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Blasen über Filterblasen und überflüssige Kommandostrukturen in Organisationen


Nun hat sich auch Dirk von Gehlen in der Süddeutschen zu Wort gemeldet und ist auf die verzerrte Wirklichkeit eingegangen, die angeblich über Filtersysteme und Algorithmen zur Personalisierung von Suchergebnissen und Empfehlungen führen: Der amerikanische Autor Eli Pariser verwendet das Bild der Filterblasen, um zu beschreiben, was es bedeuten kann, in einer durch die Algorithmen der großen Netzfirmen bestimmten Öffentlichkeit zu leben, die sich nicht mehr vor dem gemeinsamen Lagerfeuer aller, sondern in den personalisierten Interessensräumen des Einzelnen bildet. “Eine Öffentlichkeit also, die aus vielen kleinen Filter-Blasen besteht. Unter diesem Titel (“Filter Bubble”) beschreibt Pariser in seinem dieser Tage in Amerika veröffentlichten Buch, wie die Gefällt-mir-Ökonomie des Netzes die Vorstellung von Relevanz neu definiert und so die gelernten Begriffe von Öffentlichkeit und Demokratie zu verschieben droht”, schreibt von Gehlen. Ähnliches stand ja auch in der Zeit und im Spiegel. Zu den Thesen von Pariser bin ich ja etwas ausführlicher eingegangen. Siehe: Algorithmen als Instanz für Ethik und Moral? Ein weiterer Beitrag zur Filterblasen-Debatte. Jeder Mensch verkürzt und konstruiert Realitäten. Jeder benutzt unterschiedliche Filtersysteme. Selbst beim Durchblättern einer Zeitung oder Zeitschrift, beim Spaziergang durch Onlinemagazine, beim Durchstöbern meiner Bibliothek oder bei den subtilen Jagden im Antiquariat habe ich ein natürliches Filtersystem in meinem Hirn.

Wenn man das Ganze demokratietheoretisch betrachtet, wie Pariser es tut, muss man der Frage nachgehen, wie manipulativ die Filtersysteme im Netz vorgehen. Werden Nachrichten und Meinungen unterdrückt? Gibt es eine zentralistische Instanz, die über Gut und Böse entscheidet? Wirken die Filtersysteme wie ein Gatekeeper und erzeugen ein einheitliches Meinungsklima? Befördern die Algorithmen eine Schweigespirale? Ich habe das Buch von Pariser noch nicht gelesen, was ich in den nächsten Wochen noch nachholen werde, aber so beim Lesen der Filterblasen-Berichte kommen bei mir Zweifel an den Thesen auf. Wie ist Eure Meinung? Ich werde das in den nächsten Wochen etwas ausführlicher in Berichten aufgreifen. Eure Expertenmeinung interessiert mich.

Wie gestern bereits angekündigt, hier das Opus über: Social Media und die Technologie der Torheit – Warum sich Hierarchien in Organisationen auflösen (müssen).

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

7 Kommentare zu "Blasen über Filterblasen und überflüssige Kommandostrukturen in Organisationen"

  1. Gerade auf Twitter bekommt man ja doch durch seine Timeline schon noch das ein oder andere mit. Nicht nur Twitter bestimmt also.

    Weiterhin geht es ohne Filter ja nicht, denn sonst ertrinkt man ja in Informationen. Insofern hatte man ja immer schon seine Filter, z.B. sein soziales Umfeld, und das ist ja soviel anders im Netz auch nicht. Hinzu kommt, dass man ja eben von Social Networking-Seite versucht, den Social Graph dazu zu nutzen, um eben die für einen selbst relevanten Informationen herauszufiltern. Solange man aber weiss, dass es noch anderes gibt und man auch weiss, wie man dran kommt, sehe ich nicht so das Problem.

  2. Zudem kann man die Filter ja auch abstellen.

  3. Die spannende Frage ist doch die, die ich im zweiten Teil des Textes stelle: Welche politischen Forderungen leitet man daraus ab, dass die Firmen mit ihren Filtersystemen nicht bloß Dienstleister sind, sondern Anbieter, die Öffentlichkeiten bzw. abgewandelte Formen dessen, was man früher als Öffentlich bezeichnet hat, herstellen? Das kommt im zweiten Teil von Parisers Buch und wird in der Debatte (leider auch hier) oftmals unerwähnt gelassen.

  4. Und wie hat man das damals bei Zeitungen, tagesschau und Co. gelöst? Für mich ist das nicht unbedingt ein neues Problem. Eher hat man doch jetzt mehr Möglichkeiten, andere Blickwinkel zu finden.

  5. Ich will das Problem der Filterblase nicht in Abrede stellen. Nur eine Konsonanz der Meinungen entsteht weniger als bei den klassischen Medien. Stichwort: Gatekeeper. Insgesamt ein spannendes Thema für die empirische Sozialforschung.

  6. Christoph Kappes | 29. Juni 2011 um 22:36 Uhr |

    Die Blasentheorie gilt nicht nur für digitale Dienste, sondern auch fuer analoge – und wir bewegen uns auch in der Realitaet selektiv. Wer nur in Blankenese lebt, haelt es fuer die Welt. Wer nur Faz liest, kann sie am Ende nicht vergleichen.
    Ich halte nicht viel von der Pariser-Bubble-Theorie. Zum
    einen ist sie fachlich falsch: moderne Algorithmen blenden Neues ein, um zu lernen- und sie schliessen auch aus statistischen Clustern neue Informatiob fuer mich (Freund B findet Content C gut, Aggregator zeigt mir C). Entweder wendet man die Kriterien auf alle Phänomene an, dann ist es eine Plattitüde (s.o).. Oder sie gilt nur für digitale Anbieter – dann stellt sich aber eine ganz andere Frage: Warum wollen wir die Aggregatoren regulieren, wenn wir es nicht auch fuer die Presse tun? Es ist schon verblueffend, dass Gatekeeper der alten Ordnung nun neue Gatekeeper der digitalen Welt amgreifen. Warum soll ein Diskriminierungsverbot nur fuer Google gelten, nicht auch für die SZ? Ich fordere uebrigens seit eineinhalb Jahren Diskriminierungsverbote , Trennungsgebote und Kontrolle der Verfahren (zuletzt bei Carta 1/2010). Man muss aber sehr behutsam sein, weil es kein Selbstgaenger ist, dass die Willkuer des einen das hohe Gut der Pressefreiheit ist, waehrend wir die Willkuer des weniger gefaehrlichen fuer Diskriminierung halten.
    Ich habe dazu gerade was an anderer Stelle geschrieben, Fortsetzung folgt.

  7. (Sorry, getippt vom Telefoncomputer :-))

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