fbpx

Die digitale Revolution frisst analoge Theorien: Springer-Chef erklärt Riepl-Gesetz für ungültig

Kreative Zerstörung

Meine Schlagzeile ist natürlich Humbug. Der Oberguru des Axel Springer-Verlages wird ein Teufel tun, seine Sprücheklopfereien von vorgestern zu revidieren. Dennoch muss der gestrige Tag fett im Kalender markiert werden:

“Im Rückblick werden Wirtschaftshistoriker vermutlich jenen 25. Juli 2013 als den entscheidenden Punkt definieren, an dem Springer-Vorstandschef Döpfner den Grundstein für sein Medienhaus der Zukunft gelegt hat – ohne den Ballast von Print-Produkten abseits von Bild und Welt. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem man noch eine knappe Milliarde dafür erlösen konnte. Selbst wenn man 260 Millionen davon quasi als Kredit an die Funke-Gruppe vergab”, schreibt Karsten Lohmeyer in seiner trefflichen Analyse “Rette sich wer kann! Was jeder Journalist aus der Print-Amputation bei Springer lernen sollte”.

Wie der Zufall es will, verkündete am gleichen Tag das zweitgrößte deutsche Call Center-Unternehmen seinen Rettungsschirm-Antrag, um eine Pleite abzuwenden. Das klassische Telefonie-Geschäft schmilzt wie Schnee in der digitalen Sonne und nur wenige Hotline-Anbieter sind in der Lage, mit den vernetzten Kunden auf Augenhöhe zu marschieren. Siehe: Es ist wie ein Hohn, schweigt das Telefon – Hotline-Pleiten überraschen nicht wirklich.

Altpapier-Weisheiten

Altpapier-Weisheiten

Eine gute Gelegenheit, an die Durchhalteparolen der Gestern-Industrien zu erinnern. Und dazu zählt eben auch das ominöse “Unverdrängbarkeitsgesetz” von Riepl:

“Keine neue Mediengattung ersetzt die bestehenden. Medienfortschritt verläuft kumulativ, nicht substituierend. Es kommt immer Neues hinzu, aber das Alte bleibt. Bis heute ist dieses Gesetz unwiderlegt. Das Buch hat die erzählte Geschichte nicht ersetzt. Die Zeitung hat das Buch nicht ersetzt, das Radio nicht die Zeitung, das Fernsehen auch nicht das Radio. Und also wird das Internet auch nicht das Fernsehen oder die Zeitung ersetzen”, palaverte der Springer-Chef vor vier Jahren.

Schon damals spekulierte ich, dass wohl kaum einer der analogen Fans sich die Mühe gemacht hat, die Hypothesen der Dissertation von Riepl aus dem Jahr 1913 wirklich zu studieren. In der Abhandlung unter dem Titel “Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer” geht es um das Nebeneinander von schriftlicher und mündlicher Kommunikation. Und die Beispiele von Riepl zeigen sehr wohl, dass Medien sterben können. So ist der Bote in unseren Tagen längst kein Medium mehr mit Relevanz. Und welche Rolle spielt der Telegraph für die Individualkommunikation? Ausgestorben. Welche Bedeutung haben Prediger, Ausrufer oder Kalender für die Massenkommunikation? Keine.

Aber warum sollten man sich mit diesen Dingen noch herumschlagen, Herr Döpfner. Wir werden es tun. Am nächsten Mittwoch in unserer Bloggercamp.tv-Sendung, die wir um 18:30 Uhr wie immer live übertragen.

Thema: Die digitale Revolution frisst die Gestern-Industrien. Wer als Diskutant mitwirken möchte, sollte sich bei Hannes Schleeh oder mir melden.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

5 Kommentare zu "Die digitale Revolution frisst analoge Theorien: Springer-Chef erklärt Riepl-Gesetz für ungültig"

  1. Man muss auch kein analoger Fan sein oder die Diss von Riepl im Original lesen, um zu wissen, was er meint. Es gibt genug kommunikationswiss. Literatur zu dem Thema und aktuell ist man auch hier der Meinung, dass ein Konvergenz der alten und neuen Medien vorliegt. Auch aktuelle Studien wie die ARD/ZDF Onlinestudie belegen, dass Fernsehen und Print immer noch die Informationsmedien Nr. 1 sind, weil sie als glaubwürdiger gelten. Außerdem sind die Beispiele der Boten nicht ganz korrekt. Sie werden immer noch genutzt, es gibt sogar noch Brieftauben. Sie haben aber keine gesamtgesellschaftliche Relevanz; verschwunden sind sie dennoch nicht. Bezugnehmend auf das Rieplsche Gesetz hat Döpfner aktuell recht; er “palavert” auch nicht. Wie es in 10 Jahren aussieht, werden wir sehen.

  2. Die Diskussion darueber ob es sich um eine Substituierung, Kanibalisierung oder einen sanften evolutiven Prozess handelt ist m.E. vernachlaessigbar. Wichtig scheint mit viel mehr die Erkenntnis zu sein sich darueber im klaren zu sein, dass wir in komplexen adaptiven Systemen leben (Maerkte, Gesellschaften, Organisationen etc.) bei denen man mit linearen Denkansaetzen nicht weiter kommt. Gefragt ist heute mehr den je Fitness und zu der gehoert auch die Faehigkeit neue Muster in den Landschaften zu erkennen in denen man sich bewegt und sich bestens auf selbe vorzubereiten. Da das Erreichen von Fitness auch immer etwas mit der “mentalen Kultur” des jeweiligen “Agenten” zu tun hat, ist das oft sehr schwierig. Wir laufen Gefahr uns zu Tode zu analysieren, was sich nicht zuletzt durch den “big data” Wahn ankuendigte. In Analogie zur der hier diskutierten Call Center Krise, koennte man sagen:” Dank unserer ausgezeichneten real-time Analysewerkzeuge, wissen wir jetzt, das wir pleite sind”. Schaun mer mal, sagte der Kaiser immer..

  3. Was werden nur die vielen Redakteure zur Konvergenz sagen, die im nächsten Jahr auf der Straße landen werden. Auch wenn es noch Boten, Telegramme, Schallplatten oder Antiquariate gibt, gibt es mit Sicherheit kein Unverdrängbarkeitsgesetz. Wir erleben ein sukzessives Sterben alter Branchen in kleinen Dosen, die an der Logik des Netzes zerschellen: Videotheken, Musikbranche, Buch-Kaufhäuser, stationärer Handel, Beratungsberufe, Taxizentralen, Auskunfteien und, und, und. Unverdrängbar ist gar nichts.

  4. Ich halte am alten Riepl fest: Vielleicht wird es künftig keine Zeitung mehr geben, mit der große Verlagsanstalten ausreichend Profit machen können, aber deswegen muss die Zeitung nicht als Format verschwinden. Oder anders ausgedrückt: Nur weil wir heute nicht wissen, wie man mit Zeitungen Geld verdienen kann, müssen sie Morgen nicht ausgestorben sein.

  5. Mag sein. Aber ein “Gesetz” für das Fortbestehen von Print gibt es nicht.

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d Bloggern gefällt das: