Weltweit führender Wortmüll: Auf der Suche nach der Floskel des Jahres

In mehreren Beiträgen und Umfragen spürte ich in den vergangenen Monaten der populärsten Worthülse nach, die von Politikern, Beratern, Funktionären oder Managern abgesondert wird. Eine kleine Meldung in Welt kompakt hat mich jetzt noch einmal animiert, den Wortmüll des Jahres zur Abstimmung zu stellen: Da schreibt der Redakteur Jürgen Stüber über eine Trendbefragung von Scout 24, „einer führenden Unternehmensgruppe von Onlinemarktplätzen in Europa“. Sind die Scout-Leute Tabellenführer, Spitzenläufer im Marathon oder hat Stüber nur einfach die Pressemitteilung abgeschrieben, wo man in drei Absätzen mindesten fünfmal als Leser damit konfrontiert wird, was für ein weltweit führender semantischer Müll jeden Tag fabriziert wird? Der Web 2.0-Experte David Meerman Scott hat über dieses Phänomen ein „Kauderwelsch-Manifest“ veröffentlicht. Er verweist dabei auf eine Journalisten-Umfrage über die nervigsten Formulierungen in Pressemitteilungen:

Ganz oben auf der Liste steht „führend“ in unterschiedlichen Variationen (ein führender Hersteller von Socken, ein weltweit führender Anbieter von Nasenspray oder führend in der Produktion von Potenzmitteln). 94 Prozent der befragten Redakteure in den USA können das Wort „führend“ nicht mehr ertragen. Auf der Rangliste der Wut folgen idiotische Kreationen wie „Wir freuen uns,….“, „Wir sind zufrieden“ oder „Wir freuen uns wahnsinnig“.

Der Klassiker „Solutions“ (Lösungen) löst bei 68 Prozent der Umfrageteilnehmer allergische Reaktionen aus. Nicht fehlen dürfen proaktive Lückenfüller, Best Practices, Synergien im Aufstellen von Allgemeinplätzen, leere Blicke über den Tellerrand, Paradigmenwechsel beim Aussenden von schwachsinnigen Werbefloskeln und revolutionäre Innovationen bei der Produktion von heißer Luft.

Zum Jahresende sollten wir zu einem Urteil kommen über die Floskel des Jahres: Wer an der Umfrage teilnimmt, kann etwas gewinnen (bitte die E-Mail-Adresse unten angeben oder mir zusenden: gunnareriksohn@googlemail.com). Als Preis winkt diesmal das Buch von Markus Reiter, Die Phrasendrescher – Wie unsere Eliten uns sprachlich verblöden.

Siehe auch: Der Sprech der Entscheider. Ohne Bullshit kein Bingo! Der brand eins-Journalist Thomas Ramge verhandelt jeden Dienstag die dämlichsten Worthülsen von denen da oben in der Teppichetage. Beziehungsweise von denen, die da gerne säßen.

Nokia und der verzweifelte Kampf gegen das „religiöse“ Kultgerät iPhone

Der Handy-Riese Nokia räumt angesichts erodierender Marktanteile Fehler ein. „Wir haben uns in der Vergangenheit zu sehr auf die technischen Grundlagen konzentriert, statt das Design unserer Handys zu optimieren“, sagte Anssi Vanjoki, Chefstratege und Nummer zwei des Konzerns, dem Handelsblatt.

Wahnsinn, diese Erkenntnis, rund zwei Jahre nach dem iPhone-Marktstart und der allgemeinen Schockstarre, die danach bei den Handyherstellern eintrat. Es ist ja phantastisch, dass ein Handyhersteller jetzt begreift, wie wichtig der Faktor Einfachheit bei technischen Geräten ist. Siehe auch meine Abhandlung: Technostress absatzwirtschaft

Im Geschäft mit den mobilen Mini-PCs sehen die Finnen bislang alt aus. Und die Ursachenanalyse von Gartner-Marktforscherin Carolina Milanesi für die Schwächen von Nokia ist schon erschütternd:

„Technisch waren die Nokia-Geräte viel besser als das iPhone“, sagt Carolina Milanesi vom Marktforscher Gartner nach dem Bericht der Handelsblatt-Redakteurin Sandra Louven: „Aber die Nutzung war zu kompliziert.“ Die Bedienungsfreundlichkeit werde in den kommenden Jahren über Erfolg und Misserfolg entscheiden, erklärt Vanjoki. Dennoch erwartet er, dass Apples Bedeutung in dem Markt gering bleibt. „Die Entwicklung bei Handys wird ähnlich verlaufen wie bei PCs“, prognostiziert der Chefstratege. Auch mit dem Mac habe Apple anfangs viel Aufsehen erregt, aber sie sind trotzdem ein Nischenanbieter geblieben. Das wird bei Handys genauso sein. „Experten geben Vanjoki dabei durchaus recht. Allerdings mache Apple mit seinem Fokus auf Multimedia-Handys mehr Gewinn als Nokia, das viele Billiggeräte in Schwellenländern verkauft“, schreibt das Handelsblatt.

