Von der Spielkonsole ins Management: Überlegungen zum In-Game-Coaching #SAPTF

Deepa Gautam-Nigge von SAP beschäftigt sich mit der Frage, wie Diversität und ein gezielter Austausch zwischen etablierten Unternehmen und Start-ups den Innovationsprozess prägen: „Am Ende erwächst der Innovationsgeist immer aus den handelnden Personen“, hebt sie in der Wirtschaftswoche hervor und verweist auf die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der nächsten Generation an Talenten.

Als „nepalesische Rheinländerin“ in München und als Betriebswirtschaftlerin ohne Programmierkenntnisse, steht sie bei SAP symbolisch für gelebte Diversität. Diese Vielfalt sieht Gautam-Nigge als essentiell für das Zustandekommen von Innovationen. „Innovationen entstehen an den Schnittstellen diverser Netzwerke“, erklärt sie im Gespräch mit meisterstunde.de. Hierbei unterstreicht sie die Bedeutung von Teams, die sich aus Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Lebenserfahrungen zusammensetzen, um so bessere Produkte und Ideen zu entwickeln.

Ein zentrales Thema ist die Kontingenz bei Innovationsprozessen: Es gibt bekanntlich mehrere Möglichkeiten. Statt die Zeit mit Strategien und Plänen zu verschwenden, sollten sich Organisationen als Beobachter des Zufalls bewähren. Diese Herangehensweise schlägt eine Abkehr von der strengen Planung hin zur flexiblen und gelegenheitsorientierten Wahrnehmung von Innovationen vor, wie es der Ökonom Israel Kirzner mit der Figur des Chancenverwerters beschreibt.

Unternehmerinnen und Unternehmer, so Kirzner, sind aufmerksam für Chancen, die andere übersehen, und bringen sie in den Bereich der wirtschaftlichen Analyse.

Marktprozess und die Entdeckungsfunktion

Kirzners Erkenntnisse über den Marktprozess drehen sich um die Idee der unternehmerischen Entdeckung. Er vertritt die Auffassung, dass der Markt nicht nur eine Arena für die Umsetzung bestehender Präferenzen und Technologien ist, sondern auch ein leistungsfähiges Umfeld für die Entdeckung neuer Möglichkeiten und Wege, um den Verbrauchern besser zu dienen. Diese Perspektive sieht Märkte als einen evolutionären Prozess, in dem Wissen dezentralisiert ist und die Entscheidungsfindung in einem Kontext von Unsicherheit und begrenzten Informationen stattfindet.

Der unternehmerische Protagonist ist bei Kirzner weniger ein Schöpfer als ein nach Möglichkeiten (opportunities) Suchender. Kirzner prägt hier den Begriff der Wachsamkeit (Alertness) hinsichtlich der Wahrnehmung von Möglichkeiten.

„Wir müssen sehr viel stärker darauf abzielen, Methodenkompetenz zu vermitteln. Das beinhaltet natürlich auch das Thema Verwertung von Chancen“, so Gautam-Nigge.

Und bei der Chancenverwertung geht es dann eben nicht nur um Zufall, Glück, Versuch und Irrtum. Es gibt ein Momentum für richtige und falsche Entscheidungen. Hier liegt die Kraft des In-Game-Coaching auf den Spuren von Alonso:

Die allermeisten Zufallsspiele fordern uns also Könnerschaft in der Nutzung von Zufällen als Chancen ab. Zufällig ist das Blatt, das einem aus gutgemischten Karten zugeteilt wird, und über den Chancencharakter entscheidet nicht allein seine Zufälligkeit, sondern überdies Aufmerksamkeit, Präsenz des bisherigen Spielverlaufs in der Erinnerung und trainierte Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten in der Verteilung von Karten, die noch im Spiel sind“, so der Philosoph Hermann Lübbe ein einer Fachtagung der Poetik-und-Hermeneutik-Reihe mit dem Schwerpunktthema „Kontingenz“. 

In den Worten von Xabi Alonso geht es um das Management von „Mikro-Details“ – es fängt mit der Veränderung von (Lauf)-Bewegungen an und geht bis zur Verwandlung von Weitschüssen in Tore.

Methode Sohn:

Die Geheimwaffe von Alonso sind Spielzüge. Alonso gibt seiner Leverkusener Mannschaft eine klare Anweisung: Er will den Ballbesitz kontrollieren und das Spiel nahtlos von hinten nach vorne lenken. Alonso formt seine Spieler zu einem positionellen Spielstil, indem er strategisch zentrale Räume für die kreativsten Köpfe schafft und gleichzeitig die Passoptionen für jeden Spieler bei Ballbesitz maximiert. 

Hier sind bis ins Detail Kompetenzen wichtig – in den Worten des Learning-Experten Thomas Jenewein geht es um Adoption.

