Die perversen Vorstellungen von schlecht angezogenen Cebit-Männern mittleren Alters

Dotcomtod-Alphonso mag die Cebit nicht. Ich mag Hannover nicht und auch die Computermesse geht mir seit Jahren auf den Zeiger. So richtig prickelnd war es auch in diesem Jahr nicht. Wer interessiert sich denn noch für Computer? Es geht um Apps, um Software, um die Wissensgesellschaft, um neue Arbeitsformen, um bürgerfreundliche Dienste des Staates, um – ja Don Alphonso – es geht auch um Social Media.

Aber nicht um Berater oder schlecht angezogene Männer mittleren Alters mit Bauchansatz, die sich auf dem Messegelände ihre Plastikschuhe ruinieren. Ich habe auch nicht den Eindruck gehabt, dass es um irgendwelchen technischen Schnickschnack geht. Um den berühmten Kühlschrank, der selbständig Eier nachbestellen kann und um Roboter, die meine Haushaltsaufgaben erledigen.

Gut, Reinhard Karger, Sprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz, sprach über Marmelade, die im Supermarkt mit mir kommunizieren kann. Das ist aber sicherlich eher metaphorisch gemeint, Don. Es geht um das Internet der Dinge und Dienste, um das jederzeit verfügbare Web, um Produktinformationen, die weit über das Haltbarkeitsdatum hinaus gehen. Siehe auch die dreiteiligen Youtube-Mitschnitte, die ich semiprofessionell (stümperhaft) angefertigt habe:

Übrigens entschied ich mich vor meiner Abreise zu den ollen IT-Managern kurzfristig gegen Plastikschuhe und wählte stattdessen braune Lederschuhe aus der Pionierzeit der amerikanischen Siedler (siehe Foto oben). Meinen Rennschlitten konnte ich nicht mitnehmen, da die Schneedecke in Hannover doch etwas dünn war. Gleiches gilt für meine Langlaufski von Fischer und für meine Carving-Ski von Völkl. Halbleere Messehallenestrichböden konnte man in Hannover ausgiebig bewundern, da muss ich dem FAZ-Buffetblogger recht geben.

Aber wo es richtig brummte, wo es gut angezogene Frauen und Männer zu bewundern gab, war die Webciety, die von Dunkelmännern der Social Media-Szene zum zweiten Mal organisiert wurde. Da gab es Lederschuhe zu bewundern, Stiefel, farbenfrohe Haarpracht, ab und zu richtig gute Vorträge. Die Halle 6 wirkte wie ein Magnet. Empfehlung an die Messeverantwortlichen: Macht doch aus der ganzen Cebit eine Webciety oder fusioniert einfach mit der IFA-Berlin.

Für die bildungsbürgerliche Modeberatung könnte man ja Don Alphonso gewinnen, der zudem die Messehallen im Stil der Renaissance (natürlich in der spanischen Variante) oder des Barocks (darauf fahren Katholiken ab) gestalten sollte. Auf alle Fälle sollte es eine Teststrecke für Rennschlitten geben, damit man mal sehen kann, was der eine oder andere Blogger wirklich drauf hat. Soweit die sportliche Kampfansage eines Bloggers mittleren Alters. Tischtennis, Kickern, Volleyball, Squash, Fußball oder Hallenslalom gingen natürlich auch.

Warum der intelligente Kühlschrank kein Hirngespinst mehr ist

Wenn über Künstliche Intelligenz diskutiert wird, darf der „intelligente Kühlschrank“ nicht fehlen. Seit Jahren geistert er in Fachbeiträgen und Zukunftsprognosen umher, in der Realität findet man ihn nicht. Das will das Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) ändern. So hat das DFKI unter der Leitung von Professor Antonio Krüger ein Forschungslabor mit dem Namen „Innovative Retail Laboratory (IRL)“ in der Zentrale des Handelsunternehmen Globus in St. Wendel eingerichtet.

Vom intelligenten Kühlschrank zum Supermarkt der Zukunft
Vom intelligenten Kühlschrank zum Supermarkt der Zukunft

Hier steht zumindest ein smarter Kühlschrank der dem Nutzer mitteilt, dass die saure Sahne nur noch bis morgen haltbar ist, Frischmilch nachgekauft werden muss und auch die Wurstbestände sehr übersichtlich sind. „Mit viel Technik soll Einkaufen zum Erlebnis gemacht werden: übersichtlicher, informativer und transparenter. Am Bildschirm des Kühlschranks kann gleich eine Einkaufsliste erstellt werden. Jedes Familienmitglied kann seine persönlichen Vorlieben einstellen und im virtuellen Globus-Katalog nach neuen Angeboten suchen. Mit ein paar Klicks ist die virtuelle Einkaufsliste auch schon auf dem Handy gespeichert“, berichtet die Saarbrücker Zeitung.

