Eine Milchstraße von Einfällen mit Hangout on Air: Livestreaming-Lesung in Siegburg

Livestreaming-Opus
Livestreaming-Opus

Heute Abend, um 20 Uhr ist es soweit. Wir stellen unser neues Buch vor: „Live Streaming mit Hangout On Air: Techniken, Inhalte & Perspektiven für kreatives Web TV“, erschienen im Hanser Verlag.

Für einen Band, indem sehr viel technisches Wissen steckt, ist der heutige Ort wohl etwas ungewöhnlich: Die Lesung findet nämlich in der Literaturbuchhandlung R² statt, Holzgasse 45, 53721 Siegburg. Moderiert wird der Abend vom ehemaligen WDR-Hörspielchef und Wortspiele-Blogger Wolfgang Schiffer.

Die Veranstaltungsankündigung belegt aber recht deutlich, dass wir mit dem Standardwerk über Livestreaming thematisch sehr viel abdecken und auch in einer ambitionierten Literaturbuchhandlung gut aufgehoben sind. Nicht nur Tipps für die ersten Gehversuche, Hinweise auf Software und Geräte, Anregungen für die richtige Beleuchtung und für guten Ton, sondern auch medienpolitische, medientheoretische und gar literarische Exkurse:

Eine Milchstraße von Einfällen, so werden die Texte und Aufzeichnungen aus dem Nachlass des Schriftstellers Jean Paul bezeichnet. Keine ordentlich gekämmten Maximen oder Aphorismen zur Lebensweisheit, sondern ein blühendes Durcheinander von Ideen, Beobachtungen, Skizzen und Parabeln.
In Bloggercamp.tv haben wir in über 250 Sendungen demonstriert, dass man die verrücktesten Ideen, provokative Debatten, ungewöhnliche Forderungen, spontane Bekenntnisse, kontroverse Diskurse und lebendige Talks mit dem Livestreaming-Dienst Hangout on Air senden kann. Nach der Lesung gibt stehe ich parat, um unser Opus zu signieren.

Co-Autor Hannes Schleeh wird aus Bayern live zugeschaltet.

Wer nicht nach Siegburg kommen kann, schaut sich einfach unsere Hangout on Air-Liveübertragung an oder später die Konserve auf Youtube. Wir sorgen natürlich für die Kommunikation mit Abwesenden 🙂

Siehe auch:

VON DER VIDEOREKORDER-ANARCHIE ZUM NACHBARSCHAFTS-TV – MIT LIVESTREAMING AUF DEN SPUREN VON BERTOLT BRECHT.

Wer übrigens direkt mit Kritikern via Live-Hangouts ins Gespräch kommt, erntet weniger Pöbel-Kommentare.

Wo geht sie hin, die Urbanität in Städten? #Bloggercamp.tv um 20:15 Uhr

Hier bin ich nicht Mensch, hier will ich nicht sein
Hier bin ich nicht Mensch, hier will ich nicht sein

Auch den Interessenvertretern des deutschen Einzelhandels dämmert so langsam, dass Amazon wie ein Staubsauger die Umsätze aus allen Handelssparten wegsaugt, wie es Kai Hudetz, Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung gegenüber „Focus“ ausdrückt.

„Noch 2011 hatten viele deutsche Händler gehofft, dass sich das Internet hierzulande nicht so negativ auf ihre Umsätze auswirken werde wie etwa in den USA (Gleiches trällerten ja die Verleger, gs). Spätestens der Erfolg des Modehändlers Zalando hat sie wachgerüttelt. Alle großen Handelsunternehmen arbeiten inzwischen an Digitalstrategien“, schreibt „Focus“-Redakteur Holger Schmidt.

Davon ist bislang wenig zu sehen. Vor allem stationäre Vollsortimenter werden in den Innenstädten verzichtbar.

„Das klassische Ladengeschäft muss nicht mehr Teil des Distributionsnetzes sein. Als Konsument möchte ich nur die allernötigsten Artikel an Ort und Stelle mitnehmen. Was darüber hinausgeht, soll mir nach Hause gebracht werden. Statt weit zu fahren, damit ich zu einem großen Sortiment komme, werde ich zu einem Showroom gehen, wo man mir das ganze Sortiment zeigt – echt oder virtuell“, sagt Moshe Rappaport, IBM-Experte für Technologie- und Innovationstrends.

Böser Beratungsklau

Es müssten nicht mehr alle Artikel im Laden vorrätig sein. Es reiche vollkommen aus, alles zeigen zu können. Nicht mehr das Produkt steht im Vordergrund, sondern der Service. Bislang passiert genau das Gegenteil. Auf die Ausdünnung der Innenstädte, wo ganze Shop-Gruppen wie Musikgeschäfte, Videotheken, Buchläden oder Elektronik-Filialen verschwinden oder ein kümmerliches Dasein fristen, reagieren die Funktionäre des Handels mit Kundenbeschimpfung und protestieren gegen den Beratungsklau via Smartphone und Co.: Ins Geschäft gehen, Produkt scannen und im Internet das günstigste Angebot einkaufen. Wo käme man da hin? Wie wäre es mit einem großen Warnschild mit einem übergroßen Mobilfunkgerät mit der Aufschrift

„In diesem Geschäft muss ich aus bleiben“

oder so ähnlich. Das wäre doch die richtige Jägerzaun-Abschottungsvariante, die man auf der Verlagsseite mit dem Leistungsschutzrecht realisiert hat. Die Einzelhändler in St. Tönis klebten die Schaufenster ihrer Geschäfte aus Protest sogar mit schwarzer Folie zu, damit „ihre“ Kunden mal erleben, was das böse Internet so alles bewirken kann.

