Die digitale Kompetenz der Bundesregierung: Placebo-Lutschpastillen #BloggerCamp

Wenn man trendig-innovativ mit Headset via Live-Hangout Vorschläge zur Reform des Medienrechts einfordert, wie es Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler auf der Bertelsmann-Party im Gespräch mit dem Social-Media-Experten Hannes Schleeh getan hat, sollte man auch persönlich antworten. Im Zentrum der kleinen Unterhaltung stand die Novelle des Rundfunkstaatsvertrages, um Liveübertragungen im Internet rechtssicher zu machen.

Bislang herrscht bei den Landesmedienanstalten immer noch Unklarheit, ob diese Form der Kommunikation nun als Rundfunk gewertet wird und Sendelizenzen notwendig sind oder nicht. Entsprechende Verstöße der Veranstalter könnten in einem unangenehmen Bußgeldverfahren enden. Mit einem kleinen Zusatz im Paragrafen 20b des Rundfunkstaatsvertrages könnte dieses Hickhack beendet werden. Analog zum Webradio wäre dann nur eine Anzeigepflicht vonnöten, aber nicht mehr die Beantragung einer Rundfunklizenz. Eine Referentin aus dem Hause Rösler wurde nun vorgeschickt mit der lapidaren Aussage, dass dieses Thema Ländersache sei. Ja Kruzifix. Liebwerteste Gichtlinge des Rösler-Imperiums, wir leiden nicht unter irgendeiner geistigen Unterbelichtung oder digitaler Demenz. Gestern mussten wir mal etwas Dampf ablassen:

In der Kunst des Abwimmelns scheint Rösler meisterhaft zu sein. Ist der FDP-Mann nicht auch für Technologie verantwortlich? Dann sollte er alle Hürden beseitigen, die neuen und innovativen Konzepten des Digitalen im Wege stehen. Das gilt übrigens auch für den Breitbandausbau. Was hat das Bundeswirtschaftsministerium bislang bewirkt? Es verteilt Placebo-Lutschpastillen.

Die IT-Gipfel der Bundesregierung, die das Rösler-Amt organisiert, haben nach Ansicht von Philip Banse keine sonderlich tolle Bilanz vorzuweisen: „Was die bisher gemacht haben, sind Projekte, die keinen Bestand hatten.“ Außer vielleicht das Merkel-Telefon 115. Es dümpelt ohne jegliche Künstliche Intelligenz und technologische Raffinesse auf Hotline-Niveau herum. Beim IT-Gipfel gehe es eher um Symbolpolitik, kritisiert Banse. Es werde mit Innovationen um sich geworfen und man inszeniert sich als innovativ. Faktisch komme wenig bei heraus.

„Die wahren Baustellen werden nicht beackert.“

Eine der wichtigsten Baustellen ist eben der Breitbandausbau. Und auch hier sind die Kompetenzen verteilt. Bund, Länder, Kommunen und selbst Wohnungsbaugesellschaften sitzen an Schalthebeln, die bewegt werden müssen. Hier ist Überzeugungsarbeit gefragt, Herr Rösler. Für den Weg in eine vernetzte Ökonomie benötigt man überall ein schnelles und zuverlässiges (Carrier-Grade-Thematik von Bernd Stahl) Internet. Das ist in Deutschland immer noch nicht erreicht worden. Nachzulesen in meiner heutigen The European-Kolumne: DIE DIGITALE KRANKENAKTE DER BUNDESREGIERUNG.

Gleiches gilt für die Entfaltung von neuen Diensten wie Hangout On Air, die für die Netzkommunikation enorm wichtig werden, wie auch Zeit Online schreibt:

„Seit einiger Zeit wächst im Internet eine Form der Graswurzel-Talkkultur heran, die weder illustre Gäste benötigt noch fernsehtaugliche Themen bedienen muss.“

Etwa das Digitale Quartett, iOS-Talk oder das von mir mitorganisierte Blogger Camp.

„Dass es überhaupt so weit kommen konnte, ist auch Google zu verdanken. Seit August ist die sogenannte Hangout-On-Air-Funktion auch in Deutschland freigeschaltet, womit bis zu zehn Google+ Nutzer gleichzeitig per Videoschaltung vor Publikum diskutieren können. Waren komplexe Videochats lange Zeit nur mühsam möglich, werden sie langsam zum Alltagswerkzeug. Entsprechend viele experimentieren mit der Technik“, führt „Zeit Online“ weiter aus.

Damit das zur Entfaltung kommen kann, muss die Politik endlich ihre Hausarbeiten machen und Hindernisse für die Digitalisierung und Vernetzung von Gesellschaft und Wirtschaft wegräumen. Ihr Auftrag, Herr Rösler – so lange Sie noch im Amt sind.

Das nächste Blogger Camp mit Sendelizenz ist übrigens heute Abend. Themen: Von blöder Technik und virtuellen Kommunikationskonzepten. Die erste Session geht von 18,30 bis 19,00 Uhr. Die zweite Session von 19,30 bis 20,00 Uhr. Hoffe, wir sehen und hören uns. Hashtag für Twitter-Zwischenrufe währende der Liveübertragung #BloggerCamp.

5 Gedanken zu “Die digitale Kompetenz der Bundesregierung: Placebo-Lutschpastillen #BloggerCamp

  1. Hallo Gunnar,

    die Antwort aus dem Ministerium war von der referatsleiterin, die mir auch vorher schon geantwortet hatte:

    Dr. Caroline Silva-Garbade Referat LB2 – Öffentlichkeitsarbeit Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Scharnhorststraße 34-37, 10115 Berlin Telefon: 030 18615-6752 Fax: 030 18615-5208 E-Mail: caroline.silva-garbade@bmwi.bund.de Internet: http://www.bmwi.de

    Da sind aber immer noch 4 Stufen nach oben bis zum Minister!

  2. Habe gerade das Organigramm nach gesehen, das ist doch eine einfache referentin! Habe sie mit der hier verwechselt!:

    Sabine Maass Leiterin Referat Medienrecht, Medienwirtschaft

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