Innere Kündigung und die Verblödung von Organisationen: Auswege gesucht

In einer Zeit, in der politische und soziale Unruhen den globalen Diskurs bestimmen, betont Marina Weisband, ehemalige politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland, die Notwendigkeit einer umfassenden demokratischen Erneuerung. Im Mittelpunkt ihrer Vision steht die Überzeugung, dass eine vertiefte zivile Beteiligung und die Nutzung digitaler Technologien entscheidend sind, um die Herausforderungen der Moderne zu meistern.

„Wir stecken mitten in einer zweiten Welle der Aufklärung“, so Weisband in einem ausführlichen Gespräch für den Utopie-Band „König von Deutschland“. „Es geht nicht nur darum, vorhandene Systeme zu verbessern, sondern um eine grundlegende Neugestaltung der Art und Weise, wie wir als Gesellschaft funktionieren.“

Weisband, die derzeit ein innovatives Beteiligungsprojekt für Schüler leitet, sieht die Digitalisierung als Schlüssel zur Überwindung politischer Apathie und zur Förderung eines aktiven Bürgerengagements. „Durch meine Arbeit versuche ich, den Schülern nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern sie zu befähigen, Verantwortung für ihre eigene Zukunft und die ihrer Gemeinschaft zu übernehmen.“

Die digitalen Medien spielen in Weisbands Konzept eine zentrale Rolle: „Soziale Medien und Plattformen können unglaubliche Werkzeuge für politische Bildung und Beteiligung sein, wenn sie richtig eingesetzt werden. Sie bieten eine Plattform, auf der junge Menschen ihre Ideen und Visionen teilen und diskutieren können, die sonst in traditionellen Medien keinen Platz finden würden.“

Die Herausforderungen, die Weisband anspricht, sind jedoch nicht nur technischer Natur. „Die größte Barriere für wirkliche politische Teilhabe ist oft das Gefühl der Machtlosigkeit und Entfremdung, das viele Menschen empfinden“, erklärt Weisband. „Hier setzen wir an, indem wir Wege aufzeigen, wie jeder Einzelne realen Einfluss nehmen kann. Es geht darum, das Gefühl der Selbstwirksamkeit zu stärken.“

Die Politikerin und Psychologin kritisiert die zunehmende Polarisierung der Gesellschaft und die damit einhergehende Radikalisierung. „Ein Teil des Problems ist, dass viele Menschen sich nicht mehr repräsentiert fühlen. Sie sehen, wie Diskurse sich verschieben und Extrempositionen an Boden gewinnen. Dies führt zu einer gefährlichen Spirale, in der sich immer mehr Menschen von der demokratischen Mitte entfremden.“

Für Weisband ist die Lösung klar: „Wir müssen die Art und Weise, wie wir über Politik und gesellschaftliche Verantwortung denken, fundamental verändern. Das beginnt in der Bildung und setzt sich fort in der Art und Weise, wie wir politische Diskurse führen und Entscheidungen treffen.“

In einer Zeit, in der die Welt mit unvorhergesehenen Krisen und rasanten Veränderungen konfrontiert ist, betont Weisband die Bedeutung von Resilienz und Adaptivität. „Unsere Systeme müssen flexibel genug sein, um auf neue Herausforderungen schnell reagieren zu können. Das bedeutet auch, dass wir lernen müssen, Unsicherheit zu tolerieren und als Teil des menschlichen Daseins zu akzeptieren.“

Abschließend stellt Weisband fest: „Die Aufklärung des 21. Jahrhunderts wird nicht von oben herab erfolgen – sie wird von den Bürgern selbst gestaltet werden. Und hier sehe ich eine unglaubliche Chance für Wachstum und Erneuerung.“ Ihre Botschaft ist eine Einladung an jeden Einzelnen, Teil dieser neuen Bewegung zu werden, die auf Inklusion, Partizipation und Respekt für Vielfalt basiert.

In einer Welt, die nach Orientierung sucht, bietet Marina Weisband eine Vision, die sowohl herausfordernd als auch inspirierend ist. Ihre Überzeugungen spiegeln einen tiefen Glauben an die Kraft der Demokratie und die ungenutzten Potenziale der digitalen Ära wider.

Änderungsbedarf sieht Professor Lutz Becker mit Verweis auf den Beitrag von Weisband auch in der Wirtschaft: „Ich bin immer wieder fasziniert, wie die Kompetenzen von Mitarbeitenden ignoriert oder als störend empfunden werden oder versucht wird, Erfolg an wenigen “globalen” Kurzfristindikatoren (nämlich die des Managements) festzumachen (da helfen auch keine Personalgespräche mehr, wenn sie de facto dann doch nur um diese Indikatoren kreisen). Da darf man sich über mangelnde Innovationsfähigkeit, innere Kündigung/Quiet Quitting und schlechte Zahlen nicht wundern. Wie sage ich immer: Man kann Mensch nicht motivieren, aber man kann sie ganz leicht demotivieren. Deshalb sollten sich Führungskräfte vor allem darauf fokussieren, dass die ‚Hygienefaktoren‘ im Sinne von  Frederick Herzberg stimmen. Alles andere ist Kür.“

Seiner Meinung nach führt eine übermäßige Konzentration auf kurzfristige Managementindikatoren zu einer „Verblödung“ der Organisationen.

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