Das sehe ich ganz anders. Am iPhone-Bedienungskomfort beißen sich die Konkurrenten die Zähne aus und schmeißen zur Zeit doch eher Kopien des Apple-Kultgeräte auf den Markt. So einem ähnlichen Urteil kommt wohl auch Roman Friedrich von der Unternehmensberatung Booz & Company. Das iPhone sei vor zwei Jahren auf den Markt gekommen, aber es ist immer noch das Vorzeigeprodukt. „In der Branche heißt es, es sei erschreckend, wie langsam Nokia auf das Apple-Handy reagiere. Die Finnen seien nach den vielen Jahren ihres Erfolgs zu satt und nicht flexibel genug, um sich auf einen veränderten Markt einzustellen“, so das Handelsblatt. Siehe auch: Warum sich Gestern-Unternehmer vor Steve Jobs fürchten sollten.

Und wer war denn der Türöffner für das mobile Web? Das liegt doch fast ausschließlich an der Flut der nützlichen Miniprogramme, die mittlerweile im App-Store von Apple angeboten werden. Wer sich für den iPod und das iPhone entschieden hat, wird wohl kaum bereit sein, auf die komfortablen Angebote von iTunes zu verzichten. Siehe auch meinen NeueNachricht-Artikel: Der App-Store-Krieg im Mobilfunk: Anbieter kämpfen um den Markt für bezahlte Downloads. „Hier zeichnet sich zwischen Apple, Google, Microsoft, Nokia, Vodafone, RIM und weiteren Firmen ein regelrechter App-Store-Krieg ab. Aber das ist einleuchtend. Ohne Applikationen kann man die vielfältigen Webdienste auf dem Handy nicht komfortabel einsetzen. Die App-Stores werden zur Tankstelle, um sich kleine nützliche Helfer für Flugbuchungen, Navigation, Restaurantfinder oder Newsticker herunterzuladen“, so Bernhard Steimel von der Düsseldorfer Unternehmensberatung Mind Business.

Bereits 42 Prozent der Markenunternehmen ist mit einer mobile Applikation (App) im Apple Store. Das Spektrum geht von Produkt-Informationen (41 Prozent), Unterhaltung (33 Prozent) bis zu nützlichen Helfern für das tägliche Leben. So bietet HP eine App an, mit der man den Drucker ansteuern kann, Porsche ermöglicht es, seinen Wagen virtuell in die Einfahrt zu stellen. Dr. Oetker stellt ein Rezeptbuch ins Store, während eBay und Amazon komfortabel steigern und bestellen von unterwegs anbieten. Bemerkenswert: nur jedes vierte der insgesamt 144 untersuchten Unternehmen verfügt über eine mobile Website.

Der Hype bei Markenunternehmen um das iPhone lässt sich nach der Mind Business Studie Mobile App War 2009-11-24 nicht nur damit erklären, dass Apple als erstes Unternehmen eine nutzerfreundliche Plattform aufgebaut hat. Sie setzen auch auf die Zielgruppe, die sich durch Markentreue auszeichnet. Sie sichert Marketing Investments ab, die nicht durch Hardwarewechsel gefährdet werden. Sie befördert die Interaktion und Nutzungsstabilität, die sich positiv auf das Mobile Marketing auswirkt. Der Neuromarketingexperte Martin Lindstorm stellte kürzlich fest, dass das Gehirn eines Apple-Fans beim Betrachten eines iPod ähnlich reagiert, wie das eines religiösen Menschen beim Anblick eines Jesusbildes.

