Der Bundesinnenminister, das Vermummungsverbot und die Geodaten

„Online-Konsultationen sind kein demokratischer Selbstläufer“, schreibt Bundesinnenminister Thomas de Maizière in einem Beitrag für Spiegel online. Einfach nur „dagegen sein“ bringe niemanden weiter. „Wenn es selbstverständlicher Bestandteil unserer Kultur ist, dass auch im Internet Diskussionen sachbezogen, offen und nachvollziehbar geführt werden, dann wird es auch nicht darauf ankommen, ob der Bürger sich hinter einem Pseudonym versteckt oder seinen tatsächlichen Namen angibt“, so der Mann für die innere Sicherheit. Aber soll der Staat deshalb vorschreiben, ob jemand etwas unter Pseudonym postet oder nicht? Wie viele Journalisten sind denn unterwegs, die nicht unter ihrem richtigen Namen publizieren. Kommt bei Ihrem Ansinnen dann so etwas sinnreiches heraus, wie bei Ihrem Parteifreund Axel E. Fischer?

Die nächsten Schritte, die der Innenminister in seinem Gast-Opus verkündet, sollten wir in den nächsten Wochen wachsam begleiten. Er will im Dezember einen Gesetzesvorschlag vorlegen, durch den eine „rote Linie“ im Umgang mit Geodaten und personenbezogenen Daten markiert wird, welche die Diensteanbieter nicht überschreiten dürfen. Es werde festgelegt, wann ein besonders schwerwiegender Eingriff in Persönlichkeitsrechte vorliegt und – für den Fall eines Verstoßes – werden entsprechende Sanktionen geregelt. Gilt dieser Gesetzentwurf dann auch für die Geodaten-Schnüffelei des Staates. Bei Google und Co. geht es ja in erster Linie um das Datenverbrechen von personalisierten Diensten. Beim Staat geht es sicherlich um ehrenhaftere Motive?

In seiner Videobotschaft „Ich frage der Bundesinnenminister antwortet“ hat er ein wenig um die heißen Brei geredet.

Dueck statt de Maiziere: Den Internet-Thesen des Innenministers fehlt die Exzellenz

Hier eine kleine Replik zu de Maiziere, die morgen im Magazin NeueNachricht in einer längeren Version erscheinen wird:

Die „14 Thesen zu den Grundlagen einer gemeinsamen Netzpolitik der Zukunft“ von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, die er wohl nur zufällig am 100. Geburtstag des Computerpioniers Konrad Zuse präsentierte, sind nach Auffassung von Bernhard Steimel, Sprecher des Fachkongresses Voice Days plus und der Smart Service-Initiative, ein Manifest der Irrelevanz und Nichtigkeit: „Wenn wir so die netzpolitische Zukunft gestalten, können wir uns in Deutschland als Technologieland bald verabschieden. Man muss schon angestrengt suchen, um überhaupt einen Hauch von Visionen aus diesem Papier herauszulesen“, kritisiert Steimel.

Wenn de Maiziere proklamiere, dass wir strategische IT- und Internetkompetenzen erhalten und ausbauen müssten, dann sollte die Bundesregierung erst einmal an der eigenen Web-Exzellenz arbeiten. „Der IBM-Cheftechnologe Gunter Dueck hat das in seinem Buch ‚Aufbrechen‘ treffend skizziert. Der Staat agiert viel zu statisch. Er sieht sich für Infrastrukturen wie Recht, Soziales, Verteidigung, Bildung, Ordnung, Gesundheit oder Verkehr zuständig, vergisst aber die Strukturen der Zukunft. Schon allein die Existenz eines Landwirtschaftsministers aus der Zeit des Primärsektors sei ein Anachronismus. Wir haben ein Industrieministerium, das sich Wirtschaftsministerium nennt. Ein Dienstleistungsministerium hat man schlichtweg vergessen, obwohl Deutschland längst ein Dienstleistungsland ist. Wir haben keine Lobby für die Serviceökonomie, aber eine laute und mächtige Lobby für Industrie- und Bauerninteressen. Die Forderung nach einem Internetministerium wurde nur zaghaft gestellt und schnell wieder verworfen, weil auch die Web-Wirtschaft in Berlin keine politische Relevanz besitzt und Wählerstimmen bringt“, moniert Steimel.

Der Innenminister werte das Internet als eine Basisinfrastruktur des Zusammenlebens und sieht den Staat in der Verantwortung, dass das Internet flächendeckend zur Verfügung stehen müsse. „Gut gebrüllt Löwe. Dieser Satz verlangt konkrete Taten. Danach bringt de Maiziere direkt seine Ausführungen zur Datensicherheit. Das kann einen nicht verwundern, wenn seine Kabinettkollegin Ilse Aigner ihre Rolle als Verbraucherschutzministerin im Kampf gegen Google sowie soziale Netzwerke auslebt und mit großem Getöse ihren Facebook-Ausstieg zelebriert. Substanzelle Positionen über die kommenden Web-Welten können so nicht entstehen“, meint Steimel.
Dueck spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit einer „strukturkultivierenden Marktwirtschaft“. Der Staat müsse die Infrastrukturen auf die Zukunft ausrichten. „Zum Beispiel könnte die Bundesregierung einen verbindlichen ‚Fahrplan‘ für den Ausbau des Breitbandinternets herausgeben. Das würde etwa 60 Milliarden Euro kosten, nicht mehr als die Rettung einer Bank“, erläutert Dueck. Zu einem solchen Schritt würde sich niemand entschließen. Ein superschnelles Internet sei für die Wirtschaft und für die Transformation zur Wissensgesellschaft unabdingbar. „Dieselben Leute, die die 60 Milliarden für die Zukunft nicht geben wollen, argumentieren wie selbstverständlich, dass der entscheidende Anstoß zu Deutschlands Wirtschaftswunder der energische und kompromisslose Ausbau des Autobahnnetzes in den 1960er-Jahren war, der für Deutschland eine moderne Infrastruktur schuf“, führt Dueck weiter aus. Ein kompromissloser Ausbau des Internets hätte ähnlich dimensionierte positive Auswirkungen.

„Die Innovationsrevolutionen des Internets werden von den politischen Meinungsführern immer noch unterschätzt. Technologien und Geschäftsmethoden können über Nacht wertlos werden. Etablierte Branchen gehen unter und neue entstehen. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung ist doch ein Indiz für die falschen Akzente in der Wirtschaftspolitik. Um ein robustes Wachstum zu erreichen, dürfen wir die traditionellen Industriezweige nicht mit kurzfristig wirkenden Steuermitteln versorgen mit einer nur geringen Halbwertzeit. Damit verschleppt die Bundesregierung wichtige Umstellungsprozesse“, sagt Peter Weilmuenster, Vorstandschef des Frankfurter After Sales-Dienstleisters Bitronic. Jetzt sei eine Wirtschaftspolitik gefragt, die von überholten Produktionen abgeht und zielstrebig auf eine innovative Umgestaltung der Volkswirtschaft hinarbeitet. „Das Konjunkturpaket der Regierung ist überwiegend das Ergebnis defensiver Strategien. Wenn wir mit den gigantischen Budgetdefiziten in den nächsten Jahren keine ordentlichen Wachstumsraten auf die Beine stellen, wird sich das in Zukunft destabilisierend auf die Konjunktur auswirken“, prognostiziert der Bitronic-Chef.