Müssen Roboter für unsere Rente schuften? Frank Rieger und die Automatisierungsdividende

Frank Rieger vom Chaos Computer Club hat in einem Gastbeitrag für die FAZ über die leise rollenden Technologiewellen geschrieben, die unsere gesellschaftlichen Grundfesten erschüttern werden. In Expertenkreisen stoßen seine Thesen auf ein breites Echo.

In meiner Kolumne für den Fachdienst Service Insiders habe ich die Reaktionen ausführlich aufgegriffen. Die wird wohl morgen erscheinen. Hier die komplette Kolumne 🙂

Hier schon mal ein Vorgeschmack: Es sei nicht eine einzelne Technologie, so Rieger, die zu den Umwälzungen beiträgt, sondern die Kombination und gegenseitige Potenzierung paralleler Entwicklungen. Dieser digitale Tsunami könnte ganze Branchen umpflügen und selbst qualifizierte Berufe wegspülen:

„Es sind nicht länger nur die Fließbandarbeiter, deren Job durch einen Roboter ersetzt werden kann. Es sind auch Buchhalter, Anwälte, Personalentwickler, Marketingmitarbeiter, sogar Journalisten und Wissensvermittler, also Lehrer und Professoren, die sich Sorgen um ihr berufliches Arbeitsfeld machen müssen. Diese Veränderungen sind nicht nur rein technischer Natur, die Kombination von Vernetzung, Computerleistung und einer Umgewöhnung der Kunden schafft einen qualitativen Sprung, und das kann sehr schnell dramatische Auswirkungen haben – wie etwa das Beispiel der verschwindenden Reisebüros zeigt“, erläutert Rieger.

Eine Verbrauchssteuer für Algorithmen?

Wie könnten also Wirtschaft und Gesellschaft weiter funktionieren, wenn immer weniger Menschen noch eine dauerhafte Arbeit haben, die gut genug entlohnt wird, dass davon Steuern, Sozialversicherungs-, Renten- und Krankenkassenbeiträge gezahlt werden können? Der Vorschlag des Chaos Computer Club-Sprechers klingt auf den ersten Blick logisch: Ein schrittweiser, aber grundlegender Umbau der Sozial- und Steuersysteme hin zur indirekten Besteuerung von nichtmenschlicher Arbeit und damit zu einer Vergesellschaftung der Automatisierungsdividende.

Was heißt das konkret?

Eine Steuer auf den Konsum von Künstlicher Intelligenz, eine Luxusabgabe für den Einsatz von besonders leistungsfähiger Software oder eine höhere Mehrwertsteuer für Algorithmen? Bei indirekten Steuern wird die Steuer über den Preis einer Ware oder Dienstleistung erhoben. Problem: Jeder Verbraucher wird unabhängig von der Höhe seines Einkommens mit einem annähernd gleichen indirekten Steuerbetrag belastet wird – das Prinzip der Leistungsfähigkeit bleibt auf der Strecke.

An dieser Stelle muss Rieger etwas konkreter werden und sich mal äußern zur Frage der Steuergerechtigkeit.

Rieger-Manifest ohne empirisches Fundament

Aber nicht nur an dieser Stelle gibt es Klärungsbedarf über das Manifest für eine Sozialisierung der Automatisierungsdividende:

