Thomas Herndon versus Reinhart/Rogoff – Wenn inkompetente Excel-Ökonomen irren und zur Tagesordnung übergehen #brandeins

Blöde Ökonomen

Mir war es als Student der Volkswirtschaftslehre leider nicht vergönnt, mit meiner Diplomarbeit über das Erdgas-Röhren-Embargo gegen die Sowjetunion oder mit meinen finanzwissenschaftlichen Seminar-Stücken auch nur annähernd so bekannt zu werden wie der VWL-Student Thomas Herndon. Er widerlegte vor gut zwei Jahren das Verschuldungs-Mantra der Harvard-Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff. Bekanntlich kamen die beiden Excel-Ökonomen in ihrer wissenschaftlichen Publikation „Growth in a Time of Debt“ nach der Analyse von Verschuldung und Wachstumsraten führender Industrienationen zu dem Ergebnis, dass sich Konjunkturprogramme nicht lohnen, um ein Land aus einer Rezession zu führen, sondern eher schaden. Sobald die Staatsschulden mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen, schrumpft das Wachstum.

„Die Untersuchung wurde zu einem wichtigen Argument für die Debatte, wie die Folgen der Weltfinanzkrise bewältigt werden können“ , schreibt bandeins in der November-Ausgabe mit dem sympathischen Schwerpunkt „Ökonomischer Unsinn“ (unbedingt bestellen, lohnt sich).

Herndon sollte diese These in seiner Semesterarbeit im Grundseminar (!) „Angewandte Ökonometrie“ an der University of Massachusetts in Amherst aufgreifen und das Ergebnis nachvollziehen. Es ging noch nicht um Widerlegung. Carmen Reinhart war so großherzig, dem VWL-Studenten die komplette Excel-Tabelle zu schicken mit dem freundlichen Zusatz:

„Verwende sie für deine Semesterarbeit, wie du möchtest. Viel Glück!“

„Die Datei enthielt eine Tabelle mit den Verschuldungs- und Wachstumsraten für 20 Industrienationen von 1946 bis 2009, eine historische Reihe des Wachstums und der Schuldenlast für dieselben Länder von 1790 bis 2009 und schließlich die Daten für 20 Schwellenländer von 1970 bis 2009“, so der brandeins-Autor Stefan Heuer.

Herndon öffnete die Datei und erkannte bereits nach wenigen Minuten (!!!!), dass den zwei „Star“-Ökonomen in ihrer Excel-Tabelle mindestens ein grober Anfängerfehler unterlaufen war, der das Ergebnis der gesamten Studie infrage stellt: „Ich klickte auf Zeile 51 in Reihe L der Tabelle und sah mir die Formal an: Sie hatten bei der Berechnung des Durchschnitts aller 20 Länder einfach fünf Zeilen vergessen“, erläutert Herndon gegenüber brandeins. Ein Schnitzer mit großer Wirkung. Bei den fünf Zeilen handelte es sich um Werte für Australien, Belgien, Dänemark, Kanada und Österreich.

Eine kleine Seminararbeit zum besseren Verständnis der Ökonometrie entwickelte sich zu einer sensationellen Falsifikationskeule im Sinne des kritischen Rationalisten Karl Popper. Sie demontierte einen wichtigen Eckpfeiler staatlicher Sparpolitik. Herndon durchforstete in Zusammenarbeit mit seinem Professor Robert Pollin und einem weiteren Mitarbeiter die gesamte Tabelle und erkannte zwei weitere Fehler. Reinhart und Rogoff hatten die Datensätze von Neuseeland, Australien und Kanada aus der Nachkriegszeit weggelassen – drei Länder, deren Volkswirtschaften trotz hoher Staatsverschuldung gewachsen waren.

„Zudem hatten die beiden Professoren eine willkürliche Gewichtung der Kennzahlen vorgenommen, um ihr Argument zu stützen. In ihrem Modell wiesen sie 19 Jahren britischen Aufschwungs mit einem durchschnittlichen Wachstum von 2,4 Prozent dieselbe statistische Bedeutung zu wie einem einzigen Jahr des Abschwungs in Neuseeland, als die dortige Wirtschaft um 7,6 Prozent geschrumpft war“, führt brandeins aus.

Eine höchst unsaubere Methodik, die den Philosophen Karl Popper schon zu Beginn seiner akademischen Jahren auf die Palme brachte. Vielen Wissenschaftlern ging und geht es ausschließlich darum, nach Bestätigungen ihrer Theorien zu suchen – also eine induktive oder positivistische Vorgehensweise. Schon Ende des Jahres 1919 kam Popper zu dem Schluss, „dass die wissenschaftliche Haltung die kritische war; eine Haltung, die nicht auf Verifikationen ausging; sondern kritische Überprüfungen suchte: Überprüfungen, die die Theorie widerlegen könnten.

Suspekt waren Popper trügerische Sicherheiten, die nicht kritisch infrage gestellt wurden. Vermeintliche Wahrheiten wurden und werden von gläubigen Anhängern ohne Überprüfung der Fehlerhaftigkeit verteidigt. Im „Modell“ von Reinhart und Rogoff hatte das nicht nur negative Folgen für die Wissenschaft, sondern auch für die Anwender der Formel in der Wirtschaftspolitik. Korrigierte man die Fehler und fragwürdigen Gewichtungen für die 90 Prozent-Verschuldungsformel, kommt man zu einem völlig anderen Ergebnis. Aus dem mittleren Negativwachstum in hoch verschuldeten Industrienationen von Minus 0,1 Prozent wird ein positives Wachstum mit 2,2 Prozent.

Den Medienrummel, der nach der Veröffentlichung der Falschberechnungen entstand, haben Reinhart und Rogoff stoisch zur Kenntnis genommen. Sie verwahrten sich im Oktober 2013 in einer Replik gegen die irreführende und lückenhafte Analyse von Herndon, Ash und Pollin. Außer einem Programmierfehler räumen die Excel-Ökonomen keine weiteren Irrtümer ein.

In der Stellungnahme von Reinhart und Rogoff heißt es:

„Kommen Herndon et al. zu dramatisch anderen Ergebnissen aus dem relativ kurzen Nachkriegszeitraum, auf den sie sich konzentrieren? Sie ermitteln ebenfalls geringeres Wachstum in Perioden mit Schuldenquoten über 90 Prozent (bei 0-30 Prozent Schuldenquote 4,2 Prozent Wachstum, bei 30-60 Prozent 3,1 Prozent Wachstum, bei 60-90 Prozent 3,2 Prozent und bei mehr als 90 Prozent Schuldenquote 2,2 Prozent. Anders ausgedrückt: das Wachstum bei hohen Schuldenständen ist etwas mehr als halb so hoch wie bei der niedrigsten Schuldenstandsklasse. Sie ignorieren die Tatsache, dass diese Ergebnisse nahe an denen sind, die wir in Tabelle 1 unseres Artikels im American Economic Review berichten, trotz des Kodierungsfehlers.“

Keine dramatisch anderen Ergebnisse????

