Man kann über den Vertriebsweg der ersten deutschen Ausgabe des Magazins Wired sicherlich geteilter Meinung sein. Das Huckepackverfahren mit dem Männer-wie-wir-Angeberheftchen GQ ist jedenfalls nicht meine Kragenweite. Trifft wohl auch nicht so ganz die Zielgruppe von Wired. Geschenkt. Es geht sicherlich um Vertriebskosten, Anzeigengewinnung und sonstige Synergien, die man erreichen kann. Es ist halt eine Verlagsentscheidung. Die Wired-Deutschlandpremiere erst einmal als Versuchsballon zu starten, ist wohl der richtige Weg – nach dem Debakel mit Vanity Fair. Da scheut die Verlagsgruppe Condé Nast ein weiteres Millionen-Desaster.
Blöd finde ich manche Layout-Spielereien – aber das ist Geschmackssache. So macht der Fonds die Titelgeschichte unleserlich. Und die Sache mit den großen Anfangsbuchstaben ist nun auch keine Sensation mehr.
Mit der Auswahl und Mischung der Themen liegt Chefredakteur Thomas Knüwer richtig. Kein Abklatsch des amerikanischen Originals. Es sind sehr viele Storys im Heft, die sich mit Deutschland beschäftigen.
Beispielsweise die Geek-Titelstory: Knüwer beschreibt die fehlende Anerkennung für Geeks in Deutschland und vergleicht sie mit Johannes Gutenberg, Carl Benz, Walter Bruch oder Heinz Nixdorf, die das Land groß gemacht haben – allerdings auch erhebliche Widerstände überwinden mussten. “Heute vernetzen deutsche Geeks Wissenschaftler rund um den Globus (vorgestellt auf Seite 66, gs), gründen Fotografie-Startups (Seite 74) oder entwickeln neue Produktionsmethoden für ethisch korrekte Schokolade (S. 82).” Respekt würden sie dafür nur wenig ernten. Eher dominieren diabolische Überschriften die Netzdebatte: “Macht das Internet doof”; “Netz ohne Gesetz”, “Die Unersättlichen – Milliardengeschäfte mit privaten Daten” (das Lieblingsthema des Datenschutz-Deichgrafen in Schleswig Holstein und von CCC-Sprecherin Constanze Kurz oder auch von den selbsternannten Netzlobbyisten der Digitalen Gesellschaft – deren Vereinsniveau wird in Wired auch porträtiert auf Seite 81) – “alles Schlagzeilen sei 2008, gern illustriert mit Bildern, die Hieronymus Boschs ‘Weltgerichtstriptychon’ wie ein Kindergarten-Picknick aussehen lassen”, so Knüwer.
Die Angst der Eliten passe nicht zum Wirtschaftsstandort D. Der sei nicht allein durch den Bau von Autos und Maschinen groß geworden – sondern durch die Vernetzung mit anderen Ländern. “Nun leben wir im Zeitalter der ultimativen Vernetzung – aber Deutschland will sich und seine Bürger isolieren”, kritisiert der Wired-Chefredakteur. Dafür leisten wir uns monatelang eine Datenschutzdebatte über Gefällt mir-Button und der Ablichtung von Straßenzügen. Das es trotzdem sehr hoffnungsvolle Talente gibt, die sich an interessanten Netzprojekten versuchen, beleuchtet Wired in unterschiedlichen Facetten. Nach einer ersten Durchsicht der ersten Ausgabe sollte Condé Nast das Wagnis eingehen und Wired regelmäßig erscheinen lassen.
W & V kommt ja zu einer ähnlichen Einschätzung:
Ein erstes Fazit: Die erste deutsche “Wired” ist ein Blatt, das sich durchaus für eine Fortsetzung empfiehlt – die Nische ist jedenfalls vorhanden. Schafft es der Verlag, die Qualität dieser Ausgabe zu halten, hätte das Blatt durchaus Chancen auf dem Markt – wie auch Mediaplaner schon bemerkt haben.
Wie man mit dem Huckepack-Problem umgehen kann, demonstriert dieses Video 🙂
Interessant! Werde ich mir gleich mal besorgen. Wir sind ja mit unserer Website voll im Strudel der Kreativen und Sichvernetzenden. Hier passiert tatsächlich was völlig Neues: Alte Grenzen werden nicht absichtlich gesprengt – sie sind für die meisten gar nicht (mehr) vorhanden…
http://www.DANDY-CLUB.com
Nach Deinem ersten yfrog Foto der Wired direkt gekauft. Kann Deinen ersten Eindruck nur bestätigen.
Danke für den Unboxing-Link, so kann man das rund 300 Seiten starke Anzeigenblättchen umgehen.
Bin gespannt wie sich die iPad-Ausgabe schlägt.