Innenministerium immer noch vom Merkel-Call-Center überzeugt

Man ist im Bundesinnenministerium immer noch davon überzeugt, dass die Merkel-Hotline eine gute Sache sei. So verkündet heute das BMI in einer Presseerklärung: Einheitliche Behördennummer 115 wird gut angenommen

Text des BMI:

Im Roten Rathaus in Berlin hat heute die 2. Teilnehmerkonferenz der einheitlichen Behördennummer 115 im Regelbetrieb getagt. Vertreter der beteiligten Kommunen, Länder und Bundesbehörden haben gemeinsam den entsprechenden Lenkungsausschuss entlastet. Die IT-Beauftragte der Bundesregierung, Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe, hat als Vorsitzende dieses Lenkungsausschusses den Jahresbericht 2011 vorgestellt. Daraus geht hervor, dass die 115 von den Bürgerinnen und Bürgern sehr gut angenommen wird. Eine Evaluation hat ergeben, dass das vereinbarte Serviceversprechen insgesamt eingehalten und sogar mehrheitlich übererfüllt werden konnte (ach was, gs).

Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe erklärt hierzu: „Wir haben 2011 viel erreicht. Nun geht es darum, diesen positiven Trend auch in 2012 fortzusetzen und die Behördennummer bundesweit zu etablieren. Die 115 ist eine Innovation, die die Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen revolutioniert.“ Geprüft werde die Erweiterung des 115-Services über die reine telefonische Auskunft hinaus hin zu einem Multikanal-Service. Besonders Terminvereinbarungen mit den Behörden oder die Möglichkeit Anträge im Voraus auszufüllen, könnten die Attraktivität des 115-Services weiter steigern, so die Staatssekretärin. Die 115 solle mittelfristig auch bei Krisen, Großschadenslagen und sonstigen Lagen, beispielsweise bei Hochwasser, unterstützend eingesetzt werden.

Zahlreiche Städte, Landkreisen und Gemeinden haben bereits im vergangenen Jahr die 115 freigeschaltet: Insgesamt wurden 98 Kommunen neu angeschlossen. Aktuell sind es 278 Kommunen, bis Jahresende werden es voraussichtlich 350 sein, darunter auch Städte wie München, Stuttgart oder Potsdam. Der Pilotbetrieb war 2009 mit 29 Kommunen gestartet. Die Erreichbarkeit, also die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die die 115 nutzen können, ist im vergangenen Jahr von gut zehn Millionen auf knapp 18 Millionen gestiegen. Bis Ende 2012 wird sich diese Zahl auf gut 23 Millionen erhöhen.

Die Einheitliche Behördennummer 115 ist in den teilnehmenden Regionen montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr erreichbar.

Sie kann aus dem Festnetz überwiegend und aus mehreren Mobilfunknetzen zum Ortstarif sowie über Flatrates auch kostenlos gewählt werden.

Hier endet das Opus des BMI.

Erinnert sei noch mal, dass die Merkel-Hotline auf dem IT-Gipfel ständig als technologische Innovation gepriesen wird.

Dazu schrieb ich im vergangenen Jahr in der Kolumne „Über allen IT-Gipfeln ist Ruh“:

Können wir auf dem Münchner IT-Gipfel am Nikolaustag mit irgendwelchen technologischen Überraschungen der Bundesregierung rechnen oder dominiert wieder nur die Transpiration vor der Inspiration? Das Merkel-Telefon 115 ist für mich immer noch das Symbol für die Hightech-Politik der politischen Elite in Berlin. Eine Hotline auf Amtsstubenniveau – geöffnet von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr. Wenn man den IT-Gipfel als Plattform für das Bürgertelefon einsetzt, dann sollte zumindest ein Hauch von technologischer Kompetenz erkennbar sein, fordert Andreas Klug, Mitglied der Ityx-Geschäftsführung in Köln.

„Es kann nicht ohne Automatisierung funktionieren. Eine Vorqualifizierung der Anrufe ist unabdingbar, um Standardabfragen über Öffnungszeiten, Sperrmüllabfuhr oder dergleichen abzufangen. Das System selbst muss über mehr Wissen verfügen, um die Servicemitarbeiter an den Telefonen zu entlasten und eine ständige Erreichbarkeit zu gewährleisten.“

Es sei doch peinlich, wenn die Bürgerinnen und Bürger vor 8 Uhr, nach 18 Uhr oder am Wochenende anrufen und nur eine Bandansage ertönt: „Sie rufen außerhalb unserer Servicezeiten an.“

Dabei wäre es möglich gewesen, zumindest in Ansätzen eine Applikation in das Merkel-Projekt einzubauen, die in Richtung des Sprachcomputers SIRI geht, der derzeit auf dem iPhone 4S für Furore sorgt.

„Bei der Auslegung des Bürgertelefons 115 wurde Sprachtechnologie völlig ausgeblendet. Das kann nicht funktionieren. Es gibt nicht den allwissenden und jederzeit verfügbaren Mitarbeiter im Call Center“, sagte schon vor Jahren Professor Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.

