In meiner Kolumne für den Fachdienst MarketingIT der absatzwirtschaft beschäftige ich mit dem Ausspruch: „Der Kontrollverlust darf nicht hingenommen werden. ” Das proklamierte trotzig Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. „Als Marshall McLuhan ‚Das Medium ist die Botschaft‘ schrieb, meinte er damit, dass in jeder Technologie zum Ausdruck komme, wie sie den Intellekt der Menschen anregt, welche Sinne sie anspricht und welche Erwartungen sie vernachlässigt. Der Glaube an einen ohnehin nicht mehr aufzuhaltenden Kontrollverlust ist Selbstaufgabe. Der Post-Privacy-Ansatz gibt die falsche Antwort auf die neuen Herausforderungen, denn er setzt auf Gleichgültigkeit und damit letztlich auf intellektuelle Kapitulation. Datenschützer und Verbraucherorganisationen führen auch keineswegs letzte Rückzugsgefechte, sondern bremsen die Datensammelwut von Staaten und Großkonzernen“, führt die FDP-Politikerin aus. Sie seien unverzichtbare Helfer beim Schutz der Bürgerrechte, auch gegen eine vermeintliche technische Übermacht. „Gegen innovative Geschäftsmodelle ist selbstverständlich überhaupt nichts einzuwenden. Wenn aber einige wenige Konzerne wie Google oder Facebook unüberschaubare Datenberge und Informationen über Millionen Menschen anhäufen, aus denen sich Persönlichkeitsprofile erstellen lassen und die tiefe Einblicke in Privates ermöglichen, dann ist das beunruhigend. Die damit verbundene Machtfülle droht sich auf wenige private Großunternehmen zu konzentrieren, die sich grenzüberschreitend betätigen, was eine demokratisch legitimierte Kontrolle immer schwieriger macht“, meint die Ministerin.
Mal abgesehen von den üblichen Plattitüden über vermeintliche Datenkraken aus Übersee, bewegt sich die trotzige Haltung der liberalen Dame zum Kontrollverlust auf Sandkastenniveau. Hinter diesem Wort stecken kein Ziel, keine Programmatik und auch keine Utopie. Es beschreibt schlichtweg die normative Kraft des Faktischen. Die Justizministerin sollte nicht nur Marshall McLuhan lesen, sondern auch die Werke der Systemtheoretiker um den Soziologen Niklas Luhmann. Morgen ab 9 Uhr weiterlesen unter: http://www.marketingit.de/content/news/datenschuetzer-sollten-luhmann-lesen-von-der-trotzigen-verweigerung-des-kontrollverlustes;73956
“Es beschreibt schlichtweg die normative Kraft des Faktischen.” Damit ist aber sehr wenig gesagt, nicht einmal etwas Wichtiges. Und auch die Luhmann-Lektüre hilft denen, die an einer emsigen Luhmann-Philologie interessiert sind, nicht sehr viel weiter. Von der Politik kann nicht erwartet werden, dass sie die Erwartungen an staatlicher Kontrolle und Steuerung ignoriert. Wer dies aber trotzdem erwartet, sollte mal Luhmann lesen und sich fragen, was man aus der Lektüre lernen kann. Offensichtlich nicht viel. Denn ein Funktionssystem lässt sich von anderen Funktionssystemen nicht belehren; und man kann feststellen: dieses auch nicht von sich selbst durch sich selbst. Denn sonst wäre mindestens einem System alles klar, was man empirisch nirgends feststellen kann. Wie auch immer. Eine Politikerin hat eine Meinung, Interessant ist wenigstens, dass ihr Namedropping noch davon zeugt, dass sie das eine oder andere Blog gelesen haben mag, was ich schon für eine kleine Sensation halten möchte.
»Der Post-Privacy-Ansatz gibt die falsche Antwort auf die neuen Herausforderungen, denn er setzt auf Gleichgültigkeit und damit letztlich auf intellektuelle Kapitulation.«
Dann hab ich den Post-Privacy-Ansatz also missverstanden, denn er setzt auf informationelle Selbstbestimmung.
Aufklären über z.B. die möglichen Gefahren, die das Verknüpfen veröffentlichter Information beinhaltet – darin sehe ich die zukünftigen Aufgaben des Datenschutzes. Aber was ich selbst von mir preisgeben will, darf keineswegs von Gesetzes wegen be- oder ganz und gar verhindert werden.