ichsagmal-Bibliotheksgespräch: Auf der Suche nach der Kundenversteher-App

So eine Art Kundenversteher-App hat Ityx-Manager Andreas Klug beim ersten virtuellen Bloggercamp im September 2012 ins Spiel gebracht hat. Das wollen wir heute im Bibliotheksgespräch ab 11:15 vertiefen. Etwa die Kombination von Apps zu größeren Applikationen. Jede App ist mehr oder weniger autark und macht nicht viel mit anderen Diensten. Man sieht nichts von komplexeren Software-Architekturen wie man das in der traditionellen Software-Entwicklung kennt. Es müsste möglich sein, ein größeres System in einem Framework aus vielen Applikationen zusammen zu bauen.

Kommt der virtuelle Concierge? Kommt eine App, die im Kundenservice alles kann? Fragen über Fragen, die wir diskutieren wollen. Ihr könnt über die Frage-Antwort-Funktion von Google Plus mit diskutieren. Bis gleich.

Qualitative Analysen haben nichts mit „Qualität“ zu tun: Auf der Suche nach Messgrößen im Social Web

Wie gewichtig sind Aufmerksamkeit und Relevanz im Social Web?
Wie gewichtig sind Aufmerksamkeit und Relevanz im Social Web?

Die reine Addition von Likes, Shares, Comments, Favs, Retweets & Co. reicht nach Ansicht von Falk Hedemann für eine Erfolgsmessung im Social Web nicht aus.

„Für Unternehmen und Marken ist es nicht ausreichend, wenn sie wissen, wie oft, wo und wann über sie im Social Web gesprochen wird – sie müssen auch wissen, was über sie gesprochen wird. Und an dieser Stelle wird es unbequem, denn helfen für quantitative Analysen noch zahlreiche Tools, so wird die qualitative Analyse schnell zur Sisyphusarbeit.“

Zwar habe es in der Sentimentanalyse in den letzten Jahren einige Fortschritte gegeben, doch noch ist kein einziges Social Media Monitoring-Tool auf dem Markt, das in diesem Bereich belastbare Ergebnisse erzielt.

„Oft werden verschiedene quantitative Kennzahlen miteinander gekoppelt, um einen qualitativen Aussagewert zu kreieren, doch das sind Mogelpackungen. Zwar können berechnete Werte wie beispielsweise die Engagement-Rate mehr aussagen, als es die darin kombinierten Zahlen der Fans und Interaktionen alleine können, doch valide Aussagen zum Stimmungsbild einer Markenkommunikation sind damit immer noch nicht möglich“, so Falk Hedemann.

Die reine Erwähnung einer Marke oder eines Produkts könne als Aufmerksamkeit gezählt, nicht aber automatisch auch als positiv oder gar als Empfehlung gewertet werden.

Wenn von qualitativer Analyse die Rede ist, sollte allerdings nicht der Fehler gemacht werden, diese Methode mit „Qualität“ gleichzusetzen. Die qualitative Forschung – etwa bei der Inhaltsanalyse – geht unstrukturiert oder nur halb strukturiert vor – im Unterschied zu den quantitativen Ansätzen, die in der Regel standardisiert und überprüfbar sind. Wie soll man denn auch via Tools erkennen, was beispielsweise ein längerer Kommentar wirklich aussagt. Werden Produkte oder Dienste überwiegend negativ, positiv oder neutral beurteilt. Das ist nur ein sehr grobes Muster. Auch das von Falk erwähnte Beispiel mit Samsung. Der Elektronik-Konzern ist als Sponsor während der Olympischen Spiele in Sotchi sehr häufig mit dem Logo-Verbot erwähnt worden und daher überwiegend negativ bewertet worden. Jo. Das sagt allerdings noch nichts über den Grad des Scheiße-Faktors aus. Ist das nun eine Verärgerung mit langer oder kurzer Halbwertzeit? Kaufe ich deshalb keine Produkte mehr von Samsung oder gehe ich wieder zur Tagesordnung über?

Ist ein Kunde nun dauerhaft verärgert oder will er vielleicht mit einer konstruktiv gemeinten Kritik dazu beitragen, um das Angebot einer Firma zu verbessern? Da versagen auch die qualitativen Methoden.

Es wäre ja schon mal ein großer Fortschritt, wenn Organisationen sich ihren Tutsi-Putzi-Marketing-Schönwetter-Gesprächsmodus abgewöhnen und normale Gespräche mit der Netzöffentlichkeit führen würden. Als weiteren Indikator könnte man ja die Aktivitäten der Unternehmen und sonstigen Organisationen in sozialen Medien und Blogs heranziehen. Wie oft sprechen denn Mitarbeiter und Vorstand mit Interessenten, Kunden und Kritikern? Wie oft werden Kundenanfragen auf Facebook und Co. beantwortet und wie zufrieden sind die Anfragenden? Wie dauerhaft wird denn über Themen gesprochen, die in Corporate Blogs präsentiert werden? Wie viel wird in externen Blogs über eine Marke geschrieben? Wer erhebt die Daten? Wird die Methodik ausreichend beschrieben? Wie in analogen Zeiten, wird die Fliegenbein-Zählerei von jenen Agenturen durchgeführt, die auch für die Social Web-Kampagnen verantwortlich sind. Dann könnte man auch meine Oma fragen, wie sie denn ihren Lieblingsenkel beurteilt? Für meine Oma war ich natürlich immer der Größte – meine Lehrer dachten da wohl ganz anders 🙂

In meinem Beitrag über die Excel-Exegeten und Strategie-Schmierlappen habe ich noch ein paar unkonventionelle Vorschläge gemacht: Macht Expertenrunden via Hangout on Air mit Euren wichtigsten Kunden, setzt auf die Zusammenarbeit mit externen Fachleuten, macht virtuelle Stammtisch-Runden mit Bloggern, die in den Themen der eigenen Angebote Ahnung haben. Kuratiert kritische Erfahrungen der Kundschaft und beantwortet die Serviceanfragen über Youtube-Videos. Macht die Super-User zur wichtigsten Anlaufstelle beim Abtesten von neuen Diensten und Produkten. Schickt auf Facebook & Co. keine Marketing-Jünglinge ins Feld, sondern den Chef des Unternehmens. Schielt nicht auf die Zahlenspielchen der Excel-Exegeten, sondern erfreut Euch über jeden einzelnen Dialog, der Kunden zufrieden stellt. Probiert einfach mal etwas anderes. Schmeißt die strategischen „Prozess-Empfehlungen“ der Consulting-Schmierlappen in den Müll und setzt auf Euren gesunden Menschenverstand. Bauchgefühl schlägt die Schein-Rationalität der Zahlendreher.

Und dann darf der Faktor Relevanz nicht aus den Augen verloren werden:

Das Social Web als Marketing-Schleuder: Über die Herrschaft der Excel-Exegeten und Strategie-Schmierlappen

Analoges Marketinggeschwafel in digitalen Schläuchen
Analoges Marketinggeschwafel in digitalen Schläuchen

Zwei Drittel der Unternehmen, die an einer Studie der Universität Liechtenstein und Wirtschaftsuniversität Wien teilnahmen, setzen die sozialen Netzwerke wie Facebook, Xing, Linkedin oder Twitter zur Vermarktung ihrer Marke, ihrer Produkte und Dienstleistungen ein.

