
Rolle von sozialen Netzwerken in der Kundenkommunikation
Als Kunde bin ich natürlich kein Objekt, aber UKOs passen so schön zu UfOs, die ja seit Jahrzehnten die Science Fiction-Literatur beherrschen. Ähnlich fiktiv ist die Rolle der Kunden in der Kommunikationspolitik von Unternehmen. Von Big Data-Anbietern und Big Data-Kritikern wird zwar behauptet, wie gläsern und steuerbar mittlerweile Kunden über die Analyse von gigantischen Datenmassen sind, in der Realität sieht das aber ganz anders aus. Da dominieren UKOs die Szenerie. Aussagen oder gar Prognosen über einzelne Konsumenten leisten die Big Data-Systeme entweder fehlerhaft oder überhaupt nicht. Hinter den Steuerungsillusionen stecken wohl eher Träume, Horrorszenarien und schlichtweg Idiotie, wie bei den Pionieren der Künstlichen Intelligenz, die noch nicht einmal in der Lage sind, künstliche Gehirne von Kleinkrebsen nachzubauen oder gar zu verstehen. Biologen versuchen das nun seit über 30 Jahren – ohne Erfolg. Das Kleinstgehirn des Krabbeltierchens besteht gerade mal aus 30 Millionen Neuronen und kontrolliert den Verdauungstrakt. Man hat bis heute nicht verstanden, wie das funktioniert.
Ähnliches werden wir wohl beim milliardenschweren Human Brain Project erleben. Humanoide Maschinen sind Hirngespinste von Science-Fiction-Autoren, Wissenschaftlern und Journalisten, die einem mechanistischen Weltbild hinterherlaufen.
Wer die tote Maschinenwelt verstehen will, darf die Maschinen nicht in den Vordergrund stellen und sie beseelen.
„Sonst kommt im Wechselspiel von Mensch und Maschine zu viel Toleranz ins Spiel. Ich höre auf zu denken. Das gilt auch für die Moralisierer, die der Technik böse Absichten unterstellen. Wer einen Schuldigen in der Maschinenwelt verortet, unternimmt keine weiteren Denkanstrengungen mehr. Die Maschine ist aber keine Person. Wenn ich den Stecker ziehe, tut sie gar nichts mehr. Maschinen sind immer Werkzeuge von Menschen. Auch der Algorithmus wird von Menschen gemacht und benutzt“, sagt der Organisationswissenschaftler Gerhard Wohland.
Da der Mensch aber nicht berechenbar ist, spucken die Maschinen vielleicht sinnvolle Daten zur Stauwarnung aus, versagen aber bei der Antizipation menschlichen Verhaltens, wenn es denn um komplexe Fragen geht und nicht um meine morgendlichen Rituale, die vom Toilettengang bis zur Verspeisung von Himbeermarmeladen-Brötchen reichen. Für diese Vorhersage braucht man keine aufwendigen Algorithmen.
Was ich allerdings nicht verstehe, fernab von den Big Data-Hirngespinsten, sind die Blindflüge von Unternehmen im Verhältnis zu bestehenden oder interessierten Kunden. Warum werden beispielsweise Online-Einkäufe nicht zu Ende geführt? Ist die Navigation der Website unverständlich, funktioniert das Bezahlsystem zu komplex oder kommt man über die Suchfunktion des Anbieters nicht weiter?
Noch desaströser ist das Management von unzufriedenen Kunden. Die negativen Netzwerk-Effekte von kritischen Verlautbarungen werden wohl immer noch dramatisch unterschätzt:
„If you make customers unhappy in the physical world, they might each tell 6 friends. If you make customers unhappy on the Internet, they can each tell 6.000 friends“, sagt Amazon-Chef Jeff Bezos.
Siehe dazu auch mein Beitrag “SHITSTORMS ZWISCHEN KOLLABORATIVER WIEDERGUTMACHUNG UND IGNORANZ – NEGATIVE KOMMUNIKATION KANN DAS MARKENIMAGE DAUERHAFT SCHÄDIGEN”.
Welche Netzwerk-Stärke ein einzelner Kunde hat, wird von den Anbietern nur selten ins Kalkül gezogen. Sonst hätten sich etwa die Sparda-Bank, der Kaffeevollautomaten-Hersteller Jura, der Bezirksschornsteinfeger und der Telekommunikationskonzern E-Plus nicht so dilettantisch mit unseren Kundenanliegen beschäftigt. Die Folgewirkung, die man nun dauerhaft im Netz nachlesen kann, waren den Firmen mit Sicherheit nicht klar. Am Anfang versuchte wir es jeweils freundlich in Gesprächen zu klären. Dann folgten E-Mails oder Briefe. Es endete dann bei öffentlichen Postings in sozialen Netzwerken, im ichsagmal-Blog, Kolumnen, Audio- und Videobeiträgen:
Hier nur ein kleiner Auszug:
Das roboterhafte Gefasel der Marketingindustrie.
Verdienter Shitstorm: Über die Befreiung aus der Anonymität der Kunden-Hotline-Höhle.
Kundendienst als Foltermethode.
Social-Web-Guerilla-Taktik: Über den Nutzen netzöffentlicher Service-Beschwerden #ccw14
Von der Kunst, sich bei Kunden unbeliebt zu machen #juravollautomat
Bislang hat sich nur ein einziger Anbieter auf die netzöffentliche Kritik richtig verhalten: Baldur-Garten. Service-Leiterin und Geschäftsführer reagierten auf Facebook, danach per Telefon und mit einem kleinen Entschuldigungspaket.
Wie man das insgesamt besser machen kann, ist Thema eine Webinars, das ich morgen moderiere. Es geht um “Web Engagement”. Start um 11 Uhr. Ihr könnt via Chat mitdiskutieren. Experte ist Hansjörg Christinger, Sr. Solutions Engineer der Software-Firma Genesys. Kostenlose Registrierung ist hier möglich.
Würde mich freuen, wenn Ihr Euch mit Diskussionsbeiträgen beteiligt.
Auch da wird Big Data versagen: NRW will Vorhersagesoftware erst zu Wohnungseinbruch nutzen, dann “auf weitere Deliktsfelder” ausdehnen.