In meiner Freitagskolumne für Service Insiders habe ich das Interview mit Ralf Schäfer, Abteilungsleiter Märkte und Perspektiven des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) in Bad Honnef verarbeitet. Das WIK hat ja klar nachgewiesen, dass die Anbieter von Service-Rufnummern ihren Höhepunkt beim Anrufvolumen und bei den Umsätzen schon längst überschritten haben, obwohl das von Experten der Call Center-Szene nach wie vor bestritten wird. Seit 2006 geht es bergab. Es gebe gravierende Veränderungen im Nutzerverhalten, die sich nachteilig für telefonische Dienste auswirken. Beim Smartphone sei das gut zu beobachten:
„Wenn die Leute ausgetestet haben, was sie damit machen können, dann kommt die Lust auf weitere Anwendungen. Das ist wie eine Spirale – es verstärkt sich immer weiter. Beim Online-Banking überprüfe ich vielleicht erst einmal nur meinen Kontostand. Wenig später folgen dann auch Überweisungen, die ich bequem über Apps vornehmen kann. So setzt sich das in anderen Anwendungsfeldern fort. Es gibt eine sehr steile Lern- und Erfahrungskurve. Der positive Effekt, wenn etwas wirklich bequem und einfach über das mobile Netz klappt, wirkt wie ein Katalysator“, so Schäfer.
Die volle Wucht der mobilen Dienste sei noch gar nicht spürbar, weil man noch weit von einer Sättigung des Marktes mit Smartphones und Tablet-PCs entfernt sei.
„Wir befinden uns im ersten Drittel der Lebenszykluskurve. Hier werden die Verkaufszahlen in den nächsten Jahren gigantisch steigen. Schauen sie sich die Werbung von Elektronikmärkten an. Hier finden sie fast nur nach Smartphones und keine klassischen Handys mehr. Schauen sie sich die Werbung der Mobilfunk-Netzbetreiber an. Da spielt Telefonie gar keine Rolle mehr. Beispielsweise bei Vodafone. Da stehen nur noch Datentarife und Apps im Vordergrund. Das geht klar zu Lasten der Service-Rufnummern. Aber selbst die klassischen Websites geraten unter Druck, wenn ich unterwegs über Apps meine Dinge erledigen kann. Auch soziale Netzwerke lösen immer mehr die alten Kommunikationswege ab“, sagt Schäfer.
Die Servicebranche sehe wohl am Horizont noch nicht so ganz den eigenen Abgrund. Es sei halt gefährlich, wenn man sich in einem stagnierenden Markt bewegt und die Rückgänge bislang in einem langsamen Tempo abgelaufen sind.
„Da fällt es schwer, aus den gewohnten Mustern auszubrechen. Die Anbieter von telefonischen Diensten müssen sich neu erfinden. Damit sollte die Call Center-Branche jetzt beginnen, denn es dauert seine Zeit, bis man andere Formate und Innovationen durchsetzt. Es ist notwendig, andere Zugänge zum Kunden zu finden“, so der Rat des TK-Experten.
Die Call Center-Branche müsse sich in den nächsten 10 bis 20 Jahren auf einen viel höheren Automatisierungsgrad im Servicegeschäft einstellen. Die Servicekommunikation werde nur noch im Hintergrund ablaufen und vom Kunden gar nicht mehr wahrgenommen.
„Man sieht nur noch das Ergebnis dieses Prozesses, beispielsweise über Remote-Steuerung, bei der ich als Anwender gar nicht mehr eingreifen muss. Es wird deutlich weniger Medienbrüche geben. Wenn mein Auto defekt ist, wird die Werkstatt direkt über intelligente Technologien informiert und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Ich muss gar nicht mehr zum Telefonhörer greifen“, glaubt Schäfer.
Hinter einem Touchpoint, den der Kunde nach seinen Präferenzen auswählt, laufen unterschiedliche Dienste ab, die allerdings unsichtbar bleiben. Hier kommt das virtuelle Fräulein vom Amt ins Spiel. Ein Szenario des Netzwerkspezialisten Bernd Stahl von Nash Technologies in Stuttgart. Auch er ist davon überzeugt, dass man von der Kommunikation überhaupt nichts mehr sehen wird. Die Netzintelligenz könne man überall abrufen – völlig unabhängig von den Endgeräten.