Neue Formen der Interaktion mit dem Kunden werden entwickelt und für den Einsatz getestet: von personalisierter Verkaufsberatung über „sprechende“ Produkte, bis hin zum intelligenten Einkaufswagen der den Weg durch das Warenhaus anhand des Einkaufszettels plant und anzeigt, rezeptbasierte Kaufanregungen gibt, Produktvergleiche ausführt, personalisiert auf passende Sonderangebote hinweist und Zusatzinformation zu den Produkten gibt.

Das IRL konzentriert nach eigenen Angaben seine Aktivitäten nicht nur auf Konzepte und Technologien, die allein das SB-Warenhaus der Zukunft als Ort des Einkaufens betrachten. Die Beziehung des Warenhauses zu seinen Kunden beginnt vor dem Einkaufen schon mit der individuellen Einkaufsvorbereitung und personalisierten Angebotspräsentationen zu Hause und wird durch Produkt- und Verwendungsratgeber zu den gekauften Waren nach dem Einkauf weitergeführt. Erforscht und realisiert werden auch Konzepte der Innovationsallianz Digitales Produktgedächtnis des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: Im Projekt SemProM – Semantic Product Memory – werden Schlüsseltechnologien für das Internet der Dinge entwickelt. Produkte führen Tagebuch, Smarte Labels geben ihnen ein Gedächtnis und unterstützen intelligente Logistik.

wine3
Durch integrierte Sensoren werden Herstellungszusammenhänge transparent, Lieferketten und Umwelteinflüsse nachvollziehbar. Der Produzent wird unterstützt, der Verbraucher besser informiert. An der Tiefkühltruhe erfährt der Kunden beispielsweise, dass der Spinat Laktose enthält und wie sich daraus eine Lasagne zubereiten lässt, der „digitale Sommelier“ gibt an, dass der Chardonnay gut zu Salat und hellem Fleisch passt sowie eine feinwürzige Note von Vanille und Frucht besitzt. Und die Bananen am Obsttresen stammen aus der Dominikanischen Republik und genügen den Bio-Standards, erklärt die virtuelle Beraterin.

Mit Sensoren bekommen Produkte ein Gedächtnis, um Informationen für Rezepte, Inhaltsstoffe, Ökobilanzen oder Lagerungsvorschläge zu vermitteln: „Im Moment ist das noch sehr teuer“, erklärt Antonio Krüger gegenüber der Saarbrücker Zeitung, der seit April die Professur am DFKI innehat, „aber wir gehen davon aus, dass in zehn Jahren die technologischen Möglichkeiten vorhanden und auch erschwinglich sind. Wir wollen zeigen, was möglich ist.“

Supermarkt-Waagen als Einkaufsassistenten
Supermarkt-Waagen als Einkaufsassistenten

Transparenz ist dabei einer der wichtigsten Faktoren für den Supermarkt der Zukunft, bestätigt Tudor Andronic aus dem Leitungsteam des Bereichs Retail Systems Development beim Technologiespezialisten Bizerba. „Es gibt bereits mehr Prozessoren als Menschen. Jeden Tag fließen unglaublich viele Datenmengen ins Internet. Gefragt ist jetzt die Kunst, die richtige Daten einfach zur Verfügung zu stellen. Dafür brauchen wir vordefinierte Schnittstellen sowie intelligente und adaptive Modelle, wie sie vom DFKI entwickelt werden“. Sein Unternehmen sei darauf vorbereitet und habe in entsprechende IT-Architekturen investiert, um die Visionen von Bill Gates „Information at the fingertip“ zu realisieren. „Aus den Technologien müssen jetzt Werte generiert werden mit den richtigen Inhalten, Empfehlungen und personalisierten Informationen. Zehn Jahre, wie von Professor Krüger prognostiziert, werden wir nicht mehr warten müssen. Das kommt schneller“, resümiert Andronic.

Mit dem Projekt „Supermarkt der Zukunft“ zählt das DFKI zu den „365 Orten im Land der Ideen“, die in diesem Jahr jeweils an einem Tag ihre Ideen präsentieren können.

Internet der Dinge: Blabla-Tsunami oder mehr?

semprom-logo_o1Ein Konsortium unter Federführung des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz hat es sich zur Aufgabe gemacht, Produkte mit Gedächtnis zu entwickeln. Das Projekt trägt den Namen „Semantic Product Memory“ (SemProM). „Die Forscher beschreiben einige Szenarien, in denen tagebuchschreibende Produkte zum Einsatz kommen könnten, etwa ein Einkaufsassistent für eine alte Dame, die schon ein wenig schusselig ist und manchmal etwas vergisst. Dem sollen merkfähige Dinge abhelfen. Wenn Oma nicht mehr weiß, was sie wollte, wird künftig ihr kluger Rollator die Kaufentscheidungen treffen. Erzeugnisse sollen bald ganz genau wissen, wem sie gehören und was sie schon alles erlebt haben, um auf diese Weise beispielsweise Produktpiraten entgegenzutreten“, so Technology Review-Blogger Peter Glaser.