„Es ist richtig, dass wir Fortschritte in der IT haben – auch in der Automatisierung. Die Diskussion ist aber viel älter als es scheint. Es geht schon los in der Science Fiction von 1842, wo darüber spekuliert wird, dass Maschinen die menschliche Arbeit übernehmen und die der Einsatz von Menschen nur noch eine Option sei. Und wir finden das auch in der klassischen marxistischen Lehre, der die Welt in Proletarier und Bourgeoisie einteilt, wo das Innehaben von Produktionsmitteln zu einem Mehrwert führt. Das kann man analog zur Dividendentheorie von Rieger betrachten. Der Computer als Produktionsmittel erzeugt einen Mehrwert, der den Kapitalisten zufällt. Dieses Gedankengut ist 150 Jahre alt. Danach hatten wir ähnliche Diskussionen in den 1970er Jahren über Rationalisierung und Humanisierung der Arbeitswelt. Da hat man schon versucht, die tayloristischen Prozesse in den Fabriken menschenfreundlicher zu gestalten und das hat ja zu Dingen wie das Betriebsverfassungsgesetz, der Arbeitsstätten-Verordnung, Gesundheitsregeln und kollektiven Arbeitszeitregeln geführt. Was wir jetzt im Zusammenhang mit Computern diskutieren, hat bereits mit dem Beginn der Industrialisierung angefangen“, so der Internet-Berater Christoph Kappes im Gespräch mit Service Insiders.

Leider bleibe Rieger bei seinen Thesen auf einem feuilletonistischen Niveau, ohne empirische Belege zu liefern. Wenn es beispielsweise um maschinelle Textgenierung gehe, beschäftigt man sich in der Regel mit Daten, denen keine weiteren Informationen hinzugefügt werden.

Rieger sage einfach nur, Maschinen machen Arbeiten, die bislang von Menschen erledigt wurden, also werden die Menschen arbeitslos: Das sei falsch. Die gesamte Geschichte der technischen Industrialisierung belege das Gegenteil. In Dienstleistungsberufen arbeiten heute rund 70 Prozent der Beschäftigten. Das hätte Karl Marx nie für möglich gehalten. Arbeit wurde nur in industriellen Kategorien gedacht. Selbst der geistige Vater der Marktwirtschaft, Adam Smith, wertete die Arbeit von Kirchenmännern, Anwälten und Ärzten als „unproduktiv und ohne Wert“.

„Die geschichtliche Evidenz steht im Widerspruch zu den Thesen von Rieger. Müssen sich nun Professoren, Lehrer und Marketingmanager Sorgen um ihre Zukunft machen? Das Internet bietet Informationen, die vorher so nicht verfügbar waren. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass diese Informationen in Wissen transformiert werden. Beim Wissen geht es um tiefes Verstehen, um Ad-hoc-Nutzen, um Anwendungsorientierung und um die Entwicklung von Intuition. Da geht es um menschliches Wissen und nicht nur um maschinelle Informationen. Hier wirkt sich das Internet nicht als negativer Indikator aus. Wir haben Datenrohmaterial und müssen das in Wissen ummünzen. Es gibt sicherlich Fortschritte beim E-Learning. So findet man alle Vorlesungen des MIT auf Youtube. Bestimmte Frontalvorlesungen werden nicht mehr belegt. Es kommt darauf an, wie soziale Systeme auf diese Entwicklungen reagieren. Es muss ja nicht zu einer Reduktion der Professorenstellen führen. Spitzenvorlesungen kann man heute im Netz abrufen. Man könnte jetzt die Anforderungen erhöhen, die Professoren erfüllen müssen. Professoren können mehr forschen und in den direkten Dialog mit Studenten treten. Das führt zu einer Beschleunigung der Wissensaufnahme. Dieser Effekt ist sehr positiv. Die Entscheidung über einen Stellenabbau liegt bei uns. Deshalb verstehe ich die Maschinenlogik von Frank Rieger nicht. Unser Anspruch wird sein, dass noch mehr Wissen in die Köpfe kommt. Es ist zum Teil gar nicht belegbar, ob Maschinen wirklich zu einer Steigerung der Produktivität beitragen“, erläutert Kappes.

Steigert Informationstechnologie die Produktivität?

Erinnert sei an das Paradoxon der Informationstechnologie.