Weniger als 12 Monate nach Eröffnung des Apple App Stores lassen sich bereits Veränderungen im täglichen Leben der Menschen feststellen. Laut Untersuchungen des Chicagoer Beratungsunternehmen Gravitytank unter iPhone Nutzern in den USA verändern diese Geräte, wie wir mit anderen Menschen interagieren, mit Marken in Kontakt treten, was wir kaufen und auf welche Weise wir es tun. Die Befragten laden im Schnitt 21 Apps im Monat herunter, jede vierte ist eine Bezahl-App und jede dritte App wird täglich genutzt. 50 Prozent sehen die Apps als wichtiges Werkzeug, um sich besser zu organisieren und Dinge schneller zu erledigen. Die neue Generation der App Nutzer ist statusbewusst, stammt aus höheren Bildungsschichten und zählt zu den Meinungsführern.

Allein für die USA wird erwartet, dass die Downloads von Apps von zur Zeit 975 Millionen auf 6,7 Milliarden in den nächsten drei Jahren steigen. Der Apps-Umsatz werde von einer Milliarde auf vier Milliarden Dollar steigen. iTunes als integrierte Abrechnungsplattform bildet das Fundament für diesen Erfolg. Apple hat das geschafft, wovon andere träumen: ein dynamisches Ecosystem mit hohem Unterhaltungswert. Bislang sehe ich nicht, wie die Konkurrenten das aufholen können. Was denkt Ihr????

Handy zum Diktat: Textnachrichten mit Spracherkennungssoftware verfassen – Nuance startet Kooperation mit Netzbetreibern

Bommer-Rede auf der Conversations in MünchenEin großes Potential für die automatische Spracherkennung sieht Nuance-Generalmanager Michael-Maria Bommer im Mobilfunk. Ich hatte dazu bereits einen Artikel für NeueNachricht geschrieben. Nach Aussagen von Bommer sind Softwarelösungen seines Unternehmens zur Handysteuerung bereits auf rund vier Milliarden Endgeräten vorinstalliert. „In diesem Jahr werden weltweit 1,1 Milliarden Handys ausgeliefert. Auf 880 Millionen Geräten ist Nuance-Technologie im Betriebssystem integriert. Insgesamt gibt es für die mobile Kommunikation zur Zeit die innovativsten und prägendsten Entwicklungen. Beispielsweise das Diktieren von SMS. Sie sprechen eine Botschaft ins Handy, die von dort an unseren Server geschickt, transkripiert und innerhalb von einer Sekunde als Text zurückgeschickt wird. Die Qualität, der Komfort und die Sicherheit, die mit diesem System etwa während der Autofahrt erzielt wird, ist enorm“, sagte Bommer auf der Fachkonferenz „Conversations“ in München. Davon sind auch andere Branchenexperten überzeugt.

„Wer Textnachrichten auf dem Handy verfassen will, muss immer noch viele Beschränkungen hinnehmen. Am Format der Endgeräte wird sich nicht viel ändern. Die Tastatur in unterschiedlichen Variationen ist für viele Menschen einfach zu klein. Sprachsteuerung wird sich hier über kurz oder lang durchsetzen, nicht nur beim Schreiben von Kurznachrichten, sondern auch bei Suchfunktionen“, prognostiziert Peter Weilmuenster, Vorstandschef des ITK-Dienstleisters Bitronic.

Die FAZ-Redaktion „Motor und Technik“ konnte jetzt eine Beta-Software von Nuance auf verschiedenen Geräten vom Nokia bis zum Blackberry testen. „Ein Tastendruck startet das System, man sagt beispielsweise ‚SMS an Klaus Müller auf dem Handy’. Die Software identifiziert den zugehörigen Eintrag im Telefonbuch des Geräts und bereitet das SMS-Formular vor. Mit einem weiteren Tastendruck diktiert man nun seine Nachricht, die Aufnahme landet via Mobilfunk in wenigen Sekunden bei Nuance, dort wird transkribiert und das Resultat in die SMS-Maske eingefügt. Eventuelle Fehler lassen sich flink berichtigen, weil der Nuance-Dienst zu jedem erkannten Wort mögliche und wahrscheinliche Alternativen mitschickt. Das alles klappt, wenn man sich auf ein, zwei Sätze beschränkt, deutlich schneller als die Eingabe der Nachricht per Hand, selbst wenn man ein luxuriöses Smartphone mit einer etwas größeren Tastatur hat“, schreibt der FAZ-Redakteur Michael Spehr.

Die Handy-Spracherkennung werde in Amerika zusammen mit AT&T entwickelt, in Deutschland soll ein solches System ebenfalls in Kooperation mit den Mobilfunk-Netzbetreibern starten. „Vorstellbar ist, dass manche Angebote für den Kunden sogar unentgeltlich bereitgestellt werden. Denn wenn man eine SMS schnell diktieren kann, wird man mehr davon verschicken“, so Spehr.

Was Nuance sonst noch vorhat, schilderte Marketingsdirektor Steve Chambers in seiner Eröffnungsrede auf der Conversations DACH seines Unternehmens in München.
Hier die Audioaufzeichnung:

Technomanager und die selbstkonstruierte Wirklichkeit: Warum Entscheider der ITK-Branche auf herumschwirrende Ideen achten sollten

„Die Vernunft, das haben wir von Kant gelernt, ist das auf die Spitze getriebene Vermögen, sich selbst nicht über den Weg zu trauen“, so Dirk Baecker, Professor für Kulturtheorie und Kulturanalyse an der Zeppelin Universtät in Friedrichhafen. Technomanager scheinen diese Selbstskepsis nicht an den Tag zu legen. Sie vertrauen ihrem eigenen Expertenwissen mehr als externe Erkenntnisse. Persönliche Erfahrungen sind für Entscheider der ITK-Branche nach Erkenntnissen des Unternehmensberaters Bernhard Steimel von MIND Consult die wichtigste Wissensquelle. Das könne schnell in die Hose gehen. Die interne Sicht über Marktmechanismen und Kundenzufriedenheit sollte durch externe Erkenntnisse ergänzt werden. Eine solche Außensicht liefere oftmals wichtige Erkenntnisse abseits bequemer Wahrheiten. Entscheider sollten aufpassen, nicht Opfer einer selbstkonstruierten Wirklichkeit zu werden.

Nur jedes zehnte Unternehmen bewertet den Grad der Informiertheit als unzureichend. Diese subjektiv positive Einschätzung sollte allerdings nicht mit dem tatsächlichen Ausmaß der Marktforschung gleichgesetzt werden. „Besonders im Vergleich mit reiferen Branchen sollten die ITK-Unternehmen den Grad ihrer Informiertheit kritisch hinterfragen“, so der Rat von Steimel. Siehe auch das Youtube-Video:
Interview mit dem Berater Bernhard Steimel

Wer nur im eigenen Saft schmort, läuft Gefahr, zu erstarren und wichtige Entwicklungen des Marktes zu verschlafen. Oder systemisch ausgedrückt „Intelligenz und Innovation in Unternehmen hängen davon ab, welche Informationen beobachtet werden und wie die wichtigen Informationen ihren gebührenden Stellenwert erhalten – was man leider erst im Nachhinein wissen kann“, schreibt Professor Winfried W. Weber in seinem Buch „complicate your life“ (Verlag Sordon).

Der Managementdenker Peter Drucker kritisiert die Sichtweise von Managern, die sich eng nur auf das eigene Unternehmen bezieht. „Viele Manager leben noch im 19. Jahrhundert, als Neuerungen aus der Firma oder aus der Branche kamen. Heute hingegen sind es im Wesentlichen die Veränderungen um das Unternehmen herum, die die Geschicke der Firma beeinflussen.“ Innovationen entstünden nicht nur aus Fortentwicklungen und Patenten innerhalb des eignen Fachspektrums. Heute kämen in viel stärkerem Maß als früher gesellschaftliche Entwicklungen hinzu, die als Ausgangspunkt für Innovationen erkannt werden müssten (nachzulesen im Buch „Peter Drucker – Der Mann, der das Management geprägt hat“, herausgegeben von Professor Weber).

Ein kluger Manager führt im richtigen Moment herumschwirrende Ideen mit Akteuren zusammen, nutzt Marktungleichgewichte, erkennt die Lücke und setzt die Innovation durch oder übernimmt im richtigen Moment das Risiko einer nicht sicheren aber vielversprechenden Entscheidung. „Das unterscheidet ihn vom Verwalter, der die organisatorische Routine oder die organisatorisch geronnene Reduktion von Komplexität nicht mehr in Frage stellen kann“, erläutert Weber. Wie bei den Schachgroßmeistern gehe es im Management einer komplexer werdenden Welt darum, ein reiches und komplexes Spielfeld zu erhalten. „Die Disziplin verlässt die Entscheidungskultur des one-best-way, des Alles-im-Griff-haben-Wollens. Wer es versteht, sich von der Komplexität nicht überfordern zu lassen, wer erkennt, dass man immer weniger durchschaut, wer sein Spielfeld pflegt und damit rechnet, dass bald die Lücke kommt, kann dann sofort entscheiden, ohne zu zögerlich zu sein“, führt Weber aus. Oder in den Worten des Kybernetikers Heinz von Foerster: „Handle stets so, dass die Anzahl der Möglichkeiten wächst.“

Warum Verleger weinen würden und die Blockadestrategie gegen Google verlogen ist

Beim Mainzer Kongress „besser online“ des DJV haben Vertreter von klassischen Medien, Onlinemedien und Blogs einen Tag lang über aktuelle Themen des Internet-Journalismus diskutiert. Die Podiumsdiskussionen und Fachforen waren mit interessanten Experten bestückt. Häufig fehlte aber eine lebendige Debatte, was teilweise an den etwas emotionslosen Moderatoren lag.