Die Re-Replik von Ash:

„Wo Reinhart und Rogoff oberhalb einer Staatsschuldenquote von 90 Prozent durchschnittliches Wirtschaftswachstum von minus 0,1 Prozent ermitteln, sind es bei uns 2,2 Prozent. Das ist ein enormer Unterschied. Wir widerlegen außerdem den Nachweis von Reinhart und Rogoff einer “historischen Grenze” bei einer Staatsschuldenquote von etwa 90 Prozent, ab der das Wachstum substanziell und nicht-linear abnimmt. Es gibt keine Anzeichen einer wichtigen Schwelle in den Daten und das war ein wichtiger Teil des Arguments.“

Bei Herndon haben sich nach Informationen von bandeins weder Reinhart noch Rogoff gemeldet.

Kann man jetzt umgekehrt aus der Widerlegung ableiten, die staatliche Ausgabenpolitik weniger streng zu betrachten? Wohl nicht. Und da kommt dann vielleicht meine Seminararbeit aus dem Jahr 1984 ins Spiel, die ich gemeinsam mit Sebastian Schich verfasst habe. Thema: Gibt es eine optimale Staatsverschuldung? Das Problem der intertemporalen Allokation. Ich werde jetzt keine Nacherzählung über unsere Arbeit in Finanzwissenschaften bei Professor Werner Steden an der FU-Berlin schreiben. Nur soviel: Man sollte sich die Schuldenpolitik in jedem einzelnen Land etwas genauer anschauen. Wie steht es um die tatsächliche Produktivität öffentlicher Investitionen? Generell wichtig: Werden die Mittel der Staatsverschuldung für investive oder konsumtive Zwecke eingesetzt? In welchem Verhältnis stehen Staatskredite und Steuereinnahmen? Wieviele Steuern müssen für die Zinszahlungen aufgebracht werden? Verdrängen konsumtive Staatsausgaben private Investitionen? Und, und, und.

Staatsschulden nur im Verhältnis zum Sozialprodukt zu betrachten, halte ich für mehr als fragwürdig. Aber das ist ein ganz andere Kapitel. Vielleicht sollte man den Makroökonomen generell weniger Vertrauen entgegenbringen – egal in welchem ideologischen Lager sie sich aufhalten.

Witzig ist ja generell der Excel-Fehler. Im vorliegenden Fall einfach menschliche Blödheit. Aber es geht auch anders, wie Stefan Holtel von Brightone bei einer Session auf der Next Economy Open bemerkte: Es sei ein großer Fehler, den Maschinen Fähigkeiten wie Rationalität und Unfehlbarkeit zuzuschreiben: „Das speist sich unseren täglichen Erfahrungen. Niemand rechnet Excel-Tabellen nach. 2007 gab es im Intel-Prozessor einen Hardware-Fehler, der dazu führte, dass Excel falsch rechnete. Es gibt diese systemischen Fehler sehr häufig, aber Menschen sind kaum in der Lage, diese Risiken einzuschätzen“, erklärt Holtel.

Siehe auch:

Nachbetrachtungen zur Reinhart/Rogoff-Kontroverse:

„Zur Frage der Kausalität stellt Dube (Dube, (2013) eine einfache Überlegung an. Wenn der Verschuldungsgrad das Wirtschaftswachstum bestimmt (und nicht umgekehrt), dann müsste anhand des Verschuldungsgrades die zukünftige (und nicht die vergangene) Wachstumsrate besser prognostizierbar sein. Seine Berechnungen zeigen aber, dass «current period debt-to-GDP is a pretty poor predictor of future GDP growth at debt-to-GDP ratios of 30 or greater (…..). This pattern is a telltale sign of reverse causality», das heisst, dass das Wirtschaftswachstum den Verschuldungsgrad bestimmt und nicht umgekehrt. In die gleiche Richtung weisen seine Schätzungen mittels sog. Distributed Lag Modelle. Ebenfalls in diese Richtung argumentieren Iron und Bivens (Irons und Bivens (2010), S. 6): «In short, the statistical evidence strongly suggests that the causality runs from growth to debt, and not the reverse». Bezüglich der Fragen von Endogenität und Kausalität zwischen Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum besteht offensichtlich noch Forschungsbedarf.“

Meine Wachstumsprognose für 2012: 2,5 Prozent! Und ein kleiner Exkurs über VWL-Wetterfrösche

Im vergangenen Jahr lag bekanntlich das Wachstum in Deutschland bei rund 3 Prozent (die endgültigen Zahlen werden vom Statistischen Bundesamt am 11. Januar vorgelegt– trotz der dauerhaften Negativmeldungen über die Eurokrise. Die professionellen und steuerlich üppig finanzierten Konjunkturforscher rechneten nur mit 2,2 Prozent. Ich selbst ging von einem ähnlich starken Wachstum wie 2010 aus und tippte auf 3,7 Prozent. Da lag ich also in der Abweichung diesmal nicht sehr viel besser – aber auch nicht schlechter.

Wie wird es dieses Jahr. Ich selbst habe ja in den vergangenen Jahren ein sehr komplexes ökonometrisches Modell entwickelt, um die Konjunktur vorherzusagen. Das Rechensystem beruht auf einer Neujahrskarte, die ich jedes Jahr von meinem alten Arbeitgeber erhalte: Das Institut für Demoskopie Allensbach. Die von dem Informatiker und Statistiker Professor Steinbuch entdeckte Korrelation zwischen dem Wirtschaftsverlauf und dem Allensbacher Stimmungsbarometer habe ich ja hier schon mehrfach hinlänglich erläutert. Die Antworten auf die Jahresfrage, ob man dem neuen Jahr mit Hoffnungen oder Befürchtungen entgegen schaut, hat eine Menge mit Wirtschaftspsychologie zu tun, die von den Zahlendrehern in den Wirtschaftsinstituten sträflich vernachlässigt wird. Der Optimismus ist in der Bevölkerung etwas zurückgegangen, aber nicht so dramatisch, wie es die Medienberichte suggerieren. Da vergeht ja keine Woche ohne eine Krisen-Schlagzeile. Mit Hoffnungen blicken immer noch 49 Prozent dem Jahr 2012 entgegen – vor einem Jahr lag dieser Wert sieben Prozentpunkte höher. Befürchtungen geben 17 Prozent zu Protokoll – ein Anstieg von vier Prozentpunkten. Skepsis äußeren dann noch 26 Prozent – ein Plus von fünf Prozentpunkten. Unentschieden sind 8 Prozent. Das ist ungefähr das Meinungsbild des Jahres 2006 – also die Einschätzung für 2007.

Demnach kommt jetzt meine kompliziert berechnete Prognose für 2012. Das Wachstumstempo wird sich nur leicht abschwächen und erreicht 2,5 Prozent.

Damit liege ich deutlich über den Werten der meisten Konjunkturforscher – mit Ausnahme des Aufsichtsratschefs von Roland Berger (aber der ist ja auch nur Unternehmensberater….).