„Sie wollen hiermit vor allem bekannter werden, neue Kunden gewinnen und Kundenbeziehungen optimieren. Die grosse Mehrheit der befragten Unternehmen ist zudem überzeugt, dass sie neue Produkte und Dienstleistungen via soziale Netzwerke rascher auf dem Markt einführen können als mit traditionellen Marketingmassnahmen“, heißt es in einer Verlautbarung der „Forscher“.

Grosse Unternehmen sind nach dieser Untersuchung angeblich deutlich aktiver als der Mittelstand. Bei klein- und mittelständischen Unternehmen scheitere ein stärkeres Engagement häufig am Kostenfaktor Zeit.

„Gleichzeitig zweifeln die Entscheidungsträger in KMU am Nutzen einer solchen Marketingmassnahme. Häufig beruht ihr Zweifel auf der Angst vor möglichen Imageschäden, die bei einer fehlerhaften Nutzung entstehen könnten“, so die Studienautoren.

„Geht es um die konkrete Auswertung und Kontrolle der Nutzung von Social Media, bestehen bei der Mehrheit der befragten Unternehmen Defizite. Lediglich ein Drittel nimmt eine quantitative Auswertung der Netzwerknutzung vor, kontrolliert Klicks, Freundschaftsanfragen oder die Anzahl der Nutzerkommentare. Die übrigen zwei Drittel verfügen über keinerlei Messsystem für den Erfolg und kennen meist auch keines. Eine qualitative, sprich inhaltliche Überprüfung der Tätigkeit in sozialen Netzwerken findet praktisch Nirgendwo statt. Die Wissenschaftler der Universität Liechtenstein weisen darauf hin, dass dadurch die Chance verpasst werde, die eigenen Aktivitäten zu verbessern.“

Was für eine dünne Sauce wird da an den Universitäten geköchelt? In der Regel präsentieren die Unternehmen auf Facebook und anderswo analogen Marketingmüll in digitalen Schläuchen. Es geht nicht um Klickraten, um die Kontrolle von Kampagnen und Gewinnspiel-Mist, sondern um Menschen. Joachim Graf von iBusiness hat das schön auf den Punkt gebracht:

„Ich nenne diese Zahlenfetischisten ‚Excel-Exegeten‘. Wenn wir uns in Richtung 1:1-Marketing entwickeln wollen, geht das doch nur über den Kunden als Menschen, nicht als Datenpaket. Den muss ich verstehen, dem muss ich Empathie entgegen bringen. Wir müssen die Kunden wieder namentlich kennen, wie im Tante-Emma-Laden früher – nur eben mit Software. Handel ist Kommunikation.“

Software mache genau das möglich: Eine direkte Beziehung herzustellen, ohne drölftausend Zillionen kleine Chinesen im Callcenter zu beschäftigen.

Die Tutsitusi-Kampagnen auf Facebook

Deshalb ist es auch ziemlich idiotisch, die Social Web-Marketingkampagnen der großen Unternehmen als Vorbild für den Mittelstand heranzuziehen.

„Der allergrößte Teil dessen, was Unternehmen auf Facebook tun, ist in der Realität aber Kindergarten-Kommunikation nach dem Motto ‚Tutsitutsi, wie war Euer Wochenende?“ Dazu gibt es putzelig variierte Stock-Fotos mit ganz viel Herzchen. Das ist eine gewisse Zeit und in einer gewissen Zielgruppe ganz nett. Aber irgendwann langweilt es, weshalb die Aktivität dann wieder mit Werbung nach oben geschossen werden muss“, schreibt Thomas Knüwer in seinem Indiskretion Ehrensache-Blog.

Vielleicht sollten Organisationen mal den Versuch wagen, einfach nur mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen, sie von Produkten und Diensten zu überzeugen, Kritik nicht als feindlichen Angriff zu werten, Anregungen zur Verbesserung der Angebote zu nutzen und Servicewünsche direkt ohne Warteschleifen-Bürokratie zu erfüllen. In Crowdfunding-Kampagnen muss man um jeden Unterstützer kämpfen, man muss jeden Schritt erläutern, damit die Community nicht auseinander fliegt.

Ich bin so schön

Vorstände und Marketingabteilungen verlangen Daten, um die eigene Existenzberechtigung abzusichern. Befragungen von Testteilnehmern, Reichweiten, Einschaltquoten, Werbeträger-Analysen, Monitoring, Targeting und sonstige Zahlenspielchen bringen genau das, was der Auftraggeber verlangt, die Agentur glücklich macht und fette Budgets absichert. Not more. So war es früher, so ist es heute. Es ist wie bei den frühkindlichen Erfahrungen mit dem Märchen „Schneewittchen“, „in der die furchtbar unsympathische Königin von sich behauptet, die Schönste im Land zu sein. Spätestens da kam bei jedem von uns vermutlich Zweifel am Eigenlob auf“, schreibt Heino Hilbig in seiner vergnüglichen Schrift „Marketing ist eine Wissenschaft….und die Erde eine Scheibe?“ Jeder kritische Einwand wird als Majestätsbeleidigung weggebügelt – man will doch sein Gesicht nicht verlieren. Malen nach Zahlen ist ja ok – aber Qualen der Selbsterkenntnis sollen dabei nicht ans Tageslicht gelangen. Gefahndet wird nach Bestätigung der eigenen Annahmen oder konstruierten Wahrheiten.

In den Zeiten der klassischen Unternehmenskommunikation mit strahlend weißen Dr. Best-Kampagnen funktionierte die Marketing-Metaphysik im wahrsten Sinne des Wortes wie „geschmiert“. In der digitalen Sphäre kommt man mit dieser Geisteshaltung immer mehr ins Stolpern. Da gibt es kein oben oder unten mehr, da läuft das generaldirektorhafte Management-Imponiergehabe ins Leere und selbst Vorzimmer oder ölig gekämmte Vorstandsassistenten helfen nicht weiter, wenn sich Kunden oder Kritiker im Netz zu Wort melden und schlechten Service, miese Produkte oder fragwürdiges Geschäftsgebaren an die Öffentlichkeit bringen.

Für pragmatische und bodenständige Mittelständler bietet die direkte Kommunikation über Social Web-Plattformen gigantische Möglichkeiten. Macht Expertenrunden via Hangout on Air mit Euren wichtigsten Kunden, setzt auf die Zusammenarbeit mit externen Fachleuten, macht virtuelle Stammtisch-Runden mit Bloggern, die in den Themen der eigenen Angebote Ahnung haben. Kuratiert kritische Erfahrungen der Kundschaft und beantwortet die Serviceanfragen über Youtube-Videos. Macht die Super-User zur wichtigsten Anlaufstelle beim Abtesten von neuen Diensten und Produkten. Schickt auf Facebook & Co. keine Marketing-Jünglinge ins Feld, sondern den Chef des Unternehmens. Schielt nicht auf die Zahlenspielchen der Excel-Exegeten, sondern erfreut Euch über jeden einzelnen Dialog, der Kunden zufrieden stellt. Nehmt Euch bewusst die großen Unternehmen nicht zum Vorbild. Probiert einfach mal etwas anderes. Schmeißt die strategischen „Prozess-Empfehlungen“ der Consulting-Schmierlappen in den Müll und setzt auf Euren gesunden Menschenverstand. Bauchgefühl schlägt die Schein-Rationalität der Zahlendreher.