Zudem kommt das Call Center-Angebot des Staates um einige Jahre zu spät. Noch vor drei Jahren entfielen nach einer Studie der Düsseldorfer Unternehmensberatung Mind Business rund 80 Prozent der Kundeninteraktionen auf das Telefon. Heute sind neue Formen der Servicekommunikation auf dem Vormarsch. Facebook, Twitter, Apps, Chats und Foren werden von 56 Prozent der Befragten häufiger genutzt als Telefon oder Post.

Das Zusammenwachsen von Internet, Fernsehen und Telefon biete den Menschen die Möglichkeit, unabhängig von Zeit und Ort zu kommunizieren. Er entscheide situativ, wie und wann er Unternehmen erreichen möchte. Der vernetzte Verbraucher und Bürger erwartet von den Organisationen der Wirtschaft und des Staates, dass sie das Social Web als Dialogplattform begreifen, den Dialog transparent und offen gestalten und dort auch schnell auf Anliegen reagieren und Service-Applikationen bereitstellen, die rund um die Uhr Hilfe und Orientierung bieten. Genau das bietet eben die 115-Hotline nicht. Wer soziale Netzwerke im Bürgerdialog einsetzt, macht die Kommunikation direkter, persönlicher und weniger hierarchisch. Daran ist die Bundesregierung doch überhaupt nicht interessiert. Man will alles schön unter Kontrolle halten.

Nationaler IT-Gipfel in München auf Hotline-Niveau: „Sie rufen außerhalb unserer Servicezeiten an.“

So ganz falsch lag ich mit meiner gestrigen Kolumne für das Debattenmagazin „The European“ ja nicht. Das Einzige, was in der Öffentlichkeit hängen bleibt über die IT-Gipfel-Innovationen der Bundesregierung in der Informationstechnologie ist die sagenumwobene Merkel-Behörden-Hotline 115.

https://twitter.com/#!/ITGipfelblog/status/143974703491596288

Fantastisch, was das BMI heute der Presse mitteilt:

Anschluss unter der Einheitlichen Behörden-nummer 115 bald auch in Bayern

Im Beisein von Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich haben heute auf dem IT-Gipfel in München Vertreter der Städte München und Kempten sowie des Landkreises Oberallgäu die 115-Charta (klingt wie UN-Charta, wow! gs) unterzeichnet. Damit haben die ersten bayerischen Kommunen ihre Teilnahme an der einheitlichen Behördennummer 115 besiegelt. Im Laufe des Jahres 2012 soll die 115 in diesen Kommunen freigeschaltet werden.

Hierzu erklärt Bundesinnenminister Dr. Friedrich: “Die einheitliche Behördennummer steht für Transparenz und Bürgernähe (mit eingeschränkter Erreichbarkeit und Funktionalität, gs). Ich freue mich sehr, dass die 115 nun bald auch in Bayern Einzug hält (endlich bekommt Bayern auch eine Hotline, gs) und hoffe, dass noch viele weitere Kommunen – und auch der Freistaat selbst – diesem Beispiel folgen!“

Derzeit haben rund 18 Millionen Bürgerinnen und Bürger mit der 115 einen direkten telefonischen Draht in die Verwaltung. Seit Anfang Dezember ist auch die Bundesverwaltung vollständig an die 115 angeschlossen. Mehr als 85 Bundesbehörden und -institutionen mit bis dato über 600 Leistungsinformationen beteiligen sich am 115-Service, darunter die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie die Bundesnetzagentur. Dadurch erhalten die Bürgerinnen und Bürger in den teilnehmenden Regionen unter der 115 ab sofort zum Beispiel auch Informationen darüber, wie mit unerlaubter Telefonwerbung umzugehen ist, welche Besonderheiten bei der Nutzung von Dienstleistungen aus dem EU-Ausland gelten oder welche Beratungsmöglichkeiten es zu den Themen Raucherentwöhnung oder Glücksspielsucht gibt.

Soweit die Pressemitteilung des BMI. Und dazu schrieb ich hellseherisch gestern:

Können wir auf dem Münchner IT-Gipfel am Nikolaustag mit irgendwelchen technologischen Überraschungen der Bundesregierung rechnen oder dominiert wieder nur die Transpiration vor der Inspiration? Das Merkel-Telefon 115 ist für mich immer noch das Symbol für die Hightech-Politik der politischen Elite in Berlin. Eine Hotline auf Amtsstubenniveau – geöffnet von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr. Wenn man den IT-Gipfel als Plattform für das Bürgertelefon einsetzt, dann sollte zumindest ein Hauch von technologischer Kompetenz erkennbar sein, fordert Andreas Klug, Mitglied der Ityx-Geschäftsführung in Köln. „Es kann nicht ohne Automatisierung funktionieren. Eine Vorqualifizierung der Anrufe ist unabdingbar, um Standardabfragen über Öffnungszeiten, Sperrmüllabfuhr oder dergleichen abzufangen. Das System selbst muss über mehr Wissen verfügen, um die Servicemitarbeiter an den Telefonen zu entlasten und eine ständige Erreichbarkeit zu gewährleisten.“ Es sei doch peinlich, wenn die Bürgerinnen und Bürger vor 8 Uhr, nach 18 Uhr oder am Wochenende anrufen und nur eine Bandansage ertönt: „Sie rufen außerhalb unserer Servicezeiten an.“

Dabei wäre es möglich gewesen, zumindest in Ansätzen eine Applikation in das Merkel-Projekt einzubauen, die in Richtung des Sprachcomputers SIRI geht, der derzeit auf dem iPhone 4S für Furore sorgt. „Bei der Auslegung des Bürgertelefons 115 wurde Sprachtechnologie völlig ausgeblendet. Das kann nicht funktionieren. Es gibt nicht den allwissenden und jederzeit verfügbaren Mitarbeiter im Call Center“, sagte schon vor Jahren Professor Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.

