Hier ein paar Auszüge meiner heutigen The European-Kolumne:
Der Datenschutz versagt politisch und ergeht sich in sinnlosen Scheingefechten gegen Facebook, Google und Co. Wer seine wirklich sensiblen Daten schützen will, der muss selbst aktiv werden. Eine Aufforderung zum skeptischen Denken.
Jedem, der auch nur ein Bit im Internet bewegt, sollte klar sein, dass er ärgerlichen Angriffen von Datendieben ausgesetzt sein kann. Ob über den stationären PC, über mobile Endgeräte, Firmen-Server oder externe Server-Farmen, die Cloud-Computing-Dienste anbieten. Was der liebwerteste Gichtling des staatlichen Datenschutzes, Oberaufseher Thilo Weichert aus Schleswig Holstein, auf der Bonner IT-Sicherheitskonferenz des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik vom Stapel gelassen hat, ist eine Mixtur aus Verschwörungstheorien, böswilligen Unterstellungen und plumper Profilierungsneurose. Sein wolkiges Krisenszenario verglich er sogar mit der Atomkatastrophe in Fukushima. Die üblichen Plattitüden von Weichert und Konsorten über vermeintliche Datenkraken aus Übersee sind wohl die Kompensation von schlechten Kindergarten-Erlebnissen. Das ist Datenschutz-Provinzialismus. Je machtloser Politiker und Verwaltungsbürokraten in Internetfragen werden, desto mehr blasen sie sich in der Öffentlichkeit auf. Warum laufen diese Angstdebatten in Deutschland eigentlich immer nach dem gleichen Muster ab?
Warum setzen die Abgesandten des Sicherheitsstaates in schöner Regelmäßigkeit auf Verbotsschilder, Netzsperren, Muster-Widersprüche und Warnhinweise? Tagesordnung, Gartenkodex und Ordnungsämter stoßen auf einen kleinbürgerlichen Humus. Es ist die deutsche Sehnsucht nach Ordnung und Normen. Irgendwie erinnert mich die digitale Jammerlappen-Psychose an Oswald Spengler. Der Autor des kulturpessimistischen Bestsellers „Untergang des Abendlandes“ hatte im realen Leben eine Hosenscheißer-Persönlichkeit. Mit dieser psychologischen Disposition könnte man auch Landes- oder Bundesbeauftragter für Datenschutz werden. Frei nach dem Motto: „Ich will die Kontrolle über meine Daten zurückhaben.“ Das liegt auf dem Niveau von Buddelkisten-Dramen: „Mama, der böse Junge hat mir mein Schüppchen weggenommen.“ Heul.
Worum es beim Imponiergehabe der Oberhirten des Datenschutzes wirklich geht, hat der Blogger Kristian Köhntopp auf den Punkt gebracht: „Der Datenschutz versagt politisch: Im Wikipedia-Artikel ,Überwachungsstaat‘ findet man eine schöne Übersicht von Dingen, bei denen die Datenschützer ihre Interessen in der Hauptsache nicht oder gar überhaupt nicht durchsetzen haben können. Um von diesem Versagen abzulenken, führt man Scheingefechte – etwa gegen Google Maps, Google Analytics, Facebook Like-Buttons und andere für den politischen Datenschutz an sich vollkommen nebensächliche Ziele. Vor allen Dingen versagt der Datenschutz aber inhaltlich: Wer wirklich wichtige Dinge zu schützen hat, der kann auf die Bestimmungen und Regelungen des Datenschutzes nicht vertrauen, sondern muss den Schutz seiner Daten selbst in die Hand nehmen – sie also geheim halten“, so Köhntopp. Hier liege der Grundgedanke der Post-Privacy-Bewegung „Spackeria“. „Weil der Datenschutz versagt, versagen muss (denn der Kontrollverlust scheint ein dem System inhärentes Merkmal zu sein), weil die Welt also so ist, ich aber in ihr leben muss, muss ich mein Leben so gestalten, dass ich in so einer Welt leben kann.“
Das bedeutet nicht, hirnlos im Netz herumzuwandern und an das Gute im Menschen zu glauben. Es ist die Aufforderung zum skeptischen Denken fernab der paternalistischen Dauerschwätzer.
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