Beim Eröffnungspodium „Google sei bei uns“ sagte Björn Sievers, stellvertretender Ressortleiter Wirtschaft/Finanzen von Focus Online, dass die Blockadestrategie von Rupert Murdoch und Springer gegen Google zum Scheitern verurteilt sei: „Technisch ist es einfach möglich, Google und jede andere Suchmaschine über eine kleine Textdatei, die man auf dem Server ablegt, auszuschließen. Das ist kein Hexenwerk. Wenn man sich den Traffic von großen Nachrichten-Websites anschaut, dann liegt der Prozentanteil des Google-Traffics ungefähr zwischen 30 und 60 Prozent. Das bedeutet, das ein typisches deutsches Nachrichtenportal um die Hälfte schrumpfen würde, wenn man Google ausschließt“.

Entsprechend verlieren Verlage Anzeigenerlöse über die Websites. Man könne zwar versuchen, diesen Verlust durch Paid Content-Strategien wieder aufzufangen. Sievers glaubt allerdings nicht an den Erfolg dieses Vorgehens. Bei allgemeinen Nachrichten werde man damit scheitern. Eher funktioniere so etwas bei der Stiftung Warentest, wo man vor dem Kauf einer Waschmaschine vielleicht auch Geld für einen Testbericht ausgibt, weil man dann in der Relation zum Kaufpreis wichtige Informationen erhält. Wenn Murdoch und Springer es wahrmachen und Kassenhäuschen für die Nutzung ihres Contents aufstellen, dann kommt der Markt für Journalismus wieder in Bewegung und es gibt neue Chancen für alternative Angebote wie dem Heddesheimblog von Hardy Prothmann.

Der freie Journalist Albrecht Ude warf die Gegenfrage auf. Was würden Verleger sagen, wenn Google die Entscheidung trifft, Verlage auszusperren? „Die würden schreien, die würden klagen, die würden verzweifelt sein und das sind sie eigentlich auch jetzt schon. Die Verleger versagen. Es ist die Aufgabe der Verleger, aus guten Inhalten auch irgendwann gutes Geld rauszukriegen und das schaffen sie im Internet zur Zeit nicht“.

Lars Reppesgaard, Autor des Buches „Das Google-Imperium“, findet es verlogen, wenn die Verleger behaupten, sie würden durch Google enteignet werden. Als Autor findet er diese Position unverschämt, da ihn Verleger jeden Tag mit buy out-Verträgen und anderen Unfreundlichkeiten knebeln würden. Dadurch werde man als Urheber faktisch enteignet durch das Ungleichgewicht der Kräfte. Beim Druck, den Verleger derzeitig gegen Google aufgebauen, gehe es nicht um die Aufrechterhaltung von Qualitätsjournalismus, sondern nur um eine bessere Verhandlungsposition mit dem Mountain View-Konzern, um die eigenen Kassen zu füllen. Hier liegen die wahren Gründe für die Forderung nach einem so genannten Leistungschutzrecht. Hier die komplette Audio-Aufzeichnung der Runde (die Qualität der Lautsprecher im Konferenzsaal des ZDF war nicht so besonders):

Der FAZ-Netzökonom Holger Schmidt hat es zum zehnjährigen Jubiläum von Google den Punkt gebraucht: „Ohne Google sind Informationen wenig wert, weil sie – ganz simpel – nicht gefunden werden. Und was nicht gefunden wird, existiert nicht. Zumindest nicht für die junge Generation, für die das Internet Leitmedium und Google ihr zentraler Wegweiser ist: Auf die Frage, wo sich die Menschen näher über ein Thema informieren, antworten heute 51 Prozent der Deutschen ‚im Internet’. 1999, als es Google in Deutschland noch nicht gab, waren es 9 Prozent. Noch deutlicher fällt dieser Anstieg unter jungen Menschen aus: Von 19 Prozent auf 75 Prozent ist dieser Wert hochgeschnellt. Ob Online-Händler, Reiseanbieter, Produktvergleichsmaschine oder Medien – fast alle, die im Internet Geld verdienen, bekommen einen großen Teil ihrer Kunden oder Leser über Google. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um reguläre Suchtreffer handelt oder Werbung auf der rechten Seite. Die Präsenz unter den Top-Ten-Suchtreffern entscheidet über Sein oder Nichtsein im Internet“.

