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Enzensberger und das Alphabet der Krise

title_121In der Literaturbeilage der Wochenzeitung “Die Zeit” hat Hans Magnus Enzensberger ein entzückendes Alphabet der Krise veröffentlicht.

Da heißt es zu Berater, der; “Bankangestellter, der ebenso im Nebel stochert wie seine Kunden, aber wenigstens solange der Umsatz stimmt, Geld damit verdient, statt es einzubüßen.”

Oder Analyst, der; “einer, der es aus guten Gründen nicht wagt, sich einen Analytiker zu nennen. Wehe dem, der sich einem Therapeuten anvertraut, dem selber auf keiner Couch mehr zu helfen ist.”

Noch schöner Wirtschaftsweisen, die; “eine staatlich geprüfte Ansammlung von hochdotierten Kaffeesatz-Lesern”. Jawoll. Nur staatlich geprüft sind die doch gar nicht, sondern staatlich alimentiert….Siehe Haushaltsplan S. 13 ff.

Im Heft findet sich eine schöne Besprechung von Wirtschaftsbüchern zur Krise. So wird deutlich, dass der hochgelobte Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman (Die neue Weltwirtschaftskrise, Campus-Verlag) ein höchst eigenwilliges Verständnis von ökonomischen Prozessen hat und eigentlich auch nur zur profanen Gattung der Makro-Klempner zählt. Die Politik müsse nur an den richtigen Stellschrauben drehen und schon funktioniert alles wieder von alleine. Krugman ist also auch nur ein VWL-Mechaniker. Man schaut nach dem defekten Einspritzer oder einer kaputten Kurbelwelle und schon kann der kapitalistische Reparaturbetrieb zur Geltung kommen.

akerlofGanz anders positionieren sich die Ökonomieprofessoren George Akerlof und Robert Shiller in ihrem Opus “Animal Spirits – Wie Wirtschaft wirklich funktioniert”, ebenfalls im Campus Verlag erschienen. Sie grenzen sich vom simplen Machbarkeitsglauben eines Paul Krugman ab, der sicherlich bei den staatsgläubigen Lenkern und Denkern Hochkonjunktur hat. Unternehmer und Verbraucher sind eben keine emotionslos kalkulierenden Roboter, wenn sie sich von Moden, Gruppendruck und Massenhysterie beeinflussen lassen. Deshalb kann das ständige Auf und Ab der Wirtschaftskonjunktur nicht durch das Drehen von makroökonomischen Schrauben gesteuert werden. Mit diesem Konzept der Globalsteuerung ist man schon in den 1970er Jahren auf die Schnauze gefallen. “Wer weiß schon, wie sich eine Herde wilder Pferde im nächsten Moment verhalten wird”, schreibt der Zeit-Rezensent Wolfgang Uchatus. Wird sie wirklich friedlich grasen oder durch die Gegend springen? Kann die staatliche Zentralbank mit einer Senkung der Leitzinsen die unternehmerischen Investitionen ankurbeln, wie Alan Greenspan jahrelang glaubte, oder sorgt sie eher für eine Spekulationsblase an den Finanzmärkten, wie es tatsächlich der Fall war?

Akerlof und Shiller sind die richtigen Ratgeber, um der Wissensanmaßung in der Wirtschaftspolitik zu widerstehen. Sie sollte eher als Staatskunst verstanden werden, als schwere und mitunter nicht erfüllbare Aufgabe. Die beiden Autoren holen den Faktor “Ungewissheit” wieder zurück in die Volkswirtschaftslehre, die immer noch glaubt, dass die Wirtschaft berechenbar sei und sich mehr dafür interessiert, an mathematischen Formeln zu feilen und die Beobachtung der Realität vernachlässigt.

3593379260Liebe VWL-Professoren, Akerlof und Shiller sollten Sie lesen, dazu noch eine Portion Niklas Luhmann und das von mir schon mehrfach zitierte Werk von Stephan Grünewald, “Deutschland auf der Couch – Eine Gesellschaft zwischen Stillstand und Leidenschaft”. Und liebe Frau Bundeskanzlerin, Sie sollten nicht nur verkopfte Spieltheoretiker als Berater ins Kanzleramt holen, sondern einige profilierte Wirtschaftspsychologen – dann läuft es auch mit der Motivation der Bevölkerung besser oder kopieren Sie einfach Barack Obama.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

6 Kommentare zu "Enzensberger und das Alphabet der Krise"

  1. Ich möchte an dieser Stelle mal bestätigen, dass das Buch Deutschland auf der Couch” eine wunderbar treffende Zustandsbeschreibung unserer Gesellschaft ist. Absolut lesenswert.