„Bis zum Jahr 2000 gab es keine belastbaren Studien, die den Produktivitätsfortschritt durch den Einsatz der IT untermauern. Wenn in Konzernen bei einem IT-Kostenanteil von 50 Prozent eine Fehlallokation auftritt, müssen die IT-Investitionen in die Tonne getreten werden. Macht man alles richtig, können die 50 Prozent IT-Kosten sich als hervorragender Hebel erweisen. So einfach ist das alles nicht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Informationstechnologie immer zu einem Produktivitätsfortschritt führt, treten Kompensationseffekte auf. Es fallen die Preise und auf der Kundenseite steigt das Realeinkommen. Das sehen wir bei ja bei Software. Da hat Rieger wirtschaftlich überhaupt nicht nachgedacht. Es gibt immer zwei Möglichkeiten: Sinkende Priese führen zu einem höheren Realeinkommen und Wohlstand der Verbraucher. Oder der Preis bleibt gleich und es steigt die Leistungen, wie man es bei PCs beobachten kann. Die Theorie, dass die Maschinen-Dividende beim Unternehmen bleibt, halte ich für Unsinn“, so das harte Urteil von Kappes.

Zwei Bergsteiger auf dem Weg zum Mond und der Nutzen marxistischer Ökonomie

Ebenso skeptisch beurteilt Dr. Gerhard Wohland, Leiter des Instituts für dynamikrobuste Höchstleistung, die Weissagungen von Rieger:

„Aussagen über die Zukunft haben eines gemeinsam, sie sind nur zufällig richtig. Die Welt ist keine Maschine, bei der sich die Zukunft aus der Vergangenheit ergibt. Die Zukunft der Welt ist grundsätzlich offen.“

Auch Wohland sieht die Analogien zu Karl Marx.

„Das ist löblich, aber selbst dieser große Denker konnte die Zukunft nur durch ein Schlüsselloch sehen. Auch machen es die vielen Geister im Text schwer zu ergründen, was der Autor eigentlich meint. Wer zum Beispiel ist ‚Wir‘? Die Profiteure, die Leidenden, der Autor und ich als Leser, oder alle zusammen? Wer ist ‚der Mensch‘? Es hat den Anschein, es ist eine Person, die handelt und denkt und sich an Kommunikation beteiligt. Hat ihn, ‚den Menschen‘, schon jemand gesehen? Nein, es sind Geister“, erwidert Wohland vom Ityx-Thingtank.

An der Diskussion, ob „der Computer“ „den Menschen“ eines Tages überflügeln werde, möchte Wohland sich nicht beteiligen. Denn sie sei ähnlich spannend wie die Diskussion zweier Bergsteiger auf dem Weg zum Gipfel über die Frage, ob man gerade auf dem Weg zum Monde sei.

Wohland empfiehlt weiteres Nachdenken:

„Eine vollautomatische Produktion kann keinen ökonomischen Wert erzeugen und damit auch keinen Profit. Beispiel: die Produktion des allgemein zugänglichen Luftsauerstoffs. Kein Wert, kein Preis, kein Profit. Profit wird also immer von Menschen produziert. Maschinen schaffen keinen Wert, sie übertragen ihn nur auf Produkte. Deshalb hilft gegen die Verelendung der Produzenten nur deren Organisierung. Wenn ein ‚Wir‘ entsteht, kann die Herstellung von Profit verweigert werden. Diese Gewalt kann Interessen durchsetzen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich meine verstaubten Kenntnisse der marxistischen Ökonomie nochmal brauchen könnte.“

Nach Ansicht von Reinhard Karger, Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), sollte die zunehmende Konkurrenz von Algorithmen und Robotern nicht instrumentalisiert werden, Ängste zu schüren und Innovationen zu bremsen. Seine Hoffnung:

„Je höher der Bildungsgrad der durch Echtzeitalgorithmen ersetzbaren Berufsstände, desto größer die Einsicht in die offensichtliche Eigendynamik der Innovationsintensität, hoffentlich verbunden mit energetischen Initiativen, die die notwendigen Veränderungen des Steuersystems mit Verve und Expertise voran treiben.“

Entscheidend sei jetzt die breite und vorausschauende öffentliche Diskussion über einen finanzierbaren und wünschenswerten Gesellschaftsentwurf, in dem Kreativität, soziales Engagement und familiäre Sorge eine überraschende neue Aufwertung erfahren könnten.