Von den Vorzügen durchbräunter „Beraterinnen“

Die Fußgängerzone der niederrheinischen Metropole mit ihren rund 50 „Fachgeschäften“ dürfte ungefähr so groß sein wie die Verkaufsmeile in Bonn-Duisdorf. Dort werde ich kompetent bedient von fünf Friseuren, vier Bäckereien, sechs Optikern, vier Döner-Grillmeistern und der üblichen Zahl an Telefon-Inkompetenz-hier-können-Sie-nicht-kündigen-Zentren. Nicht zu vergessen die unverzichtbaren Sonnenstudios mit ihren ganzjährig gut durchbräunten Beraterinnen, den obligatorischen Nagel-Fußpflege-Haarverlängerungs-Tempeln und Massage-Salons mit den Verkaufsschildern „Ohne Erotik“.

Was für eine Fachberatung bietet denn das Verkaufspersonal in den Fußgängerzonen-Läden? Wirkliche Profiberatung finde ich eher in Foren, YouTube-Filmen und bei den Kundenbewertungen im Netz, wenn sie nicht von irgendwelchen blöden Agenturen gefälscht werden. Preisvergleiche über spezielle Apps sollten für Verkäufer eher ein Ansporn sein für besseren Service und nicht mit Smartphone-Verboten beantwortet werden.

Virtuelle Assistenten optimieren den Einkauf

Deshalb ist auch die Anbieter-Diktatur von Markenartiklern und Fachhändlern ein hoffnungsloses Unterfangen, die wegen der „Beratungsintensität“ ihrer Produkte den Onlinehandel unterbinden wollen. Beratung bekomme ich über virtuelle persönliche Assistenten, die meine Einkäufe optimieren, Produkte und Dienstleistungen bewerten und über die Expertisen anderer Kunden informieren. Unternehmen, die mit ihren vernetzt organisierten Kunden nicht mithalten können, verschwinden vom Markt. Auch in St. Tönis.

Der stationäre Handel muss das aber nicht unbedingt begreifen. Die ehrbaren Blumenkübel-Kaufleute könnten ja den 6. August zu einem jährlichen Anti-Internet-Berners-Lee-Protest-Tag ausrufen. An diesem Tag ging nämlich vor 23 Jahren die erste Website online. Das ist aber nur einer von vielen Aspekten, die wir heute Abend nach der Tagesschau, um 20:15 Uhr bei Bloggercamp.tv diskutieren wollen.

„Wie kann man die Innenstädte beleben? Gestaltung, Aktionen und Online-Marketing“.

Es geht um die Belebung der Innenstädte, die Herausforderung für den stationären Einzelhandel und eine attraktive Stadtgestaltung. Verdrängen hohe Gewerbemieten die inhabergeführten Läden? Teurer Parkraum, der Kunden abschreckt und zur Grünen Wiese fahren lässt. Funktionale Trennung von Wohnung, Arbeitsplatz und Einkauf. Dominanz der Ketten in Fußgängerzonen. Rolle der Wirtschaftsförderung. Modell Bad Münstereifel – eine Stadt als Outlet und, und.

An der Diskussion nehmen teil: Frank Michna, Hannes Schleeh, Frank Schulz, Gunnar Sohn und Professor Christl Drey vom Haus der Architektur Köln.

#Bloggercamp.tv live aus Tunis: Wie steht es um den arabischen Frühling?

Reformprozess in Tunesien

In der heutigen Sendung berichte ich kurz vor meiner Rückreise nach Deutschland ab 20:15 Uhr von meinen Eindrücken, die ich in den vergangenen drei Tagen in Tunis gesammelt habe.

Unterstützt werde ich dabei von Walter Tauber, der seit rund drei Jahren für die Deutsche Welle in Tunis tätig ist. Er war 14 Jahre Auslandskorrespondent des Spiegels, hat viele Dokumentarfilme gedreht, spricht acht Sprachen und kennt sich auf fast allen Kontinenten aus.

Man hört und sieht sich nach der Tagesschau.

Faktencheck zur Digitalen Agenda: Watson übernehmen Sie! Vom Nutzen einer Vetomaschine

Vielleicht gibt es ja dann bald Watson-Brillen.
Vielleicht gibt es ja dann bald Watson-Brillen.

Der IBM-Rechner „Watson“ ist ein ziemlich schlaues Kerlchen. Nicht erst seit seinem legendären Sieg über die Champions des Ratespiels Jeopardy. Er kann noch viel mehr. Watson ist ein Fakten-Checker:

„Heute, drei Jahre nach dem Sieg der KI-Software bei der Quizshow Jeopardy, ist Watson bereits bei Behörden, Institutionen und Unternehmen in den USA im Einsatz. Die Software unterstützt dort Onkologen bei der Behandlung von Krebspatienten, führt natürlichsprachliche Verkaufsberatungen bei einer Bekleidungsmarke oder leitet aus der permanenten Analyse digitaler Medien (Blogs, Facebook, Zeitungen, Foren) ab, welche Themen sich als gesellschaftliches Mem abzeichnen und welche davon auf die Agenda der Wirtschaft gehoben werden sollten“, erläutert Konrad Buck in einem Gastbeitrag für Brightons.

Watson könnte nach Ansicht von brightone-Analyst Stefan Holtel auch den Politikbetrieb dramatisch verändern, da er Aussagen von Politikern einem Echtzeit-Faktencheck unterziehen kann.

Etwa parallel zu Bundespressekonferenzen, wie bei der Präsentation der „Digitalen Agenda“ der Bundesregierung.

Oder bei Wahlkampfreden, wenn mal wieder irgendein Sündenbock-Thema aufgetischt wird, beispielsweise bei der CSU-Kampagne „Wer betrügt, der fliegt“.