Dazu schreibt Thomas Jenewein:

„Für die Befähigung der Nutzer:innen wird oft SAP Enable Now eingesetzt. SAP Enable Now kann Lern- und Wissensinhalte erstellen, verwalten und bereitstellen. Dabei sind unterschiedliche Ansätze möglich – sinnvoll ist meistens ein Mix daraus. Ob E-Learning, wie Web Based Trainings oder Tutorials, Support mit der In-App-Hilfe durch den SAP Companion, Dokumentation und Support Materialien oder komplette Wissensdatenbanken. Gerade der SAP Companion hilft beim Lernen im Arbeitsprozess. Viele Lern- und Wissensinhalte kommen schon mit der Software. Mit SAP Enable Now kann man diese auf den Firmenkontext anpassen und erweitern. Für diese Software gibt es zudem die sprachlich passende Kategorie: man nennt sie Digital Adoption Plattform (DAP).“

Welche Anleihen kann man dabei in der Gaming-Welt machen?

„Ingame Coaches können dabei helfen, unbewusste Fehler und Erfolge zu erkennen, indem sie während einer Aktivität direktes Feedback geben und Anleitung bieten. Dies ist wichtig für den Lernerfolg, da viele unserer Handlungen und Entscheidungen automatisch und unbewusst erfolgen. Indem ein Coach in Echtzeit eingreift und uns auf Fehler oder erfolgreiche Strategien hinweist, können wir diese unbewussten Muster besser erkennen und verstehen. Dadurch entsteht mehr Klarheit über unsere Handlungen und Entscheidungen und wir können gezielt daran arbeiten, diese zu verbessern. Letztlich führt das zu einem besseren Lernprozess und ermöglicht es uns, unser volles Potenzial auszuschöpfen“, so die Erfahrung des Gaming-Coaches Constantin Sohn.

Geisteswissenschaftlich lässt sich das so ausdrücken: „Der Mensch als weltoffenes Wesen, genötigt, sein Leben zu führen“, schreibt Reinhart Koselleck, „bleibt auf Zukunftssicht verwiesen, um existieren zu können. Die empirische Unerfahrbarkeit seiner Zukunft muß er, um handeln zu können, einplanen. Er muß sie, ob zutreffend oder nicht, voraussehen.“ (Zeitschichten, S. 205).

Der Philosoph Reinhart Koselleck unterstreicht die grundlegende Notwendigkeit für den Menschen, trotz der Unvorhersehbarkeit und Unerfahrbarkeit der Zukunft, Erwartungen zu entwickeln, um handlungsfähig zu bleiben. Dieser Aspekt der menschlichen Existenz findet eine interessante Parallele im Konzept des Ingame-Coachings in digitalen und realen Spielumgebungen.

Zukunftssicht und Ingame-Coaching

Im Kontext von Spielen, sei es in der digitalen Welt von Videospielen oder im Sport, fungiert der Coach als eine entscheidende Schnittstelle zur Antizipation und Vorbereitung auf zukünftige Ereignisse und Herausforderungen. Der Coach hilft den Spielern, die Unsicherheiten und Dynamiken des Spiels zu navigieren, indem er die Ziele und möglichen Entwicklungen voraussieht. Ähnlich wie Koselleck die Notwendigkeit der Zukunftssicht für menschliches Handeln herausstellt, hilft der Coach, eine Struktur in die ungewisse Zukunft des Spielverlaufs zu bringen.

Die Rolle der Erwartung im Coaching

Ein Ingame-Coach arbeitet kontinuierlich daran, die Fähigkeiten der Spieler zu schärfen, nicht nur durch das Training bestimmter Fertigkeiten oder Taktiken, sondern auch durch die Entwicklung einer mentalen Bereitschaft, die zukünftige Spielzüge antizipiert. Dies schließt das Erkennen von Mustern, das Vorhersagen von Gegneraktionen und das strategische Planen ein. Ingame-Coaching transformiert somit die „empirische Unerfahrbarkeit“ der Zukunft in ein Szenario, das, obwohl nicht vollständig vorhersehbar, durch strategisches Denken und Planung angegangen werden kann.

Anpassung und Flexibilität

Kosellecks Idee, dass der Mensch die Zukunft einplanen muss, auch wenn diese Planung auf unsicheren Annahmen beruht, spiegelt sich in der adaptiven Natur des Coachings wider. Coaches müssen ihre Strategien ständig anpassen und aktualisieren, basierend auf dem sich verändernden Kontext des Spiels und den Aktionen der Gegner. Diese Flexibilität ist entscheidend, um auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren und die Spieler auf verschiedene mögliche Zukunftsszenarien vorbereiten zu können.

Kognitive und emotionale Komponenten

Über die technischen Fähigkeiten hinaus berücksichtigt das Ingame-Coaching auch den kognitiven und emotionalen Status quo der Spieler. Der Coach unterstützt die Spieler dabei, Druck und Stress zu bewältigen, was besonders wichtig ist, da die emotionale Verfassung oft darüber entscheidet, wie gut Spieler zukünftige Herausforderungen antizipieren und darauf reagieren können. Dieser Aspekt des Coachings unterstreicht Kosellecks Beobachtung, dass Menschen ihre nicht erfahrbare Zukunft konstruktiv in ihre Handlungen einbeziehen müssen, um effektiv agieren zu können.

