Es gibt auch nützliche Kopisten: #Guttenberg zählt nicht dazu

Das literarisch eher dürftige Doktoranden-Kopierwerk des amtierenden Verteidigungsministers hat den wahren Meistern der Collagetechnik, Kombinatorik und Imitation schweren Schaden zugefügt. Das habe ich heute in meiner Kolumne für „The European“ beleuchtet. Hellmuth Karasek schrieb 1990 in einem Spiegel-Artikel, dass die Montage von Fundstücken zu den häufigsten Kunsttechniken zählt: Walter Kempowski, Georg Büchner, Thomas Mann, Alfred Döblin, Arno Schmidt, Joseph Roth, Peter Weiss oder Karl Kraus: Sie alle haben abgeschrieben und dazu das Abgespickte zwecks Tarnung auch noch leicht redigiert.

„Alle haben sie plagiiert, spätestens seit Büchner mit 23 Jahren mitten in der Sünde des Abschreibens starb, der in seinen ‚Woyzeck‘ teilweise wörtlich zwei gerichtsmedizinische Gutachten einarbeitete und in seinem Stück ‚Dantons Tod‘ wörtlich Redeprotokolle der Französischen Revolution zitierte. Ohne Quellenangabe“, so Karasek.

Das ist die künstlerische Betrachtung. Aber auch wirtschaftlich gibt es Vorteile durch Nachahmung, Trittbrettfahrertum und Imitation. Wer ist schon ein genialer Erfinder. Manchmal reicht es aus, einen richtigen Riecher zu haben und aus den bestehenden Erfindungen etwas Neues zu machen – das hat Guttenzwerg ja gerade nicht getan. In einem lesenswerten Beitrag der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sind die volkswirtschaftlichen Vorteile des Kopistentums ausführlich dargestellt worden. Dort gibt es auch den Verweis auf einige interessante Veröffentlichungen: Zum Beispiel der Band von Marcus Boon „Lob des Kopierens“, erschienen bei Harvard University Press.

Dann noch das Buch von Wirtschaftsprofessor Oded Shenkar „Copycats“ (Nachäffer, Trittbrettfahrer). Das erscheint in den nächsten Wochen auch in deutscher Übersetzung – gleich mal vorbestellt. Denn ich sammle noch fleißig Material für meinen Informare-Vortrag im Mai zum Thema: Deutschland, wo sind Deine Kopisten und Kombinierer? Warum wir für Innovationen mehr Imitationen brauchen.

Der The European-Presseschauer hat dazu auch noch etwas diskussionswürdiges beitragen: So führe nicht jede Rekombination automatisch zu einem urheberrechtlichen Schutz. Künftig werden allerdings die Fälle von behaupteter Urheberschaft für Texte, die nach aktuellem Verständnis des Urheberrechts keinen Schutz genießen, zunehmen. Richter müssten eine Art umgekehrten Turing-Test bestehen, um gemeinfreie Werke von urheberrechtlich relevanten Texten zu unterscheiden.

„Auch Ready-mades und objets trouvés sind gewissermaßen Grenzfälle. So ist Marcel Duchamps künstlerische Leistung bei dem Werk ‚Fountain‘ die Erhebung eines präexistenten Alltagsgegenstandes zur Kunst und nicht der Gegenstand selbst. Es wäre auch reichlich absurd, wenn Marcel Duchamp im Anschluss versucht hätte, die Verbreitung von Pissoirs, unter Berufung auf sein ‚geistiges Eigentum‘, zu unterbinden oder am Verkauf davon zu partizipieren. Dennoch werden Versuche dahingehend unternommen. „So waren Jeff Koons und seine Anwälte der Ansicht, Buchstützen in Ballonhund-Form würden gegen die Rechte von Koons verstoßen“, schreibt Presseschauer.

Über Kommentare, Hinweise, weitere Quellen zum Thema und natürlich Retweets würde ich mich freuen 🙂