Inhaltsleere Polit-Rhetorik und polemischer Alarmismus könnten mit einer Veto-Maschine fundierter sowie schneller entlarvt werden. Damit wird Watson nicht zum Gestalter von Politik. Er könnte mit seinen Echtzeit-Analysen allerdings die Barrieren für dümmliche Agitation erhöhen. Als Recherchehilfe wäre Watson überaus nützlich. Was denkt Ihr?

Heute Abend nach der Tagesschau, also um 20:15 Uhr, machen wir bei Bloggercamp.tv schon mal einen digitalen Fitnesstest für Deutschland – noch ohne Watson. Für Zwischenrufe während der Liveübertragung Hashtag #bloggercamp verwenden.

Siehe auch:

Ihr habt ja bestimmt vom IT-Sicherheitsgesetz gehört.

Agenda ohne Plan.

Breitbandausbau: Die Internet-Lüge.

Von digitaler Social Media-Sauce und dem Content Marketing-Nullsummenspiel #Bloggercamp.tv

Frank Michna bei seiner Premiere als neues Bloggercamp.tv-Mitglied
Frank Michna bei seiner Premiere als neues Bloggercamp.tv-Mitglied

Content sagt alles und nichts. Marketing sagt alles und nichts. Was kommt denn nun bei der Wortkombination Content Marketing heraus? Ein semantisches Nullsummenspiel und ein kommunikatives Trauerspiel. So könnte man die Bloggercamp.tv-Gesprächsrunde in erweiterter Formation zusammenfassen.

Die tägliche Begriffshuberei mit 50 oder 60 verschiedenen Definitionen führt jedenfalls nicht zur Klärung, moniert Kommunikationsexperte Frank Michna. Da werden Worte atomisiert, pulverisiert und wieder zusammen gebaut:

„Jede Woche wird ein neues Chart entwickelt, um zu zeigen, dass es nun doch eine Daseinsberechtigung für Content Marketing gibt. Es ist ein wenig jämmerlich, dass man sich so weit von Kommunikation entfernt.“

Die Verbindung mit Kommunikation und Information führe zu einer undurchschaubaren Wurstproduktion, die dem Verkaufen dienen soll.

„Wir müssen so langsam die Entscheidung treffen, was wir denn in den sozialen Netzwerken eigentlich machen. Marketing ist Preis, Distribution, Produkt und letztlich Absatzförderung“, erläutert Michna bei seinem Bloggercamp.tv-Debüt.

Content Marketing sei letztlich nur eine viel geprügelte Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Es führe auf der Unternehmensseite eher zur Verunsicherung und bringt keinen Erkenntnisgewinn. Zudem werden Erwartungen geweckt, die überhaupt nicht erfüllt werden können. Die Vermengung von verschiedenen Organisations-Disziplinen bewirkt mehr Schaden als Nutzen.

Ähnlich verhält es sich mit der Vermischung von PR und Marketing. Es entwertet die Rolle der Unternehmenskommunikation und unterstützt Geisteshaltungen, die auch heute noch die Tagesordnung vieler Organisationen prägen:

„Schalten Sie mal wieder eine PR, um die Verkaufszahlen nach oben zu bringen. Wir brauchen bessere Werte für den Vertrieb. Platzieren Sie mal einen Artikel, damit unsere Außendienstler Futter bekommen. Sie bringen mir jetzt mehr Clippings, damit wir gegenüber dem Produktmanagement besser dastehen. Ich will den Chef mit einem Porträt auf Seite 5 der Wirtschaftswoche sehen, nur dann erreichen wir über unsere Marketingabteilung die potenziellen Geschäftskunden – alles andere ist Firlefanz.“

Die Kommunikatoren in den Unternehmen tun sich nach Ansicht von Michna keinen Gefallen, wenn sie mit einer Verwässerung von Begriffen operieren. „Man macht sich unglaubwürdig.“

Das Ergebnis sei schon bei vielen großen PR-Agenturen zu betrachten, die sich aus einer Mischung von Verkauf und Promotion mit Restbeständen von tatsächlicher PR positionieren. Gleichzeitig gebe es immer weniger PR-Fachleute, die gut schreiben können, die jemanden mitnehmen und in der Lage sind, relevante Informationen aufzubereiten – ohne Schönwetter-Botschaften und aseptisch gestylte Fotos oder Videos.

„Dann klatscht man obendrauf noch die digitale Social Media-Sauce, nennt das Ganze Content Marketing und kommt mit der Stirnlampe vor dem Kopf bei einer Customer Journey hinten raus“, so Michna.

Verfeinert wird der Brei mit Storytelling-Zutaten und Controlling-Werten aus der Rubrik „Malen nach Zahlen“. Das Lead-Generierungs-Conversion-Rate-Reichweiten-Geschwalle packt man dann in bunte Excel-Tabellen. Die werden meistens ausgedruckt, in heiligen Ordnern abgeheftet und danach in heiligen Schränken aufbewahrt, schließlich könnte der Unternehmensboss ja mal nachfragen, ob man auf das Konto des Unternehmenserfolgs eingezahlt hat.

Mit der pseudo-rationalen Controlling-Huberei verliere man die ganze Leichtigkeit, die das Mitmach-Web bietet.

„Wir verspielen viele Möglichkeiten im Social Web, weil wir uns in Definitionen von irgendwelchen Begriffen aufhängen“, meint Frank Michna.