Zudem kommt das Call-Center-Angebot des Staates um einige Jahre zu spät. Noch vor drei Jahren entfielen nach einer Studie der Düsseldorfer Unternehmensberatung Mind Business rund 80 Prozent der Kundeninteraktionen auf das Telefon. Heute sind neue Formen der Servicekommunikation auf dem Vormarsch. Facebook, Twitter, Apps, Chats und Foren werden von 56 Prozent der Befragten häufiger genutzt als Telefon oder Post.

Das Zusammenwachsen von Internet, Fernsehen und Telefon biete den Menschen die Möglichkeit, unabhängig von Zeit und Ort zu kommunizieren. Er entscheide situativ, wie und wann er Unternehmen erreichen möchte. Der vernetzte Verbraucher und Bürger erwartet von den Organisationen der Wirtschaft und des Staates, dass sie das Social Web als Dialogplattform begreifen, den Dialog transparent und offen gestalten und dort auch schnell auf Anliegen reagieren und Service-Applikationen bereitstellen, die rund um die Uhr Hilfe und Orientierung bieten. Genau das bietet eben die 115-Hotline nicht. Wer soziale Netzwerke im Bürgerdialog einsetzt, macht die Kommunikation direkter, persönlicher und weniger hierarchisch. Daran ist die Bundesregierung doch überhaupt nicht interessiert. Man will alles schön unter Kontrolle halten. Weiter geht es hier.

Wenn der Tester zweimal klingelt: Merkel-Hotline #D115 im Servicestress

Ich habe mich ja nun schon einige Male mit dem Amtsstubenniveau der Behörden-Hotline 115 beschäftigt: Geöffnet von Montag bis Freitag in der Zeit von 8 bis 18 Uhr und natürlich kostenpflichtig. Wenn man den IT-Gipfel als Plattform für das Bürgertelefon einsetzt, dann sollte zumindest ein Hauch von Hightech enthalten sein, fordert Andreas Klug, Mitglied der Ityx-Geschäftsführung in Köln. „Es kann nicht ohne Automatisierung funktionieren. Es gibt nicht den allwissenden Call Center-Agenten. Eine Vorqualifizierung der Anrufe ist unabdingbar, um Standardabfragen über Öffnungszeiten, Sperrmüllabfuhr oder dergleichen abzufangen. Das System selbst muss über mehr Wissen verfügen, um die Servicemitarbeiter an den Telefonen zu entlasten und eine ständige Erreichbarkeit zu gewährleisten.“ Es sei doch peinlich, wenn die Bürgerinnen und Bürger vor 8 Uhr, nach 18 Uhr oder am Wochenende anrufen und nur eine Bandansage ertönt „Sie rufen außerhalb unserer Servicezeiten an“. Nachzulesen im Fachdienst Service Insiders. Und im Debattenmagazin The European.

Jetzt fürchten die 115-Macher eine Prüfung über die Stiftung Warentest und geben eine entsprechende „Empfehlung“ an Bund, Länder und Kommunen heraus:

„Damit ein möglicher Test in Ihrem Servicecenter positiv verläuft, möchten wir auf Unterlagen aufmerksam machen, die Sie für vorgezogene oder kurzfristig durchzuführende D115-Schulungen ergänzend zu Ihren eigenen Schulungsinstrumenten aus der Dokumentenbibliothek heranziehen können:

Anlage 03 101031 Infokarten V1.O.doc

Anlage 04 Gesprächstechniken und Kundentypen.doc

Anlage 05.1 Verwaltungsaufbau in Deutschland.ppt

Anlage 08 101031_Schulungsfoliensatz (Sammlung) V0.9.ppt

Anlage 12 Vorlage Fehlermeldungsprozess QM.docx

Anlage 13.1 20091014_Dokumentation_SC-Prozesse V1.0.pdf

Anlage 13.2 Vereinfachter Ablauf.ppt

Anlage 14 101031 Fragenkatalog.xls

Die Unterlagen D115-Handbuch Schulungen.pdf und 101031 Trainings-Coachingkonzept im D115-Verbund V0.9.doc bilden den Rahmen. Dies sei der Vollständigkeit halber erwähnt (die Anlagen schenke ich mir hier, gs).