Unabhängig von den volkswirtschaftlichen Verwerfungen, die Frank Rieger nicht mit Fakten untermauert, rechnet auch Bernhard Steimel von der FutureManagementGroup mit gewaltigen Verschiebungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Ein wichtiger Zukunftstrend sei die wachsende Autonomie der Verbraucher.

„Das Internet bietet heute schon dem vernetzten Kunden vielfältige Möglichkeiten, um Social Software und das Expertenwissen seiner Peers zu nutzen. Serviceautomatisierung und Selbstberatung sind aus meiner Sicht zwei Seiten der gleichen Medaille und haben die Tendenz, sich gegenseitig zu verstärken. Das wird von vielen Führungskräften in seinen Auswirkungen zuweilen unterschätzt. Oftmals befinden sie sich in der Kurzfrist-Falle und richten ihre Entscheidungen an den Erfordernissen des Tagesgeschäfts aus. Unsere Erfahrung zeigt, es lohnt sich, den Blick in die nächste Ära des eigenen Geschäfts zu richten, um Zukunftschancen frühzeitig zu nutzen, bevor krisenhafte Entwicklungen wie bei Videotheken oder Reisebüros eintreten, die nur noch wenig Handlungsspielraum bieten“, rät Steimel.

Hörfunkjournalist und Blogger Heinrich Rudolf Bruns hält eine Maschinensteuer in Kombination mit dem bedingungslosen Grundeinkommen für diskutabel. „Wer durch eine Maschine ersetzt wird und keine Angst mehr haben muss, dass er darbt, weil die Besteuerung der Maschine seinen Lebensunterhalt sichert, der kann sich auf Neues einlassen.“

Soweit die die unterschiedlichen Reaktionen auf den sehr sinnvollen Debattenbeitrag von Frank Rieger. Das Thema wird uns mit Sicherheit weiter beschäftigen. Vielleicht auch auf unserem Blogger Camp, dass wir (Heinrich Bruns, Hannes Schleeh, Bernd Stahl und icke) für den September planen. Näheres folgt in den nächsten Wochen.

Wer schon jetzt Lust verspürt, sich an den Vorbereitungen zu beschäftigen, kann sich direkt bei mir melden. Hier einfach einen kurzen Kommentar hinterlassen.

Scheitern am Gerät und der Oma-Opa-Flow-Test: Glücksmomente statt Ärger als Gebot für Technik

Durch das Leben des Bloggers Sascha Lobo zieht sich ein roter Faden, und es ist kein schöner. „Er taugt so gerade eben noch zum Kokettieren auf Partys, aber nur für ein paar Sekunden. Dann wird die Wirkung des Mitleids wieder vom Schmerz verdrängt. Dieser rote Faden ist das Scheitern am Gerät. Ein gerätebezogenes Lebensmotto von mir könnte sein: ‚Hier stehe ich, ich kann nicht.‘ Und zwar weder so noch anders, sondern gar nicht“, schreibt Lobo in seiner Mensch-Maschine-Kolumne.

Vom Handy bis zum Kaffeevollautomaten habe er schon an fast jedem Apparat die abstrakte Nachrichtenformulierung „menschliches Versagen“ mit lebendigem Inhalt gefüllt. „In beeindruckender Geschwindigkeit bin ich in der Lage herauszufinden, wie Dinge schon mal nicht funktionieren“, so Lobo. Dabei sei er in technologischen Dingen doch überhaupt nicht unbegabt. Aber sein Wissen und Können in der direkten Konfrontation mit dem Gerät kommt ihm vor wie die funzelige Beleuchtung in einem ansonsten stockfinsteren Riesenlabyrinth. „Schon Zentimeter außerhalb des Lichtkegels stoße ich im besten Fall auf massiven Widerstand. Der schlechteste Fall ist ein Fall ins Nichts: vor einem Apparat zu sitzen, der offensichtlich eingeschaltet ist, aber einfach nicht reagiert. Auf nichts. Gibt es überhaupt eine Steigerung der Verhöhnung, wenn eine unbelebte Maschine einen Menschen ignoriert“, fragt sich der Kolumnist von Spiegel Online.