Statt Content Marketing-Nebelkerzen zu zünden, sollte Unternehmen demonstriert werden, wie man die Plattformen des Social Webs sinnvoll einsetzen kann, um bestehende Aktivitäten im Marketing, im Kundenservice und in der Kommunikation zu unterstützen. Eine gut organisierte und interessante Kundenveranstaltung könnte live ins Netz übertragen werden, um auf das Konto „Kommunikation für Abwesende“ einzuzahlen. Der technische Service eines Herstellers könnte Kundenanfragen in sozialen Netzwerken kuratieren und über Videos beantworten, damit weitere Anfragen gar nicht mehr auflaufen. Die Kommunikationsabteilung könnte Fachblogs entwickeln, um Partner und Händler mit wichtigen Informationen zu versorgen. Man könnte mit Power-Usern auf Youtube ins Gespräch kommen, die die Produkte des Unternehmens besser kennen als Hotline-Mitarbeiter. Und, und, und.

Keinen Social Web-Weihrauch verbreiten, um Eindruck zu schinden, sondern operativ aufzeigen, was im Netz alles möglich ist. Also nicht mit Powerpoint-Rhetorik glänzen, sondern die eigenen Vorschläge selbst umsetzen, demonstrieren und beweisen. Siehe meine Antworten bei einer Mittelstandsrunde auf der Cebit.

Frei nach dem Motto: Eat your own dog food.

Die Neujustierung von Bloggercamp.tv scheint in den ersten Reaktionen gut anzukommen:

Heike Stiegler: Super Sendung, super Thema, super offen !!! Ihr habt hier endlich mal laut und offen ausgesprochen, was ich mir auch schon so oft gedac habe, immer in dem Gefühl, ich liege falsch, denn der große Chor singt ja anders. Ich kann nur gar keinen Punkt herausgreifen, denn es trifft auf jedes Thema zu, das ihr diskutiert habt, egal ob es um „contentmarketing“, „Social-Media“ oder die „neue Elite“ geht. Normal hab ich nicht die Geduld für so lange Formate, aber ihr habt es diesmal geschafft, dass ich echt dran geblieben bin, bis zuletzt. Hoffentlich sehen es sehr viele!

Das wird Frank erfreuen 😉 UltraViolet: Google testet ein neues Design für Hangouts.

Big Show mit kleinem Budget: #Bloggercamp.tv jeden Mittwochabend nach der Tagesschau :-)

Livestreaming beim StreamCamp - in diesem Jahr in München am 18. und 19. Oktober
Livestreaming beim StreamCamp – in diesem Jahr in München am 18. und 19. Oktober

Hangout on Air ist ein verkanntes Internetmedium: Schon der Name macht das Format in Deutschland nicht eben für den Alltagsgebrauch tauglich. Was steckt aber wirklich an Potenzial und Möglichkeiten im Medium für die TV-Autonomen? Was braucht es an Technik, Know-how und rechtlichen Voraussetzungen? Es gibt schon sehr erfolgreiche Beispiele dafür, wie man das Zwitterformat aus Google Plus und YouTube einsetzen kann. In Bloggercamp.tv haben wir das exzessiv unter Beweis gestellt: Von virtuellen Bier- und Weinproben bis zum Live-Übertragungsmarathon von der Agritechnica in Hannover wurde schon vieles ausprobiert. Selbst Kanzlerin Angela Merkel musste sich von uns „besiegen“ lassen, weil sich die liebwertesten Gichtlinge ihres Beraterstabes wohl nicht ausreichend über die medienrechtlichen Restriktionen im Vorfeld des geplanten Hangouts der Regierungschefin informiert hatte.

Rotations-Merkel
Rotations-Merkel

Hangout on Air, das klingt nicht nach einem seriösen Dienst in deutschsprachigen Ohren. Es hört sich eher wie Abhängen oder Herumhängen an. Ins Deutsche übersetzt bedeutet Hangout so viel wie die Bude, der Lieblingstreff oder das Stammlokal. Es liegt sicher nicht nur an dem flapsigen Namen, dass die Livestreaming-Technologie auch nach zwei Jahren immer noch wenig genutzt wird. Google Plus, die Plattform, auf welcher der Dienst läuft, befindet sich nicht in einem vitalen Zustand. Anders verhält es sich mit YouTube, der wichtigste Teil des Livestreaming-Dienstes von Google, denn hier werden die Hangouts aufgezeichnet. Wahrscheinlich wird der Suchmaschinen-Gigant die einzelnen Dienste wieder auf eigenständige Füße stellen, was die Akzeptanz von Hangout on Air sicherlich steigern würde.

Aber warum soll Hangout on Air ein Hidden Champion sein, wie wir es in unserem Hanser-Buch beschrieben haben? Es sind die Einfachheit und Schnelligkeit: So einfach, wie man mit diesem Dienst Videos erstellen und als multimedialen Inhalt auf seiner Seite einbetten kann, gibt es das sonst nirgends im Internet. Warum die Youtube-Stars noch nicht darauf gekommen sind, fragt man sich schon lange. Bisher nutzen sie Hangout on Air lediglich, um ihre Fans zu pflegen. Das liegt vielleicht auch daran, dass man bei einer Livesendung hinterher nichts mehr rausschneiden kann, und das sind die Youtuber bislang nicht gewohnt. Was viele nicht wissen: Mit der entsprechenden Software oder Hardware kann man aber auch live schneiden.

