich wieder so eine Jura-Kaffeevollautomaten-Stimmung hoch. Meine Antwort folgte noch am selben Tag, also am 12. September. Seitdem kam von Base keine Antwort mehr.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Kopien von Personalausweis und EC-Karte waren sehr wohl gut lesbar. Eine andere Antwort haben Sie mir NICHT gesandt. Wie es heißt, soll es bei Ihnen gängige Praxis sein, Anträge auf Vetragsübernahmen mit dem Argument „nicht lesbaren Kopien“ in die Länge zu zögern. Anscheinend stimmt dies.
Ich fordere Sie nun letzmalig auf, die Vertragsübernahme durchzuführen. Die vorliegenden Kopien sind mehr als ausreichend. Ansonsten werde ich diese Art der Unternehmenspraxis journalistisch unter der Rubrik Servicebürokratie aufarbeiten. Etwa in meinem ichsagmal.com-Blog und in meinen Kolumnen über die Dienstleistungsökonomie.
MfG
gs
Letztere Ankündigung setze ich jetzt in die Tat um. Es ist ja nicht nur so, dass diese Angelegenheit nun schon seit Wochen in der Service-Warteschleife von Base verschimmelt, man wird auch noch als Kunde angelogen:
„Dies wurde Ihnen auch als Antwort gesendet.“

Diese Antwort ist vorher nie gesendet worden, liebwerteste Service-Gichtlinge von E-Plus-Base. Eure pharisäerhaften Textschablonen-Freundlichkeiten, die ihr in jedem Schreiben absondert, klingen deshalb wie Hohn und Spott:
Wenn Sie noch Fragen oder Wünsche haben, melden Sie sich einfach unter der Rufnummer 1140*.
Wir beraten Sie immer gern.
Man wird als Kunde schlichtweg verscheißert. Scheinbar steckt hinter dem Bürokraten-Regime bei Unternehmen wie Base ein wohl durchdachtes System. Wenn mir einer dieser nervigen Hotline-Werbeanrufe mit irgendwelchen Upgrade-Sonderaktion-Cross-Selling-alles-wird-jetzt-besser-schneller-und-preiswerter-Bundle-oder-sonstigen-Quatsch-Angebote ins Ohr geblökt wird, reicht ein profanes „Ja“ und die gesamte Vertragsumstellung verläuft unsichtbar wie von Zauberhand dirigiert.
Bei profanen Änderungen der Kontonummer, einer Umstellung des Vertragspartners oder gar einer Kündigung, beginnt ein undurchsichtiger Marathonlauf mit fast unüberwindbaren Hürden.

Motto: Irgendwann wird doch der nervige Kunde mit seinem umständlichen und nicht umsatzsteigernden Anliegen aufgeben und uns in Ruhe lassen. Wie das funktioniert, hat Spiegel-Warteschleifen-Spezialist Tom König in seinem Buch „Ich bin ein Kunde, holt mich hier raus“ in dem Kapitel „Kündige, wenn du es schaffst“ (Kaufempfehlung!!!!!) beschrieben: Auf der Reeperbahn könne man seinen Beruf in Aktion erleben, den es so kaum noch gibt: den des Koberers. Er steht vor irgendeinem Sexlokal und versucht, die vorbeiflanierenden Fußgänger anzukobern und für sein Etablissement zu begeistern.
„Ein guter Koberer vermittelt glaubhaft, man könne in die ‚Nasse Katze‘ ganz unverbindlich reinschauen – und sie bei Nichtgefallen jederzeit wieder verlassen. Sobald der Koberer den Kunden über die Schwelle bugsiert, muss Letzterer freilich erkennen, dass drinnen eine Überzahl leichter Mädchen und schwerer Jungs das Sagen hat. Klar darf er wieder gehen, aber erst nach dem Verzehr dreier Herrengedecke zu je 100 Euro. Es gibt auf dem Kiez nur noch ein paar Läden, die so operieren. Warum? Weil die meisten Koberer umgeschult haben. Sie arbeiten jetzt in den Vertriebsabteilungen diverser Versorger und Telekomfirmen.„
Der Vertragsabschluss funktioniert ganz easy per Mausklick oder mit dem von mir gerade erwähnten Hotline-Jawort; Kündigung oder Vertragsänderung ohne Upgrade-Gedöns nur auf handgemeißelter Marmortafel in fünffacher Ausfertigung.
Aus dem Plug-and-Play-Juhu-ein-neuer-Kunde wird dann schnell ein Internetausdrucker-Imperium. Wer nach stundenlanger Recherche auf der Website irgendwelche Button zur Vertragsänderung drückt, bekommt den Hinweis, folgendes Formular auszudrucken, Kopien beizulegen und das Ganze per Fax (????) oder Post an irgendeine Service-Wir-tun-alles-für-Sie-Adresse zu schicken. Wer hier versagt, wird vom Anbieter als geistig nicht zurechnungsfähig einsortiert oder als Lügner abgestempelt. Ähnlich verhält es sich ja mit den AGB-Orgien, bei der kein Kunde die Nerven hat, sich durch 100 Seiten Regelwerk zu arbeiten. Deshalb lügen wir bei jedem Klick auf das Feld „Ich habe die allgemeinen Geschäftsbedingungen sorgfältig gelesen und akzeptiere sie“.
Als Ergebnis kann uns wegen moralischer Vergehen der virtuelle Tod durch maximale Account-Löschung blühen – etwa bei den Cloud-Diensten von Microsoft. Nachzulesen in meinem Opus: Die erhängten Hühner der Witwe Bolte: Ein eindringlicher Brief an Steve #Microsoft #Ballmer.
Über die Kunden-Abschreckungsstrategie von Base und Co. möchte ich am Freitag etwas in meiner Kolumne für Service Insiders schreiben. Statements und auch Telefoninterviews (die ich morgen machen könnte) sind wie immer gefragt.
Ach ja, da bliebe ja noch die verweigerte Base-Vertragsumstellung. Ich werde diesen Vertrag wohl kündigen, auch wenn der mobile Saftladen jetzt Goldene Eier kacken sollte.
50.7327047.096311
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