Könnte Inbound-Marketing etwas verändern? Meinung gefragt.

Siehe auch:

Die Unfähigkeit einer vermeintlich innovativen und kreativen Branche.

What Uniques And Pageviews Leave Out (And Why We’re Measuring Attention Minutes Instead).

Vernetzungsstress: Supergeiler Kundenservice im Social Web? #Bloggercamp.tv-Sendung am Mittwochnachmittag

Call Center sind alles andere als social, so die wenig überraschende Feststellung von Michael Sann von brightONE.

„Social Media mit uninformierten, unterbezahlten Agenten zu kombinieren, ist zum Scheitern verurteilt. Für Social Media gilt noch mehr als für traditionelle Kundenkontakte: die Zitrone ist ausgepresst! Die Beantwortung dieser Kontakte erfordert qualizierte Mitarbeiter mit Insiderwissen, die die Sprache und Ausdrucksweise des Kunden spiegeln können.“

Und noch wichtiger und für viele Unternehmen eine unangenehme Tatsache. Es spielen sich im Social Web zwischen Kunde und Unternehmen keine abgeschotteten 1 zu 1-Kontakte ab.

„Der Kundenbetreuer wird zum Moderator von Diskussionen und zum Mediator von Konflikten“, schreibt Sann.

Und zum Botschafter oder gar Pressesprecher seines Unternehmens. Der Schritt vom Korsett der Skriptorientierung des Call Center-Agenten zum öffentlichen Kundendialog sei enorm, bestätigt der Berater Daniel Backhaus.

Nur die wirklich guten Agenten seien intellektuell für Social Media geeignet. Entsprechend höher müsse die Bezahlung dieser Mitarbeiter ausfallen. Social Media-Agenten müssten in der Öffentlichkeit im Namen der Marke kommunizieren. Eine Domäne, die bislang der PR- und Marketingabteilung vorbehalten war.

Das ist aber nur ein winziger Aspekt, wenn es um die Vernetzungsintelligenz im Kundenservice geht. Warum platzieren Firmen nicht auch die Vorstände und weiteren Führungskräfte in die erste Sitzreihe von sozialen Medien, um mit Kunden, Journalisten und Interessenten zu diskutieren? Warum pflegt man nicht virtuelle und offene Gesprächsrunden via Livestreaming-Dienste mit Interaktion über Facebook, Twitter und Google Plus? Warum unternimmt kaum eine Firma den Versuch, virale Netzwerk-Effekte auch im Kundenservice auszulösen und sich nicht nur an irgendwelchen nett gemacht Werbefilmchen zu ergötzen, die supergeil in sozialen Medien funktionieren?

Warum gibt es keine Service-Apps, die den Titel „Persönlicher Concierge“ wirklich verdienen? Fragen über Fragen, die wir morgen in unserer Sendung diskutieren.

Diskutiert mit! Hashtag wie immer #Bloggercamp oder die Frage-Antwort-Funkiton von Google Plus benutzen. Man sieht und hört sich bei Bloggercamp.tv 🙂

Schwätze heißt Schaffe: Führung auf Distanz will gelernt sein – Warum Unternehmen virtuelle Medienkompetenz benötigen #StreamCamp14

Virtuelle Kommunikations-Kompetenz
Virtuelle Kommunikations-Kompetenz

„Schaffe, net Schwätze“ zählt wohl immer noch den zu den Empfehlungen der deutschen Arbeitswelt, wenn es um Produktivität geht. In Zeiten der Wissensarbeit lässt sich dieser Leitspruch aber nicht mehr halten, konstatiert Josephine Hofmann vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in einem Blogbeitrag. In vielen Köpfen existiert noch das Verständnis, dass Kommunikation keine „echte« Arbeit“ sei, sondern bestenfalls koordinative Zutat oder gerade mal notwendiges Verbindungsglied zwischen den „echt“ produktiven Tätigkeiten der Konzeption, Dokumentenerstellung oder praktischen Erstellung von Produktteilen.

Es wird Zeit, neu zu denken, fordert Hofmann:

„Wir wissen aus vielen Erhebungen typischer Tätigkeitsanteile von Wissensarbeitern, dass Kommunikation einen sehr großen und sehr stabilen Anteil an der täglich verbrachten Arbeitszeit einnimmt. Befragungen von Mitarbeitern in unterschiedlichen Branchen zeigen: rund zwei Drittel der Arbeitszeit unserer Wissensarbeiter verbringen diese mit kommunikativen Tätigkeiten: Beim Lesen und Schreiben von Emails, beim Telefonieren, in Conference-Calls, bei der Nutzung sozialer Medien und bei allen Arten von kurzen oder langen, geplanten oder ungeplanten, indirekten oder face-to-face Besprechungen.“

Warum kostet uns Kommunikation so viel Arbeitszeit, fragt sich Hofmann.

„Hier zeigen sich die Effekte unserer modernen Wissensgesellschaft: Produkte und Dienstleistungen werden zunehmend individualisiert und kundenbezogen konfiguriert, was entsprechenden Austausch notwendig macht; der Dienstleistungsanteil unserer Güter, der häufig ein beratender ist, steigt an; Arbeit wird immer mehr standort- und länderübergreifend organisiert, was wesentliche Anstrengungen zur Etablierung des kommunikativen Rahmens, der Orientierung und der Rückmeldung in virtuellen Teams erforderlich macht.“

Kommunikation müsse professionalisiert werden und die Kommunikationsfähigkeit noch viel mehr ins Zentrum von Mitarbeiter- und Führungskräftetrainings rücken. „Führung auf Distanz“ werde immer mehr Regel denn Ausnahme sein. Die technisch gestützte Kommunikation finde im Arbeitsalltag häufig in recht unproduktiver Form statt, was auch die Persiflage über Telefonkonferenzen sehr schön zum Ausdruck bringt.

Zur Zeit sind dezentrale und mobile Arbeitsverhältnisse auf dem Rückzug, wie eine Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung belegt:

„Das Versagen und der Rückgang von räumlich verteiltem Arbeiten sind weniger den technologischen Aspekten geschuldet, sondern eher der Nicht-Bereitschaft von mittleren Führungsebenen, welche die Idee des ‚Distance Managements‘ noch nicht verinnerlicht haben“, so die Erfahrung von Thomas Dehler vom Dienstleister Value5.

Nachweisbare Medienkompetenz sollte nach Ansicht von Hofmann deshalb zu einem zentralen Auswahlkriterium für Führungs- und Koordinationsaufgaben avancieren und auch bewertbare Größe in Führungssystemen werden: „Schaffe und Schwätze“ sei dabei das neue Leitmotto.