Das Handelsblatt hat dankenswerter Weise mal die wichtigsten Prognosen der Glaskugel-Ökonomen zusammen gefasst:

DIW: 0,6 Prozent

Burkhard Schwenker von Roland Berger: 3 Prozent

Ifo-Institut: 0,4 Prozent

Bundesregierung: 1 Prozent

Sachverständigenrat: 0,5 Prozent

Internationale Währungsfonds: 1,3 Prozent

Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung: – 0,1 Prozent (das gewerkschaftsnahe Haus rechnet also mit einer Rezession)

Bundesbank: 0,6 Prozent

Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut: 0,5 Prozent

Wolfgang Streeck setzt sich übrigens in einem lesenswerten Beitrag für den Sammelband „Wissenschaftliche Politikberatung“ mit den Glaskugel-Ökonomen auseinander. Ihre politische Vitalität beruhe auf empirischer Untauglichkeit. Es seien nur wirtschaftswissenschaftliche Wetterfrösche. Die Konjunkturforschung, die uns pro Jahr zweistellige Millionen-Beträge kostet, bezeichnet Streeck als falschen, aber wirkmächtigen Zauber. Konjunkturforscher erscheinen als Hightech-Kaffeesatzleser, die Politiker und Wirtschaftskapitäne in die Zukunft träumen lassen und für ihre Fehlprognosen so viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, dass sie den ökonomischen Gang der Dinge tatsächlich beeinflussen. Ein Hintergrundverständnis der Gesellschaft geht den Ökonomen ab. Die setzen sich in ihren theoretischen Modellen zu wenig mit der Lebenswirklichkeit der Menschen auseinander. Das gilt übrigens für alle Denkrichtungen der VWL – von Hayek bis Keynes.

Lieber Finanzminister, streichen Sie doch endlich den Wirtschaftsforschern die Staatsknete

Das Versagen der VWL-Modellschreiner bei den Vorhersagen des Konjunkturverlaufs ist doch mehr als peinlich. Nach den amtlichen Zahlen des Statistischen Bundesamtes verzeichnen wir in Deutschland im ersten Quartal mit 1,5 Prozent das stärkste Wachstum seit der Wiedervereinigung. Vor allem der Inlandskonsum erweist sich dabei als die stärkste Antriebskraft der Volkswirtschaft. Das war Ende des vergangenen Jahres in der traditionellen Allensbach-Umfrage zur Stimmungslage der Bevölkerung absehbar, wie ich das hier ja schon x-mal angemerkt habe.

56 Prozent der Menschen in Deutschland sehen dem neuen Jahr (also 2011) mit Hoffnungen entgegen. Eine Steigerung von 11 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Nur noch 13 Prozent votieren für Befürchtungen (Vorjahr: 19 Prozent) und 21 Prozent entscheiden sich für Skepsis (Vorjahr 26 Prozent). Demnach müsste das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr mindestens genauso hoch ausfallen wie 2010 – also mindestens 3,7 Prozent. Das war meine Prognose, die ich im Januar abgegeben habe. Auch nach den Daten des Statistischen Bundesamtes geht man nun von Wachstum von über drei Prozent aus. Die vom Staat mit jährlich weit über 40 Millionen Euro alimentierten Wirtschaftsforschungsinstitute gingen selbst in ihrem Frühjahrsgutachten davon aus, dass wir in diesem Jahr deutlich schlechter abschneiden als 2010.

Warum ist der Allensbach-Stimmungsindikator für die Konjunkturentwicklung besser als die komplexen Rechenmodelle der Glaskugel-VWLer?
Weil es in der Wirtschaft eben nicht um Rationalität, sondern eher um die Befindlichkeit der Menschen geht. „Zufallsfluktuationen und Komplexität erzeugen nichtlineare Dynamik“, so Klaus Mainzer, Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie in seinem Buch „Der kreative Zufall“. Die Konjunkturforscher können also ihre Ökonometrie auf den Müll schmeißen. Die sollten sich lieber mit Wirtschaftspsychologie beschäftigen.

Menschen handeln spontan und sind unberechenbar. Gute oder schlechte Stimmung in der Bevölkerung wirkt dabei wie ein Grippe-Virus, der sich ausbreitet und andere Menschen ansteckt. Die Ansteckung wird ausgelöst durch übereinstimmende Motive der Wirtschaftsakteure, gemeinsame, unter bestimmten Umständen erweckte Vorstellungen, Nachahmung und die Übertragung von Gefühlen. Wie will man das über Simulationen errechnen? Der Zufall sollte daher bei den Konjunkturforschern zu einer Ethik der Bescheidenheit führen. „Es gibt keinen Laplaceschen Geist omnipotenter Berechenbarkeit“, erklärt Mainzer. Warum treten die Präsidenten der Wirtschaftsforschungsinstitute in ihren grauen Anzügen dann noch im Frühjahr und Herbst so bedeutungsschwer vor die Bundespressekonferenz, um mit großem Getöse ihre Gutachten dem Wirtschaftsminister in die Hand zu drücken? Reißt doch einfach Eure Klappe nicht so weit auf! Die Berechnungen des tatsächlichen Konjunkturverlaufs sollte man einzig und allein dem Statistischen Bundesamt überlassen. Dort arbeiten doch schließlich 2.800 Mitarbeiter. Da kann man getrost auf die Institute der so genannten Blauen Liste verzichten.

Siehe auch:
Glaskugel statt Ökonometrie: Warum die Prognosen der Wirtschaftsforscher nichts taugen.

VWL-Mechaniker im Machbarkeitswahn.

Verhaltensökonomik statt Modell-Schreinerei – Warum sich die Wirtschaftstheorie vom Leitbild des „Homo oeconomicus“ verabschieden sollte.

Die absurden Annahmen und Tricks der Neoklassik: Warum man den VWL-Modellschreinern misstrauen sollte.

Meine Konjunkturprognose für 2011 – Wirtschaft wird stärker wachsen als vergangenes Jahr

Für 2010 sagten die Konjunkturforscher ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,4 Prozent voraus. Das war viel zu pessimistisch, wie wir mittlerweile wissen. Im vergangenen Jahr legte die Wirtschaft um 3,7 Prozent zu. Dieser Trend soll sich allerdings in diesem Jahr abschwächen. Nach Berechnungen des DIW wird das Bruttoinlandsprodukt 2011 um 2,2 Prozent zulegen, 2012 um 1,3 Prozent. Beim Wachstum 2010 spielten Aufholeffekte eine große Rolle, so das DIW. Die werde es in den nächsten Jahren so nicht mehr geben. Da liegen die VWLer wohl wieder falsch. Was die Glaskugel-Ökonometriker unterschätzen, ist der Faktor Mensch. Darauf hat der Informatik-Professor Karl Steinbuch 1979 hingewiesen. Ich habe das hier schon mehrfach aufgegriffen. Steinbuch berechnete, dass eine seit 1949 jeweils zum Jahresende vom Institut für Demoskopie Allensbach gestellte Frage „Sehen Sie dem neuen Jahr mit Hoffnungen oder Befürchtungen entgegen“ in dem Prozentsatz der Antworten „mit Hoffnungen“ der Entwicklung des realen Bruttosozialprodukts vorauseilt. Der Verlauf des Optimismus folge nach Erkenntnissen von Steinbuch wie das Wachstum des Bruttosozialprodukts Zyklen mit einer Dauer von etwa vier bis fünf Jahren und der Optimismus in der Bevölkerung hinke nicht hinter der Konjunktur her, sondern gehe ihr voraus: Zuerst Optimismus, dann Wachstum.

