“Wie sehr hier allerdings Selbstwahrnehmung und Realität auseinanderklaffen, zeigt die Verbreitung sozialer Netzwerke – eine der größten Kommunikationsinnovationen der vergangenen Jahre. Hier schafft es Deutschland nur knapp ins untere Mittelfeld. Nur rund jeder zweite Deutsche, der in den vergangenen drei Monaten das Internet genutzt hat, war in einem sozialen Netzwerk aktiv. Das zeigen aktuelle Zahlen des europäischen Statistikamtes Eurostat. Damit liegt Deutschland (kurz vor dem heiß diskutierten Börsenstart von Facebook) weit abgeschlagen hinter Ländern wie Lettland, Ungarn und Dänemark, wie meine Infografik der Woche zeigt, die in Zusammenarbeit mit dem Datenportal Statista entstanden ist.”
Auch bei der Zahl der Top-Twitterati sei Deutschland weit abgeschlagen: 358 der 500 Meistverfolgten in leben in den USA. Auf dem zweiten Platz steht Brasilien. Danach kommen Großbritannien und Spanien.
“Deutschland kommt in der Rangliste der Karte der Top-Twitterati überhaupt nicht vor. Viele dürften jetzt mit den Schultern zucken. Zu viele. Denn mit Facebook & Co. entsteht ein wichtiger Teil kritischer Internet-Infrastruktur. Und auf dieser Infrastruktur setzen junge Unternehmen mit neuen Geschäftsideen auf. Sie entwickeln neue Spiele, Smartphone-Apps und suchen nach neuen Möglichkeiten, die sozialen Medien mit Gegenständen aller Art zu verbinden. Ein neues Milliardengeschäft entsteht beispielsweise in der Vernetzung von Autos. Sie alle aber haben es in einem Land scherer, in dem die Haltung gegenüber den neuen Kommunikationsinstrumenten skeptisch bleibt. Neue Unternehmen in dem Feld entstehen aber eher dort, wo neue Ideen schnell angenommen werden”, resümiert der Wiwo-Redakteur.
Wir müssen uns in Deutschland neu erfinden und sollten die Digitalisierung des Lebens sowie der Wirtschaft viel stärker als Chance sehen und nicht als Bedrohung, fordert der Netzwerkspezialist Bernd Stahl.
„Es ist ein Dreiklang aus Technik, sozialer Kompetenz und Inspiration gefragt. So sucht die Bundesregierung nach einem Konzept, um eine alternde Gesellschaft kostengünstig und würdevoll zu betreuen. Die grundlegende Erkenntnis: zu Hause in der Familie geht das einfach besser und billiger als in einem Altersheim. Ein Lösungskonzept fängt mit dem Smartphone in der Armbanduhr, Sensorik, Robotik und der Vernetzung mit Gesundheitsportalen an. Schließt aber Sozialverbände, Kirchen und Nachbarschaftshilfe mit ein. Gleiches gilt im Bildungswesen. Elektronische und vernetzte Medien können Wissen oft besser vermitteln als der Pauker. Was die Pads aber nicht können, ist Charakterbildung, soziale Kompetenz, Erlebnispädagogik. Hier gibt es das menschliche Alleinstellungsmerkmal. Wieder geht es um Computer, Internet in der Kombination mit sozialer Kompetenz“, so Stahl.
Diese Liste lasse sich fortsetzen: Energie, Wohnen, Transport, Nahrungsmittel oder Landwirtschaft.
Kopfprobleme und fehlende Flughöhe
Vielleicht steckt das Problem einfach nur in den Köpfen und der falschen Sichtweise. Im Innovationsmanagement müsse man in der Lage sein, Probleme und Lösungen abstrakter zu beschreiben, so Dr. Gerhard Wohland vom Institut für dynamikrobuste Höchstleistungen.
„Wer Probleme und Lösungen zu konkret beschreibt, kann nicht sehen, dass sie etwas miteinander zu tun haben. Erst wenn man die Flughöhe erhöht und von oben auf das Ganze schaut, erkennt man neue Ideen für die Lösung von Problemen.“
Problem und Lösung müssten sich kennenlernen. Es entstünde eine völlig veränderte Kombinatorik von Technologien. Als Laserstrahlen erfunden wurden, sei nicht klar gewesen, welcher Nutzen für Netz-Technologien entstehen könnte. Heute seien Laser, Computernetze und Glasfaser gar nicht mehr voneinander zu trennen. Wir sollten in Deutschland endlich aufhören, nur die Korinthen zu zählen, fordert Stahl.
Statt über die Dominanz von amerikanischen Silicon-Valley-Größen zu klagen und zu zetern, sollte man das Beste von Google, Facebook, Apple und Microsoft nehmen und etwas bauen, worauf die amerikanischen Konzerne noch gar nicht gekommen sind:
„Als Kunde möchte ich eine Kommunikation zu einem Experten, einer Community, einer Maschine, einer intelligenten Ware ohne jegliche Barrieren. Man könnte einen semantisch annotierten ‚Social Shadow‘ in einer Cloud schaffen. Man kopiert sich seine Streams auf Facebook, Twitter oder auf seine Cloud, verlinkt das mit dem Rest und ergänzt das durch semantische Annotationen. Damit hat man einen Mehrwert, den man so in den sozialen Netzen bislang nicht findet. Unternehmen verstehen ihre Kunden besser und bieten ihnen nahtlos das an, was sie wirklich brauchen. Warum sollen wir warten, bis Facebook oder Google das generisch aufgebaut haben“, meint der Nash-Technologies-Systemingenieur Stahl.
Dann folgt der Teil über Heinrich von Stephan, den ich hier schon zum Besten gegeben habe.
Transpiration darf natürlich auch nicht fehlen.