    Viele Grüße

    Christian

  2. Matthias Lubinsky | 12. März 2009 um 13:28 Uhr |

    Ja, ja der Wege aus der krise gibt es wohl einige. Aber der eingeschlagene zwischen Aussitzen/ auf Schlimmeres warten und neu gedrucktes geld in schwarze Löcher wie Opel zu pumpen…

    dabei kann nur rauskommen: Inflation, Inflation, Inflation

    Währungsreform = Geldvernichtung

  3. Das hast Du in dem anderen Blog-Beitrag doch auch schon treffend beschrieben: http://gunnarsohn.wordpress.com/2009/01/23/klinsi-als-kanzler-wir-brauchen-jemanden-teamgeist-beschwort/

    noch genauer in dem NeueNachricht-Artikel
    http://www.ne-na.de/A556D3/nena/NENA_NEU.nsf/0/186C8A9E8DDDB277C125754E00315010?OpenDocument, Zitat: „Die Eliten in Deutschland sind zur Zeit visions- und ideenlos. Bisher wurde immer gesagt, die Volksseele sei träge. Das Problem fängt aber bei den Vordenkern schon an. Besonders die Eliten der Wirtschaft entmündigen sich selbst, in dem sie sich als Opfer des Systems darstellen – ihre Handlungsspielräume werden als sehr klein dargestellt. Sie sind nicht bereit für Zäsuren, sondern folgen dem allgemeinen Trend der Demoskopie, dem öffentlichen Meinungsklima, um anerkannt zu werden. Sie wollen nicht die Verantwortung zur Krisenbewältigung auf sich nehmen”, kritisierte Grünewald.

    Genau da liegt unser Problem in Deutschland….

  4. Danke für die Lorbeeren. Hier noch einmal der komplette Beitrag: Der Staat taugt nicht als Reparaturbetrieb des Kapitalismus: Leidenschaftliche Geistesgrößen wie Steve Jobs gesucht

    Deutschland hat sich in den vergangenen Monaten in einer Weise verändert, die jeder Ökonom noch vor einem Jahr ausgeschlossen hätte. Vor allem die aus der Finanzkrise resultierenden Sachzwänge führen zu einem bisher nicht gekannten politischen Handlungsdruck. Die dramatischen Zuspitzungen zwingen die Bundesregierung zu immer eilbedürftigeren Reaktionen, um Schlimmeres zu vermeiden. „Es liegt in der Natur der Sache, dass man hier häufig mit der heißen Nadel um Problemlösungen bemüht ist. Außerdem scheint es ordnungspolitisch kein Halten mehr zu geben. Der Versuch, alle erkennbaren finanziellen und wirtschaftlichen Risiken mit Schutzschirm-Konzepten zu entschärfen, vermittelt der breiten Öffentlichkeit zwar zunächst das Gefühl der Entwarnung, erweist sich aber de facto als eher virtuell. Dass die ausgesprochenen Staatsgarantien für private Bankguthaben im Ernstfall allenfalls theoretischer Natur wäre, ist ebenso wenig zu bezweifeln wie die rein deklamatorische Bedeutung der von den Konzernen versprochenen Arbeitsplatzgarantien”, schreibt Dietrich W. Thielenhaus in der Februarausgabe der Zeitschrift „Wirtschaftsbild” http://www.wirtschaftsbild.de, die von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard gegründet wurde.

    Die Bundesregierung suche zunehmend ihr Heil in Verstaatlichungsmaßnahmen. Im Bankensektor sei der Sündenfall spätestens mit der Beteiligung an der Commerzbank erfolgt. „Auch die Bereitstellung von über 18 Milliarden Euro zur Übernahme der Dresdner Bank hat mit den Prinzipien der Privathaftung und Eigenverantwortung nichts mehr zu tun. Wie ist den Steuerzahlern zu vermitteln, dass Sie pro Kopf – ungefragt – 520 EUR zu dieser Rettung beitragen müssen”, fragt sich Thielenhaus von der Marketingagentur Thielenhaus & Partner http://www.thielenhaus.de. Die FAZ stellte die Frage, ob notfalls auch Autohersteller, Chemiefabriken und Versicherungen vom Staat übernommen werden. „Richtig ist, dass besondere Herausforderungen besondere Antworten verlangen. Richtig ist aber auch, dass wohl niemand glaubt, der Staat verfüge über bessere Management-Qualitäten als die Unternehmer. Völlig offen ist zudem, wann und wie diese systemwidrigen Reparaturversuche bereinigt werden können”, erklärt Thielenhaus. Mit den geplanten staatlichen Stützungsmaßnahmen für Conti und Schaeffler droht nach Auffassung von Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) ein neuer ordnungspolitischer Sündenfall. „Wieder einmal soll der Steuerzahler für eine verfehlte Unternehmenspolitik herhalten. Angesichts von 186.000 Arbeitsplätzen, deren Existenz akut gefährdet ist, bleibt dem Staat jedoch kaum eine andere Möglichkeit, als seinen Schutzschirm aufzuspannen.”