Die persönliche Einschätzung der Zukunft sei ein besserer Indikator für die Entwicklung der Konjunktur, als die mit großem wissenschaftlichen Aufwand betriebenen Vorhersagen der Wirtschaftsforschungsinstitute – für die der Staat kräftig Steuergelder verprasst. Hier versagen die Modelle der makroökonomischen Erbsenzähler. Denn die wirtschaftliche Dynamik ist nicht nur abhängig von äußeren Faktoren wie Steuerlast oder Arbeitsgesetzen, sondern in hohem Maß auch von Psychologie. Deswegen war meine Konjunkturprognose für 2010 eben sehr viel besser. Selbst inmitten der Finanzkrise blieb die berühmt-berüchtigte German Angst aus. Die Untergangsszenarien spielten sich fast ausschließlich in den Massenmedien ab und war wohl eher ein Indikator für die Stimmung in den Redaktionen.

„Die Gelassenheit der großen Mehrheit geht auf die Kluft zwischen der Nachrichtenlage über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und den eigenen Erfahrungen zurück. Nach wie vor können die meisten Erwerbstätigen in ihrem Unternehmen keine Anzeichen der Krise erkennen. 31 Prozent sehen in ihrem Unternehmen Auswirkungen; dieser Anteil hat sich in den letzten zwei Monaten nicht verändert. Eine Analyse nach Branchen zeigt, wie unterschiedlich einzelne Wirtschaftszweige betroffen sind. Während sich die Automobilindustrie und ihre Zulieferer im Auge des Taifuns befinden und auch der Maschinenbau mittlerweile stark betroffen ist, erleben die Beschäftigten der Bauwirtschaft, im Handel oder des Gesundheitswesens die Krise überwiegend über die Medien“, schrieb die Allensbach-Chefin Renate Köcher Anfang 2009.

Und wie sieht es in diesem Jahr aus? Nach der neuen Allensbach-Jahresumfrage sehen 56 Prozent dem neuen Jahr mit Hoffnungen entgegen. Eine Steigerung von 11 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Nur noch 13 Prozent votieren für Befürchtungen (Vorjahr: 19 Prozent) und 21 Prozent entscheiden sich für Skepsis (Vorjahr 26 Prozent). Demnach müsste das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr mindestens genauso hoch ausfallen wie 2010. Ende des Jahres sind wir schlauer. Sollte ich richtig liegen, wäre es ein Akt der Höflichkeit, mich endlich in die Liste der besten Konjunkturprognostiker aufzunehmen 😉

Die besten Konjunkturprognostiker: Brüderle-Ministerium schneidet miserabel ab – Meine Vorhersage wurde nicht gewertet ;-)

„Oft erinnern sie an Kaffeesatzleserei, aber Konjunkturumfragen sind durchaus ein hartes Geschäft. Wer bei den Prognosen, wie sich die deutsche Wirtschaft entwickelt, zu oft daneben liegt, wird von der Konkurrenz schnell abgehängt“, schreibt Spiegel Online und bezieht sich auf einen Bericht der „Financial Times Deutschland“, die verglichen hat, wie treffsicher die Ökonomen und Institute in diesem Jahr waren – und ein aufschlussreiches Ranking erstellt. Die FTD formuliert nun das genaue Gegenteil: „Konjunkturprognosen zu erstellen ist nicht wie Kaffeesatzlesen. Die Auswertung der FTD über neun Jahre zeigt, dass regelmäßig dieselben Ökonomen gut abschneiden – so wie Karsten Klude von M.M. Warburg.“ Ich bin neige da eher zur ersten Position. Vor allen Dingen die Wirtschaftsforschungsinstitute, die kräftig mit Steuergeldern vollgepumpt werden, versagen mit ihren ökonometrischen Modellen. Entsprechend schlecht schneidet das Bundeswirtschaftsministerium unter Leitung von Rainer Brüderle im FTD-Ranking ab: Die Experten der Bundesregierung unterschätzten, wie schnell sich das Land von der Krise erholen würde. „Anfang des Jahres sagten sie für 2010 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,4 Prozent voraus. Mittlerweile sind sich die meisten Experten jedoch einig, dass am Ende des Jahres ein Plus von 3,7 Prozent stehen wird – auch wenn dieser Wert naturgemäß noch nicht feststeht. Für Brüderle heißt dies, dass er mit seiner defensiven Prognose in diesem Jahr nur auf Platz 39 kommt“, so Spiegel Online.

Warum tauche ich eigentlich nicht in dem Ranking auf? Vor knapp 12 Monaten habe ich wieder einmal die Steinbuch-Methode für meine Konjunkturprognose eingesetzt. Siehe auch: Die Allensbach-Jahresumfrage und das Versagen der Konjunkturforscher: Wirtschaftsaufschwung stärker als es die Prognoseprofis vorhersagen!

Der Informatik-Professor Karl Steinbuch hat 1979 eine interessante Korrelation entdeckt. Er berechnete, dass eine seit 1949 jeweils zum Jahresende vom Institut für Demoskopie Allensbach gestellte Frage „Sehen Sie dem Neuen Jahr mit Hoffnungen oder Befürchtungen entgegen“ in dem Prozentsatz der Antworten „mit Hoffnungen“ der Entwicklung des realen Bruttosozialprodukts vorauseilt. Der Verlauf des Optimismus folge nach Erkenntnissen von Steinbuch wie das Wachstum des Bruttosozialprodukts Zyklen mit einer Dauer von etwa vier bis fünf Jahren und der Optimismus in der Bevölkerung hinke nicht hinter der Konjunktur her, sondern gehe ihr voraus: Zuerst Optimismus, dann Wachstum.

Die persönliche Einschätzung der Zukunft sei ein besserer Indikator für die Entwicklung der Konjunktur, als die mit großem wissenschaftlichen Aufwand betriebenen Vorhersagen der Wirtschaftsforschungsinstitute – für die der Staat kräftig Steuergelder verprasst. Hier versagen die Modelle der makroökonomischen Erbsenzähler. Denn die wirtschaftliche Dynamik ist nicht nur abhängig von äußeren Faktoren wie Steuerlast oder Arbeitsgesetzen, sondern in hohem Maß auch von Psychologie. Für die Konjunkturentwicklung ist es relevant, wie es zu gleichgerichteten Verhaltensweisen der Bevölkerung bei jenen Faktoren kommt, die Expansion und Rezession beeinflussen; denn erst der Gleichschritt erzeugt die Durchschlagskraft, verstärkt die Wirkung so sehr, dass der Konjunkturverlauf einen schicksalhaften Rang erhält.

