Aus dem Ärgernis mit einem TK-Anbieter bin ich direkt auf eine Idee für eine neue Story gekommen, die ich für Service Insiders schreiben will. Titel: One-Hand-Prinzip statt Service-Bürokratie – Auf der Suche nach dem Kundenkümmerer.
Es kann ja nicht sein, dass man vom Kunden eine Detektiv-Spürnase verlangt, um zu erahnen, über welchen Weg man gehen muss, um in den Genuss einer neuen Dienstleistung oder eines neuen Produktes zu gelangen. Besonders Konzerne sollten sich angewöhnen, dass der erste Kontaktkanal alles übernehmen muss, um die Wünsche des Kunden zu erfüllen: Völlig wurscht, ob man eine Firma per Telefon, Shop, Website, Twitter oder Facebook kontaktiert. Die Anbieter haben eine Bringschuld – der Kunde keine Holschuld. Also, wer über einen Shop etwas bestellen will, kann nicht monatelang hingehalten werden, um vier Monate später die Botschaft zu erhalten, dass sich an eine Hotline wenden solle, weil ein Zugriff auf Stammdaten nicht möglich sei. Vier Monate!!!!!
Eine entsprechende Empfehlung habe ich auch an den TK-Anbieter gemailt: Sie sollten im Kundenservice das One-Hand-Prinzip beherzigen – das schaffen mittlerweile ja sogar einige Kommunen. Egal an welcher Stelle, über welchen Kontaktkanal der Kunde einen Wunsch äußert, muss der betreffende Mitarbeiter (über Twitter, über Call Center oder wie in meinem Fall, über den Shop-Manager) für den Kunden alles erledigen und alle Probleme aus dem Weg räumen. Mich nervt diese Kundenservice-Bürokratie. So verhindert man Geschäfte.
Wo wird denn nun alles aus einer Hand angeboten? Im öffentlichen Dienst wollte man das ja umsetzen. Hierzu hatte ich vor drei Jahren etwas geschrieben: Der Bürger als Kunde. Auszug: „Noch ist Würzburg eine ganz normale Stadt. Wie überall in Deutschland gibt es hier ein Amt für das Einwohner- und Meldewesen, eines für die Zulassung von Kraftfahrzeugen, eines für Bewohnerparkausweise und eines für die Hundesteuer. Außerdem gibt es dann noch das Fundbüro, die Abteilung für Führungszeugnisse und das Amt für Gewerbeangelegenheiten. Eben der ganz normale Bürokartieirrsinn einer ganz normalen Stadt. Doch im nächsten Jahr soll sich das ändern. Würzburg ist eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Arvato eingegangen, einer Tochter des Bertelsmann-Konzerns. Ziel der Vereinbarung: der radikale Umbau der Verwaltung nach den Gesetzen der Privatwirtschaft. Die Arbeitsabläufe werden gestrafft, statt Akten gibt es moderne Computer – und der Bürger wird zum Kunden.“, schreibt Spiegel Online. Je nach Lebenslage habe man in Zukunft nur noch mit einem Ansprechpartner zu tun – für Familien, Studenten oder Unternehmer. Wer zum Beispiel umzieht, müsse das nur noch einer einzigen Stelle mitteilen. Die kümmere sich dann um das Kfz-Kennzeichen, den Personalausweis und die neue Mülltonne. Ein großen Schritt in Richtung des neudeutsch genannten Prinzips „One Stop Shopping“ (oder eben One-Hand-Prinzip) erwarteten Experten von der Einführung der einheitlichen Servicerufnummer 115 in Verbindung mit der zunehmenden Migration von Voice-over-IP in der öffentlichen Verwaltung. Vorbild für das bundesweite Projekt ist bekanntlich die New Yorker Rufnummer 311, um Behördengänge zu vereinfachen, Zuständigkeiten zu bündeln, unterschiedliche Call Center-Hotlines unter einem Dach zu vereinigen, verschiedene IT-Verfahren und Computersysteme zu integrieren, um so die Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Davon ist man allerdings im Jahr 2011 noch weit entfernt. 115 ist schlichtweg eine ziemlich dumme und profane Hotline.
Am Dienstagnachmittag muss ich die Story fertigstellen. Wer also positive und negative Beispiele hat, kann sie mir per E-Mail schicken (gunnareriksohn@googlemail.com) oder hier als Kommentar posten.
Das one-hand Prinzip ist alles andere als eine einfach umzusetzende Massnahme; Prozesse, Systeme und die Organisation so auszurichten, dass die Geschäftsvorfälle von den Mitarbeitern im ersten Kontakt möglichst immer fallabschliessend bearbeitet werden können oder der Kunde zumindest nicht wie der Buchbinder Wanninger sich durch alle Abteilungen durchtelefonieren muss um sein Anliegen immer wieder erneut vorzutragen. Die Technologien (Routing Konzepte, skill based routing, CRM oder Help desk Systeme, …) sind in aller regel vorhanden. Aber wie bei einem guten gericht auch reicht die Zutatenliste alleine nicht aus. Die richtig, gut durchdachte Konzeption in alle Details macht den Erfolg. Und hier sind die Fehler dann auch schnell auszumachen, die von den Call Centern begangen werden:
Mangelnde Liebe zum Detail-besonders bei Abläufen und Prozessen-, fehlendes Verständnis der Kundenbedürfnisse, Zeitdruck bei der Umsetzung. Anstatt alle aus Kundensicht relevanten Geschäftsvorfälle systematisch zu erfassen, die Abläufe zu strukturieren, die notwendigen Informationen in den Systemen zu hinterlegen, die ;Mitarbeiter zu schulen, Kompetenzen klar zu regeln wird in der Praxis oft “quick und dirty” umgesetzt. Hauptsache, dass Projekt ist innerhalb von 3 Monaten fertig gestellt. Bananen-Projekte nennt man so etwas. Sie reifen beim Kunden, der das Call Center dann mit den Prozessfehlern konfrontiert. One hand ist möglich, machbar und aus Kundensicht ein Muss. Es wird aber nur gelingen, wenn die Call Center mit der notwendigen Professionalität an die Sache herangehen. Mal angenommen BMW oder VW würden ihre Produktionsprozesse mit der gleichen Qualität wie Call Center umsetzen? Kaum auszudenken. Liebe Call Center: macht Eure Hausaufgaben.
und aus Kundensicht ein absolutes Muss.
Die Call Center-Verantwortlichen sollten weniger inhaltsleere Powerpoint-Bla-Bla-Vorträge halten, sondern ihre Hausaufgaben machen. Du hast vollkommen recht, Harald, dass ist eine sehr anspruchsvolle aber notwendige Aufgabe.
Ich möchte hierzu auf den Aufbau eines Wissensmodells aufmerksam machen, das es erlaubt, Kundenanfragen rationell und relativ zielsicher im ersten Anlauf zu beantworten. Nachstehend der Link zu einem weiterführenden Artikel:
http://www.servicereport.eu/2007/aufbau-eines-wissensmodells
Der Titel kann gerne auf anderen Seiten eingesetzt werden.
Beste Grüße
Lutz Breunig