    Dafür komme aber nur eine staatliche Bürgschaft im Rahmen des 100-Milliarden-Euro-Programms des Bundes und keine Unternehmensbeteiligung in Frage, betonte der Mittelstandspräsident. Bund und Länder müssten das Familienunternehmen außerdem zu Transparenz verpflichten und an den finanziellen Folgelasten beteiligen. „Eine Staatsbürgschaft, für die am Ende Bürger und mittelständische Betriebe gerade stehen müssen, darf es nicht zum Nulltarif geben”, so Ohoven.

    Die Kernfrage sei, schreibt Thielenhaus, welche Konsequenzen aus diesem Desaster zu ziehen sind. Parteien, Kirchen und Medien würden zur Zeit nach dem Prinzip „Haltet den Diebe” das Wirtschaftssystem als Quelle allen Übels zu identifizieren. Zurecht werden dabei die Entartungen des „Raubtierkapitalismus” angeprangert. „Irreführend ist allerdings dessen Gleichsetzung mit dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack, das ja gerade den hierzulande seit über 60 Jahren bewährten Gegenentwurf zum wirtschaftlichen Raubrittertum darstellt. Die jetzige Krise birgt die Gefahr, das sich der Staat langfristig – mit Zustimmung vieler verunsicherter Bürger – in Unternehmensbereichen einnistet, die er nicht zu steuern vermag”, vermutet Thielenhaus.

    Der Staat überhebt sich, wenn er den Reparaturbetrieb für den Kapitalismus spielen wolle, sagt auch der Harvey Nash-Chef Udo Nadolski: „Ohne neues Unternehmertum schaffen wir den Aufschwung nicht. Ohne den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren entstehen keine Innovationen. Wir brauchen in Deutschland mehr Steve Jobs und weniger Sarah Wagenknecht. Wie man Arbeitsplätze schafft, demonstriert der Apple-Chef”, so IT-Experte Nadolski. Er habe ästhetisch ansprechende Produkte geschaffen, die technisch ausgereift und intuitiv zu benutzen seien. Als Computerunternehmer demonstriere er, wie man Eleganz, Perfektion und Benutzerfreundlichkeit vereinen könne. „Mit dem antikapitalistischen Gejammer kommen wir wirtschaftlich nicht weit. Stattdessen müssen wir uns stärker auf Forschung und Entwicklung konzentrieren, auf die enge Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft, auf die Veredelung von Produkten, auf die Verbesserung der Produktvermarktung und auf smarte Servicekonzepte, wie es Steve Jobs praktiziert”, fordert Nadolski.

    Um aus dem Stimmungstief herauszukommen, seien nach Meinung des Kölner Soziologen Stephan Grünewald, Geschäftsführer des Rheingold Instituts für Kultur-, Markt- und Medienforschung http://www.rheingold-online.de, vor allen Dingen die führenden Köpfe gefordert. „Die Eliten in Deutschland sind zur Zeit visions- und ideenlos. Bisher wurde immer gesagt, die Volksseele sei träge. Das Problem fängt aber bei den Vordenkern schon an. Besonders die Eliten der Wirtschaft entmündigen sich selbst, in dem sie sich als Opfer des Systems darstellen – ihre Handlungsspielräume werden als sehr klein dargestellt. Sie sind nicht bereit für Zäsuren, sondern folgen dem allgemeinen Trend der Demoskopie, dem öffentlichen Meinungsklima, um anerkannt zu werden. Sie wollen nicht die Verantwortung zur Krisenbewältigung auf sich nehmen”, kritisierte Grünewald in der 3sat-Sendung Scobel http://www.3sat.de. Es fehlten leidenschaftliche Geistesgrößen für eine neue Sinnvermittlung.

  5. Es ja hinreichend bekannt, dass man lediglich die Experten an den Stammtischen und in den Redaktionsstuben zu Rate ziehen muss, um das ganze Land und schließlich auch die Weltwirtschaft genesen zu lassen. Insofern ist es also auch nicht verwunderlich, dass ausgerechnet jetzt viel Krisen-Literatur den Markt überschwemmt. Wenn’s hilft …

  6. Es ist ja hinreichend bekannt, dass man lediglich die Experten an den Stammtischen und in den Redaktionsstuben zu Rate ziehen muss, um das ganze Land und schließlich auch die Weltwirtschaft genesen zu lassen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass ausgerechnet jetzt viel Krisen-Literatur den Markt überschwemmt. Wenn’s hilft …

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