In dieser Woche bin ich am Mittwoch und Donnerstag auf der Informare in Berlin (die Veranstaltung startet allerdings schon morgen, da muss ich allerdings noch einiges in Bonn in erledigen). Thema meines Kurzvortrages geht über Kopisten, Imitatoren und Kombinierer. Ich bin am letzten Konferenztag an der Reihe.
Erinnert sich noch jemand an die erste Versteigerung der UMTS-Lizenzen vor fast genau zehn Jahren und die Jubeltöne der TK-Branche? Der Champagner-Laune folgte bald der Katzenjammer. 50,8 Milliarden Euro spielte die Vergabe der Mobilfunklizenzen in die Kasse des Bundes. Vier Jahre später wurde klar, dass die Netzbetreiber nicht in der Lage waren, die enormen Ausgaben wieder zu Geld zu machen. Trotz der „Alles-wird-gut-Kommentare“ zu UMTS auf der 3GSM Summit in Cannes waren die Zeichen nicht zu übersehen, dass die Hoffnungen auf Erfolge und Geschäfte mit UMTS im Grunde ad acta gelegt wurden. Bis 2006 hatten es die Netzbetreiber und auch die Hersteller nicht einmal geschafft, attraktive und leistungsfähige Endgeräte bereitzustellen. Betreiber und Hersteller zerhackten sich damals mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Wo lag die Ursache für das UMTS-Debakel? Es existierten keine überzeugenden Dienste, die mobiler Datenverkehr mit höheren Bandbreiten auf einem Handy oder Smart Phone erfordern.
Als der große Run auf die UMTS-Lizenzen stattfand, träumte die Branche vom mobilen Surfen, Location Based Services und Navigationssystemen auf Smart Phones, mobilem Payment und vielfältigem M-Commerce. Außer den eher wenig erfolgreichen Versuchen, den japanischen i-Mode Service auch in Europa zu platzieren, war jeder Versuch, werthaltigen Content bereit zu stellen, bereits schon in der Produktentwicklung steckengeblieben. Display-Logos und Klingeltöne stellten den einzigen mobilen Content dar, für den bezahlt wurde.
Die grundlegenden Probleme der 3G-Netze waren nicht technischer Natur. Es fehlten nutzerfreundliche Endgeräte, smarte Dienstprogramme und Marketingideen. Die gesamte Telekommunikation hat mit wenigen Ausnahmen nie Inhalte bereitgestellt, sondern immer als Transportmedium fungiert und damit ihre Profite erzielt. Die stolzen Geschäftsmodelle für UMTS basierten aber substantiell auf Erlösen für Content. Der durchschnittliche monatliche Umsatz pro Subscriber im 3G-Netze wurde durchaus in Bereichen von 60 Euro und mehr angenommen. Das haben die Mobilfunker aber nie erreicht. Es zeichnete sich ab, dass genau das eintreten wird, wovor Experten schon vor Jahren gewarnt haben: wenn die Mobilfunkbranche es nicht schafft, das Nutzerverhalten und damit auch die alltäglichen Gewohnheiten der Anwender in Richtung mobile Anwendungen zu modifizieren, wenn die Mobilität sich nicht in den täglichen Bedürfnissen der Anwender und in ihren Lebensprozessen wiederfindet, bleibt der Mobilfunk im bloßen mobilen Telefonieren stecken und somit weiterhin ein Transportmedium. Für den Durchbruch von werthaltigem Content und profitablem m-Commerce im Mobilfunkmarkt zählen nicht die technischen Features der Handys, sondern überzeugende Anwendungen, die schnell die kritische Masse im Markt erreichen und dann einen Anwendungs-Standard bilden. Hier hat das Marketing der Mobilfunkbranche versagt. Und was passierte dann? Dann kam der 9. Januar 2007. Apple stellte der Öffentlichkeit einen Prototyp des iPhones auf seiner Macworld Conference & Expo in San Francisco vor. Was konnten wir dann lesen. Auf der Mobile World in Barcelona sprach man vom iPhone-Schock. „Mobilfunkhersteller und Netzbetreiber haben ihre Produkt- und Markenstrategie als Konsequenz aus dem iPhone-Schock im Grundsatz neu sortiert“, schreibt Georg Stanossek, Herausgeber des TK-Dschungelführers in der Ausgabe aus dem Jahr 2008.
Erst mit dem iPhone-Marktstart reden wir intensiv über 3G, Apps und Datendienste. Nicht umsonst spricht das Handelsblatt in einer fundierten Analyse von der iRevolution. Keine Frage: Das Apple-Handy ist Kult. Es ist nicht nur schick, es steht auch für Innovation, für einfache Informationstechnologie – und die künftige IT-Welt, das gesamte Netz-Angebot, alle Dienstleistungen auf einem Gerät.
Kein Stein bleibe in der IT-Industrie auf dem anderen, permante Veränderung ist das Wesen der neuen Technologien. Einfache und kostengünstige Entwicklerwerkzeuge sowie neue Vertriebsformen über das weltumspannende Netz schufen eine Ökonomie mit neuen Regeln, in gewisser Weise sogar eine neue Welt. Alte Grenzen wie die zwischen Telefonie und Computer oder Fernsehen würden sich auflösen, oder es gibt sie gar nicht mehr.
„Beste Aussichten auf eine führende Rolle in dieser neuen Welt hat die von Apple-Chef Steve Jobs mitgegründete Apfel-Marke. Chancen hat auch noch der Internetriese und Taktgeber Google. Abgeschlagen scheinen dagegen Giganten wie Microsoft oder Nokia. Der Kampf um die Vorherrschaft in der New Economy 2.0 gleicht einem Duell: dem zwischen Apple und Google, zwischen geschlossenen und offenen Systemen“, so das Handelsblatt.
Weltweit habe niemand so erfolgreich wie Apple das Zusammenwachsen – im Fachjargon Konvergenz – von Hardware, Software und Inhalten umgesetzt. „Als der frühere Computerpionier, gegründet von Steve Jobs und Steve Wozniak, 1997 kurz vor der Insolvenz stand, erzielte Apple Computer einen Umsatz von nur noch sieben Milliarden Dollar, nach elf Milliarden Dollar zwei Jahre zuvor. Apple stellte nichts her außer Computern mit tollem Design und mäßiger Technik“, führt das Handelsblatt weiter aus. Heute stehe Apple vor einem Jahresumsatz von über 50 Milliarden Dollar, bunkert 40 Milliarden Dollar liquide Mittel und hat den Namenszusatz „Computer“ offiziell aus seinem Namen gestrichen. Immer breiter werde das Portfolio der Apfelmarke, immer mehr Elemente der Wertschöpfungskette greift die Jobs-Company ab.
„Rund 30 Prozent des Umsatzes erzielt Apple heute mit Mobiltelefonen, mobile Musikplayer liefern weitere 19 Prozent, Medieninhalte über den iTunes-Store neun. Die eigenen Ladengeschäfte – weltweit über 200 – ziehen immer mehr Geschäft von freien Händlern ab. Jüngste Errungenschaft ist der App-Store, ein Online-Softwareshop für iPhone und iPad. Computer, die Wurzel des Unternehmens, machen dagegen nur noch 32 Prozent des Umsatzes aus“, so das Handelsblatt. Ist Steve Jobs nun ein Diktator, Konterrevolutionär und Content-Zensor? Er ist vor allem ein kreativer Zerstörer, wie aus dem Lehrbuch von Joseph Schumpeter: Er ist der perfekte vielleicht etwas zu perfektionistische Innovator, der permanent Technologien und Geschäftsmethoden auf den Kopf stellt und revolutioniert. Jobs kreiert nicht nur das Neue, sondern er organisiert es auch: „Um schnell zu sein, muss man so viele Zügel wie möglich in der Hand behalten — so wie Apple dies seit Jahren vormacht. Der Nachteil: zu viel Kontrolle, die ja auch in vielen Fällen zu Recht kritisiert wird. Der Vorteil: ein iPhone und ein iPad, das es immer noch nicht gäbe, wenn Steve Jobs so arbeiten würde, wie andere“, kommentiert der Design Thinking-Experte Andreas Frank vom Möglichmacher-Blog.
Das soll ihn nicht vor berechtigter Kritik schützen, wie bei der bigotten Kontrolle von vermeintlich sexualisierten Inhalten von Verlagen. Alles andere erscheint mir wie das Blöken der Kopisten, die selbst nicht in der Lage waren, neue Märkte zu schaffen. Sie werden heute wieder gebannt nach San Francisco starren und Steve Jobs auf der Apple-Entwickler-Konferenz WWDC an den Lippen hängen. Es ist wie bei der Hase-und-Igel-Fabel: Steve Jobs wird dann wieder verkünden: „Ick bin all hier!“ Und die Hasen laufen sich zu Tode.