Zufall und Handlung

Hangout on Air ist ein faszinierendes und dazu noch kostenloses Tool, um sich der Ästhetik der Live-Übertragung zu verschreiben, wie es der italienische Wissenschaftler und Umberto Eco in seinem Band „Das offene Kunstwerk“ formuliert. Nur das Fernsehen könne Bilder erzeugen und zur Ansicht bringen, während sich die dargestellten Vorgänge ereignen – ohne die Möglichkeit der Wiederholung. Allein in der Improvisation des Jazz sieht Eco eine Parallele zum Live-Fernsehen. Auch der Fernsehregisseur stürze sich in ein Gestaltungsabenteuer. Es geht um Zufall und Handlung. Als Umberto Eco in den 60er Jahren seine Gedanken zur TV-Poetik zu Papier brachte, ging er noch von einem enormen technischen Aufwand mit Ü-Wagen, Regiepult, schweren Kameras und einem exorbitanten Personalaufwand aus. Bei den Social TV-Shows zur Generalversammlung der GLS Bank im Bochumer Ruhr Congress benötigte Bloggercamp.tv zwei Laptops, zwei Logitech-Kameras, ein Mikrofon mit Mischpult und ein winziges Smartphone. Wir machten in zwei Sendungen in jeweils knapp 30 Minuten Außenreportagen, vorproduzierte Einspieler und Interviews mit Vorständen, Filialleitern, Gründungsmitgliedern der ersten sozial-ökologischen Universalbank, wichtigen Kunden sowie Prominenten wie die Starköchin Sarah Wiener.

Social TV-Show mit Sarah Wiener
Social TV-Show mit Sarah Wiener

Wir stellten Bioprodukte vor und übertrugen eine musikalische Kostprobe vom Schauspielhaus Bochum mit ihrem Singspiel „Bochum“. Es gab alle drei bis fünf Minuten ein neues Ereignis, unterschiedliche Kameraperspektiven, Regie und Moderation mit einer technischen Ausstattung, die in eine Reisetasche passt.

„Es soll Fernsehen sein – eine richtige Show mit vielfältigen Elementen, unterhaltsam, trotzdem mit viel Inhalt, ein Dutzend Gäste, mehrere Kameraperspektiven. Es darf nichts kosten, wird aber weltweit ausgestrahlt und mit Produktionsmitteln hergestellt, die wir bereits im Büro besitzen und die mit wenig Personal bedient werden. Big Show – low budget“, beschreibt TV-Journalist Kai Rüsberg aka @ruhnalist die beiden Sendungen, die er produzierte und auch die Regie führte: „Wir wollten unbedingt raus aus dem Studio – live mit Außenreportagen und per Einspielfilm, um einen Zeitsprung zu realisieren.“

Ausführlich in meiner The European-Mittwochskolumne nachzulesen.

Gute Gründe, um jeden Mittwochabend nach der Tagesschau bei den Bloggercamp.tv-Salonisten vorbeizuschauen – nicht bei den Salafisten. Man hört und sieht sich morgen Abend, um 20:15 Uhr.

Die #Bloggercamp.tv-Salonisten: Ab jetzt in größerer Runde jeden Mittwoch, um 20:15 Uhr

Die neue Formation von Bloggercamp.tv
Die neue Formation von Bloggercamp.tv

Der französische Comic-Zeichner und Erzähler Albert Robida entwarf in seinen Science-Fiction-Geschichten Ende des 19. Jahrhunderts ein erstaunlich genaues Bild unserer heutigen Kommunikationsgesellschaft. In seinen Erzählungen stehen riesige Flachbildschirme herum, über die auf Endlosbändern Nonstop-Nachrichten aus aller Welt laufen, es gibt Videotelefon-Konferenzen und ein immens beschleunigtes Leben. In einem Interview im Jahre 1919 sagte er, er beneide die Menschen der Zukunft kein bisschen:

„Sie werden ihren Alltag im Räderwerk einer total mechanisierten Gesellschaft verbringen, in einem Maße, dass ich mich frage, wie sie noch die einfachsten Freuden genießen wollen, die uns zur Verfügung stehen: Stille und Einsamkeit. Aber da sie all das überhaupt nie kennengelernt haben werden, wird es ihnen auch nicht fehlen.“

Frank Michna in seiner lila Phase
Frank Michna in seiner lila Phase

Eine allzu pessimistische Sichtweise auf die Zukunft der Kommunikation, die ja schon längst Gegenwart ist: Optimistischer sind da die Künstler Kurd Alsleben und Antje Eske. Sie entwickeln mit den Mitmach-Technologien des Social Web eine Kunst der Konversation, die auf eine lange Tradition verweisen kann: von der antiken „ars sermonis“, den Musenhöfen der italienischen Renaissance, der französische Salonkultur des 17. und 18. Jahrhunderts, bis zum Surrealismus und Dadaismus des 20. Jahrhunderts.
„Konversationskunst“ sei eine Kunst des Austauschs, die sich von der alltäglichen Kommunikation abhebt. Sie produziere kein Werk, sondern erlaubt das gemeinsame, spielerische Sammeln von Erfahrungen und das Entstehen von Ideen, die den aktuellen gesellschaftlichen Common Sense überschreiten.

„Ich weiß allein nicht weiter“ ist das Leitmotiv dieses Konversierens.

Das 21. Jahrhundert kann wieder ein Jahrhundert des Gesprächs sein. Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Manifeste. Was wir jetzt erleben, ist eine Abweichung von geschlossenen Medienformaten. Schon in den 1980er Jahren experimentierten Alsleben und Eske mit vernetzten Dialogen über HyperCards. Essentiell sei dabei die kulturelle Tiefe der Konversationen. Beide wollen die künstlerischen Qualitäten und die politische Dimension des Social Web abtesten. Basta-Entscheidungen und das reine Manifestieren von politischen Positionen würden nicht mehr funktionieren. Es geht immer mehr um das mühsame Aushandeln von Positionen und um die Frage „Wie wäre es denn schön“.

Auch für Professor Peter Weibel, Vorstand des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medientechnologie (ZKM), gibt es einen Bogen von der Salonkonversation, über die Aufklärung bis zum Chat-Room: Die Dialogformen der sozialen Medien seien nichts anderes als die demokratisierte Form der Salonkonversation, die früher nur in elitären Kreisen geführt wurde – heute ist es ein Jedermann-Phänomen. Das Internet habe das Gespräch als politische Kraft zu einem Instrument der gemeinsamen Lebensgestaltung gemacht. Diese Dialoge müsse man als Philosophie des Sprechaktes sehen. „Hier werden Dinge mit Worten gemacht“, so Weibel. Das Monopol der Sprecher in den Parlamenten und Massen sei gebrochen. Das hätten allerdings die Politiker und Medienmanager noch nicht verstanden. 