Der trostlose Anhauch des Anorganischen, unter dem die meisten Objekte bislang zu leiden hatten, könnte einer Art von Intelligenz weichen, die uns als eine neue, vielfältig hilfreiche mikromaschinelle Umwelt umgeben soll. „Dabei streift mich eine Vorstellung von murmelnden Schachtelreihen im Supermarkt, ein Geräusch wie in einem gut gefüllten Restaurant, zwischendrin ein paar übellaunige Dübel in der Elektroabteilung – mir wird schon jetzt zu viel kommuniziert. Sollten nun auch noch die Dinge äußerungsfähig werden, und ich meine nicht einfach nur einen piepsenden Sensor, sehe ich einen Blabla-Tsunami auf uns zufluten“, befürchtet Glaser.

Unstrittig sind die logistischen Vorteile beim Internet der Dinge, denn Unternehmen können nur managen, was sie auch messen können. Dieser im Prinzip einfache Grundsatz, stellt sich in der Praxis häufig als Problem dar. Wenn etwa ein Einzelhändler nicht in der Lage ist, den Füllstand seiner Regale genau zu messen, dann wird er auch nicht in der Lage sein, die Verfügbarkeit seiner Handelsware in der Filiale zu erhöhen: So gehen bis zu acht Prozent des Umsatzes durch so genannte Out-of-Stock-Situationen (OOS) http://de.wikipedia.org/wiki/Regallücke verloren. Mit der RFID-Funktechnologie bekommen Informationssysteme erstmals „Augen“ und „Ohren“ und damit die Fähigkeit zur kostengünstigen Messung ihrer Umwelt. Sie haben das Potenzial, den Medienbruch zwischen physischen Prozessen und deren Informationsverarbeitung zu vermeiden. Sie ermöglichen eine vollautomatisierbare Maschine-Maschine-Beziehung. Die RFID-„Minicomputer“ übernehmen die Aufgaben eines Mediators zwischen realer und virtueller Welt. Physische Ressourcen wie Schachteln, Paletten, Lagerplätze, Regale und einzelne Produkte können ohne menschliche Eingriffe über die unternehmensinternen und externen Rechnernetze kommunizieren.

Sobald eine mit einem RFID-Etikett versehene Ware von einem Kunden gekauft und ausgebucht wird, zeigt das System diese Information je nach Konfiguration im Lager und im Backoffice an. Das Servicepersonal kann zielgerichtet entstandene Lücken in den Regalen beseitigen und neue Ware einsortieren. Selbst falsch zurückgestellte Ware lässt sich lokalisieren und kann wieder an den richtigen Platz gebracht werden. Aber nicht nur das OOS-Management kann deutlich verbessert werden. Die gesamte Logistikkette im Einzelhandel steht durch RFID vor einem Paradigmenwechsel:

Neben der Erfassung des Gewichtes gewinnt auch die Bestimmung der Größe von Packstücken mehr und mehr an Bedeutung. Ob mit Blick auf das Versandvolumen oder für die Optimierung von Lager- und Transportvolumen – Länge, Breite und Höhe spielen eine immer größere Rolle.Der Logistikmarkt mit seiner kontinuierlich wachsenden Nachfrage setzt zunehmend auf RFID-Systeme, die mit einer Einheit gleichzeitig Gewicht und Volumen erfassen sowie die Packstücke erkennen und kennzeichnen. Eine solche Lösung bietet die von Bizerba entwickelte Systemkombination aus Gewichts- und Volumenmessung, Etikettierung und Barcode-Scanning. Sie kann nach Angaben des Herstellers sowohl als komplexes Gesamtsystem als auch in einzelnen Funktionseinheiten unabhängig voneinander betrieben werden. Ebenso bieten sich auch nahezu alle Kombinationen der Einzelsysteme an.

Smart LabelMatthias Harsch, Mitglied der Bizerba-Geschäftsführung, erklärt eine mögliche Anwendung des Systems: „In der Produktion werden Kisten meist sortenrein mit jeweils einer Artikelgruppe befüllt. Damit sie während der Kommissionierung auch bei chaotischer Reihenfolge entsprechend des Produktionsauftrags auf die richtige Wäge- und Auszeichnungslinie gelangen, werden Transponder an die Kisten angebracht. Ein RFID-Reader liest die Artikelnummern aus und veranlasst die richtige Weichenstellung“. Anschließend werden die Kisten verwogen. Der GLP-Drucker erhält vom Host die variablen Daten und kann die aufzubringenden RFID-Etiketten sofort ausdrucken und codieren. „Die Kisten gelangen somit sortenrein ins Tiefkühllager oder zur Kommissionierung. Das Smart-Label an jeder Kiste rationalisiert die weitere Logistik enorm“, ist sich Harsch sicher.