Ein Thema, das auch beim diesjährigen StreamCamp im November eine große Rolle spielen wird – diesmal in München. Schon mal vormerken.

#Cebit-Blogparade zur Zukunft der Arbeit: Vielfalt statt Einfalt

Home Office und Home Studio
Home Office und Home Studio

Rund 50 Blogger haben sich an der Cebit-Blogparade zur Zukunft der Arbeit beteiligt und bilden das gesamte Spektrum möglicher Arbeitswelt ab: „Die bereits gemachten Erfahrungen sind zum Teil sehr unterschiedlich und eine einheitliche Linie gibt es nicht. Die einen lieben das Home Office, die anderen arbeiten einfach überall (mobil) und wieder andere mögen lieber zusammen mit Kollegen im Büro sitzen. Wenn sich ein Ergebnis formulieren lässt, dann wohl: Unternehmen sind gut beraten, wenn sie ihre Kultur so weit öffnen, dass sie alle Arbeitstypen integrieren, den Büro-Arbeiter, den Home-Office-Menschen und den Mobile-Worker. Nur so bekommen die Unternehmen die besten Köpfe und behalten sie auch langfristig, weil sie zufrieden sind“, resümiert Falk Hedemann.

Schaut man sich die statistischen Daten an, hapert es noch an einer offenen Kultur in vielen Organisationen. Das gilt für die private Wirtschaft wie für den öffentlichen Dienst:

Immer weniger Menschen in Deutschland gehen ihrem Beruf von zu Hause aus nach: Insgesamt arbeiteten im Jahr 2012 rund zwölf Prozent oder 4,7 Millionen der Erwerbstätigen überwiegend oder gelegentlich in den eigenen vier Wänden – etwa 800.000 weniger als noch vier Jahre zuvor, als die Zahl der Heimarbeiter ihren Höhepunkt erreichte. 2,7 Millionen Heimarbeiter waren abhängig beschäftigt, was rund acht Prozent aller Arbeitnehmer entspricht. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die in den vergangenen Wochen heftig diskutiert wurde. In andere europäischen Ländern geht der Zug genau in die entgegen gesetzte Richtung – besonders in den skandinavischen Staaten sowie in Frankreich, Großbritannien und in den mitteleuropäischen Ländern (Schweiz, Österreich, Belgien und Luxemburg). Überdies hat in Europa der Anteil der Heimarbeiter an allen Arbeitnehmern stetig zugenommen, während er in Deutschland abgenommen hat.

„Zwar gibt es in Deutschland viele Arbeitsplätze in der Industrie, die sich für Heimarbeit nicht eignen, doch insgesamt dürfte sich die Berufsstruktur nur wenig von Ländern wie der Schweiz oder Schweden unterscheiden“, sagt DIW-Arbeitsmarktexperte Karl Brenke.

Die Politik spreche von einem Anwesenheitswahn in Deutschland. So ganz falsche liege sie damit nicht, meint Brenke nach einem Bericht der Automobilwoche.

In der öffentlichen Verwaltung und auch in Unternehmen gebe es wohl noch recht knochige Bürokraten, die meinen, dass man Leistung nach der aufgewendeten Zeit und nicht an den Ergebnissen messen muss. Hier liegt wohl der Knackpunkt einer recht eigentümlichen Führungskultur in deutschen Organisationen. Da war der Militärstratege Helmuth Moltke im 19. Jahrhundert schon sehr viel weiter, wie Robert Fieten in einer FAZ-Rezension des Buches von Hans H. Hinterhuber „Führen mit strategischer Teilhabe“ schreibt: Der über ein universelles Weltbild verfügende Moltke revolutionierte die militärische Führung, indem er die bis dato vorherrschende Führung nach dem ehernen Prinzip Befehl und Gehorsam (Kadavergehorsam, Anmerkung des Rezensenten) durch eine „Führung mit Direktiven“ ersetzte.

„Direktiven der militärischen Führung haben eine andere Qualität als Befehle an die nachgeordneten Führungsebenen“, so Fieten.

Es seien laut Moltke nur „leitende Gesichtspunkte“, heute würde man von Aufträgen sprechen, die als Richtschnur für die von den Mitarbeitern eigenständig zu treffenden taktischen und operativen Entscheidungen dienen:

„Getreu seinem Motto ‚Erst wägen, dann wagen‘ bedeutete Strategie für von Moltke nicht mehr als die Anwendung des gesunden Menschenverstandes mit dem Ziel, stets vorbereitet zu sein. Er erkannte ganz im Gegensatz zu Napoleon Bonaparte als Erster die Grenzen der zentralen Führung von oben, die im Übrigen ein gerüttelt Maß an Misstrauen gegenüber den Unterführern beinhalte. In dem chaotischen Umfeld einer kriegerischen Auseinandersetzung sei bei einer solchen Führung der Weg in die Niederlage vorprogrammiert – eine Erfahrung, die auch der berühmte Korse machen musste“, so Fieten.

Auch bei mobilen Arbeitsplätzen geht es um eine Vertrauenskultur, die sich von Befehl-und-Gehorsam-Schleifen löst:

„Wenn mein Chef mich nicht sieht, glaubt er, dass ich nicht arbeite“. Das sei einer der großen Ängste, die viele Arbeitnehmer vortragen, wenn es um Home Office-Arbeitsplätze geht, bestätigt Thomas Dehler vom Berliner Dienstleister Value5.

Auf der Arbeitgeberseite werden diese Ängste geschürt, da man über Autorität und nicht über Vertrauen führen will. Der Spruch von Vorgesetzten „Ich will sie im Büro sitzen sehen“ bringe das gut zum Ausdruck:

„Das sind die beiden Seiten der gleichen Medaille. Ist mein Mitarbeiter überhaupt leistungsfähig, wenn er nicht unter direkter Kontrolle steht. Und auf der anderen Arbeitnehmer-Seite die Bedenken, dass die eigenen Leistungen nicht genügend von den Führungskräften wahrgenommen werden“, erläutert Dehler.

Mit dieser Mentalität könne man keine erfolgreiche Projektarbeit steuern. Insofern sollte die Unternehmen ihre Grundsätze im Personalmanagement weniger an konventionellen Modellen orientieren. Mit der Standort-Unabhängigkeit erschließe man Talente, auf die man mit stationären Organisations-Konzepten bislang keinen Zugriff hatte. Mit räumlich verteilter Arbeit steige die Life-Balance und die Attraktivität des Arbeitgebers. Gerade wenn es um die Rekrutierung von jungen Talenten geht, dominieren vielfach Wünsche nach selbstbestimmter Arbeit in virtuellen Teams, so eine CIO-Umfrage des Düsseldorfer Beratungshauses Harvey Nash:

„Ein 9-to-5 Job ist nicht wichtig für sie, sie wollen ihre Arbeitszeit selber einteilen. Mobil sind sie aufgewachsen, mobil wollen sie arbeiten.“

Aber selbst wenn Unternehmen diesen Ansprüchen nachkommen wollen, müssten sie einige Anforderungen im Datenschutz, im Arbeitsrecht und bei der Kandidatenauswahl berücksichtigen, weiß Dehler. Generell sollte die Arbeit aber dahin gehen, wo die Beschäftigten sind und nicht umgekehrt.

Siehe auch:

NETZPOLITIK DER UNVERBINDLICHKEITEN.

Suada, Slipper-Mania, hektische Betriebsamkeit und ein digitales Dasein auf Edge-Niveau

Denkt doch mal nach, Ihr Heizdeckenverkäufer (Foto aus dem Band: 8 Minutes - Hirse & Bailey, Steidl-Verlag)

Man kann die digitale Bräsigkeit der deutschen Positionselite natürlich auch so betrachten wie Weltamsonnabend-Blogger Michael Sonnabend.

„Gunnar Sohn hat eine schöne Suada über die deutschen Versäumnisse in der Netzökonomie abgelassen. Brandbriefe dieser Art – so berechtigt sie sein mögen – langweilen mich allerdings immer mehr. Denn die ganze Welt ist voll davon. Und immer sind die die Deutschen kurz vor dem Kollaps“, soweit kann ich dem Stifterverbands-Mitarbeiter noch folgen.

Vom drohenden Kollaps habe ich aber nichts geschrieben, sondern von strukturellen Defiziten, die auch mit der IT-Gipfel-Rhetorik der Kanzlerin nicht vom Tisch gewischt werden und sich auch volkswirtschaftlich negativ auswirken könnten. Es wäre mehr möglich, so zitiere ich beispielsweise den Booz-Technologieexperten Roman Friedrich. Von Verrottung, German Angst oder dem drohenden Untergang spreche ich nicht. Das ist eine Weltamsonnabend-Interpretation.

Eher von der Lutschpastillen-Politik der Großen Koalition, die sich mit ihrer digitalen Agenda in ministeriellen Zuständigkeits-Rangeleien verzetteln wird, wie das bei bislang allen Online-Projekten des Bundes gelaufen ist.

Beachtlich finde ich allerdings die Sonnabend-Replik in der Kommentarspalte seines Blogs:

„Man muss ja nicht gleich in hektische Betriebsamkeit verfallen, nur weil wir in manchen Landstrichen nur Edge zur Verfügung haben.“

Damit kontert er meine Ausführungen über die Landflucht in strukturschwachen Gebieten. Aber welche hektische Betriebsamkeit entfaltet sich da? Und was heißt denn „manche“ Landstriche? Zwischen 2002, dem Jahr des Bevölkerungshöchststandes, und 2008 haben 202 von 413 Landkreisen und kreisfreien Städten mehr als ein Prozent ihrer Einwohner verloren. In dem gleich langen Zeitraum zuvor traf das nur auf halb so viele Kreise zu. Diese lagen vorwiegend in Ostdeutschland, das nach der Wende erhebliche demografische Verluste zu verbuchen hatte. Gegenwärtig verliert bereits etwa ein Drittel der westdeutschen Kreise Bevölkerung. Wo die Lebensbedingungen schwierig sind, wo es an innovativen Betrieben und gut bezahlten Arbeitsplätzen mangelt, verschärft sich meist auch die demografische Lage.

Nur zur Erinnerung meine Passage zur Landflucht:

Besonders bitter ist die digitale Rückständigkeit für strukturschwache Gebiete in Deutschland, die junge Talente an Städte wie Köln, Berlin, München oder Hamburg verlieren. Besser wäre es, über Cloud-Arbeitsplätze dezentrale Organisationen aufzubauen und die negativen Folgen von Landflucht sowie Überalterung abzumildern. Aber selbst mit flexiblen Arbeitsmodellen gibt es Probleme, wie Thomas Dehler von der Gesellschaft für Telearbeit im Interview mit dem Manager Magazin skizziert. Für Cloud-Belegschaften benötige man eine Datenleitung mit mickrigen sechs Megabit. „Doch selbst dieses bescheidene Surftempo erreichte nur ein Teil der 700 qualifizierten Bewerber im südlichen Brandenburg, das die Berliner Firma als Pilotregion avisiert hatte. Und selbst die 80 Kandidaten, die Dehler schließlich einstellte, verzeichneten immer wieder technisch bedingte Fehlzeiten“, berichtet das Manager Magazin.

Wenn also schon solche Arbeitsmodelle nicht funktionieren, die man technologisch recht schnell umsetzen könnte, wie sollen sich dann neue Betriebe in diesen Gegenden ansiedeln? Die Edge-Philosophie von Sonnabend hilft da nicht weiter. Selbst in der Industrie sieht man das kritischer: So fordert Bosch-Chef Volkmar Denner eine neue Kultur des Scheiterns, will mehr ausprobieren, sich an….Google & Co. orientieren und stärker wie ein Startup ticken.

“Alle Produkte, in denen Elektronik steckt, müssen internetfähig sein”, so das Credo von Denner.

Im Aufsichtsrat und unter den Altvorderen des Konzerns versteht ihn wohl keiner so richtig.

Bosch gelinge es nicht, sein Tempo neuen Geschäftsmodellen anzupassen. Aufträge durchliefen viel zu oft “Endlos-Schleifen in der Zentrale“.

Oder der Kommentar von Carsten Knop in der FAZ zur Software der Welt. Über das Digitalisierungstempo der Industrie kann man unterschiedlicher Meinung sein. Eine andere Frage sei wohl schon entschieden. Nämlich die, wer für die Software im Auto zuständig sei.

„Denn die Betriebssysteme kommen immer häufiger von amerikanischen Konzernen wie Apple, Google, Microsoft oder Blackberry. Die deutschen Maschinenbauer sollten diesen Siegeszug der Amerikaner im Auto als Menetekel verstehen: Wenigstens die Steuerung für die Maschinen im industriellen Internet muss aus Deutschland kommen. Die Uhr tick“, schreibt Knop.

Das ist schlichtweg eine Handlungsaufforderung. Not more, liebwertester Michael Sonnabend. Abstiegsplatz für die Netzökonomie meint nicht die Ökonomie im Ganzen. Und netzökonomisch schaffen wir dann hoffentlich die Relegation.

Romantischer Industriekapitalismus und Anti-Streber-Bekenntnisse

Industrieschild

Auf Carta und Facebook laufen gerade sehr nette Streitgespräche zu meinen Ergüssen über die Positionselite in Wirtschaft und Politik.

Das geht von romantischen Positionen über die vermeintliche Industriestärke Deutschlands bis Frage über die Sinnhaftigkeit des mobilen Arbeitens. Zu diesen Themen habe ich nun in der Vergangenheit eine ganze Menge geschrieben, Interviews geführt, Studien recherchiert, Zahlen geprüft, öffentliche Debatten angestoßen. Und Streit gehört einfach dazu.