Dadaistische Performance von Gerhard Schröder und Hannes Schleeh
Dadaistische Performance von Gerhard Schröder und Hannes Schleeh

Als Vorbild für den Netz-Diskurs könnte auch das dadaistische Cabaret Voltaire in Zürich dienen. Hier ging es vor allen Dingen um den spielerischen Umgang mit den Fragen des Lebens. Ein Dadaist war zugleich Anti-Dadaist. „Sein liebster Zeitvertreib ist es, Rationalisten in Verwirrung zu stürzen, indem er zwingende Gründe für unvernünftige Theorien erfindet und diese Theorien dann zum Triumph führt“, erläutert mein Lieblingsphilosoph Paul Feyerabend in seinem Buch „Wider den Methodenzwang“.

Das einzige, wogegen sich der Dadaist eindeutig und bedingungslos wendet, sind allgemeine Grundsätze, allgemeine Gesetze, allgemeine Ideen wie „die Wahrheit“, „die Vernunft“, „die Gerechtigkeit“, „die Liebe“ und das von ihnen hervorgerufene Verhalten, wenn er auch nicht bestreitet, dass es oft taktisch richtig ist, so zu handeln, als gäbe es derartige Gesetze und als glaube er an sie. Entsprechend locker dadaistisch werden die Bloggercamp.tv-Runden weitergeführt. Jeden Mittwoch, um 20:15 Uhr.

Christoph Deeg

Hannes Schleeh und meine Wenigkeit freuen uns, den Kreis der Bloggercamp.tv-Diskutanten zu erweitern. Dazu zählen Gerhard Schröder, Frank Michna und Christoph Deeg.

Wir hören und sehen uns also schon übermorgen in der neuen Stammtisch-Formation, um über die Ereignisse der Woche zu sprechen. Titelvorschlag für die Neukonzeption: Bloggercamp.tv – Die Salonisten. Aber das können wir auch am Mittwoch mit Euch diskutieren. Hashtag für Zwischenrufe während der Liveübertragung wie immer #bloggercamp

Passt ja zur Neukonzeption der Bloggercamp.tv-Salonisten: Mehr WLAN – GroKo will freies Internet am Stammtisch.

Das dürfte ein Thema für Hannes sein: Microsoft stellt Hyperlapse Videos vor – Helmkamera-Traeger jubeln.

Was für mich: MEDIENWANDEL KOMPAKT 2011-2013 ERSCHIENEN.

Generell interessant: MESH-NETZWERKE – Wenn das Internet ersetzt wird.

Immer ein Thema: Spioooone: Fähnchen zur Erkennung von Spionen verteilen oder: 493 Spione nach Forderung, alle Agenten aufzudecken, durch Lachanfälle enttarnt.

Bücher neu denken – Literarischer Diskurs bei #Bloggercamp.tv um 11 Uhr

Zukunft des Buches

Mein kleiner Exkurs über E-Books im Denknebel des Literaturbetriebs hat zu einigen interessanten Reaktionen geführt. Bislang überschlagen sich die Verlegerinnen und Verleger nicht gerade in der innovativen Gestaltung von entmaterialisierter Literatur. Es dominieren eher Defensivargumente wie in der Musik- oder Filmindustrie.

Selbst unabhängige Literaturverlage reihen sich in den depressiven Chor der liebwertesten Urheberrechts-Gichtlinge ein, angeführt vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels (der Chefjustiziar dieses Ladens wird sich über meine spitzen Formulierungen nicht grämen, da ich ja meine Bildung aus dem Internet generiere). So warnt eine Verlegerin vor dem Hype, der um E-Books gemacht wird. Es müsse alles mit Augenmaß geschehen. E-Books dürften auf keinen Fall als Alternative zum gedruckten Buch verstanden werden, sondern nur als „Ergänzung“.

Warum man E-Books, gedruckte Bücher und wohl auch den gesamten Buchmarkt neu denken muss, diskutieren wir in unserer 11 Uhr-Sendung bei Bloggercamp.tv mit Mathias Voigt, Geschäftsführer von Literaturtest.

Eine kleine Steilvorlage für die heutige Diskussion bietet Sibylle Berg in ihrer Spiegel Online-Kolumne:

„Amazon. Wähh bähh, Amazon. Der Feind. Offene Briefe schreiben, Amazon-Schilder verbrennen auf öffentlichen Plätzen, Texte über den Untergang des Kulturgutes Buch verfassen, weinen. Und weitermachen wie bisher. Wer ist das? Unsere Buchindustrie? Es gibt sicher Ausnahmen, die ich bewusst ignoriere – so macht man das in Zeitungen, um steile Thesen aufzustellen. Die These heute: Die Zukunft, vor der wir gewarnt wurden, ist da, die Buchbranche woanders.“

Zettel's Traum
Zettel’s Traum

Man könnte es auch so formulieren: “Wenn ein neues Buch erscheint, lies Du ein altes”: Empfehlungen nicht nur an Literaturblogs

Hashtag für Mitdiskutanten während der Sendung #bloggercamp

Man hört und sieht sich gleich 🙂

Echte Gespräche statt halbgarer Meinungsbrei – Livestreaming-Graswurzel-Talks #StreamCamp14

Wie alles begann: Die Premierensendung von Bloggercamp.tv - ohne Rauchverbot
Wie alles begann: Die Premierensendung von Bloggercamp.tv – ohne Rauchverbot