Ende 2009 Schauen fiel die Allensbach-Jahresumfrage schon recht optimistisch aus, so dass ich für 2010 ein kräftiges Wachstum vorhersagte. Vor einem Jahr gaben 45 Prozent der Umfrageteilnehmer zu Protokoll, den kommenden 12 Monaten mit Hoffnungen entgegen zu sehen. 11 Prozentpunkte mehr im Vergleich zum Wert vor einem Jahr. Aber selbst die Umfragedaten zum Beginn des „Krisenjahres“ deuteten darauf hin, dass wir eben nicht die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erlebten. Denn 34 Prozent votierten damals für Hoffnungen. Ein Wert, der Anfang der 80er Jahre erreicht wurde. 1973, im Jahr der Ölkrise, kam man auf 30 Prozent. 1950, lag der Umfragewert bei 27 Prozent, stieg in den Folgejahren durch die Erfolge der Wirtschaftspolitik Ludwig Erhards sehr schnell und steil an.

Auf Platz eins der treffsichersten Konjunktur-Prognostiker steht zwar der Ökonom Carsten Klude von der Privatbank M.M. Warburg. Er hat diesen Platz aber nicht verdient 😉

Anfang Januar 2011 werde ich wieder eine Vorhersage wagen. Wenn ich richtig liege, verlange ich ein Honorar aus dem Bundeshaushalt. Immerhin kassieren die Wirtschaftsforschungsinstitute pro Jahr über 40 Millionen Euro vom Staat.

Glaskugel-Wirtschaftsforscher warnen vor zu viel Optimismus

Morgen ist wieder der Tag der Glaskugel-Wirtschaftsforscher. Die VWL-Alchimisten stellen ihre „Prognosen“ zum Konjunkturverlauf in diesem und im kommenden Jahr vor – doch die Indikatoren sind nach einem Bericht von Spiegel Online so widersprüchlich wie selten zuvor.

„Einerseits sind die Auftragsbücher der exportorientierten deutschen Industrie wieder gut gefüllt. Die Frachtflugzeuge der Lufthansa sind wieder so gut ausgelastet wie vor dem massiven Einbruch im März 2008 – auf manchen Strecken liegen die Werte sogar auf dem Vor-Krisenniveau. Andererseits zeigen sich Finanzexperten in den monatlichen Umfragen des Mannheimer Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) seit längerem skeptisch – und warnen entsprechend vor zu viel Optimismus“, schreibt Spiegel Online. Ob die staatlich alimentierten Fliegenbein-Zähler wieder daneben liegen, werden am Ende des Jahres wissen. Warum der Staat immer noch Millionen Euro für diese Makroklempner verschwendet, ist mir allerdings schleierhaft. Vielleicht sollte sich die Bundesregierung doch eher an der Allensbach-Jahresumfrage halten. Das kostet den Finanzminister nicht einen einzigen Cent. Siehe auch: Die Allensbach-Jahresumfrage und das Versagen der Konjunkturforscher: Wirtschaftsaufschwung stärker als es die Prognoseprofis vorhersagen!

Zu einem ähnlich positiven Befund kommen auch die Zeitredakteure Götz Hamann und Kolja Rudzio in ihrem Artikel „Es geht bergauf“. Die deutsche Wirtschaft klettere langsam aus der Krise. Und ein kleines Wunder zeichnet sich ab: Der erwartete Erdrutsch am Arbeitsmarkt bleibt aus.

Der Aufschwung sei da. „Ob er wirklich anhält und ob daraus eine lange neue Wachstumsphase wird, ‚das werden wir erst in der zweiten Hälfte dieses Jahres erkennen‘, sagt Gustav Horn. ‚Wenn wir dann tatsächlich auf einem klaren Wachstumskurs sind, dann wäre uns allerdings etwas Unglaubliches gelungen. Geradezu ein Kunststück, ein Geniestreich.‘ Horn ist Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf. Wenn der Ökonom von einem Kunststück spricht, meint er zum einen das Tempo, in dem sich viele Unternehmen von der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg erholen. Zum anderen blickt er auf den Arbeitsmarkt. Viel mehr Stellen hätten verloren gehen müssen. Viel härter hätte die Krise jeden Einzelnen treffen müssen. Dass es nicht geschah, kann man ein Kunststück nennen. Oder ein Jobwunder. Der Versuch jedenfalls, es zu erklären, führt zu neuen Einsichten darüber, wie die deutsche Wirtschaft heute funktioniert. Einsichten, die das Land über diesen Aufschwung hinaus prägen werden“, so die Zeit.

Die Wirtschaftsleistung ging im Krisenjahr zwar um fünf Prozent zurück – die Zahl der Erwerbstätigen dagegen um nicht mal 0,4 Prozent. Das entspricht 148.000 Beschäftigten. Rund zwei Millionen hätten es nach gängigen Modellen sein müssen, trotz Kurzarbeit.

Vieles deutet sogar auf eine positive Trendwende am Arbeitsmarkt hin: „Seit Juli 2009 werden Monat für Monat mehr offene Stellen gezählt, seit November wächst auch die Zahl der Erwerbstätigen, und spiegelbildlich schrumpft die Arbeitslosigkeit. Selbst wenn man alle Statistikänderungen berücksichtigt, Arbeitsuchende in Ein-Euro-Jobs und Kurzarbeiter hinzuzählt, ändert das nichts – seit einem knappen halben Jahr wird der Beschäftigungsmangel kleiner. Bald dürfte er wieder unter dem Niveau des Vorjahres liegen. Falls sich diese Entwicklung verstetigte, käme die Bundesrepublik überraschend glimpflich davon. Das Jobwunder wäre perfekt“, schreiben die Zeit-Redakteure.

Kein Experte habe so etwas kommen sehen. Nun würden sich die Fachleute bemühen, das Mirakel zu erklären.

Eine wichtige Erklärung, die Ökonomen für das deutsche Jobwunder heranziehen, betrifft den Strukturwandel. „Seit Jahrzehnten verlieren die Arbeitsplätze in der Industrie an Bedeutung. Auch in Deutschland. Der vergangene Boom der Exportindustrie hat diesen Trend nicht gebrochen. Zwischen 1991 und 2008 ist der Anteil der Jobs im produzierenden Gewerbe gefallen – von fast 30 auf 20 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Und während die Industrie 2009 rund 340.000 Arbeitsplätze abbaute, stellten die Unternehmen in vielen Dienstleistungsbranchen selbst in den finstersten Abschwungmonaten noch munter ein. Öffentliche und private Dienstleister schufen 259.000 Jobs. So wurde ein Teil des Stellenabbaus kompensiert. Allerdings sind viele der neuen Arbeitsplätze Teilzeitstellen, keine Vollzeitjobs. Vielfach sind sie schlechter bezahlt – auch weil sie nicht so hochproduktiv sind. Bei BMW oder Daimler schafft ein Beschäftigter mithilfe eines teuren Maschinenparks enorme Werte pro Stunde. Dagegen sind die Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung im Kindergarten oder im Altenheim beschränkt“, führen Hamann und Rudzio aus.

Die niedrigere Produktivität wiederum bedeute: Es sei weniger Wachstum nötig, um Jobs zu schaffen. In den sechziger und siebziger Jahren entstanden erst ab drei, vier Prozent Wirtschaftswachstum neue Stellen. Heute steige die Erwerbstätigkeit schon bei 1,2 Prozent.