Generalverdacht der Hersteller und die Dummheit des Benutzers

Beim Wechselspiel von Mensch und Gerät geht es um einen Wettstreit, bei dem nie eindeutig gesagt werden kann, wer eigentlich wem dient. Aber nicht nur Versagensängste und die tägliche Plage im Umgang mit Geräten werden als schmerzliche Erfahrung der Moderne empfunden. Der Benutzer ist zudem einem Generalverdacht der Hersteller ausgesetzt. Er ist ein potentieller Störenfried. Diese Botschaft vermittelt schon die Bedienungsanleitung und spätere Disputationen beim Umtausch der Ware. Der Benutzer verendet in einer „Zirkulation von Schuldzuweisungen und Unterstellungen“, wie es Jasmin Meerhof in ihrem Buch „Read me! Eine Kultur- und Mediengeschichte der Bedienungsanleitung“ ausdrückt.

Schuldig ist nicht das Gerät, sondern der Benutzer, dieser Idiot. Die Über- und Unterordnung zwischen Gerät und Benutzer werden über zahlreiche Ge- und Verbote, Vorsichtsmaßnahmen und Hinweise zur Garantiert zementiert. Das Ganze ist eine Demonstration der Macht und das Scheitern am Gerät soll uns in die Rolle der Demut pressen. Glücksmomente, oder Flow, wie es der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi bezeichnet, entstehen in dieser Konstellation nicht. Alle Bewegungsabläufe werden im Flowzustand in harmonischer Einheit durch Körper und Geist mühelos erledigt.

Ob Kommunikationsdienste, Endgeräte oder Serviceprovider: Die Auswahl ist unüberschaubar, die Bedienung unübersichtlich und kompliziert. Hier wäre eine Umkehrung des Machtverhältnisses vonnöten. Als Flow-Qualitätssiegel könnte der Oma-und-Opa-Test fungieren.

Wie die Technologien der Zukunft konzipiert sein sollten, skizzierte Bernd Stahl auf dem Innovationsforum von Harvey Nash und Nash Technologies in Stuttgart. „Jeder Mensch ist auf der Suche nach einfachen, eleganten und effektiven Lösungen“, sagt der Systemarchitekt von Nash Technologies. Genau das würden Kunden aber immer nicht ausreichend geboten bekommen: Versende ich meine Nachricht per SMS, Facebook-Message, Chat oder Mail? Warum brauche ich immer fünf Schritte, bis die Nachricht versendet ist? Warum wird mein Netzzugang gedrosselt? Die meisten Technologien sind selbst für den IT-Spezialisten immer noch zu umständlich. „Erst wenn ein Fünfjähriger und ein 95-Jähriger Mensch die gleiche Technik wie selbstverständlich nutzt, sind wir am Ziel“, erläutert Stahl.

Die technologische Basis dafür ist schon vorhanden. Rechnerleistungen sind bald allgegenwärtig – Stichwort „Ubiquitous Computing”. Immer mehr Technik wird mit dem Internet ausgestattet. Eine Uhr mit den Funktionen eines Smartphones sei bald ebenso selbstverständlich wie ein Anorak mit GPS-Notfallsender, sagt Stahl. Per UMTS oder LTE umgibt uns das Internet wie eine Wolke. „Zuerst ist es für viele ein Schock. Aber wenn man es willkommen heißt, gibt es ganz neue Möglichkeiten“, sagt der Systemarchitekt.

