KI und Datengeschäft in der Cloud: Brauchen wir eine Verfassungsänderung im Datenschutz? Über die elektromagnetischen Schwingungen des Amtsschimmels in der EU, im Bund und in den Ländern

SAP-Chef Christian Klein fordert im Gespräch mit der FAZ andere Rahmenbedingungen beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Cloud-Angeboten. Deutschland und die EU seien beide in einem System gefangen, das für die Digitalisierung nicht passe. „Die Verantwortung sei nicht zentralisiert, viel zu viele Menschen redeten bei den Rahmenbedingungen mit, ‚vieles ist Stückwerk‘. Digitalisierung brauche aber einheitliche Regeln. Föderalismus ist nach Kleins Worten ‚bei allen sonstigen Vorteilen in Sachen Digitalisierung ein Nachteil‘. Klein fordert deshalb ‚grundlegende Reformen‘. Wenn man das ändern wolle, müsse man irgendwann auch an die Verfassung ran“, berichtet die FAZ.

Wenn immer mehr Datengeschäft in der Cloud organisiert, spielt der Standort eines Unternehmens keine Rolle mehr. „Die Vorgaben und Datenschutzbestimmungen etwa für Behörden sind aber oft sogar von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Nach Kleins Überzeugung werden die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz aber nur in der Cloud zur vollen Geltung gelangen, nahezu alle Softwarehäuser setzten deshalb ausschließlich auf die Cloud“, so die FAZ.

Wir selbst – also Hannes Schleeh und ich – haben diesen Sachverhalt ja auch beim Livestreaming thematisiert und die teilweise kuriosen Interpretationen des Rundfunkstaatsvertrages bei den eigenen Aktivitäten erlebt. Nachzulesen in unserem bei Hanser veröffentlichten Opus. Und da steht im Kapitel „Wir wir die Kanzlerin Merkel besiegten“ folgendes: Das erste virtuelle Bloggercamp im September 2012 mit einer Fernseh-Sendelizenz hat die Beschränktheit des deutschen Medienrechts offengelegt. Wer im Netz anfängt, Live-Übertragungen via Hangout on Air oder vergleichbare Plattformen laufen zu lassen, steht mit einem Bein im Knast oder könnte zumindest ein deftiges Ordnungswidrigkeiten-Verfahren mit Geldstrafen von bis zu 500 000 Euro kassieren. Der Rundfunkstaatsvertrag ist ein Relikt aus den Zeiten von „Dalli Dalli“ und „Einer wird gewinnen“:

„Die bisherigen Regelungen sind aufgebaut, als es früher noch Rundfunk gab, UKW und ähnliche Dinge. Man hat mit den Möglichkeiten gar nicht rechnen können, weil es sie damals gar nicht gab. Nun muss man es anpassen. Und was man wie anpasst, da bin ich locker und offen“, sagte der ehemalige Bundeswirtscha!sminister Philipp Rösler im Gespräch mit Bloggercamp.tv.

Einer müsse es zusammenschreiben und dann zu ihm kommen, sagte Rösler. „Es ist rückständig und beschämend, dass die Nutzung neuer Technologien noch mit Maßstäben aus dem letzten Jahrhundert reguliert wird. Spontaneität lässt sich kaum besser ersticken“, kritisiert Bloggerin Vera Bunse. Ob nun bei Live Streamings ausgefeilte Konzepte, redaktionelle Ablaufpläne und Potenziale von mehr als 500 Zuschauern vorliegen oder nicht, die Zuständigkeiten der Landesmedienanstalten für Jedermann-TV im Netz sind ein Anachronismus.

Im Gegensatz zu den Pionierzeiten des deutschen Fernsehens, wo gerade einmal 300 Empfangsgeräte zur Verfügung standen, sind die Ausgangsbedingungen im Internet nahezu unbegrenzt. Man braucht kei- nen Ü-Wagen, keine Misch- und Sendeanlage, keinen Zugang zum Satelliten und auch kein teures Kamera-Equipment. Ein vernün!iges USB-Mikro oder Headset, eine Webcam, Laptop und vernün!ige Beleuchtung reichen aus und man startet ins visuelle Echtzeitgeschehen. Deshalb erleben wir eine Explosion von neuen Sendeformen im Web und eine entsprechende Angebotsvielfalt von smarter Technik, um sich in den eigenen vier Wänden kleine Fernsehstudios zu zimmern. Auch bei der So!ware ist Ähnliches zu beobachten.

Auf der einen Seite formiert sich eine technologische Revolution und auf der anderen Seite wiehert immer noch der altersschwache Amtsschimmel.

Als Beleg kann man die Sendegenehmigung für Bloggercamp.tv heranziehen, die uns zum Start unserer Live Streaming-Aktivitä- ten von der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien erteilt wurde.

Ich habe ein Amt, also bin ich

„Rechnen Sie mit einem zeitlichen Aufwand von zwei bis drei Monaten.“ Der zuständige Beamte der Rechtsabteilung belehrt uns erst einmal über den Begriff des Rundfunks: „Rundfunk im Sinn des Rundfunkstaatsvertrages ist ein linearer Informationsdienst, der für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmt ist und die Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen zum Inhalt hat. Private Veranstalter bedürfen zur Veranstaltung von Rundfunk einer Zulassung, § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV. Bundesweite Fernsehangebote bedürfen der medienrechtlichen Prüfung durch die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) sowie die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK). Für die Prüfung eines bundesweiten Zulassungsantrages rechnen Sie bitte mit einem zeitlichen Aufwand von zwei bis drei Monaten (!) bis zur abschließenden gebührenpflichtigen Genehmigungserteilung.“

Verstöße gegen dieses prächtige Regelwerk der Echtzeitkommunikation können mit einer Geldbuße von bis zu 500 000 Euro geahndet werden. „Nach unserer Einschätzung erfüllt Ihr Vorhaben die Kriterien des Rundfunkbegriffs. Insbesondere ist auch das Kriterium der Linearität gegeben“, führt Professor Roland Bornemann aus. Und was für eine „Erleichterung“ versüßte uns den Tag der Ausstrahlung, dass uns die Medienanstalt mitteilte, ein zeitlich befristetes Pilotprojekt mit neuen Technologien, Programmen und Telemedien durchführen zu können. „Auf dieser Grundlage genehmigen wir hiermit Ihr für den 28. 09. 2012 im zuvor genannten Zeitraum geplantes virtuelles BloggerCamp über Google Hangout. Die Genehmigung erfolgt mit der Auflage, uns im Anschluss an diese einmalige Veranstaltung über die Resonanz, die Akzeptanz, die technische Gegebenheit und Ihre Erfahrung mit dem Hangout zu informie- ren. Bitte teilen Sie uns zudem mit, unter welcher Verlinkung das Hangout über YouTube abrufbar sein wird.“ Aus einer Bierlaune in der Ständigen Vertretung in Berlin ist die Bloggercamp-Idee entstanden und sie führte uns direkt an die Nahtstelle der staatlichen Avantgarde für mediale Innovationen. Das war aber nur der Anfang von vielen weiteren Episoden in der Rubrik des elektromagnetischen Amtsschimmels.

Wie sollte denn die Verfassung geändert werden, um digitale Dienste, die nicht mehr nach Standort-Logiken funktionieren, zu regulieren? Wir entwickeln gerne bis zum nächsten Digital-Gipfel einen Vorschlag und überreichen das dem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck – also Sohn@Sohn. Vielleicht kommt Hannes Schleeh auch wieder mit.

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