Am Wochenende habe ich ja schon angedeutet, dass ich mich an einer Theorie der Sozialen Ökonomie abarbeite. Eher der fragmentarische Versuch, ein neues Verständnis für die Wirkungen des Digitalen und Social Webs zu entwickeln. Für meine Mittwochskolumne habe ich jetzt erst mal den Anfang fertig. Mein Titelvorschlag: Die neuen Autonomen – Über den Niedergang des homo hierarchicus.
Führungskräfte der Wirtschaft verfügen über zu wenig Erfahrung im Umgang mit sozialen Medien und setzen weiterhin auf hierarchisch gesteuerte Entscheidungen. Das zeigt die Capgemini-Studie „Digitale Revolution“. Im Arbeitsalltag gehen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander.
„Fest steht, dass der Erfolg von Transformationsprojekten heute in den Händen von Führungskräften liegt, die häufig nicht gewillt oder nur schlecht auf diese Herausforderung vorbereitet sind“, so die Studien-Autorin Imke Keicher.
Die Gründe für diese Abwehrhaltung sind vor allem die Angst um den Einfluss- und Statusverlust (47 Prozent) und die dichte Taktung der Veränderungsprojekte in den vergangenen Jahren, bestätigen 40 Prozent der Befragten.
74 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sich Veränderungen nur schwer von außen aufzwingen lassen, wenn die Mitarbeiter dazu innerlich nicht bereit sind. Für eine erfolgreiche Veränderung kommt es nicht nur darauf an, Fakten zu vermitteln (57 Prozent Zustimmung), erfolgskritisch ist es, Menschen emotional zu erreichen und für den Wandel zu begeistern (85 Prozent Zustimmung). Betrachtet man allerdings die in der Praxis angewandten Methoden, so überwiegt die fachlich-sachliche Ansprache entlang der etablierten Hierarchiestrukturen.
Einstellung und Wirklichkeit driften besonders auseinander, wenn es um den Einsatz sozialer Medien geht – den sogenannten Enterprise 2.0-Anwendungen. 65 Prozent der Befragten geben zu Protokoll, dass sie sich eine Arbeitserleichterung durch den Einsatz solcher Anwendungen versprechen. Aber nur für 15 Prozent spielen die vorhandenen 2.0-Anwendungen eine unverzichtbare oder große Rolle. Zwar werden bereits verschiedene „digitale“ Werkzeuge genutzt, jedoch sind Führungskräfte zögerlich, wenn es um den Einsatz „echter“ Enterprise 2.0-Anwendungen geht.
„Die digitale Transformation liegt noch in weiter Ferne, besonders wenn es darum geht, Mitarbeiter in den Veränderungsprozess einzubinden und einen Austausch über alle Hierarchiestufen hinweg zu ermöglichen“, betont die Capgemini-Beraterin Keicher.
Die Zurückhaltung gegenüber den neuen digitalen Anwendungen begründen 64,6 Prozent der Studienteilnehmer mit mangelnder Erfahrung. Es könnte natürlich auch etwas ganz Anderes hinter den Blockaden stecken.
Sind es wirklich „Change-Aversionen“, die dem „Wandel“ entgegenstehen? Vielleicht ist es das Substrat einer pseudo-modernen Organisation, entworfen auf dem Reißbrett von Planungs- und Prozessfanatikern, das man krampfhaft bewahren will.
Zum Lieblingsvokabular der Manager zählen doch Ziel, Optimierung, Strategie, Change, Projekt, Performance, Evaluation und der berühmte Prozess, wie Christoph Bartmann “Leben im Büro” sehr schön ausgebreitet. Eine semantische Powerpoint-Brühe, die das bürokratisch-industrielle Büroleben prägt – angetrieben von einem Gemisch aus BWL und IT. Ein Regime der Standards, Formulare, Meetings, Organigramme und To-Do-Listen. Das Ganze wird von einem Mehltau an Sprachregelungen, Leerformeln, Zielen, Strategien und operativen Handlungsanweisungen überzogen. Wichtigtuerei, gesteuert von einem rhetorischen Autopiloten – programmiert von neunmalschlauen Consulting-Päpsten, die sich mit Binsenweisheiten über Wasser halten.