Wir möchten auch auf das schon bewährte Mittel gegenseitiger Schulungsanrufe hinweisen, die jederzeit bilateral vereinbar sind und sich anbieten.
Wichtig ist zudem, dass der 2nd Level dafür Sorge trägt, dass trotz Urlaub- und Abwesenheitszeiten die Arbeitskörbe für Weiterleitungen so regelmäßig und
zuverlässig geprüft werden, dass der 115-Service das Serviceversprechen der 24-Stunden-Rückantwort sicher einhält…..“
Soweit die „vorbereitenden Maßnahmen“ der Verwaltung vor dem drohenden Service-Check durch die Stiftung Warentest.

Im April hatte die Stiftung schon ein wenig schmeichelhaftes Urteil abgegeben: Die Versprechen auf der eigens geschalteten Webseite http://www.d115.de klingen
vollmundig. „Zwar sind die Servicestellen nicht rund um die Uhr, sondern nur montags bis freitags von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr besetzt. Drei Viertel der
Anrufe in dieser Zeit sollen aber innerhalb von 30 Sekunden durch einen Mitarbeiter angenommen, rund zwei Drittel beim ersten Kontakt beantwortet werden. Wenn eine Anfrage weitergeleitet wird, soll der Anrufer innerhalb von 24 Stunden innerhalb der Servicezeiten eine Rückmeldung erhalten – je nach Wunsch per Mail, Fax oder Rückruf. Die Stiftung Warentest behält sich vor, die Erreichung dieser anspruchsvollen Ziele in der nächsten Zeit systematisch zu testen. Am frühen Nachmittag des ersten Betriebstages brachen jedenfalls ein knappes Dutzend Versuche, die 115 zu erreichen, nach einem kurzen Jingle und den Worten ‚Herzlich
Willkommen bei D11…‘ einer Stimme vom Band ganz unvermittelt ab. Es folgte das Besetztzeichen“, teilte die Stiftung am 14. April mit. Diese holde Stimme kann man ja auch außerhalb der telefonischen Amtsstubenzeit hören:

Und noch ein Befund sollte die 115-Organisatoren unruhig machen. Das Call Center-Angebot kommt einige Jahre zu spät. „Noch vor drei Jahren entfielen auf das Telefon 80 Prozent der Kundeninteraktionen. Heute sind die modernen Kanäle auf dem Vormarsch. Die alljährliche Marktbefragung von Aspect belegt: Neue Medien wie Facebook, Twitter, Apps, Chats, Blogs oder Foren werden mittlerweile mit 56 Prozent häufiger genutzt als die klassischen Kanäle Telefon oder Post, die nur noch auf 44 Prozent kommen“, so die Studienautoren der Unternehmensberatung Mind Business in Düsseldorf.

Das Zusammenwachsen von Internet, Fernsehen und Telefon biete den Konsumenten die Möglichkeit, unabhängig von Zeit und Ort zu kommunizieren. Er entscheide situativ, wie und wann er Unternehmen erreichen möchte. „Der vernetzte Verbraucher (und Bürger, gs) erwartet von Unternehmen, dass sie das Social Web als Dialogplattform begreifen, den Dialog transparent und offen gestalten und dort auch schnell auf Anliegen reagieren und Service-Applikationen bereitstellen, die rund um die Uhr Hilfe und Orientierung bieten.“ Jo, genau das bietet eben die 115 nicht. Diese profane Hotline sollte einfach nicht mehr auf dem IT-Gipfel thematisiert werden. Das wird langsam peinlich, Frau Merkel.

Nachtrag zur 115-Servicebürokratie: Erreichbarkeit auf Amtsstuben-Niveau – IT-Intelligenz nicht vorhanden :-(

In der Pilotphase kann man die Staatshotline 115 nur von Montag bis Freitag in der Zeit von 8 bis 18 Uhr anrufen bei einem Minutenpreis von sieben Cent. Das verkündete vor zwei Jahren der damalige Bundes-CIO Hans Bernhard Beus vor zwei Jahren auf dem IT-Gipfel der Bundesregierung. Danach solle der Service nach Angaben des Bundes-CIO Hans Bernhard Beus zu jeder Tages- und Nachtzeit angeboten werden. Geändert hat sich noch nichts. Hier mein heutiger Test als bürokratisches Klangbeispiel:

Auf eine Automatisierung werde man verzichten. Die Bürger würden nicht gerne mit einem Sprachcomputer reden. Doch. Was nutzt mir diese bescheuerte Bandansage, wenn ich eine Standardfrage habe, die man in einer smarten Mensch-Maschine-Interaktion locker beantworten könnte? Warum hat man eigentlich die 115 auf dem IT-Gipfel vorgestellt, wenn das System keine IT-Intelligenz vorweist?

Branchenexperten gehen davon aus, dass die öffentliche Hand auf eine Kombination von persönlicher Beratung und Automatisierung nicht verzichten könne. „Wie in jedem anderen Call Center werden auch die Agenten des Bürgertelefons merken, dass es häufig wiederkehrende Fragen gibt, die sich mit einem natürlich-sprachlichen Dialogsystem sehr gut vorqualifizieren und automatisieren lassen. Damit könnten die Agenten von Standardanfragen entlastet werden und hätten auch Zeit für kompliziertere Anfragen, für die sie die Anrufer derzeitig weiterleiten müssen“, erklärt Lupo Pape, Geschäftsführer von SemanticEdge in Berlin.