“Weltpremiere” nannten wir vollmundig schon vorab das erste virtuelle Bloggercamp, das man “weltweit” am 28. September live verfolgen konnte und für das die Bayerische Landesmedienanstalt eine Sendelizenz erteilt hatte. Vielleicht haben wir ja sogar Fernsehgeschichte geschrieben, wenn in einigen Jahren und Jahrzehnten auf die ersten Gehversuche beim TV-Livestreaming zurückgeblickt wird. Zum Start des NWDR im Dezember 1952 waren jedenfalls die Voraussetzungen wesentlich schlechter. Nur magere 300 Teilnehmer konnten die Geburtsstunde des deutschen Fernsehens damals an ihren Bildschirmen verfolgen. Da sind die Bedingungen im Netz doch sehr viel komfortabler. Wer einen Internet-Zugang hat, kann das Livestreaming-Geschehen betrachten. Die ersten Reaktionen auf die Bloggercamp-Premiere gingen runter wie Öl: So schreibt Dosentelefon-Blogger Marcus Surges:

„Die Sessions liefen sehr professionell ab und waren tief gehend: Gunnar Sohn moderierte die einzelnen Panels souverän, die Teilnehmer fielen sich nicht ins Wort (bei Video- und Telefonkonferenzen häufiger durchaus ein Problem) und blieben beim jeweiligen Thema. Besonders angenehm habe ich die entspannte Atmosphäre empfunden: mal ein Späßchen, mal ein Lachen, nebenbei rauchen oder einfach die Ansprache ‚Liebes Internet‘. Genial war letztlich die Entscheidung, dass Bloggercamp virtuell mit dem Tool Hangout on Air umzusetzen, das es erst seit Mitte August 2012 in Deutschland gibt! Mein Tipp: Einfach mal in die Sessions reinschauen, auch wenn die Themen für den einen oder anderen vielleicht nicht interessant sind. Das Reinschauen gibt jedoch einen guten Einblick, wie Veranstaltungen über ein Hangout on Air ablaufen können.“

Vera Bunse wertet unser Medienexperiment und Formate wie das digitale Quartett sogar als “die besseren Talkshows”. Zum Bloggercamp urteilt sie:

„Die lockere Atmosphäre und das umfangreiche Themenspektrum haben mir gut gefallen, auch die rechtzeitig bekannt gegebene Einteilung in Panels, so konnten die Zuschauer ihr Interessengebiet vorher heraussuchen und die Zeit einplanen, falls sie selbst teilnehmen wollten.”

Das Format erlaube spontane Diskussionen, Live-Übertragungen oder Interviews, es eignet sich aber noch zu viel mehr, wenn die Kinderkrankheiten erst überwunden sind (in einem der Talks wurde das „50er-Jahre-Fernsehen” genannt).

„Die Talkrunden sind völlig ungezwungen und decken viele Themen ab, naturgemäß auch netzbezogene, die im Mainstream gar nicht vorkommen oder erst umständlich von Erklärbären für die C-Welt übersetzt werden. Das größte Plus sind jedoch die Gäste, die nicht nach Schema F ausgewählt werden und – statt Sprechblasen abzusondern – wirklich etwas zu sagen haben. Ganz gleich, ob man sie bereits aus dem Netz kennt oder nicht, es ist interessant, andere oder neue Standpunkte kennenzulernen. Die meisten Gäste kennen sich mit den Gepflogenheiten im Internet bestens aus, ‚Neulinge’ werden kurz gebrieft, und selbst kleine Pannen werden ganz unverkrampft bewältigt”, so Bunse.

Die Hangouts seien viel unterhaltsamer, spannender und erkenntnisstiftender als ihre öffentlich-rechtlichen Vorgänger:

„Experiment gelungen, wird fortgesetzt. Ich freu mich drauf.”

Ein Leser-Kommentar des Debattenmagazins „The European“ hebt den Unterschied zu den Polit-Gesprächen im klassischen Fernsehen hervor:

„Die ewig gleichen Runden von profilierungssüchtigen Promis, die sich gegenseitig das Wort abschneiden und die oft hilflos dazwischen sitzenden Moderatorinnen, die dem Zuschauer fast jeden Wochentag angeboten werden oder den eingeschlafenen Herrn Jauch schauen wir schon lange nicht mehr an.“

In das gleich Horn bläst Peter Tuch:

„Die klassische TV-Talkshow ist eine Mischung aus Selbstdarstellung der Talker, Information über ein Thema und Unterhaltung für das Publikum. Aktuell hat man den Eindruck, dass der Unterhaltungswert für die Zuschauer ständig sinkt. Das hat mit dem Überangebot an Talk-Runden zu tun, aber auch damit, dass die Themen sich häufig wiederholen und die Selbstdarstellung der einzelnen Talker langweilig wird, wenn man sie zu häufig sieht, weil man sie und ihre Meinung schon zu kennen glaubt. Wenn man die Talk-Runde in ein anderes Medium setzt, wird es erst einmal besser. Das neue Medium ist interessanter, weil es eben neu ist, die Talker sind interessanter, weil man sie nicht schon kennt, und die Themenvielfalt kann größer werden, weil man nicht wegen der Einschaltquote auf die größte Zielgruppe abstellen muss.“

Beifall auf die ersten Sendungen von Bloggercamp und des Digitalen Quartetts kam auch von den klassischen Medien. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ überraschte mit dem Aufmacher: „Graswurzel-Talkkultur lässt Fernsehen alt aussehen“. Bildschirm, Bildschirm an der Wand, was ist die beste Talkshow im ganzen Land, fragt sich Zeit-Autor Eike Kühl und und meinte damit nicht die von Stefan Raab aus der Taufe gehobene Sendereihe „Absolute Mehrheit“.