So langsam dämmert es den Controlling-Süchtigen, wie soziale Medien dieses Konglomerat des Prozess-Managements untergraben. Eine Kultur der Beteiligung, die in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik immer stärker eingefordert wird, entlarvt die Seifenblasen der Funktions- und Positionselite, die sich zur letzten Abwehrschlacht in Erdlöchern verkriecht. Ein Grabenkampf, um Pfründe zu retten, wie beim Leistungsschutzrecht. Soweit der Anfang, der noch mit schönen Beispielen verfeinert wird. Aber dazu mehr am Mittwoch. Meine Kolumne erscheint ja immer so gegen 9 Uhr. Ob daraus dann eine Theorie der Sozialen Ökonomie entsteht, kann ich noch nicht sagen. Vielleicht machen wir daraus auch ein Buchprojekt und folgen dem Experiment des SZ-Redakteurs Dirk von Gehlen auf der Crowdfunding-Plattform Startnext. Ich unterstütze dieses Vorhaben übrigens mit 30 Euro. Bin gespannt auf das Ergebnis im Frühjahr des nächsten Jahres. Wird Dirk von Gehlen doch bestimmt auf der republica vorstellen, oder?
Kolumne in der vergangenen Woche: Grenzwächter des Internets. Dubai und so weiter….
Dirk Hellmuth hat gerade auf dem Blog der neuen Initiative Selbstorganisation ein passendes Plädoyer gehalten für mehr Pragmatismus statt Dogmatimus in der Diskussion um den Nutzen von Social Media veröffentlicht:
Social Media Nutzung: zwischen Angst und Mehrwert
Wer den Kulturwandel hin zu mehr Kooperation statt Konkurrenz und weniger Hierarchien-Dünkel in unseren Unternehmen und Organisation aktiv auf seine Weise fördert, den lade ich ein, sich als Unterstützer der Intiative Selbstorganisation zu outen.
Viele Grüße, Martin
Da habe ich den Schluss meiner morgigen The European-Kolumne gleich geändert: So langsam dämmert es den liebwertesten Controlling-Gichtlingen, wie soziale Medien das autoritäre Konglomerat des Prozess-Managements untergraben. Eine Kultur der Beteiligung, die in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik immer stärker eingefordert wird, entlarvt die Seifenblasen und Rituale der Funktions- und Positionselite, die sich wie beim Leistungsschutzrecht zur letzten Abwehrschlacht in Erdlöchern verkriecht. Wer auf Kooperation und weniger Hierarchiedünkel setzt, den lädt ichsagmal-Blogkommentator Martin Bartonitz ein, die „Initiative Selbstorganisation“ http://zentripetaleorganisation.wordpress.com/unterstutzer/ zu unterstützen. Einige Unternehmer machen schon mit. Es bewegt sich was in Richtung „Sozialer Ökonomie“. Ein Kapitel, das in den gängigen Wirtschaftslehrbüchern übrigens noch fehlt.
Der Rest wird aber noch nicht verraten 🙂
Danke für die Unterstützung.
Und ich ahne, dass es schon viele sind, die das Neue miteinander Arbeiten in der einen oder anderen Weise leben. Und damit es visibel wird und andere sehen, dass es geht, sammelt die Initiative ein, was 9 von 10 Deutschen wünschen: eine andere Ökonomie, eine soziale eben!
So sehe ich das auch. Man kann es an den vielen Crowdfunding-Projekten abmessen, die immer populärer werden und in den USA schon in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, wie es Dirk von Gehlen gestern beim Digitalen Quartett ausdrückte.
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