Zudem seien die Staatskassen leer – das Bürgertelefon könnte sich schnell zu einem Kostenproblem auswachsen. Mit der Weiterentwicklung von Technologie und Design bei den Sprachdialogsystemen in den vergangenen Jahren habe sich das Argument „Mensch-Mensch ist der bessere Service“ relativiert. Darüber hinaus sei es nicht nachvollziehbar, dass man beim IT-Gipfel über Future-Internet, semantische Technologien und moderne Sprachsteuerung spricht und beim 115-Projekt völlig auf intelligente Selbstbedienungstechnik verzichtet.

Bitkom-Umfrage: Angeblich großer Zuspruch für Behördenrufnummer 115 – Komische Umfragemethodik

82 Prozent der Deutschen wollen angeblich bei amtlichen Anliegen künftig die Behördenrufnummer 115 nutzen. Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag des Hightech-Verbands Bitkom. Liebe Freunde der Bitkom, wie kann man denn aus diesem empirischen Befund zu der Auffassung gelangen, dass sich die Behördenrufnummer 115 eines großen Zuspruchs erfreut?????

Das sind doch keine validen Ergebnisse. Belastbar wäre die Umfrage nur mit einer Stichprobe in den Testregionen und bei Bürgern, die das Merkel-Telefon schon genutzt haben.

Die angewendete Methodik ist purer Schwachsinn: Im Auftrag des BITKOM befragte das Meinungsforschungsinstitut Aris deutschlandweit 1.005 deutschsprachige Personen ab 14 Jahren per Telefon. Jo, wie soll ich denn Zuspruch artikulieren, wenn ich von dem Thema überhaupt noch keine Peilung habe. Ich kann mir jeden Tag alles mögliche vorstellen. Vielleicht gehe ich mal in den Zoo, tanze im Bonner Hofgarten oder mache mal einen Kopfstand im Alten Rathaus. In der Bitkom-Pressemitteilung steht weiter, dass das 115-Projekt ein großer Schritt in Richtung einer bürgerfreundlichen und serviceorientierten Verwaltung sein soll. „ITK-Projekte der öffentlichen Hand können hervorragend funktionieren, wenn man sie professionell angeht“, wird BITKOM-Präsident Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer zitiert. Hat er die 115 schon ausprobiert?

Das Konzept der 115 sieht vor, dass die Mitarbeiter in den Service-Centern zunächst selbst versuchen sollen, die Anliegen der Anrufer zu bearbeiten. Können die Mitarbeiter am Telefon nicht sofort weiterhelfen, verbinden sie direkt an den Fachkollegen oder nehmen das Anliegen auf und schicken eine elektronische Nachricht an die entsprechende Stelle, zum Beispiel an das zuständige Ministerium.

Das funktioniert nur nicht immer so. Selbst bei einer so profanen Frage wie nach dem Abholtermin für Sperrmüll in Bonn-Duisdorf legte sich die Dame am 115-Telefon die Karten und konnte mich nirgendwohin verbinden. Sie gab mir schlicht die Nummer des Abfallamtes in Bonn. Das hätte ich auch ohne 115 hinbekommen. So etwas nennt man Servicebürokratie. Dabei sollte doch das Ganze nach dem Prinzip „One Stop Shopping“ (oder One-Hand-Prinzip) funktionieren in Verbindung mit der zunehmenden Migration von Voice-over-IP in der öffentlichen Verwaltung. Vorbild für das Projekt ist bekanntlich die New Yorker Rufnummer 311, um Behördengänge zu vereinfachen, Zuständigkeiten zu bündeln, unterschiedliche Call Center-Hotlines unter einem Dach zu vereinigen, verschiedene IT-Verfahren und Computersysteme zu integrieren, um so die Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Davon ist man Lichtjahre entfernt. 115 ist schlichtweg eine ziemlich dumme und profane Hotline.

Politische Netzexperten häufig offline

Für Überraschungen sorgt die zehnte Ausgabe des (N)Onliner-Atlas nicht wirklich. Die deutschlandweit größte Studie zur Internetnutzung untersuchte im Sonderband „E-Government-Monitor 2010“ erstmalig die Beziehung von Bürger und Staat auf elektronischem Wege.

„Behörden fehlt der Kontakt zum Bürger im Netz“, stellt York von Heimburg, Vorstand der IDG Communications Media AG., die die Sonderstudie „E-Government-Monitor 2010″2 unterstützt hat, in seinem Geleitwort fest. Siehe den Bericht des CIO-Magazins. Dies sei im Licht der vielfältigen Bemühungen zahlreicher öffentlicher Einrichtungen und Behörden auf allen Ebenen der Verwaltung aber auch „eine bittere Wahrheit, verbunden mit der dringenden Aufforderung zum Handeln“, schreibt von Heimburg, der auch Mitglied des Präsidiums der Initiative D21 ist.