„Statt bissigem Polit-Talk servierte der Entertainer nur die nächste Portion halbgaren Meinungsbreis und das neuste Symptom einer kränkelnden deutschen Talkshowkultur, in der Abend für Abend die scheinbar immergleichen Gäste ihre Meinung wahlweise nach Parteibuch oder zur Selbstvermarktung feilbieten. Vielleicht hat der Kabarettist Georg Schramm Recht, wenn er fragt : Wieso schalten wir eigentlich noch Talkshows ein, wenn doch niemand mehr etwas zu sagen hat? Dabei gibt es Alternativen zu den Gesprächsrunden im Fernsehen. Seit einiger Zeit wächst im Internet eine Form der Graswurzel-Talkkultur heran, die weder illustre Gäste benötigt, noch fernsehtaugliche Themen bedienen muss“, schreibt Kühl.

Der Vorteil liege in der thematischen Breite.

„Statt abgedroschener Gespräche und Gästen mit Dauerkarte könnten Online-Talkrunden zusätzliche Standpunkte und Gegenstimmen einfangen. Das eingeschränkte Themenspektrum wäre kein Hindernis, sondern eine Chance, weil es den Weg für zusätzliche Formate neben dem TV-Programm ebnet“, meint Kühl.

Deshalb haben die Videochats das Potenzial, sich als die besseren Talkshows zu etablieren.

Buch für die TV-Autonomen
Buch für die TV-Autonomen

Kleiner Auszug aus dem Kapitel „Die besseren Talkshows – Gesprächskultur im Netz“ aus unserem Livestreaming-Buch, das am 4. September im Hanser-Verlag erscheint. Eine weitere Anregung, um eifrig das Opus vorzubestellen 🙂

Am 18. September gibt es eine Lesung in Siegburg.

Plakat zur Lesung

Und beim StreamCamp in München am 18. und 19. Oktober werden wir sicherlich auch einiges vom Stapel lassen. Ticketvorverkauf läuft schon.

Wir singen übrigens nicht für Merkel, sondern besiegen sie nur 🙂

Siehe: Als wir von Bloggercamp.tv die Bundeskanzlerin Angela Merkel besiegten. Über den Piratensender der Regierungschefin.

E-Books im Denknebel des Literaturbetriebs: @FrauFrohmann bei #Bloggercamp.tv

Neue Plattformen jenseits des Literaturbetriebs gründen
Neue Plattformen jenseits des Literaturbetriebs gründen

Foucault sieht die Funktion des Autors vor allem als Begründer von Diskursen. Er schafft die Möglichkeit und die Bildungsgesetze für andere Texte. Am Ende könne vollständig auf die Funktion des Autors verzichtet werden, so der Philosoph in seinem berühmten Vortrag am Collège de France vor Mitgliedern der Französischen Gesellschaft für Philosophie.
E-Books werden sich wie Youtube-Videos als eigenständiges Genre etablieren. Der rund um das gedruckte Buch etablierte Literaturbegriff passt nicht mehr zur Poetik und Prosa, die sich in sozialen Netzwerken ausbreitet.

„Schon gar nicht passt er zu dem, was derzeit auf und zwischen den smarten Geräten passiert, die wir ständig bei uns tragen und über die wir längst den größten Teil unserer Textarbeit abwickeln“, so Stephan Porombka im Opus des Frohmann-Verlages mit dem Titel „Über 140 Zeichen“.

Der eingeschränkte Literaturbegriff der bildungsbürgerlichen Honoratioren trübt den Blick auf die Texte, die im Netz kursieren.

„Man neigt dazu, sie gar nicht zu beachten. Und wenn, dann nur verächtlich als Leichtgewichtiges, Flüchtiges, Beliebiges, Uninteressantes.“

Redakteure von Gestern-Medien degradieren das Netzgeflüster gerne als Klowand-Weisheiten. Jeder, der online ist und postet, twittert, faved oder liked steht erst einmal unter Verdacht, ein Protagonist der kulturellen Sinnentleerung zu sein. Aber selbst die neuen Schreib- und Leseweisen im 18. Jahrhundert haben nicht darauf gewartet, von den Autoritäten des alten Literaturbetriebs akzeptiert zu werden, erläutert Prorombka. Man habe sich seine Publikations- und Rezensions-Plattformen lieber gleich selbst erfunden. Ähnliches wird sich für das Schreiben und Lesen bei Twitter, Facebook, WhatsApp und Google Plus ergeben. Verlage wie Frohmann wirken als Teilchenbeschleuniger für experimentelle Poetiken, die sich vom Flow ihrer Timeline inspirieren lassen und sich wenig um die Rückzugsgefechte von Leistungsschutz-Denkern scheren.

Ausführlich in meiner Mittwochskolumne für das Debattenmagazin „The European“ nachzulesen.

Wie sich E-Book-Verlage künftig positionieren, erläutert Christiane Frohmann im #Bloggercamp.tv-Gespräch: Über die Emanzipation des E-Books und den Tod des Autors. Mitdiskutieren kann man in unserer 11 Uhr-Sendung über die Frage-Antwort-Funktion von Google Plus. Die ist schon aktiviert.

Siehe auch:

Über Abmahn-Trittbrettfahrer oder: Die Geister, die man rief.

Auch nicht schlecht: Plagiatsverdächtiger zensiert Vroniplag mit Urheberrecht.

Entsprechend verstehe ich die Empörung: Das Urheberrecht für plagiierte Texte in Anspruch zu nehmen, um eine DMCA-Notice zu versenden und die daraus folgenden juristischen Konsequenzen in Kauf zu nehmen, stellt eine bisher einmalige Vorgehensweise in der Zeit der Dokumentation von wissenschaftlichem Fehlverhalten auf dieser Plattform dar.