“Märkte sind Gespräche”, so die vielzitierte Formel aus dem Cluetrain Manifest. Aufbauend auf den 95 Thesen von Christopher Locke, Doc Searls und David Weinberger schrieb ich im Jahr 2001 ein Buchkapitel unter der Überschrift “Abgesang der Phrasendrescher”: “Die Märkte des Internets möchten sich nicht mit Phrasendreschern unterhalten. Sie möchten an den Gesprächen teilnehmen, die hinter der Unternehmensfestung stattfinden.” In den Worten der Cluetrain-Autoren klingt das so:
“Die Menschen in vernetzten Märkten haben erkannt, dass sie voneinander besser Informationen und Unterstützung erhalten als von Seiten der Anbieter. Das ist das Ende der Unternehmensrhetorik über den Mehrwert ihrer auf Konsum getrimmten Güter. Schon in wenigen Jahren wird die gegenwärtige homogenisierte Sprache unserer Unternehmen, die Sprache der Mission Statemens und Werbebroschüren auf uns ebenso manieriert wirken wie die Sprache bei Hof im Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts. Schon jetzt jetzt kommen die hohlen Phrasen vieler Unternehmen bei den Menschen nicht mehr an. Unternehmen, die noch glauben, die Online-Märkte seien dieselben, die einst ihre Fernsehwerbung ertragen haben, machen sich etwas vor….Wir wollen wissen, was ihr in den Unternehmen treibt, wir wollen Eure Pläne und Strategien kennen, wir wollen Zugang zum Besten, was Eure Intelligenz zu bieten hat. Eure Vierfarbbroschüren öden uns an und der Schnickschnack auf Euren Websites schmeckt nach faden Fertiggerichten.“
Zehn Jahre später hat sich leider wenig geändert, auch wenn der Bundesverband Digitale Wirtschaft in seinen Wunsch-Umfragen das Gegenteil behauptet.
So berichtet das Magazin t3n über die Studie von Socialbakers über Facebook Markenseiten, die der Unternehmenschef Jan Rezab als Gastblogger auf eConsultancy veröffentlicht hat:
“Die Erkenntnisse sind ernüchternd für den markentreuen Facebooker. Denn 95 Prozent aller Posts auf die Pinnwände der großen Marken bleiben unbeantwortet.”
Aus dem Rahmen fallen nur TK-Unternehmen, die jede vierte Frage beantworten. Supi. Am Tabellenende stehen die Medienmarken – was für ein Zufall. Massenmedien waren per se auf Einwegkommunikation getrimmt. Da fällt eine Umkehr schwer und der Abstieg vom Thron des allmächtigen Nachrichten-Gatekeepers ist ja auch kein Zuckerschlecken für die Psyche.
“Was lernen wir aus der Statistik? Es ist im Grunde ganz einfach. Marken verstehen Kommunikation nach wie vor als Einbahnstraße. Es wird nicht kommuniziert, es wird verkündet. Da ist die Rückmeldung nur lästig.”
So ist es. Streicht man das Geklappere und die Schönwettermeldungen über Social Media weg, erkennt die Netzöffentlichkeit sehr schnell die Nacktheit des Kaisers mit den neuen Kleidern. Gespräche sind eben etwas anderes als Marketing-Wortschwall.
Ich könnte es nicht besser schreiben. Ob das ein Kompliment ist? Keine Ahnung 🙂 – Defacto gebe ich Dir auch in diesem Blog-Beitrag recht.
Mir dreht sich in regelmäßigen Intervallen der Magen um, wenn ich erlebe in welcher Form viele Unternehmen die Chancen auf den Dialog verstreichen lassen.
Da wird mit alberner Ich-Bezogenheit weiterhin das erlernte Floskeln-erschaffen von Print-Blättchen in die Welt der bidirektionalen Kommunikation geworfen. Völlig deplatziert wirkt die x-te Wiederholung einer Werbe-Botschaft auf der Facebook-Seite. Und Twitter wird nur genutzt um per Bot die Werbung auch auf diesem Kanal in epischer Breite über die wahllosen Empfänger zu schütten.
Es ist ein gruseliges Erlebnis, wenn man Dialogbereit auf Unternehmen in der social media Welt zugeht und ein Deja-Vu Erlebnis der Altsprech-Marketing-Profis erlebt. Nein Danke.
“Altsprech-Marketing-Profis”, gute Formulierung 🙂
Alles kleines Beispiel, ein Test aus meiner Branche auf Twitter.
Ich habe die etablierten Auto-Magazine per @Mention und per @DM angesprochen. Das waren der Twitter-Account von @amsonline und der Account der Auto-Bild @autobildonline und der Kölner Autozeitung @Autozeitung.
Das Ergebnis ist eindeutig. Und mehrfach mit verschiedenen Accounts von mir getestet: Die Mainstream-Printler haben nicht reagiert. Die haben eigentlich gar keinen Bock auf diesen Dialog. Die haben ein Geschäftsmodell und das will man so lange wie möglich nutzen. Was danach kommt? Da haben beide Verlagshäuser keine Ahnung.
Ganz interessant hingegen der Twitter-Account der Österreicher AutoRevue (@Autorevue_Tweet). Dort sitzt ein Mensch und der kann antworten. Der geht auf Tweets ein und kommentiert von sich aus auch die eigenen Meldungen.
Gleiches passiert Dir auch in der Servicebranche, die seit Jahrzehnten von “Multichannel-Kommunikation” schwafelt und noch nicht einmal Telefon, Brief und E-Mail synchronisiert bekommt geschweige denn Social Media-Anfragen wuppen kann.
Früher hieß es “Kunde droht mit Auftrag”. Heute ducken sich die Marketingverantwortlichen immer noch weg, denn “Kunde droht mit Antwort”! Dabei zeigen die vielen Open Sourcing-Plattformen – auch von Konzernen wie BMW – wie man die Öffentlichkeit sinn- und wirkungsvoll sogar zur Produktentwicklung nutzen kann.
Richtig. Da wird eine Menge Potenzial links liegen gelassen. Auch für den Effekt: Kunden helfen Kunden.