Die besten E-Government-Anwendungen würden nichts nutzen, wenn sie nicht bekannt gemacht werden. So empfehlen die Autoren der Verwaltung eine bessere Kommunikation über ihre Vorhaben und Angebote. Selbst Leuchtturmprojekte wie die einheitliche Behördenrufnummer D115 seien nur wenig bekannt. Sie müssten deutlich offensiver vermarktet werden, damit Bürger und Unternehmen von den Serviceangeboten wissen und sie nutzen. Siehe auch meinen Beitrag: Zaunkriege am Bürgertelefon und die Illusion vom Amt 2.0: IT-Gipfel muss Impulse geben für Hightech im öffentlichen Dienst.

Das Resümee damals wie heute: Kaum ein Online-Projekt des Bundes habe bislang die erhoffte Nutzerfrequenz erreicht. Von einer Führungsrolle des Bundes beim Thema E-Government könne also keine Rede sein.

Ähnlich mangelhaft ist die Internet-Kompetenz einiger Bundesabgeordneten, die in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ sitzen.

Das hat Henning Krumrey in der Wirtschaftswoche sehr hübsch zusammengestellt:

„In dem vermeintlichen Expertengremium des Bundestags ist vieles verdreht. 17 Abgeordnete und 17 Sachverständige – selten war diese Unterscheidung treffender. Denn mit dem Gegenstand ihrer Arbeit hatten bisher die wenigsten MdBs Kontakt – die eigene Web-Site pflegt in der Regel der Mitarbeiter. Vor allem: Politische Erfahrung, die in einer Enquete-Kommission auf das Wissen externer Experten treffen soll, ist dünn gesät. 12 der 17 sitzen erst seit September 2009 im Bundestag, erleben gerade ihren ersten MdB-Sommer. Immerhin: Mit Axel E. Fischer (CDU) sitzt wenigstens der Erfahrenste der Kommission vor.“

Dafür sei die berufliche Vorbildung der Abgeordneten so weit gefächert wie das Internet-Lexikon Wikipedia.

Was aus diesem Unwissen dann letztlich herauskommt, werden wir ja irgendwann wissen. Vielleicht nutzen die Abgeordneten ihre Mitgliedschaft in der Enquete-Kommission zur Weiterbildung – dann könnte man die Vergeudung von Steuergeldern ein wenig besser verkraften.

115-Tarif-Wirrwarr – Amtsstuben-Odyssee noch lange nicht beendet

Bislang nur eine profane Telefonauskunft
Bislang nur eine profane Telefonauskunft
Die in den Ballungsgebieten gestartete Behördenrufnummer 115 ist ein Mammutprojekt. Sie soll im föderalen Deutschland die klassische Auskunft der Kommunen mit den Landes- und Bundesbehörden vernetzen. Beim Start der Rufnummer verkündete Bundesinnenminister (BMI) Wolfgang Schäuble, dass den Bürgern künftig eine „Odyssee durch die Amtsstuben“ erspart bleiben solle. Eine Odyssee ganz anderer Art erwarten Branchenexperten bei den Preisen für 115-Anrufe. Der Pressemitteilung des BMI ist nur zu entnehmen, dass man bei Anrufen aus dem Festnetz der Deutschen Telekom mit sieben Cent pro Minute rechnen muss. Die Tarife aus den Mobilfunknetzen liegen „überwiegend“ zwischen 17 und 39 Cent pro Minute.

Nach Recherchen des Branchendienstes Teltarif liegen die Minutenpreise teilweise deutlich höher. „Leider haben Bund und Länder es versäumt, den Telefonanbietern Vorgaben für eine transparente Preisgestaltung für Anrufe auf die 115 zu machen. Die Folge: Die Preise für einen Anruf aus dem deutschen Festnetz liegen je nach Anbieter zwischen 7 und 12 Cent pro Minute, für einen Anruf aus den deutschen Mobilfunknetzen zwischen 17 und 50 Cent pro Minute. Und: Statt über eine Tarifansage vor Gesprächsbeginn über die anfallenden Kosten informiert zu werden, muss sich der Anrufer selbst in den vollständigen Tarifinformationen und AGB seines Telefonanbieters über die entsprechenden Anrufkosten informieren. Es ist deshalb davon auszugehen, dass viele Nutzer der einheitlichen Behördenrufnummer die Kosten, die ihnen ihr Telefonanbieter für einen solchen Anruf berechnet, nicht kennen“, vermutet Teltarif. Fünf Minuten in der Warteschleife zu stecken, könne teuer sein. Wer die einheitliche Behörden-Rufnummer über einen Prepaid-Tarif eines Mobilfunk-Discounters, „kann dafür schon 2,50 Euro seines Guthabens verlieren. Bei unserer Anfrage, wo wir in Berlin einen neuen Reisepass ausstellen lassen könnten und welche Unterlagen wir dazu benötigten, dauerte das folgende Gespräch weitere sechs Minuten – macht insgesamt elf Minuten Gesprächsdauer und 5,50 Euro Gesprächskosten in unserem Tarifbeispiel“, schreibt Teltarif.