Ingame-Coaching bietet somit ein konkretes Beispiel dafür, wie die Theorie Kosellecks zur menschlichen Antizipation der Zukunft in praktische, alltägliche Situationen übertragen werden kann. Es zeigt, wie durch gezielte Anleitung und strategische Vorbereitung die Unsicherheit der Zukunft in eine Reihe von planbaren und reagierbaren Szenarien umgewandelt wird, die es den Spielern ermöglichen, trotz der grundlegenden Unvorhersehbarkeit der Ereignisse effektiv und zielgerichtet zu handeln.

Dieses Konzept des In-Game-Coaching von Gaming-Pros und Trainern wie Alonso bietet ein interessantes Modell für die Entwicklung einer neuen Management-Theorie. Diese Theorie könnte als „Dynamic Real Time Management“ (DRTM) bezeichnet werden und zielt darauf ab, Führungskräfte zu befähigen, Teams mit kontinuierlicher, situationsangepasster Unterstützung zu leiten. Hier sind die Schlüsselkomponenten und Prinzipien dieses Management-Modells:

1. Kontinuierliches Feedback

  • Prinzip: Führungskräfte bieten kontinuierliches Feedback in Echtzeit, um Mitarbeitenden sofortige Korrekturen zu ermöglichen.
  • Umsetzung: Implementierung von Systemen und Tools, die es ermöglichen, Daten in Echtzeit zu sammeln und zu analysieren. Diese Daten dienen als Grundlage für unmittelbares Feedback und Anpassungen.

2. Anpassungsfähigkeit und Flexibilität

  • Prinzip: Das Management passt Strategien und Taktiken dynamisch an sich ändernde Umstände an.
  • Umsetzung: Regelmäßige „Time-Outs“, um Strategien basierend auf aktuellen Leistungsdaten und Marktentwicklungen anzupassen.

3. Förderung der Selbstregulierung

  • Prinzip: Mitarbeitende werden ermutigt und befähigt, ihre eigenen Leistungen zu bewerten und selbstständig anzupassen.
  • Umsetzung: Bildung und Schulung der Mitarbeitenden in Selbstmanagement-Techniken und der Nutzung von Analysetools zur Selbstbewertung.

4. Teamorientierte Entscheidungsfindung

  • Prinzip: Entscheidungen werden oft im Team getroffen mit Hilfe eine In-Game-Coaches.
  • Umsetzung: Einsatz kollaborativer Plattformen und regelmäßige Strategie-Workshops, um Teammitglieder in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

5. Situationsbewusstes Führen

  • Prinzip: Manager müssen ein tiefes Verständnis für die individuellen Stärken und Schwächen jedes Teammitglieds sowie für die dynamischen externen Faktoren haben.
  • Umsetzung: Entwicklung personalisierter Entwicklungspläne und der Einsatz von KI-gestützten Analysetools zur besseren Einschätzung der Mitarbeiterpotenziale und -bedürfnisse.

6. Technologieeinsatz

  • Prinzip: Technologie wird als integraler Bestandteil des Managements genutzt, um Effizienz und Effektivität zu steigern.
  • Umsetzung: Nutzung von Cloud-Computing, KI und maschinellem Lernen, um Daten zu sammeln und zu analysieren, was die Grundlage für Echtzeit-Feedback und -entscheidungen bildet.

7. Proaktives Krisenmanagement

  • Prinzip: Statt auf Krisen zu reagieren, werden Fähigkeiten der Antizipation vermittelt.
  • Umsetzung: Etablierung eines integrierten Risikomanagement-Systems, das Frühwarnindikatoren und automatische Anpassungsmechanismen enthält.

8. Nachhaltige Entwicklung der Mitarbeitenden

  • Prinzip: Langfristige Entwicklung der Mitarbeitenden wird durch kontinuierliches Coaching und gezielte Förderung sichergestellt.
  • Umsetzung: Laufende Weiterbildungsprogramme und Karrierepfade, die auf individuellen Stärken und Karrierezielen basieren.

Die Theorie des „Dynamic Real Time Management“ setzt auf die Grundsätze des In-Game-Coaching und wendet sie auf die Unternehmensführung an, wobei die Schwerpunkte auf Echtzeit-Feedback, Flexibilität und proaktiver Anpassung liegen. Ziel ist es, Organisationen zu schaffen, die schnell auf Veränderungen reagieren können und in denen jeder Mitarbeitende aktiv an der Gestaltung des Unternehmenserfolgs beteiligt ist. Das können Sohn@Sohn über Planspiele abbilden. Bei Interesse kontaktiert constantin.sohn@gmail.com oder hinterlasst einfach einen Kommentar unter diesem Beitrag.

In Vorbereitung des SAP Trainingforum am 19. Juni werden wir dazu noch einen virtuellen Roundtable auf die Beine stellen.

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