Im Diskurs zum Lob auf die heile Bürowelt finde ich aber dieses Video recht eindrücklich. Ist auch wieder nur so ein Aspekt am Rande. Aber wer sagt denn, dass die Art unserer Zusammenarbeit in Unternehmen so verlaufen muss wie zu Generaldirektor-Zeiten:

Zur Frage der Industrieromantik bringt Wolf Lotter immer noch die schönsten O-Töne 🙂

Zur Notwendigkeit der digitalen Infrastruktur:

Zur Netzwerk-Ökonomie:

Aber man soll ja nicht nur mosern, die digitale Inkompetenz der politischen und wirtschaftlichen Elite beklagen oder den Status quo beweinen. Es gibt auch Stimmen im Land, die die richtigen Konsequenzen aus der Veränderung des Wirtschaftslebens ziehen. Zu ihnen zählen Christoph Giesa und Lena Schiller Clausen, die in ihrem Opus „New Business Order“ (Hanser Verlag) dokumentieren, wie die von vielen belächelte unternehmerische Start-up-Szene Wirtschaft und Gesellschaft verändert.

Die Ökonomie der Selbermacher braucht keine BWL-Lehrsätze

Was die beiden Autoren schreiben, wird den Prozess-Gurus, Powerpoint-Strategen und den Change-Managern mit ihren Innovations-Lippenbekenntnissen nicht gefallen. Prozessoptimierer, die mit ihren auswendig gelernten BWL-Lehrsätzen zunehmend ins Leere greifen, müssen erkennen, dass sich in einer vernetzten Welt alles sehr leicht kopieren lässt. Jeder benutzt die gleichen Tools und die gleiche Software. Natürlich können wir von Bits und Bytes nicht leben. Wir brauchen auch in Zukunft Energie, Finanzdienstleistungen oder Lebensmittel, aber eben keine Energiekonzerne, Banken oder Supermarktketten im alten Stil.

Etablierte mögen den Trend zur Jedermann-Ökonomie noch belächeln, der über 3-D-Drucker und Mitmach-Technologien im Social Web ausgelöst wird. Vor ein paar Jahren war es technologisch ohne große Anstrengungen noch nicht möglich, aus dem Stand Bewegtbilder live zu übertragen. Heute reicht eine App wie Bambuser und schon geht das Livestreaming ohne Ü-Wagen und Sendezentrum los. Zwar alles noch recht stümperhaft, aber auch hier professionalisiert sich die Netzszene in einem rasenden Tempo. Mit entsprechender Software wird sich das auch bei der Produktion über 3-D-Drucker abspielen. Mit Scannern ist es jetzt schon möglich, jedes Objekt zu replizieren oder zu veredeln. Man sollte solche Szenarien konsequent zu Ende denken, um nicht wieder mit den üblichen Pöbeleien auf die Verwerfungen des Internets zu schimpfen und Schutzgesetze einzufordern.

Die weltweit organisierten Wertschöpfungsketten lösen sich nach und nach auf.

„Wenn Produkte immer seltener in Asien massenproduziert, sondern in Deutschland nach Bedarf und individuell gedruckt werden, betrifft das nicht nur den Produzenten, der sich fragen muss, welche Rolle er in diesem Wertschöpfungsprozess noch spielt. Es betrifft genauso den Händler, egal ob stationär oder online. Es betrifft die Unternehmen, die heute per See- oder Luftfracht die Logistik für die Warenlieferungen koordinieren und ausführen, und schließlich die Logistikfirmen, die in Deutschland die Lagerung und die sogenannte letzte Meile – den Weg zum Endkunden – bedienen“, schreiben Giesa und Clausen.

Die Verwerfungen treten ein, wenn zehn, 20 oder 30 Prozent des Marktes wegbrechen oder von neuen Unternehmen erobert werden.

Schlechte Zeiten für provisionsgeile Banker

Auch die überschlauen und provisionsgierigen Manager in den Investmentbanken bekommen ihr Fett weg. Firmengründer müssen nicht mehr vor der Macht der Banker erzittern und schweißgebadet ihre „Business-Pläne“ erläutern, um dann die Gnade der Finanzierung zu erfahren. Sie sprechen direkt mit ihren Kunden über Crowdfunding-Plattformen und überzeugen ihre Unterstützer von der Sinnhaftigkeit ihres neuen Dienstes oder Produktes. Die Transaktionskosten sind minimal, die Barrieren für den Einstieg der Investoren gering und das Risiko überschaubar. Wird das Projektziel nicht erreicht, geht der Betrag an die Unterstützer zurück. Viele kleine Beträge können einen gewaltigen Effekt erzeugen. Giesa und Clausen verweisen auf das Hamburger Start-up Protonet, das für das Einwerben einer Darlehenssumme von 200.000 Euro gerade einmal 48 Minuten und insgesamt 216 Kreditgeber brauchte. Bei der Geschäftsbank wäre das Unternehmen wohl nicht zum Zuge gekommen oder hätte schlechtere Konditionen in Kauf nehmen müssen.

Wer mit Open-Source-Projekten und einer Kultur der Beteiligung sozialisiert wurde, wird mit der Krawattenfraktion im Konzernkapitalismus wenig anfangen können. Das gilt auch umgekehrt. Deshalb ist es so rührend, wenn die Elite von Wirtschaft und Politik auf sündhaft teuren Kongressen von der digitalen Revolution überzeugt werden soll mit irgendwelchen Schockmeldungen über traditionelle Branchen, die kurz vor dem Untergang stehen. Die Halbwertzeit dieser Botschaften hat ungefähr die Wirkung von Filmen über die Amputation von Raucherbeinen. Sie reicht bis zur nächsten Kaffeepause, in der man sich in aller Gemütlichkeit einen Glimmstängel anzündet und die Chefsekretärin am Handy zusammenscheißt, weil sie den Rückflug nicht schon umgebucht hat.

Management-Gichtlinge hängen am Rockzipfel des Industriezeitalters

Wer mit BWL-Diplom oder MBA-Abschluss ins Arbeitsleben eintaucht, erfreut sich nach wie vor an den Spielregeln des alten Kapitalismus. Position bedeutet Macht, um Prozesse zu steuern, Budgets festzulegen, Ressourcen zu planen, von Synergien zu schwafeln, sich gut und weltweit führend aufzustellen, Zeit in Strategiemeetings zu verplempern und kritische Mitarbeiter rauszufeuern. Die Arbeits- und Wirtschaftswelt hängt immer noch am Rockzipfel des fordistischen Industriezeitalters (Maschinenbau und so….).

Die dezentralen Jedermann-Technologien der Digitalisierung bewirken sogar eine Verhärtung im Establishment: Man klammert sich fester an die warme Schürze einer überkommenen Denkschule. Die traditionellen Organisationen wirken auf die Netzszene wie gallische Dörfer, die nicht aufhören wollen, einem übermächtigen Eindringling Widerstand zu leisten, betonen die Buchautoren Giesa und Clausen. Auf die liebwertesten Gichtlinge des Konzern-Kapitalismus mit ihren Slipper-Schühchen sollte man keine allzu großen Hoffnungen mehr setzen. Selbstorganisation ist angesagt:

„Wenn Selbständigkeit bis vor einigen Jahren noch bedeutete, dass man viel alleine arbeitete, bieten virtuelle und reale Netzwerke, Projektgruppen und Gemeinschaftsbüros heute eine Vielfalt an Kooperationsmöglichkeiten und den täglichen Kontakt zu Gleichgesinnten. Die neuen Strukturen sind keine steilen Organisationsdiagramme, sondern breite Netzwerke aus Schnittstellen“, so Giesa und Clausen.