Transparenz und Verbraucherschutz sehen anders aus, moniert der Bonner Mehrwertdienste-Anbieter Next ID: „Besonders bei den Preisangaben ist es schwierig, auf der 115-Website irgendetwas zu finden. Dabei sind Preisangaben gesetzlich vorgeschrieben“. Die Mitarbeiter der Service-Center sind jedenfalls bei Nachfragen zu den anfallenden Preisen für Anrufe auf der Behördenrufnummer durchweg überfordert: „Die häufigste Auskunft lautet, dass ein Anruf auf der 115 aus dem Festnetz sieben Cent pro Minute kostet. Auch falsche Auskünfte wie ‚0,7 Cent aus dem Festnetz’ oder ‚zwischen 16 und 39 Cent aus den Mobilfunknetzen’ gaben die Agenten bei den Testanrufen von Teltarif an. In keinem Fall wiesen die Mitarbeiter ohne konkrete Nachfrage auf Unterschiede zwischen Anrufen aus dem Festnetz und aus den Mobilfunknetzen hin“, berichtet Teltarif.

„Den Anrufern ist in den meisten Fällen sicherlich nicht bewusst, dass bei einer komplexeren Anfrage mit etwas Wartezeit schnell mehrere Euro zusammenkommen, wenn Sie vom Mobiltelefon anrufen. Es bleibt abzuwarten, wie es gelingt, dies den Verbrauchern auch transparent zu kommunizieren – insbesondere denen, die als Flatrate-Nutzer über die gewohnten regionalen Nummern den Service kostenfrei in Anspruch nehmen würden. Ob hier die gebotene ‚Servicequalität’ in den Call Centern die Mehrkosten aufwiegt, bleibt abzuwarten“, sagt Call Center-Experte Jens Klemann, Geschäftsführer des Beratungshauses Strateco. Klar sei, dass mit den sieben Cent pro Minute nur maximal ein Sechstel der Kosten der Hotline gedeckt werden, was ja erst einmal nicht schlimm wäre, wenn sich dadurch Kosteneinsparungen an anderer Stelle ergeben würden, mein Lupo Pape, Geschäftsführer von SemanticEdge in Berlin. „Allerdings müsste die 115 im ersten Level schnelle Auskünfte bieten und im zweiten Level komplexere Anfragen bewerkstelligen. Es ist aber zu vermuten, dass die 115, durch die breite Bekanntmachung in den Medien viel mehr neue Fragen und Anrufe erzeugt als bisher und somit eine zusätzliche Kostenwelle auf die Verwaltung zukommt“, prognostiziert Pape.

Gleichzeitig habe man in den Fernsehberichten gesehen, dass die Agenten des Bürgertelefons die Anfragen auch nur als Suchbegriffe in eine Wissensdatenbank eingeben und die Ergebnisse dann fallgerecht vorlesen, ein Verfahren, dass jeder Google-Nutzer beherrschen würde und welches auch durch ein natürlich-sprachliches Dialogsystem über den telefonischen Kanal abgebildet werden könnte. „Der 115-Selfservice muss daher aus Kostengründen ernsthaft mit in Betracht gezogen werden. Die Technologie steht dafür bereits zur Verfügung“, resümiert Pape.

Da zunehmend Flat Tarife für das Festnetz genutzt werden, sei es für den Bürger ärgerlich, wenn er dann für die 115-Nutzung zahlen soll, sagt Udo Nadolski, Geschäftsführer der IT-Beratungsfirma Harvey Nash. Normalerweise sollte der Call Center- Einsatz Kosten auf der Betreiberseite einsparen, und nicht zu erhöhten Kosten für den Kunden führen. „Die ersten Tests zeigen, dass die Angelegenheiten der Bürger nicht mit dem Anruf der 115 erledigt sind, sondern weitere Anrufe wie bisher auch getätigt werden müssen. Insofern ist die 115 zumindest im Pilotversuch nur eine Telefonauskunft, über die Telefonnummern und Adressen erfragt werden können. Entscheidend ist aber nicht nur das Service Center unter der 115 und der Informationspool, auf den die Mitarbeiter im zugreifen können, sondern das jeweilige Backoffice, wo die Angelegenheit des Bürgers tatsächlich bearbeitet wird“, so Nadolski. Ein bürgernahes, serviceorientiertes Konzept müsse alle Behörden und Ämter einbeziehen. Die Amtstuben-Odyssee sei noch lange nicht zu Ende, glaubt der Harvey Nash-Chef. Das BMI geht davon aus, dass sich durch die 115 das mehrmalige Anrufen von Ämtern reduziert wird. „In Abhängigkeit zum Anrufaufkommen kann der D115-Tarif im Anschluss an den Pilotbetrieb gegebenenfalls gesenkt werden“, erklärt BMI-Sprecherin Alexandra Pietsch.