Und wenn Google so eine Teufelsmaschine ist, warum forcieren denn viele Verleger ihre Präsenz in der Suchmaschine? „Heerscharen sogenannter Suchmaschinenoptimierer basteln zurzeit an den Internetseiten der Medien, damit ihre Inhalte von Google möglichst prominent angezeigt werden. Die Journalisten müssen heute ‚Google-optimiert’ schreiben, also die richtigen Schlagworte in der richtigen Häufigkeit einsetzen. Die ‚optimale Keyword-Dichte’ ist im Google-Zeitalter essentiell geworden. Denn auch Journalisten wissen längst: Zugriffe auf Artikel, die auf Google News oben stehen, schnellen sofort hoch. Wessen Artikel nur unter einer Sammeladresse wie ‚und 856 ähnliche Artikel’ aufgeführt ist, hat es schwer, die gewünschte Aufmerksamkeit zu bekommen“, so Schmidt.

Jens Matheuszik, Macher des Pottblogs, hat auf sympathische Weise dargestellt, warum seine lokalen Berichte auf eine so große Resonanz stoßen und bei den Lokalzeitungen eher kritisch beäugt werden. Er ist eben häufig schneller mit relevanten kommunalen Ereignissen im Internet präsent als WAZ und Co. Ähnliches berichtete Hardy Prothmann vom Heddesheimblog (den Vortrag hörte sich meine Freundin an, lief parallel).
Hier geht es zur Audioaufzeichnung des Pottblog-Vortrages:

Die Twitter-Runde mit dem Thema „Nachrichten oder Nabelschau“ war nicht so prickelnd, so dass ich irgendwann mein Aufnahmegerät ausgeschaltet habe. Über Sinn und Unsinn des Nachrichtendienstes immer noch zu palavern, war doch nervig. Frank Schmiechen von Welt Kompakt war in dem Kreis noch der interessanteste Diskutant. So setzt er nach eigenen Aussagen auf die Interaktion mit den Social Media-Kanälen. Zwei Seiten in jeder Printausgabe werden diesem Thema gewidmet. Ich habe das Blatt lange Zeit nicht mehr gelesen, werde es aber überprüfen. Hier eine Hörprobe der Expertenrunde:

Siehe auch:

Purer Protektionismus: Kampf von Springer und Co. gegen Google verlogen.

Kampf gegen Google verlogen.

Vorhang zu und alle Fragen offen: Replik auf Robert Schweizers Verteidigung des Leistungsschutzrechts.

Hardy Prothmann vom Heddesheim-Blog über Bratwurstjournalismus und den Autismus der Lokalzeitungen.

Das Vermächtnis von Peter Drucker: Was die Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten vom Managementvordenker lenern können

BuchempfehlungZum 100. Geburtstag stelle ich wichtige Gedanken von Peter Drucker, der heute 100. Jahre alt geworden wäre. Der vor vier Jahren verstorbene Managementvordenker hat sich schon frühzeitig mit den Exzessen von Managern beschäftigt, die Notwendigkeit des gesellschaftlichen Wandels zur Wissensgesellschaft formuliert und die Transformation zur Serviceökonomie gefordert. Für lesenswert halte ich das von Drucker herausgegebene Buch „Kardinaltugenden effektiver Führung“. Hellseherisch ist sein Werk von 1969 „Die Zukunft bewältigen“.

Hier geht es zum Filmbeitrag:

Flip ist kein Flop: Erster Miniversuch mit dem Camcorder

Jeff Jarvis hat so charmant den Flip-Camcorder vorgestellt, dass ich mich genötigt sah, bei amazon eine Bestellung aufzugeben. Schön in schwarz und einem 8 GB Flash Memory. Heute kam das Teil in einer Verpackung, die doch sehr an das Kauferlebnis eines iPhones erinnert. Batterie eingesetzt und man kann sofort losleben.

Hier der erste Miniversuch.
Minitest

Erstes Urteil. Das Gerät ist so klein und in der Ton- und Bildqualität unheimlich gut. Über den eingebauten USB-Arm kann man den Film ratzfatz auf Youtube hochladen. Bei anderen Geräten ist das teilweise schwieriger.
Allerdings empfehle ich den Kauf eines USB-Adapters, dann braucht man den Flip nicht so eng an den Laptop legen.

Ich habe mich für das folgende Modell entschieden.

Erleidet blogjournalisten.com den dotcomtod?

Als einer der Autoren des Portals blogjournalisten.com bekam ich gestern so gegen 23 Uhr eine betrübliche Nachricht:

„Liebe Autoren,

leider müssen wir uns heute mit einer schlechten Nachricht an Euch wenden.
Wir müssen die Seite blogjournalisten.com vom Netz nehmen.
Offensichtlich unlösbare Probleme zwingen uns dazu. Gerne würde ich mehr
dazu schreiben, Euch mehr erklären, aber ich möchte nicht durch
unvorsichtige Äußerung meinerseits eine Konfliktlösung verhindern.

Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen. Wir haben in den letzten
Wochen versucht, eine Einigung zu erzielen
– leider ohne Erfolg. So ein
Projekt stirbt nicht einfach, deswegen versuchen wir weiterhin eine Lösung
zu finden, müssen nun aber erstmal diesen Schritt gehen.

Vielen, vielen Dank an Euch für Eure Beiträge, das Interesse und die vielen
Anregungen. Für Rückfragen stehen wir Euch gerne unter
blogjournalisten@frau-b.com zur Verfügung.

Herzliche Grüße,
Bettina Hoss

blogjournalisten UG (haftungsbeschränkt)“. Ende der Mail. Nachzulesen auch im Internet.

Zum Start des Projektes vor ein paar Monaten war man noch hoffnungsfroh. Das Angebot soll eine Alternative zum traditionellen Journalismus schaffen. „Wir könnten noch wochenlang Verlagsoberhäuptern mit Hilfe von Manifesten erläutern, wie das Internet funktioniert, doch es gibt bereits heute genügend journalistische Edelsteine da draußen, die nur aufgesammelt werden müssen“, so „Lanu“, Betreiberin der Website Boocompany. Boocompany versteht sich als der einzig legitime dotcomtod-Nachfolger und somit Europas führender Anbieter und Distributor für exitorientierte Unternehmensmeldungen. Mittels als „Boo“, „Insider“ oder „Final“ bezeichneter Negativmeldungen könnten die User über den allgemeinen Downturn informieren. Kenner der New Economy erinnern sich noch an die erfrischenden dotcomtod-Meldungen von Don Alphonso über I-D Media und Co.

Es sei schlimm genug, hieß es zur Idee von blogjournalisten.com, dass angesichts der Medienkrise immer mehr Redaktionen auf ein kreativarmes Minimum eingedampft würden. „Wer etwas zu sagen hat, sollte es auch tun dürfen. Das kann man einsam in der hintersten Ecke des Netzes tun oder auch in der Gemeinschaft der Blogjournalisten“, erläutert Lanu das Angebot.

Nun ist zu hoffen, dass Lanu mit der Geschichte nicht auch einen dotcomtod erleidet und den Exit auf boocompany verlautbaren muss.

Wer mehr weiß zu den Hintergründen, könnte das ja mal kundtun!

Sollte eine Abmahnung der Grund für die Abschaltung sein, wäre das die falsche Reaktion. Wie im Fall Jack Wolfskin hilft nur eine öffentliche Reaktion.

Huffington: „Herr Döpfner, Sie wollen Konsumenten umerziehen, die gerade die neuen Möglichkeiten der Online-Nachrichten entdecken. Das ist anmaßend.“

MMFSo langsam gewinnt die Debatte um die Zukunft der klassischen Medien an Fahrt und die Manager der großen Verlage sehen dabei ziemlich alt aus. Jüngstes Beispiel das Streitgespräch zwischen Springer-Chef Döpfner und Arianna Huffington. Siehe auch den NeueNachricht-Bericht. Social Media ist eben mehr als nur eine technische Spielerei. Wir erleben eine Epoche der Teilnahme, der Beteiligung, der Vielstimmigkeit, der Pluralität und der unterschiedlichen Lebensstile. Die Hohepriester und Taktgeber der öffentlichen Meinung verschwinden so langsam vom Bildschirm – im wahrsten Sinne des Wortes.