Das habe ich ja schon vor einigen Tagen hier gepostet: Service-Ökonomie ist krisenresistent – Warum wir uns von der Industrie-Nostalgie verabschieden sollten.

Die VWL-Propheten der Wirtschaftsforschungsinstitute orientieren sich wohl zu sehr an den alten Mechanismen des Industriekapitalismus. Umdenken, liebe VWLer, und die Steuergelder zurückgeben für die Fehlprognosen!

Glaskugel statt Ökonometrie: Warum die Prognosen der Wirtschaftsforscher nichts taugen

Das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute prognostiziert für 2009 einen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von sechs Prozent. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer warnte angesichts der tiefen Rezession vor sozialen Unruhen wie in den 1930er Jahren. Die Situation sei vergleichbar mit den Zahlen aus den Jahren der Wirtschaftskrise 1930, 1931 und 1932, sagte Sommer am Mittwochabend in der ARD-Sendung „hart aber fair“.

Möglicherweise würden sich Menschen jetzt von der Politik abwenden oder radikalisieren. Die Zahlen des Frühjahrsgutachten könne man nach Ansicht von Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash, nicht mit der Wirtschaftsdepression der Weimarer Republik vergleichen. „Das ist wissenschaftlich höchst unseriös und für die Menschen der damaligen Zeit, die Not, Hunger und Elend durchmachten, eine Beleidigung“, kritisiert der Personalexperte Nadolski.

Zudem müssten neben der Veränderung des Bruttoinlandsproduktes auch die Niveauunterschiede berücksichtigt werden. „Wir müssten schon um rund 90 Prozent schrumpfen, um in eine Situation wie vor rund 80 Jahren zu kommen. Davon kann aber keine Rede sein. Selbst wenn wir zurückgeworfen werden auf das Wohlstandniveau von 2005 oder 2006, können wir den Wirtschaftseinbruch sehr gut verkraften“, sagt Nadolski.

Darüber hinaus hätten die Wirtschaftsprognostiker in den vergangenen Jahren regelmäßig daneben gelegen. „Warum soll das diesmal anders sein“, fragt sich Nadolski. Vielleicht sollten es die Ökonometriker mal mit einer Glaskugel versuchen, um valide Konjunkturdaten zu erstellen.

Ähnlich urteilen die Cicero-Autoren Richard Gaul und Christiane Goetz. Der kollektive Krisenrausch suche zwar nach Parallelen mit 1929. Nur dieser Vergleich sei schief. „Verglichen werden nämlich Wachstumsraten und nicht Substanzniveaus“. Der prozentuale Rekordeinbruch würde nur wenig über die realen Effekte aussagen. Entscheidend bleibe der Bezugswert und wir schrumpfen eben auf einem sehr hohem Niveau. Vom höchsten, das uns die Weltgeschichte je beschert habe.

„Das Wohlstandsniveau liegt um ein Zigfaches über dem vor 80 Jahren”, so Gaul und Goetz. Was immer man vergleiche – die Lebenserwartung, die Qualität des Essens, das Bildungsniveau, die Wohnsituation, der industrielle Kapitalstock – „wir leben so dramatisch viel reicher als die Generation von 1929“, erklären Gaul und Goetz.

Die Vorhersagen, diese Krise werde nicht nur schwer, sonder auch lang, könnte trügen. Denn immer mehr Indizien sprechen dafür, dass ein Aufschwung schneller bevorstehen könnte als die meisten denken. „Viele Unternehmen haben ihre Lagerbestände stark zurückgefahren, sodass bei einer anspringenden Nachfrage sehr schnell sehr viel wieder produziert werden muss. Diesen Lagerzykluseffekt sieht man derzeit bei den Folgen der Abwrackprämie der Autoindustrie“, erläutern Gaul und Goetz.

Die wichtigsten Rahmenbedingungen würden gute Nachrichten für einen baldigen Aufschwung verheißen: Die extrem niedrigen Öl- und Rohstoffpreise, die historisch geringen Zinsen, die politische Stabilität, die milliardenschweren Konjunkturprogramme und die Abwesenheit großer Konflikte könnten zu einer überraschend schnellen Gesundung der Wirtschaft beitragen. Der ZEW-Konjunkturindex deutet schon darauf hin, dass die Konjunktur wieder anspringt. Er ist um 16,5 Punkt auf plus 13 gestiegen – erstmals seit Juli 2007 liegt er wieder im positiven Bereich.

Siehe auch:
VWL-Mechaniker im Machbarkeitswahn

Antizyklisch agieren

Der Spiegel in Weltuntergangsstimmung

Enzensberger und das Alphabet der Krise

VWL-Mechaniker und Ex-post-Prognostiker in der Sinnkrise

In einigen Blog-Beiträgen habe ich mich nun mit dem Niedergang der Ökonometriker, Zahlendreher, Makroklempner und VWL-Mechaniker auseinandergesetzt. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hat nun eine Typologie der Wirtschaftswissenschaftler nach dem Finanzcrash erstellt. „Anfang 2008 war die Welt nämlich noch in Ordnung. Die Ökonomen sprachen von einer Abkühlung im Jahr 2009. Ein Wachstum von 1,2 Prozent, 1,5 Prozent, 1,8 Prozent sei zu erwarten, hieß es damals, aber weiß Gott keine Rezession, nicht einmal Stagnation. Ach ja. Dann kam die Krise – und mit ihr wurde offenbar, wie sehr die professionellen Prognostiker in Deutschland danebengelegen haben“, so die FAS.

Die Ökonomen würden verschreckt reagieren: „Die einen geben sich zerknirscht, die anderen behaupten, alles immer schon gewusst zu haben. Letztere nerven besonders. Denn wenn sie tatsächlich schon in ihrer Doktorarbeit vor fehlender Bankenregulierung gewarnt haben, so fragt man sich, wieso sie nicht all ihre Macht und Prominenz eingesetzt haben, die Öffentlichkeit zu warnen“. Nach meinem Eindruck sind die Zerknirschten zumindest in der Öffentlichkeit nicht sehr dominant. Die meisten wollen doch so schnell wie möglich zur Tagesordnung übergehen und jetzt analysieren, was sowieso schon bekannt ist. Es sind halt Ex-post-Prognostiker, die sich mit den Analysten zusammentun können. Letztere können auch erst ihre schlauen Reden führen, wenn ein Unheil eingetreten ist. Tun aber so, schon immer alles vorher gewusst zu haben.