„Man kommuniziert über Endgeräte, die eigentlich keine mehr sind. Ein Geschäftskunde sagt beispielsweise seiner Armbanduhr, dass er nach Brüssel reisen wolle zu einem möglichst günstigen Preis. Er nennt noch das Datum und die Ankunftszeit. Die Anfrage geht ins Netz rein, das System sucht sich die Reiseportale, schaut nach den Übernachtungsmöglichkeiten und recherchiert völlig eigenständig alle notwendigen Informationen. Zurück kommen die kompletten Reiseunterlagen. Der Geschäftskunde legt seine Armbanduhr auf den Tisch, es erscheint eine 3D-Ansicht und er braucht nur noch das für ihn Relevante auswählen. Man kommuniziert über Sprache mit anderen Systemen, Servern oder Menschen und am Ende kommt etwas zurück. Hier kommt das berühmte Fräulein vom Amt wieder – allerdings vollautomatisiert und virtuell“, prognostiziert Stahl.
Alles werde gesteuert durch ein hochintelligentes Netz auf Basis semantischer Technologien und völlig neuen Geschäftsmodellen.
„Der Nutzer muss sich überhaupt keine Gedanken mehr machen über spezielle Endgeräte, die Auswahl von Diensten, das Netzwerk oder Serviceprovider. Er muss kein Ziel mehr eingeben über Telefonnummern, IP-Adressen oder Links. Alles das wird vom intelligenten semantischen Netz übernommen. Die Bedeutung der Anfrage wird automatisch in Einzelteile zerlegt, an unterschiedliche Ziele geschickt und zurück kommt der gewünschte Service oder das fertige Produkt“, so Stahl.
Interessant auch zu mobilen Diensten: WHATSAPP – Das andere soziale Netzwerk.
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Smart ohne Phone? Der Wandel braucht noch seine Zeit. Sicherlich sind Smartphones auf dem Vormarsch. Aber wenn man bedenkt, dass die meisten Apps zwar installiert, aber nur einmal aufgerufen werden, sieht man doch, dass viele Nutzer von den Möglichkeiten der Smartphones überfordert sind. Das geht mir selbst genauso. In erster Linie telefoniere ich damit, schreibe SMS und freue mich über die Outlook Synchronisation. D.h. das Medium „Telefon“ ist der Hauptnutzen und danach kommt alles anders. Das mag sich in 10 Jahren bei der nachwachsenden Generation verschieben. Aber aktuell ist das Telefon immer noch die Nr. 1. Sicherlich bieten Smartphones technisch viele Möglichkeiten. Aber Unternehmen sind gut beraten, zunächst einmal die Hausaufgeben zu machen: eine gute telefonische Erreichbarkeit zu gewährleisten und am Telefon einen begeisternden Service abzuliefern. Nur so wird man nicht nur zufriedene Kunden gewinnen, sondern Fans, die auch in Sozialen Netzwerken positiv vom Serviceerlebnis weiter erzählen werden.
Revolution, Evolution oder einfach nur der Lauf der Zeit?
Zitat: „Die Call Center-Branche müsse sich in den nächsten 10 bis 20 Jahren auf einen viel höheren Automatisierungsgrad im Servicegeschäft einstellen“
Welche Branche oder Wirtschaftszweig erfährt die nächsten 10 bis 20 Jahre keine Änderung? Der Wandel hat, wie hier in diesem Artikel auch beschrieben wird, längst begonnen. Auskunftsdienste oder Versandhäuser, die nicht mit der Zeit gegangen sind, haben erhebliche Schwierigkeiten auf dem Markt zu bestehen oder sind schon verschwunden. Dies erleben wir in vielen Bereichen und natürlich auch in der Callcenterbranche. Aber eine zunehmende Komplexität in unserem Leben durch ein immer größeres Angebot wird auch künftig Service erfordern. Vermutlich durch den demografischen Wandel wird der Service z.B. im Premiumbereich ein Differenzierungsfaktor werden. Und was eben dann nicht sofort und einfach über das WEB oder einer APP zu erledigen ist, wird die Erwartungshaltung für einen durch den Menschen gestützten individuellen Service ansteigen. Z.B. Nebenkosten Abrechnungen für Mieter werden durch immer neue Gebührenmodelle und Abrechnungsarten weiterhin für ein Großteil der Bevölkerung Erklärungsbedürftig bleiben. Über 70% der von uns bearbeiteten Mieterkontakte sind Einzelfallbezogen.
Bei all diesen Beispielen wird auch in Zukunft der Service ein wichtige Rolle spielen und die Callcenterbranche wird ihr Spektrum erweitern müssen, sofern nicht schon geschehen.
Denn auch vor einem Touchpoint werden Menschen sitzen und nicht immer wird alles so reibungslosen funktionieren wie versprochen oder erhofft. Auch hier wird dann eine Mensch zu Mensch Kommunikation vielleicht die bessere Lösung sein.
Mit besten Grüßen
Walter Benedikt
3C DIALOG GmbH