Bürgertelefon 115 gestartet – Das Merkelprojekt könnte in die Hose gehen

115 - Bei Anruf Service????
115 - Bei Anruf Service????
In Berlin, Köln/Bonn und dem Rhein-Main-Gebiet startet heute das Bürgertelefon 115, das vor drei Jahren beim IT-Gipfel der Bundesregierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Maßnahme zur Verbesserung der Verwaltungsdienstleistungen vorgestellt wurde. Insgesamt 10 Millionen Menschen kommen nun in den Genuss der neuen Nummer. Bundesweit soll der Telefonservice voraussichtlich 2014 verfügbar sein. Mehr als die Hälfte der telefonischen Anliegen sollen von Call Center-Agenten direkt beantwortet werden: Über ihre Computer können sie auf eine Datenbank mit den 150 häufigsten Fragen zurückgreifen. Wenn die Mitarbeiter allerdings keine Antwort wissen, werden die Anfragen weitergeleitet – der Kunde soll innerhalb von 24 Stunden einen Rückruf, ein Fax oder eine E-Mail bekommen.

In der Pilotphase kann man die 115 allerdings nur von Montag bis Freitag in der Zeit von 8 bis 18 Uhr anrufen bei einem Minutenpreis von sieben Cent. Danach solle der Service nach Angaben des Bundes-CIO Hans Bernhard Beus zu jeder Tages- und Nachtzeit angeboten werden. Auf eine Automatisierung werde man verzichten. Die Bürger würden nicht gerne mit einem Sprachcomputer reden. Das sei eine Vertrauensfrage. Branchenexperten gehen davon aus, dass die öffentliche Hand auf eine Kombination von persönlicher Beratung und Automatisierung nicht verzichten könne. „Wie in jedem anderen Call Center werden auch die Agenten des Bürgertelefons merken, dass es häufig wiederkehrende Fragen gibt, die sich mit einem natürlich-sprachlichen Dialogsystem sehr gut vorqualifizieren und automatisieren lassen. Damit könnten die Agenten von Standardanfragen entlastet werden und hätten auch Zeit für kompliziertere Anfragen, für die sie die Anrufer derzeitig weiterleiten müssen“, erklärt Lupo Pape, Geschäftsführer von SemanticEdge in Berlin.

Zudem seien die Staatskassen leer – das Bürgertelefon könnte sich schnell zu einem Kostenproblem auswachsen. „Mit der Weiterentwicklung von Technologie und Design bei den Sprachdialogsystemen in den vergangenen Jahren hat sich das Argument ‚Mensch-Mensch ist der bessere Service’ relativiert. Mensch-Mensch und Mensch-Maschine sind keine Alternativen mehr, sie spielen zusammen in einem optimierten, effizienten und kundenfreundlichen Telefonservice. Die aktuelle Werbekampagne von O2 bedient ein Klischee aus den Zeiten der alten Systeme mit einem starren Menü und sehr schlechter Spracherkennung. Mit der neuen Technologiegeneration hat das nichts mehr zu tun. Die Entscheider und Lobbyisten hinter dem Bürgertelefon, denen dieses Klischee auch bei der Konzeption des Bürgertelefons im Hinterkopf schwebte, werden sich in der Version 2.0 sehr ernsthaft mit den Automatisierungsmöglichkeiten natürlich-sprachlicher Dialogsysteme beschäftigen“, ist sich Pape sicher.

115 verharrt in der analogen Welt - Dienste der Zukunft sehen anders aus
115 verharrt in der analogen Welt - Dienste der Zukunft sehen anders aus
Darüber hinaus sei es nicht nachvollziehbar, dass man beim IT-Gipfel über Future-Internet, semantische Technologien und moderne Sprachsteuerung spricht und beim 115-Projekt völlig auf intelligente Selbstbedienungstechnik verzichtet. Hightech sehe anders: „Wer auf das so genannte ‚One-Stop-Government’ setzt, der muss damit rechnen, dass die Bürger das Angebot ernst nehmen und wirklich jedes Anliegen bis hin zum Zaunkrieg mit dem Nachbarn vorbringen. Ohne ein vernünftiges Automatisierungskonzept werden die Bürgertelefone heiß laufen und die Kosten explodieren“, warnt Bernhard Steimel, Sprecher der Nürnberger Voice Days und Customer Contact Days. Das Merkel-Prestigeprojekt könnte sonst in die Hose gehen.

Ich habe in Bonn heute einen Testanruf gemacht und bin sofort auf Granit gestoßen. Nach 15 Sekunden meldete sich eine Call Center-Dame in Köln mit Namen und dem Standardspruch „Was kann ich für Sie tun?“. Das gehört wohl mittlerweile schon zur „Servicekultur“ von allen Call Center-Anbietern. Ich fragte nach dem nächsten Abholtermin für Sperrmüll. Solche Anfragen werden wahrscheinlich im Vordergrund stehen. Sie suchte, suchte, suchte, fragte nach meinem Wohnort und fand nichts. „Haben Sie denn keinen Abfallkalender?“. „Nein, den habe ich verbummelt“, war meine Antwort – so etwas soll ja vorkommen. Wieder Schweigen und Suche. Dann der Verweis auf die Telefonnummer des Abfallwirtschaftsamtes in Bonn. Klasse, entspricht den Bedenken der Self Service-Kenner. So profane Daten müsste die 115 sofort ausspucken. Schwach.