Wirtschaftsforscher Snower ist einer der wenigen, die zu einem radikalen Umdenken auffordern. Ein Richtungswechsel in einer bislang hochnäsigen Wissenschaft, die gern den „Siegeszug des ökonomischen Paradigmas in alle Wissenschaften“ verkündete. Jetzt sollten die Ökonomen von ihren einst geschmähten Kollegen lernen, findet er. „Erkenntnisse vor allem aus den Neurowissenschaften, aber auch aus Psychologie und Anthropologie müssen herangezogen werden, um die Annahmen über menschliches Verhalten realitätsnäher zu machen.“ Mathematische Formeln und Ceteris-paribus-Modellrechnungen sind schon immer Rationalitätsmythen gewesen. Der heute in Ungnade gefallene Begründer der marktwirtschaftlichen Idee, Adam Smith, war davon weit entfernt: Er war Moralphilosoph, politischer Ökonom, Wirtschafts- und Sozialhistoriker, Rechtstheoretiker, Geschichtsphilosoph, Sprach- und Literaturwissenschaftler sowie Kunsttheoretiker. Also alles andere als ein Fachidiot, der sich hinter irgendwelchen Rechenmodellen versteckt, die niemals die komplexe und widersprüchliche Welt abbilden oder politische Krisen, bahnbrechende Erfindungen, Meinungstrends oder Katastrophen vorhersagen können. Besonders fragwürdig sind jene Wirtschaftswissenschaftler, die ihre Profession mit der Naturwissenschaft auf eine Stufe stellen. Diese Gruppe soll zur Zeit dominieren. Für mich sind es VWL-Mechaniker, die einem Weltbild nachlaufen, wie es der Engländer Thomas Hobbes vertrat. Er machte sich eine bereits gängige Vorstellung aus dem 16. Jahrhundert zu eigen, wenn er zu verstehen gab, der Staat, der Zusammenschluss der Menschen zu einer Einheit, eben der „Staatskörper“, sei wie jeder Körper eine Maschine, ein von einem Uhrwerk angetriebener Automat. Die Rechenschieber-Fraktion in der Wirtschaftswissenschaft ist von diesem Theoretiker des politischen Absolutismus nicht weit entfernt.

Siehe auch: Narren, Krise, Konjunktur und Schwarz Löcher, Enzensberger, Kontrollfreaks,, Prognosemist, Weltuntergangsstimmung, Krisenmanager

Enzensberger und das Alphabet der Krise

title_121In der Literaturbeilage der Wochenzeitung „Die Zeit“ hat Hans Magnus Enzensberger ein entzückendes Alphabet der Krise veröffentlicht.

Da heißt es zu Berater, der; „Bankangestellter, der ebenso im Nebel stochert wie seine Kunden, aber wenigstens solange der Umsatz stimmt, Geld damit verdient, statt es einzubüßen.“

Oder Analyst, der; „einer, der es aus guten Gründen nicht wagt, sich einen Analytiker zu nennen. Wehe dem, der sich einem Therapeuten anvertraut, dem selber auf keiner Couch mehr zu helfen ist.“

Noch schöner Wirtschaftsweisen, die; „eine staatlich geprüfte Ansammlung von hochdotierten Kaffeesatz-Lesern“. Jawoll. Nur staatlich geprüft sind die doch gar nicht, sondern staatlich alimentiert….Siehe Haushaltsplan S. 13 ff.

Im Heft findet sich eine schöne Besprechung von Wirtschaftsbüchern zur Krise. So wird deutlich, dass der hochgelobte Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman (Die neue Weltwirtschaftskrise, Campus-Verlag) ein höchst eigenwilliges Verständnis von ökonomischen Prozessen hat und eigentlich auch nur zur profanen Gattung der Makro-Klempner zählt. Die Politik müsse nur an den richtigen Stellschrauben drehen und schon funktioniert alles wieder von alleine. Krugman ist also auch nur ein VWL-Mechaniker. Man schaut nach dem defekten Einspritzer oder einer kaputten Kurbelwelle und schon kann der kapitalistische Reparaturbetrieb zur Geltung kommen.

akerlofGanz anders positionieren sich die Ökonomieprofessoren George Akerlof und Robert Shiller in ihrem Opus „Animal Spirits – Wie Wirtschaft wirklich funktioniert“, ebenfalls im Campus Verlag erschienen. Sie grenzen sich vom simplen Machbarkeitsglauben eines Paul Krugman ab, der sicherlich bei den staatsgläubigen Lenkern und Denkern Hochkonjunktur hat. Unternehmer und Verbraucher sind eben keine emotionslos kalkulierenden Roboter, wenn sie sich von Moden, Gruppendruck und Massenhysterie beeinflussen lassen. Deshalb kann das ständige Auf und Ab der Wirtschaftskonjunktur nicht durch das Drehen von makroökonomischen Schrauben gesteuert werden. Mit diesem Konzept der Globalsteuerung ist man schon in den 1970er Jahren auf die Schnauze gefallen. „Wer weiß schon, wie sich eine Herde wilder Pferde im nächsten Moment verhalten wird“, schreibt der Zeit-Rezensent Wolfgang Uchatus. Wird sie wirklich friedlich grasen oder durch die Gegend springen? Kann die staatliche Zentralbank mit einer Senkung der Leitzinsen die unternehmerischen Investitionen ankurbeln, wie Alan Greenspan jahrelang glaubte, oder sorgt sie eher für eine Spekulationsblase an den Finanzmärkten, wie es tatsächlich der Fall war?

Akerlof und Shiller sind die richtigen Ratgeber, um der Wissensanmaßung in der Wirtschaftspolitik zu widerstehen. Sie sollte eher als Staatskunst verstanden werden, als schwere und mitunter nicht erfüllbare Aufgabe. Die beiden Autoren holen den Faktor „Ungewissheit“ wieder zurück in die Volkswirtschaftslehre, die immer noch glaubt, dass die Wirtschaft berechenbar sei und sich mehr dafür interessiert, an mathematischen Formeln zu feilen und die Beobachtung der Realität vernachlässigt.

3593379260Liebe VWL-Professoren, Akerlof und Shiller sollten Sie lesen, dazu noch eine Portion Niklas Luhmann und das von mir schon mehrfach zitierte Werk von Stephan Grünewald, „Deutschland auf der Couch – Eine Gesellschaft zwischen Stillstand und Leidenschaft“. Und liebe Frau Bundeskanzlerin, Sie sollten nicht nur verkopfte Spieltheoretiker als Berater ins Kanzleramt holen, sondern einige profilierte Wirtschaftspsychologen – dann läuft es auch mit der Motivation der Bevölkerung besser oder kopieren Sie einfach Barack Obama.

Volkswirtschaft in der Formelfalle – Wirtschaftspolitik sollte wieder als Staatskunst begriffen werden

Wer heute als Ökonom reüssieren will, der muss vor allem ein begnadeter Formelkünstler sein: „Er muss sich in der höheren Mathematik bewegen wie ein Fisch im Wasser und die Wirtschaftswelt in Formeln und abstrakte Modelle einpassen. Damit hat sich die Wirtschaftswissenschaft in den vergangenen fünf Jahrzehnten immer stärker zu einer mathematischen Disziplin entwickelt. An den Rand gedrängt wurde die ältere ordnungsökonomische Schule, die in Deutschland einst bedeutend war und die nach den Zusammenhängen von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft fragte, dabei aber auf Formeln verzichtete und verbal argumentierte“, schreibt der Redakteur Philipp Plickert in der neuen FAZ-Rubrik „Der Volkswirt“, die im wöchentlichen Wechsel mit „Der Betriebswirt“ erscheint.