Der High-Tech-Umgang der Zukunft: „Flow“ statt Ärger

Stahl denkt an ein Ende der unzähligen, sich in ihren Funktionen überschneidenden Endgeräte, er denkt an ein Ende des Wirrwarrs. Alle Applikationen verschwinden unter der Haube eines Systems – gesteuert durch die Sprache und den Handlungen des Menschen. „Ich spreche meine Frage aus wie in einem Gespräch. Die jeweilige Technik, zum Beispiel in meiner Armbanduhr, versteht, was ich möchte und liefert mir die passende Antwort.“ Die Antwort besteht nicht mehr aus 500 Millionen Ergebnissen wie eine derzeitige Google-Suche, sondern aus einer präzisen, brauchbaren Aussage – ermittelt aus dem über die Zeit gewachsenen eigenen sozialen Profil. „So wie wir einem Kind das Sprechen beibringen, werden wir unserer Technik beibringen, wie wir denken und handeln.“ Neue High-Tech-Entwicklungen würden so auch für Menschen nutzbar, die kein Interesse daran haben, unbrauchbare Antworten auszusortieren und Bedienungsanleitungen durchzulesen, so wie es fast jeder in Gesprächen mit seinen Großeltern erlebe. „Wir wollen aber alle den Flow erleben – den angenehmen, lockeren, inspirierenden Umgang mit Technik.“ Für Unternehmen erweitert Stahl seine Formel „einfach, elegant, effektiv“ um ein „G“. Und das steht nicht für Google, sondern für „Geschäftsmodell“.

Professor Herbert W. Franke über Lernautomaten und die Visualisierung von Wissen

Professor Herbert Werner Franke ( geb. 14. Mai 1927 in Wien) ist ein österreichischer Wissenschaftler und Schriftsteller. Er gilt als einer der bedeutendsten lebenden deutschsprachigen Science-Fiction-Autoren. Er ist außerdem aktiv im Bereich der Zukunftsforschung, der Höhlenforschung sowie der Computergrafik und Computerkunst.

Vor meiner Abreise nach Ligurien hatte ich die Möglichkeit, ein längeres Interview mit ihm über die Kommunikation von morgen und übermorgen zu führen.

Ein Betätigungsfeld größter Bedeutung ist nach Ansicht von Professor Franke die Frage der Vermittlung von Daten. Das ererbte Verständigungssystem ist die Sprache, derer wir uns heute meist in Form von Schrift bedienen: Die im Gehirn auftretenden Vorstellungen werden durch Laute codiert, die dann als Buchstaben über das Auge aufgenommen werden, um im Gehirn wieder in die Lautsprache zurückübersetzt werden. Und dann erst folgt die Transformation in eine bildliche Vorstellungswelt. Das sei nicht die beste Art, etwas mitzuteilen, so Franke. Der Gesichtssinn könne sehr viel mehr Informationen pro Zeiteinheit aufnehmen als das an zweiter Stelle stehende Gehör, und dazu komme die Fähigkeit, zwei-, in gewissem Maß sogar dreidimensionale Entitäten wahrzunehmen. Zwei- oder dreidimensionale Zusammenhänge lassen sich mit Bildern besser ausdrücken als mit Worten. So könnte man in Schulen in den ersten Jahren völlig ohne Formeln auskommen. Eine Visualisierung der Mathematik würde sehr viel bessere Lernergebnisse zur Folge haben. Jeder Schüler sollte mit Lernautomaten ausgestattet werden, um mit modernen Visualisierungsmethoden Wissen vermittelt zu bekommen. Die Automaten würden die individuellen Lernfortschritte sehr viel besser dokumentieren. Lehrer könnten das nur bedingt. Die Kreidezeit in Bildungsinstitutionen, wie es der IBM-Cheftechnologe Gunter Dueck ausdrückte, sollte so schnell wie möglich der Vergangenheit angehören.

Ich konnte das Interview noch nicht auswerten. Aber hier schon einmmal für Interessierte die komplette Audioaufzeichnung. Berichte zu dieser Thematik folgen in den nächsten Wochen: