Über den expandierenden App-Markt, überforderte Entwickler, IT-Zombies, Social TV und die Frage, warum Microsoft Nokia kauft!

Nach der Halbfinalniederlage kann man sich jetzt wieder den wichtigen Dingen im Leben widmen. Ich hätte gestern besser das Interview mit dem App-Experten Ralf Rottmann, CTO von Grandcentrix in Köln, in den Abendstunden führen sollen.

Aber egal. Seine Thesen zum expandierenden App-Markt, zum zersplitterten Android-Geräte-Zoo, zur Frage der abstürzenden Applikationen, zu Service-Apps, zur möglichen Mobile-Strategie von Microsoft (Ökosystem wie Apple durch Kauf von Nokia), zu überforderten CIOs im Umgang mit dem Mobile Business und zum Hype um Social TV sind so spannend, dass ich jetzt wieder frohen Mutes an die Vorbereitung meiner nächsten Dienstagskolumne für Service Insiders gehen kann.

Wer also bis Montag etwas Zeit aufbringt, um sich das vierzigminütige Youtube-Gespräch anzuschauen und mir seine Sicht der Dinge schildern möchte, ist wieder herzlich eingeladen. Bis Montagabend benötige ich dann Statements, die sich auf die Thesen von Ralf Rottmann beziehen (per Mail an: gunnareriksohn@gmail.com). Ralf wird übrigens seine Sicht der Dinge auf der Social Commerce-Fachtagung in Amsterdam vortragen, die vom 10. bis 11. Juli in Amsterdam stattfindet.

Siehe auch:

Sprech-Blase: Kunden im Netz, in den Apps und im Social Web: Sie alle wollen Ansprache und direkten Service von Unternehmen. Doch die stellen oft auf Durchzug. Wie es anders geht, zeigt ein erfolgreicher PC-Hersteller.

App-Economy: Marketinggeschwafel statt Kundendialog.

Die Thesen von Rottmann zum Android-Markt kann man sehr schön abgleichen mit: Google geht “all in” bei der I/O 2012 Keynote und reisst die Innovations-Krone an sich.

Wo ist die Exzellenz für die vernetzte Ökonomie? Breitbandausbau über Genossenschaften organisieren

Wann fängt eigentlich die deutsche Wirtschaft an, Exzellenz für die vernetzte Ökonomie aufzubauen. Schon längst ist das Internet mehr als eine technische Infrastruktur, „mit der wir arbeiten, kommunizieren, uns vergnügen. Das Netz besitzt eine fast radioaktive Kraft, die alles verändert – politische Institutionen, demokratische Prozesse. Die Welt, wie wir sie uns eingerichtet haben“, so der Zeit-Redakteur Heinrich Wefing. Es verändert auch die ökonomischen Kräfteverhältnisse.

Statt sich den Fliehkräften der digitalen Revolution zu stellen, verplempern Meinungsführer in Politik und Wirtschaft ihre Zeit mit nutzlosen Diskursen über die gute alte Zeit und verweisen auf dümmliche Umfragen über die Nutzlosigkeit von Socialmedia-Dingsbums-Modeerscheinungen. Ein schwerer Fehler, wie der Netz-Vordenker David Gelernter in seinem Buch „Mirror Worlds“ (in deutscher Fassung unter dem Titel „Gespiegelte Welten im Computer“) schon 1991 konstatierte. Dieses Werk beschreibt einen Tipping Point, eine Wegmarke, die alles verändern wird:

„Wir werden auf einen Computerbildschirm schauen und die Wirklichkeit sehen. Ein Teil unserer Welt wird dort in scharfen bunten Bildern auftauchen, abstrakt, aber erkennbar, und sich subtil an tausend Orten bewegen.“

Er vergleicht das Jahr 1991 mit 1791. Damals glaubten die Menschen in England fest daran, dass die industrielle Revolution bereits abgeschlossen sei. Die Jenny-Maschine zum Feinspinnen, der mechanische Webstuhl, der Kokshochofen und vor allem die von James Watt erfundene Dampfmaschine mit ihrer unerschöpflichen Kraft waren erfunden und harrten ihres Einsatzes. Statt sich über die Auswirkungen dieser Erfindungen klar zu werden, klopfte man sich gegenseitig auf die Schultern und bejubelte übermütig die eigene Fortschrittsfähigkeit. Der grosse Knall kam wesentlich später:

„Die technologische Welt von heute macht denselben ländlich idyllischen Eindruck. Alles ist hübsch und ordentlich und vorläufig, wie die zaghaften Frühlingstriebe in einem Garten. Nichts wirklich Wesentliches hat sich verändert“, so Gelernter.

Plattformen wie Amazon pulverisieren nicht nur die Buchbranche. Sie bringen generell den stationären Handel in die Defensive. Mit dem Massenerfolg von Smartphones, Tablet-PCs und der App-Economy wird sich das noch radikal beschleunigen: So wird auch die letzte Meile im Einzelhandel in einigen Jahren völlig anders aussehen, prognostiziert Moshe Rappaport, IBM- Experte für Technologie- und Innovationstrends:

„Das klassische Ladengeschäft muss nicht mehr Teil des Distributionsnetzes sein. Als Konsument möchte ich nur die allernötigsten Artikel an Ort und Stelle mitnehmen. Was darüber hinausgeht, soll mir nach Hause gebracht werden. Statt weit zu fahren, damit ich zu einem grossen Sortiment komme, werde ich zu einem Showroom gehen, wo man mir das ganze Sortiment zeigt – echt oder virtuell.“

Es müssten nicht mehr alle Artikel im Laden vorrätig sein. Es reiche vollkommen aus, alles zeigen zu können. Nicht mehr das Produkt steht im Vordergrund, sondern der Service.

„Nehmen wir Kleider als Beispiel. Ich muss nicht alle Grössen in allen Farben haben. Das kann ich in einem elektronischen Dressing-Room in allen Varianten ausprobieren und meine Kaufentscheidung treffen“, so Rappaport.

Was man jetzt in Deutschland benötigt, ist ein Tipping Point im Denken, wie ihn der ehemalige IBM-Cheftechnologe Gunter Dueck in seinem Opus „Professionelle Intelligenz“ ausbreitet. Für einen Kulturumschwung müsse allerdings eine kritische Masse von Menschen ihre Meinung ändern:

„Wenn sich überhaupt etwas bewegen soll, muss die aufgeschlossene Menge ‚mitmachen‘“, so Dueck. Die Technologie verändere alles, unsere Berufe bekommen ein neues Gesicht. „Die Religion ist auf einem quälenden Auflösungsweg, die Politiker hängen am Gestern. Uns fehlen die Leitlinien im Umbruch und für die neue Zeit nach dem Umbruch.“

Deutschland sollte sich zu einer strebenden infrasozialen Marktwirtschaft wandeln. Der Staat müsse die Verantwortung für moderne Infrastrukturen übernehmen. So sollte in den nächsten fünf bis zehn Jahren das Internet ganz bedeutend ausgebaut werden, um neue Industrien hervorzubringen.

„Jeder sollte so viel Netz kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen, dass er jeden Tag drei DVDs runterladen könnte. Wenn man sehr viel Netz zur Verfügung hat, kann man beispielsweise die medizinische Überwachung von Patienten oder die Automatisierung des Verkehrs in Angriff nehmen. Neue Industrien entstehen durch das Internet. Manche schätzen, dass die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation in einigen Jahren 90 Prozent des Internetverkehrs ausmachen wird. Wenn wir dafür beherzt die Internet-Infrastruktur ausbauen, bekommen wir im Wettbewerb mit anderen Staaten einen Vorteil. Nur mit neuen Infrastrukturen bekommt man neue Industriezweige. Die Infrastrukturen für Erfindungen sind wichtiger als die Erfindungen selbst“, betont Dueck.

Deutschland sollte die Grundlagen für einen klügeren Planeten liefern. Sein Plädoyer:

„Lassen Sie uns zum Exportland der Dichter, Denker und Ingenieure werden.“

Der Staat müsse die Infrastrukturen auf die Zukunft ausrichten. „Zum Beispiel könnte die Bundesregierung einen verbindlichen ‚Fahrplan‘ für den Ausbau des Breitbandinternets herausgeben.

Das würde etwa 60 Milliarden Euro kosten, nicht mehr als die Rettung einer Bank“, erläutert Dueck.

Zu einem solchen Schritt würde sich niemand entschliessen. Ein superschnelles Internet sei für die Wirtschaft und für die Transformation zur Wissensgesellschaft unabdingbar.

„Dieselben Leute, die die 60 Milliarden für die Zukunft nicht geben wollen, argumentieren wie selbstverständlich, dass der entscheidende Anstoss zu Deutschlands Wirtschaftswunder der energische und kompromisslose Ausbau des Autobahnnetzes in den 1960er-Jahren war, der für Deutschland eine moderne Infrastruktur schuf“, führt Dueck weiter aus.

Ein kompromissloser Ausbau des Internets hätte ähnlich dimensionierte positive Auswirkungen. Eine Bitkom-Expertenrunde in Bonn hat dieses Problem diskutiert und rechnet mit Kosten von 80 Milliarden Euro, um in jedem Winkel Deutschlands schnelles Internet zu etablieren. Ein kleines Problem ist dabei noch zu lösen. Der Staat darf das Geld gar nicht in die Hand nehmen, um den Breitbandausbau zu finanzieren. Das ist durch Vorgaben der EU nicht möglich und wird als wettbewerbswidrig angesehen. Einen Lösungsvorschlag bietet Bernd Stahl von Nash Technologies, der auch Teilnehmer des Bitkom-Fachgespräches war. Hier die Antworten von Stahl im Ich sag mal-Bibliotheksgespräch:

Das Gespräch werde ich für eine Kolumne auswerten. Ich plane eine Veröffentlichung zum internationalen Tag der Genossenschaften am 7. Juli. Bis zum 6. Juli nehme ich gerne noch weitere Statements auf. Per Mail an: gunnareriksohn@gmail.com. Oder einfach einen Kommentar hier posten.

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Der Streamingservice der Zukunft steht den Künstlern näher.

Die Weisheit der Vielen im Netz gegen die Schreihälse in Wirtschaft und Politik

In meiner Mittwochskolumne für das Debattenmagazin „The European“ bin ich noch einmal auf das Markenimage von Firmen im Social Web eingegangen. Titel: Einsame Schreihälse.

Im Internet verlieren Firmen die Hoheit über ihre Markenbotschaft. Gut so – denn die absolute Kontrolle über Mitarbeiter und Konsumenten ist illusorisch. Diese Lektion haben die Ziegelstein-Diktatoren, Brüller und Schreihälse in den Führungsetagen von Wirtschaft und Politik immer noch nicht gelernt. Mitarbeiter, Wähler oder Konsumenten kann man nicht mehr für dumm verkaufen und zentralistisch von oben nach unten steuern. Selbstorganisation steht auf der Web-Agenda an erster Stelle und nicht mehr der Taktstock von Positionseliten. Das hat der italienische Schriftsteller Alberto Savino treffend zusammengefasst: „Der Grad von Menschlichkeit eines Unternehmens, einer Tat, einer Lage, ist messbar an dem Mehr oder Weniger an Freiheit, die sie uns gewähren, über uns selbst zu verfügen.“

Entsprechend ist es, endlich auf die Weisheit der Vielen zu achten, wie ich in meinem Vortrag auf dem Marketingforum während der Hannover Messe ausführte.

Und in Doppelfunktion in einer Diskussionsrunde über Datenschutz:

An der vernetzten Gesellschaft und Ökonomie werden sich jedenfalls die vorgestrigen Kommandeure von Befehl und Gehorsam die Zähne ausbeißen. Auch die Abmahn-Gichtlinge der GEMA, wie Heinrich Rudolf Bruns in seinem Blog berichtet:

„Derzeit scheint es, dass die GEMA regelrecht um einen Shitstorm bettelt. Falls der nicht schon längst da ist. Bands wie Porter suchen sich das Geld für eine CD-Produktion im Netz zusammen und produzieren unter Creative-Commons-Lizenz. Viele Künstler publizieren schon gema- und auch lizenzfreie Musik. Die Musikpiraten veröffentlichen eine solche CD und wegen eines Pseudonyms, das nicht offengelegt wird, zieht die GEMA vor den Kadi. Weil es die GEMA-Vermutung gibt. An anderer Stelle bemühen sich Musikschaffende, eine alternative Verwertungsgesellschaft, die C3S auf die Beine zu stellen. Das Problem: Sobald C3S um Zulassung beim Patentamt ersucht, wird die Satzung des Vereins öffentlich sein und von den Justiziaren der GEMA sicher nicht unkommentiert bleiben. Und jede Unklarheit, jeder indifferente Ansatz, jeder nicht juristisch wasserdichte Satz wird Schreiben um Schreiben, Eingabe um Eingabe, Widerspruch um Widerspruch auslösen. Monopolisten lassen sich ungern in die Ecke drängen und – mehr Anwälte haben sie auch. Und wohl auch das Geld, sie zu zahlen. Aber sei’ s drum: Was die letzten 20 Jahre in der Politik seinen Anfang nahm, durchdringt nun auch gesellschaftliche Bereiche: Die Abschaffung von Diktaturen wird zur Auflehnung des Volkes der Musiknutzer und -schaffenden gegen einen Monopolisten, der sich selbst überlebt zu haben scheint. 2012 ist das Jahr der GEMA.“ Da hat Heinrich wohl recht.

Es ist das Jahr, in dem die Schreihälse in Wirtschaft und Politik zerlegt werden. Übrigens steht jetzt der Termin für das Blogger Camp 12 in Nürnberg. Terminfindung mit dem bloggenden Quartett Bernd Stahl, Heinrich Rudolf Bruns, Hannes Schleeh und meiner Wenigkeit zog sich etwas hin. Termin und erste Überlegungen für den Ablauf kommen in Kürze.

Siehe auch:

GEMA verklagt Musikpiraten e.V. wegen Nutzung eines Creative Commons-Songs.

Social Media Benchmark – Wie und warum setzen Marken auf soziale Netzwerke.

Wenn Markenartikler den Online-Handel gängeln: Der Kunde wird das abstrafen!

Vor kurzem ist Ken Kasischke über ein Zitat des Ökonomen Peter Drucker gestolpert:

„Der Kunde entscheidet darüber, was ein Unternehmen ist.“

Bemerkenswert an diesem Ausspruch: Er ist fast 60 Jahre alt!

„Die Konsumentendemokratie ist also kein so neues Phänomen, wie sie uns heute erscheint. Vielmehr bringen Internet und Social Web lediglich ans Licht, dass echte Kundenorientierung allzu häufig eher Absichtserklärung als gelebte Praxis ist. Doch glücklicherweise sind Internet und Social Web keine Einbahnstraßen. Unternehmen, die von ihren Kunden dort unter Druck gesetzt werden, können von offenem Kundenfeedback enorm profitieren – sofern sie es aktiv einfordern, und danach handeln“, schreibt Questback-Marketingmanager Ken Kasischke in einem Gastbeitrag für den Smart Service-Blog.

Das Machtgefüge würde sich zugunsten der Kunden verschieben. Die Unternehmen hätten das Monopol über ihre Markenbotschaften verloren. Everybody’s a publisher: Man vertraue anderen Kunden mehr als irgendwelchen offiziellen Markenversprechen. Einige Manager von vorgestern haben das allerdings noch nicht kapiert. Siehe meine heutige Kolumne für Service Insiders: Alle Macht dem Kunden? Mehr Web Democracy in Unternehmen wagen.

Es gibt immer noch mächtige Unternehmen, die das nicht akzeptieren und den Kontrollverlust im Social Web mit allen Mitteln abwehren wollen. Markenartikler klagen, schreiben Regeln für den Online-Verkauf vor oder zwingen Kunden in den stationären Fachhandel. Die jüngsten Fälle dokumentiert heute die FAZ. Adidas und Scout.

Angeblich seien Markenimage, Beratung und Service durch nicht autorisierte Online-Händler in Gefahr. Das riecht doch stark nach dem Kaffee-Vollautomaten-Hersteller Jura, der Anfang des Jahres schrieb:

„In Folge der hohen Beratungsintensität unserer Premium-Produkte beschlossen wir 2001, uns auf den beratenden Fachhandel als Vertriebsweg zu unseren Kunden zu konzentrieren. Wird unser Produkt bei einem von uns autorisierten Händler gekauft, gewähren wir als Hersteller 25 Monate Garantie. Ihre IMPRESSA C5 haben Sie bei einem von Jura nicht autorisierten Fachhändler erworben, weshalb wir keine Kosten in Garantie oder Kulanz übernehmen.“

Gut, dass ich im Bibliotheksgespräch mit Heinrich Welter vom Softwareunternehmen Genesys damals auf diese Problematik eingegangen bin – mittlerweile ist die Haltung von Jura wohl kein Einzelfall mehr.

Für Welter sind das vorgeschobene und anachronistische Argumente.

„Der Kunde hat heute so viel Macht, dass er solche Unternehmen auf Dauer abstrafen wird. Es gibt sicherlich noch Anbieter mit einer sehr konservativen Klientel unter den Käufern, die es sich leisten, die Prinzipien des stationären Handels auch in der Onlinewelt aufrecht zu erhalten. Eigentlich kann sich das niemand mehr leisten.“

Der tradierte Fachhandel werde von seiner Funktion im Verkauf zunehmend ausgehöhlt.

„Die Beratungsintensität wird durch das Internet sogar gesenkt. Die Kunden informieren sich intensiv im Netz, bevor sie online einkaufen. Auch die Markenunternehmen profitieren von den virtuellen Möglichkeiten, Produkte und Preise zu vergleichen, Kundenbewertungen einzuholen oder durch Empfehlungen über soziale Netzwerke neue Kunden zu bekommen“, erläutert Welter.

Deshalb sei es nicht hinnehmbar, wenn Markenunternehmen den Online-Handel ans Gängelband nehmen. Nach Ansicht von Peter Gentsch von der Business Intelligence Group gibt es bei Unternehmen noch eine große Diskrepanz, zwischen dem, was in sozialen Netzwerken postuliert wird und dem, was dann tatsächlich gelebt wird.

„Es ist relativ leicht, auf Facebook präsent zu sein. Was in der Regel fehlt, sind die Prozesse dahinter“, sagt Gentsch im Gespräch mit Service Insiders.

Keine Kontrolle über Marketingbotschaften

Wenn man das Thema netzpolitisch betrachtet, habe das Ganze sehr viel mit der Kultur der Beteiligung, mit Transparenz und mit Kontrollverlust zu tun. Die Kultur in den Unternehmen würde das nicht widerspiegeln. Man habe schlichtweg im Social Web keine Kontrolle mehr über die eigenen Marketingbotschaften. Einige Markenartikler können das wohl nur schwer verkraften.

„Die neue Kommunikationskultur des offenen Austausches und des Teilens muss von der Unternehmensspitze vorgelebt werden und von möglichst vielen Mitarbeitern mit unterschiedlichsten Zuständigkeiten und Hierarchiestufen praktiziert werden. Dies bedeutet in der Konsequenz: Erst die Umsetzung eines internen Enterprise 2.0-Ansatzes schafft die Voraussetzungen für eine echte Dialogorientierung mit den Kunden in der externen Kommunikation. Ohne den sozialen Innendialog über Abteilungen und Silobunker hinweg kann auch kein echter Außendialog mit Kunden und anderen Marktpartnern verstanden und aufgebaut werden“, bestätigt die Marketingprofessorin Heike Simmet von der Hochschule Bremerhaven.

Erst wenige Unternehmen hätten die Notwendigkeit für diesen holistischen Ansatz erkannt. Sie würden stattdessen auf der ersten Ausprobierstufe von Social Media verharren, während die Innovatoren weiter vorpreschen und sich nachhaltige Wettbewerbsvorsprünge in der immer stärker digitalisierten Welt sichern.

„Es gibt sogar Fälle, wo Mitarbeitern der Zugang zu Facebook blockiert wird. Wie soll jemand so mit der Zielgruppe im Social Web zusammen kommen, wenn er noch nicht einmal die Möglichkeit eines Zuganges in dieses Medium hat“, kritisiert Gentsch.

Häufig scheitere die Öffnung auch an der eigenen IT-Abteilung. Eine digitale Transformation müsse das gesamte Unternehmen erfassen.

„Es ist ein altes Lied. Es spielen Abteilungsegoismen und Machtstrukturen mit rein. Mein Wunsch wäre, dass man auch social wird und Web Democracy mehr ins Unternehmen bekommt, um damit die Potenziale von sozialen Netzwerken besser zu heben“, resümiert Gentsch, der am 10. Juli in Amsterdam in einer interessanten Panel-Runde mit Michael Buck (Dell), Brian Solis (Altimeter Group), Scott Galloway (L2), , Dennis Wedderkop (Vodafone), Michael J. Saylor (Microstrategy), Peter Mann (CDS/UK Army) und Ulf Valentin (HRS) über Social Commerce-Trends diskutiert.

Und im Social Commerce müssen Firmen noch einige Lektionen lernen!

Siehe auch:

Enterprise 2.0: Nutzung sozialer Software im Unternehmen – Konsequenzen für den Kundenservice.

Bibliotheksgespräch über die Dominanz der asynchronen Servicekommunikation, machtvolle Kunden und blinde Markenhersteller.

P. S. Mal schauen, ob Adidas meine Anfrage beantwortet:

Vor sieben Stunden habe die Fragen gestellt, bis jetzt (16:38 Uhr) gab es keine Reaktion. Aber das wundert mich ja auch nicht mehr, denn es dominiert ja Marketinggeschwafel statt Kundendialog.

Werber unzufrieden mit Facebook: Mit Einweg-Geblubber wird sich das auch nicht ändern


WPP-Chef Martin Sorrell zweifelt nach einem Bericht von W & V an Facebooks Qualitäten als Werbemedium:

„Ich glaube, Facebook ist das beste oder eines der besten Branding-Instrumente der Welt, aber ich glaube nicht, dass es auch notwendigerweise ein Werbe-Instrument ist,“ sagte Sorrell laut der britischen Zeitung „Guardian“ in Cannes. Ähnliches sagte er wohl auch auf dem Werbegipfel in der südfranzösischen Stadt.

200 Milllionen Dollar habe WPP laut Sorrell vergangenes Jahr in Facebook investiert, was immerhin fünf Prozent des Umsatzes des Social Networks ausmacht. Dieses Jahr soll das Budget noch verdoppelt werden – wobei der Anteil am Facebook-Umsatz wohl gleich bleiben dürfte. Aber im Vergleich zum Gesamt-Volumen von WPP sei diese Umschichtung nicht weltbewegend, so Sorrell. Gerade was die Response-Rate beträfe, sei Facebook nicht gerade brillant.

Facebook habe wegen seiner Größe gute Voraussetzungen, aber es gäbe Themen, die unbedingt angepackt werden müssten – wie etwa die Werbung für mobile Anwendungen. Dabei müsse man sich ansehen, wie sich Facebook längerfristig entwickle. „Dies ist ein Marathon, kein Sprint,“ sagte er. Bestätigung findet diese Position in einer Studie der Agentur Serviceplan. Es sei ein Gerücht, dass sich auf Facebook besonders gut die Aufmerksamkeit jüngerer Konsumenten erreichen lassen. Auf Platz 1 in der Werbewirkung stünden immer noch Fersehspots – etwa der Darth Vader-Werbefilm von VW.

Vielleicht existiert in den Köpfen der Werber immer noch ein großes Missverständnis über das Wesen sozialer Netzwerke. Warum sollte mir auf Facebook die Einweg-Werbeberieselung besser gefallen als in klassischen Medien. Und wenn hier schon von der Response-Rate die Rede ist. Wie oft reagieren denn Firmen auf Anfragen und Meinungen, die Kunden in sozialen Netzwerken? 9 von 10 Anfragen landen im Nirwana und werden nicht bearbeitet.

Ein Beleg, dass die Wirtschaftswelt Social Media einseitig als Marketinginstrument versteht, wie mir Peter Gentsch von der Business Intelligence Group im Interview bestätigte:

Die Media-Planer seien auch auf Facebook immer noch auf Massenorientierung gepolt. Man habe eine klassische Marketing-Botschaft, die fast 1 zu 1 in Social Media reingedrückt werde. Social im Sinne von Dialog fehle in der Denke der Marketingmanager. Wenn man den Modus auf Personalisierung umstellen müsse, um auf die Belange eines Einzelnen einzugehen, ist das wesentlich anstrengender als auf die Skalierungseffekte von klassischer Werbung zu setzen. Personalisierte Dienste werden auf Facebook bislang nicht geboten.

„Es reicht eben nicht auf, nur pauschal meine Genehmigung für die Verarbeitung meiner Daten auf Facebook einzuholen. Die dürfen dann alles mit meinen Daten machen. So funktioniert Personalisierung nicht. In dem Moment, wo ich eine klare Ursache-Wirkungsbeziehung habe, um nur das zu verarbeiten, was für mich wichtig ist, wäre die Akzeptanz auf Kundenseite viel höher. Die Mechaniken und Logiken zur Profilierung müssen sich ändern“, so Gentsch.

Man rede nun schon so lange von One-to-One-Marketing und Dialogmarketing und sei auf Plattformen wie Facebook immer noch so unterwegs, wie in der klassischen Werbung.

In meiner Kolumne für Service Insiders werde ich das Interview mit Gentsch verarbeiten. Wer mir zu diesem Thema noch Statements schicken möchte, kann das bis heute Abend tun. Hier als Kommentar oder per E-Mail an: gunnareriksohn@googlemail.com

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