Nicht Untergebene werden gesteuert, sondern Märkte, Aufgaben und Inhalte, Kooperationen mit Mikrounternehmern, vernetzte Kunden, gleichgestellte Mitgründer und Unterstützer, mit denen man auf Augenhöhe spricht. Zudem lernt man das Scheitern. Acht oder neun Projekte gehen vielleicht in die Binsen. Beim zehnten Ding hat man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und erntet die Früchte beim Auf-die-Schnauze-Fallen. Wie fördert man diese Mentalität, um dem kritischen und vernetzten Nachwuchs adäquate Inhalte zu bieten: durch „ANTI-STREBER-STIPENDIEN“!

Gibt es nicht? Doch. An der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Hier geht es nicht um das Auswendiglernen irgendwelcher Controlling-Weisheiten, sondern um interdisziplinäres Universitätsleben. Etwa bei einem zweisemestrigen Forschungsvorhaben zu Energie, Architekturen, Katastrophen oder Revolutionen im ersten Studienjahr. Vamos. Viva la Revolución digital, so das Motto des Internet Magazins. Richtig so. Siehe auch: VOM NIEDERGANG DER SLIPPERSCHUH-MANAGER.

Und wie erfolgreich wir bei der Vermarktung unserer Grundlagenforschung sind, dürfte ja auch bekannt sein: Man sollte einen Steve Jobs an die Spitze von Fraunhofer stellen.

Cebit-Blogparade: Die schöne neue Arbeitswelt im Konjunktiv @Web_and_Mobile

Büro-Dasein in Teutonien
Büro-Dasein in Teutonien

„Das Internet, die Entwicklung im mobilen Bereich und neue Arbeitsmodelle – das alles verändert unseren Arbeitsplatz.“ So wird zur Cebit-Blogparade eingeladen, um sich über den Arbeitsplatz der Zukunft Gedanken zu machen. In Deutschland sollte dieser Satz im Konjunktiv formuliert werden. Es dominiert der klassische Büroarbeitsplatz mit Anwesenheitswahn, wie es Arbeitsministerin Andrea Nahles treffend ausgedrückt hat. „Ich sitze im Büro, also arbeite ich“ ist immer noch das Leitmotto der von Organisationen der Wirtschaft und des Staates – trotz gegenteiliger Verlautbarungen auf Konferenzen und Präsentationen über die schöne neue Arbeitswelt:

„Enterprise 2.0 sucht die schöpferische Kraft der Mitarbeiter umfassend zu nutzen, indem es ihnen die Möglichkeit bietet, jenseits eines engen Aufgabengebietes freiwillig mehr Verantwortung zu übernehmen, Meinungen kundzutun und sich im beruflichen Alltag stärker als bisher von persönlichen Neigungen leiten zu lassen. Freie Zusammenarbeit von möglichst vielen Benutzern ist gewollt – weitgehend ohne Einschränkungen durch Organisationen, Prozesse oder Techniken“, erklärt Zeit-Redakteur Götz Hamann.

Eine gewollte Wirkung von Enterprise 2.0 sei der Verlust von Kontrolle in ihrer bekannten Form. Erfassung von Arbeitszeit, Abteilungsgrenzen, enge Aufgabengebiete und in größeren Konzernen die Trennung in viele Tochtergesellschaften verhindern die im Enterprise 2.0 gewollten Netzwerkeffekte ziemlich gründlich. Wie sich neue Technologien und das Internet auf Unternehmen auswirken werden, ist nach Ansicht von Aastra-Chef Jürgen Signer noch schwer zu beantworten:

„Die Erwartungshaltung von jungen Leuten, die ins Berufsleben starten, ist riesengroß. Was sie im privaten Umfeld an Kommunikationstechnologien nutzen, erwarten sie auch am Arbeitsplatz. Hier müssen sich die Firmen erst herantasten.“

Viele Geschäftskunden seien bei diesem Thema noch sehr zögerlich. Man müsse alle Mitarbeiter mitnehmen, nicht nur die Nachwuchskräfte. Eine deutlich gestiegene Nachfrage sieht Signer bei Systemen für Videokonferenzen. Dazu habe sicherlich der Erfolg von Skype beigetragen. Vor zehn Jahren musste man noch einen gewaltigen Aufwand mit proprietären Systemen an den Tag legen, um Videokonferenzen zu ermöglichen.

„Die haben richtig viel Geld gekostet. Heute habe ich eine Webcam auf dem Laptop und kommuniziere über offene Standards. Die Bereitschaft bei den Führungskräften ist vorhanden, die Voraussetzungen für moderne Arbeitsmethoden zu bieten. Es gibt sehr viele Pilotprojekte. Am Ende des Tages zählt allerdings der Erfolg für das gesamte Unternehmen und die Profitabilität der neuen technologischen Werkzeuge“, betont Christian Fron, Geschäftsführer von DeTeWe.

Arbeiten in der Cloud, Netzwerkstrukturen, flexible Arbeitszeiten, weniger Stau im elenden Berufsverkehr und Abkehr vom Anwesenheitswahn sind wohl nur in kleinen Schritten umsetzbar. In deutschen Unternehmen, die noch nach der Industrielogik des Fordismus ticken, sieht die Realität anders aus. Da reagiert man eher mit Pawlowschen Reflexen auf die Initiative der Arbeitsministerin, wie etwa Wirtschaftswoche-Chefredakteur Roland Tichy:

„Ohne diejenigen, die sich am Morgen mehr oder weniger begeistert auf den Weg ins Büro, zur Fabrik oder in den Außendienst machen, ohne diese Menschen im Wahn könnte Frau Nahles ihre großzügigen Wahlgeschenke wie die Mütterrenten und die fantastische Rente mit 63 nicht einen Tag lang finanzieren.“

Auf welchem Planeten lebt der Wiwo-Chefredakteur?

Eine semantische Stinkbombe, die noch den Generaldirektoren-Geist der 50er verströmt. Anwesenheit mit Arbeit gleichsetzen? Tichy könnte ja mal den Roman in Tagebuchform von Zoé Shepard studieren:

“Wer sich zuerst bewegt hat verloren” – oder die Kunst, in Büros Arbeit vorzutäuschen.

Wie man aus jeder Geschäftsreise eine Weiterbildungs-Exkursion macht, aus jeder Notiz einen Bericht zur Projektprüfung, aus jedem Telefonat eine Telefonkonferenz und aus jedem niedergelegten Gedanken ein Strategiepapier.

Wir leiden unter einem Anwesenheitswahn, in der Tat. Und der drückt sich auch in Zahlen aus: Einer Zeitreihe zufolge, die das Statistische Bundesamt für die “Welt” erstellt hat, lag der Anteil der abhängig Erwerbstätigen, die “manchmal” oder “hauptsächlich” im Homeoffice arbeiten, 2012 bei nur noch 7,7 Prozent. 1996, als die Werte erstmals ermittelt wurden, waren es 8,8 Prozent gewesen.