Jeff Jarvis hat nach seiner fulminanten Rede bei den Münchner Medientagen mit einem Namensartikel auf die Reaktionen der alten Medienwelt geantwortet. Auch diesen Beitrag können sich die industriekapitalistischen Großverleger hinter den Spiegel stecken: Jarvis sieht Unternehmen, die sich der neuen Realität des Internet-Zeitalters widersetzen, indem sie die alten Gesetze der alten Industrie bewahren. „Nehmen Sie zum Beispiel Rupert Murdoch, der seinen ganzen Medienbesitz hinter Bezahl-Mauern stecken will. Das ist ganz einfach selbstmörderisch“, schreibt Jarvis.

Die alten Unternehmen würden noch immer in der Ökonomie der Inhalte arbeiten, die vor 570 Jahren mit Gutenberg begann. Der Eigentümer des Inhaltes machte damit seinen Gewinn, dass er möglichst viele Exemplare verkaufte.

„Online braucht man nur ein Exemplar, der Link zu ihm bringt den Gewinn. Inhalte ohne Links sind wertlos. Wenn also Suchmaschinen, Aggregatoren, Blogger und Twitterer zu Inhalten verlinken, stehlen sie nicht. Sie schenken Aufmerksamkeit und Gehör. Verleger sollten dankbar sein, dass Google sie nicht für den Wert seiner Links zur Kasse bittet“, so Jarvis.

Die Ökonomie der Links bringe Verlegern drei Imperative mit: Es fordere sie auf, ihre Inhalte öffentlich zu machen, wenn sie gefunden werden wollen. „Sie haben die Wahl, aber wenn sie sich hinter ihre Bezahl-Mauern zurückziehen, versteckt für Suche und Links, werden sie nicht entdeckt. Zweitens fordert die Ökonomie der Links Spezialisierung. Mache das, was du tust richtig und verlinke zum Rest. Das bringt neue Effizienz und kann Verlage profitabler machen. Das dritte in der Link-Ökonomie ist der Empfänger der Links, der ihren Wert ausnutzen muss“, führt Jarvis aus.

Und eines ist nun mal nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Mit dem Web 2.0 und mit allen Möglichkeiten der Social Media-Kanäle entsteht eine neue Medienkultur der Partizipation – ohne das Ganze in den Himmel heben zu wollen. Das die Medienbarone eine solche Fragmentierung bekämpfen ist klar. Als Verlage noch Oligopole und Monopole waren, konnten wesentlich höhere Anzeigenerlöse erzielt werden. Mit Google Adwords ist das nun vorbei. Nachtrauern braucht man den „One-to-many-Medien“ nicht.

Nachtrag zum Abdruck des Jarvis-Artikel in der Welt-Kompakt und Welt Online. Die Medienjournalistin Ulrike Langer hat sich dankenswerter Weise die Mühe gemacht, die Jarvis-Passagen herauszufinden, die in der deutschen Übersetzung „einfach“ unter den Tisch gefallen sind.

Amazing Race: Diktiersoftware Dragon gewinnt gegen die Meisterin im Schnellschreiben

Meisterin im SchnellschreibenSpracherkennung ist nicht nur für Ärzte und Juristen ein heißes Thema. In vielen Berufen muss ein hohes Schreibaufkommen unter Zeitdruck bewältigt werden. „Kein Wunder, dass immer mehr Krankenhäuser und Gerichte nach neuen Wegen suchen. Da ist zunächst der Umstieg auf die Digitaltechnik, die das mühsame Hantieren mit Kassettenbändern ersetzt und zudem den elektronischen Transport der Diktate erlaubt. Dass die Akustik solcher Aufzeichnungen deutlich besser ist, kommt als angenehmer Nebeneffekt hinzu. Der zweite Schritt ist der Übergang zur elektronischen Spracherkennung am PC, wobei in der Regel die Standardsoftware Dragon Naturally Speaking für Windows zum Einsatz kommt. Kein anderes Programm hat eine vergleichbar hohe Erkennungsleistung“, schreibt beispielsweise Michael Spehr von der FAZ.

Wozu Maschinen schon jetzt in der Lage sind, stellte ein Amazing Race am 11. November 2009 in München auf dem Fachkongress Conversations DACH unter Beweis. In einem Mensch-gegen-Maschine-Wettkampf trat Martina Wichers, Deutsche Meisterin im Schnellschreiben, gegen das Spracherkennungssystem Dragon Naturally Speaking von Nuance an. Frau Wichers war unheimlich schnell. Das beweist mein Mitschnitt. Die Software brauchte allerdings nur die Hälfte der Zeit. Hier der Film.
Foto Amazing Race