Es wachse allerdings das Unbehagen an der Mathematisierung der Volkswirtschaftslehre. So erinnert der Soziologe und Ökonom Viktor Vanberg von der Universität Freiburg an den Massenprotest französischer Studenten vor einigen Jahren, die sich gegen eine „autistische Ökonomik“ wandten. Die mathematische Formalisierung sei Selbstzweck geworden, beklagten sie. Es würden imaginäre Welten modelliert, die mit ihrer Erfahrungswirklichkeit wenig oder nichts gemein hätten.
Noch härter drücke es der Theoriegeschichtler Mark Blaug aus: „Die moderne Ökonomik ist krank.“ Sie sei zu einem intellektuellen Spiel geworden, das um seiner selbst willen gespielt werde, aber nur wenig praktische Bedeutung für das Verständnis der Welt liefere. Nach Ansicht des Nobelpreisträgers Ronald Coase sei die Ökonomik nur noch ein theoretisches Spiel, das in der Luft schwebt und kaum Bezug zu dem hat, was in der realen Welt geschieht. „Die Volkswirtschaftslehre ist mittlerweile mathematischer als naturwissenschaftliche Disziplinen. Teilweise wird das Fach von Konvertiten aus der Mathematik bevölkert, die uns mit naiven Ceteris-paribus-Klauseln die Welt erklären wollen“, kritisiert Udo Nadolski, Geschäftsführer des Düsseldorfer Beratungsunternehmens Harvey Nash.

Die Mathematisierung der Ökonomik erinnert den ehemaligen Allensbach-Meinungsforscher Manfred Wirl an die Mathematisierung und Topographisierung des Kriegswesens vor der französischen Revolution. „Damals glaubte man allen Ernstes mit Hilfe von strikt ausgerichteten mathematischen Modellen, den Verlauf und den Ausgang einer Schlacht vorhersagen zu können. Die Revolutionsarmeen und später Napoleon haben diese schönen Rechenmodelle über den Haufen geworfen und auf diese Weise nachgewiesen, dass immaterielle und moralische Faktoren in der Realität des Krieges von entscheidender Bedeutung sein können“, so Wirl, der sich wissenschaftlich mit der öffentlichen Meinung unter dem NS-Regime beschäftigt hat.

An der Börse könne man nachvollziehen, wie sehr die Ökonomie von sozialpsychologischen Faktoren bestimmt wird. „Zwar käme keiner auf den Gedanken, sie als exaktes Abbild der Wirtschaftslage wahrzunehmen, doch ebenso wenig lässt sich ihre Bedeutung als Indikator für die Wirtschaft leugnen. Mit mathematisch-formalistischen Modellen kommt man an der Börse nicht sehr weit. Man würde damit nur Geld verlieren. Ich kenne zumindest keinen Wirtschaftswissenschaftler, der aufgrund seines theoretischen Wissens dort reich geworden wäre“, sagt Wirl.

„Die formale Eleganz und scheinbare Genauigkeit der mathematischen Ökonomik übten aber auf viele Wissenschaftler eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. In den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren schaffte sie in Amerika einen Durchbruch, für den berühmte Namen wie Kenneth Arrow, Gérard Debreu und auch Paul Samuelson stehen. Diese bauten die ökonomische Wohlfahrtstheorie aus, die behauptete, ein soziales Optimum der wirtschaftlichen Allokation sei mit mathematischer Logik voraussagbar und sogar planbar. Auch in der Makroökonomik, welche die Schüler von Keynes vorantrieben, herrschte der Glaube an die Steuerbarkeit von Konjunktur und Wachstum vor. Folglich erlebte die ökonomische Politikberatung einen Aufschwung, der die Wirtschaftsfachleute in eine gesellschaftliche Schlüsselrolle brachte und ihr Selbstbewusstsein steigerte“, so der Wirtschaftshistoriker Philip Plickert, der darauf hinweist, dass diese Denkschule in Deutschland zunächst keine Relevanz hatte.

Die Soziale Marktwirtschaft entstand vor allen Dingen durch die Freiburger Schule um Walter Eucken und Franz Böhm. Ihr Credo war das ‚Denken in Ordnungen’. Wirtschaft, Recht und Gesellschaft müssten in ihrer Interdependenz betrachtet werden. Ordoliberale Ökonomen wie Wilhelm Röpke hatten ein reges Interesse an Soziologie und dachten intensiv über die außerökonomischen Voraussetzungen einer funktionierenden Marktwirtschaft nach.

„Die mathematisch-formale Ökonomik lehnten sie ab, da sie ihnen zu mechanisch erschien“, weiß Plickert. Wirtschaftsminister Ludwig Erhard sah das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft nicht als wissenschaftlich-empirisches Modell. „Erhard und seine ordoliberalen Berater begriffen Wirtschaftspolitik als Staatskunst. Sie war der dynamische Kern der deutschen Innenpolitik und begründete auch das außenpolitische Gewicht der Bundesrepublik. Die Soziale Marktwirtschaft entstand nicht als theoretische Formel, sondern als politische Konfession. Von dieser Raison der politischen Ökonomie zehren wir noch heute, obwohl die Praxis der marktwirtschaftlichen Politik mittlerweile von ideenlosen Zahlendrehern und Technokraten dominiert wird“, erklärt der Personalexperte Nadolski.

Bezeichnend sei, so Plickert, dass die erste Generation der mathematisch ausgerichteten Ökonomen in Deutschland oft ausgebildete Physiker oder Ingenieure waren: „An den Wirtschaftsforschungsinstituten experimentierte man mit immer größeren Makromodellen mit unzähligen Gleichungen, welche die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge im Detail darstellen und auch steuerbar machen sollten. Ein konjunkturelles ‚fine-tuning’ galt in den sechziger und frühen siebziger Jahren als möglich. Dies stellte sich aber wenig später als Illusion heraus“.

Der Ökonom Friedrich August von Hayek wandte sich 1974 in seiner Rede zur Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises gegen die Benutzung der Instrumente der harten Wissenschaften in den sozialen Wissenschaften. Er forderte seine Zunft zu mehr Demut auf und kritisierte die „Anmaßung von Wissen“. Den Boom dieser Methoden in den Wirtschaftswissenschaften konnte Hayek nicht aufhalten. „Die in Deutschland einst stark repräsentierte Ordnungsökonomik ist mittlerweile weitgehend verschwunden, seit an den Universitäten mehr und mehr Lehrstühle für Wirtschaftspolitik geschlossen oder der mathematisch orientierten Richtung umgewidmet wurden“, erläutert Plickert.

Die mathematisch-formalistische Ökonomik sei längst zu einem auf sich selbstbezogenen System geworden, moniert der Publizistikwissenschaftler Manfred Wirl: „Sie erstarrt im Dogmatismus. Es fällt der menschlichen Natur leichter, sich an Modellen der Wirklichkeit zu orientieren als an der Wirklichkeit selbst. Man nennt das auch die Reduzierung von Komplexität. Dummerweise kommt es damit auch immer zu einem Realitätsverlust. In der derzeitigen Situation sind die negative Auswirkungen besonders schwerwiegend, da die Verfechter solcher Modelle mit ihrem begrenzten Wissen die Deutungshoheit über die Gesetze der Ökonomie nach wie vor für sich beanspruchen.“