Formierte Angestellte in formierten Büros

Über die Gründe könne nur spekuliert werden. Vielleicht seien ja die Beharrungstendenzen in der Wirtschaft größer als gedacht. Die Industriegesellschaft habe die Präsenzkultur mit sich gebracht und die könne man nicht so einfach ändern. Das Motto „Ich sitze im Bürohaus, also arbeite ich” scheint noch in den Köpfen vieler Arbeitgeber herumzuschwirren. Die formierten Angestellten sollen in greifbarer Nähe verharren, um sie unter Kontrolle zu halten – ob sie dabei in der Nase bohren oder irgendwelche Scheintätigkeiten verrichten, spielt keine Rolle.

„Dazu passt, dass in einer repräsentativen Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom aus dem vergangenen Jahr immerhin jeder vierte Arbeitnehmer fürchtet, es werde sein berufliches Vorankommen bremsen, wenn er seine Erwerbstätigkeit nicht unter den Augen seines Chefs verrichtet”, berichtet die Welt.

Auf der Suche nach dem Büro-Loser

In Anlehnung an den Shepard-Roman gibt es in manchen Organisationen einen recht merkwürdigen und bizarren Wettbewerb, der selbst in Bundesbehörden vorherrscht:

„Wer zuerst den Firmen-Parkplatz mit seinem Auto verlässt, hat verloren”.

Da wartet man lieber noch ein Stündchen mit einem Tässchen Café in der Hand und schaut aus dem Bürofensterchen, bis sich der erste Angestellte erbarmt und das Bürogebäude verlässt:

„Da ist er, der Loser.”

Souveränität in der Arbeitswelt sieht anders aus. Der Wandel vom Konzern-Kapitalismus zur Netzwerk-Ökonomie, wie ihn Christian Papsdorf in seinem Opus „Wie Surfen zu Arbeit wird” vor einigen Jahren skizziert hat, steht zumindest in Deutschland bei Arbeitgebern und Gewerkschaften nicht auf der Agenda. Die Arbeitskultur verbessert sich durch diese starre Haltung mitnichten. Etwa in der Service-Branche, wie Thomas Dehler, Geschäftsführer von Value5 in Berlin, bestätigt:

„Es fällt zunehmend schwerer, die besten Talente an nur einem Ort zu gewinnen. Bei der Rekrutierung von Mitarbeitern hält man sich häufig mit Verlegenheitslösungen über Wasser.”

Konkurrenzdruck in aseptischen Lichtsuppen-Büros

Hinzu kommt, dass Mitarbeiter in Großraum-Büros unter einem enormen Leistungsdruck stehen und häufig mit Ellbogen-Mentalität gegenüber ihren Kollegen reagieren. Teamarbeit und Wissensaustausch bleiben auf der Strecke – auch wenn in der Öffentlichkeit das Gegenteil behauptet wird. Selbst die viel beschworene Trennung von Beruf und Privatleben bleibt mit Smartphone und Co. eine schöne Illusion. Außerhalb der aseptischen Lichtsuppen-Büros bewegen sich die Angestellten in der Erreichbarkeitsfalle. Abschalten unerwünscht. Viele Dienstleister reagieren dennoch achselzuckend. Ein Achselzucken, das dem Verbraucher nicht verborgen bleibt.

„Entweder hört er es als Warteschleife, wenn während der Anrufspitzen nicht genügend Berater zur Verfügung stehen. Oder er hört das Achselzucken im Servicegespräch, wenn dürftig motivierte und unzureichend qualifizierte Berater nur unbefriedigende Antworten geben. Und an dieser Stelle bricht sich das Zufriedenheitsversprechen nicht selten das Genick”, betont Dehler.

Sein Unternehmen setzt auf Wort@Home – sozusagen Arbeiten in der Teamwolke. Vernetzung, Cloud Computing und Virtualisierung sind seit 2004 die technologischen Grundlagen für VALUE5, um elastische und atmende Service-Einheiten zu schaffen.

„Qualität ist keine Frage des Standorts – sondern der Talente. Durch den Abschied vom Standort-Denken gewinnt man die besten Talente dort, wo sie wohnen und leben”, so die Erfahrung von Dehler.

Flexibles Arbeiten hat nichts mehr mit der Wirtschaftswunder-Zeit von Ludwig Erhard zu tun. Wäre es nicht viel schöner, Herr Tichy, wenn wir uns am sieben Uhr morgens und fünf Uhr abends über leere Autobahnen und dem Abwesenheitswahn beklagen könnten?

Vielleicht treffen wir uns ja auf der Cebit in Halle 6, wo mobile Lösungen und Apps sowie Enterprise 2.0-Anwendungen gezeigt werden. Da könnte man dann weiter diskutieren und Anwendungen ausprobieren.

Manager und Unternehmer im Merkel-Neuland

Neuland-Beine
Neuland-Beine

Aus der Sicht von Mirko Lange, der mit seiner Münchner Agentur talkabout namhafte Unternehmen in Sachen Content Strategie, Content Marketing und Social Media berät, ist das ganze Thema „Digitale Transformation“ Merkelsches Neuland. Und für ihn ist die Hybris mancher Experten schädlich. Er empfiehlt die Leute da abzuholen, wo sie sind, und aufzuzeigen, wo die digitale Transformation ihre funktionalen Ziele unterstützt. Bei 95 Prozent verbietet es sich aus seiner Sicht überhaupt von „digitaler Transformation“ zu sprechen, schreibt Smarter Service-Blog.

Vielleicht ist auch diese Sichtweise falsch. Ist es wirklich eine Geheimwissenschaft, die internen und externen Abläufe in Organisationen mit den Mitteln digitaler Technologien zu verbessern, die Zusammenarbeit zu fördern, dezentrales Arbeiten zu ermöglichen, Wissen zu teilen, Kunden bei der Gestaltung von Produkten und Diensten zu beteiligen und generell in den Dialogmodus mit der Öffentlichkeit zu schalten? Besonders die Social Web-Technologien haben die Eintrittsbarrieren auf ein Minimum reduziert. Viel wichtiger ist wohl die Frage, wie die Ökonomie im Ganzen verändert wird, ob nun autoritäre Manager oder Unternehmer im Merkel-Neuland herumdümpeln oder nicht.

Die Kultur des Teilens im Social Web und die Transformation zu einer Ökonomie des Gebens und Nehmens werden vor allem aus machtpolitischen Motiven blockiert. Schließlich gehört Abrichtung und Dressur zu den Grundtugenden des alten Industriekapitalismus, der nach wie vor unsere Volkswirtschaft prägt. Muss es neues Unternehmertum geben? Auf jeden Fall.

Wie das aussehen kann, habe ich heute in einem längeren Beitrag in der Huffington Post beschrieben: Digitale Ökonomie – Das Ende des bürokratischen Manager-Kapitalismus.

Am Freitag werden wir uns in Bloggercamp.tv um 12 Uhr zu diesem Thema mit der Kölner Neuland-Agentur streiten 🙂

Kunden wollen übrigens nicht nur meckern, sondern vor allem mitgestalten.