Web 2.0 findet im deutschen Online-Handel nicht statt – Social Commerce erst recht nicht

Wenn in einem Online-Shop Produkte von Kunden positiv bewertet werden, steigt die Kaufwahrscheinlichkeit um rund 39 Prozent. Zu diesem nicht sehr überraschenden Ergebnis komm eine Studie von E-Commerce-Center Handel (ECC-Handel). Ohne Kundenbewertungen liegt die Kaufwahrscheinlichkeit nur bei 10 Prozent. „Online-Shopper lassen sich davon beeinflussen, wie andere Online-Shopper einen Anbieter bewerten“, so Sebastian van Baal von ECC-Handel.

Für die Vertrauensbildung im E-Commerce sei das nicht zu unterschätzen, besonders wenn es für Neukunden darum gehe, die Seriosität des Anbieters einzuschätzen. Nun sind die Kundenbewertungen ja noch kein Riesenschritt zur Ökonomie der Beteiligung oder zum Social Commerce. Denn klar ist ja auch, dass wir bei Produkten und Dienstleistungen am meisten den Meinungen von Freunden und Bekannten vertrauen – das will ja wohl auch Facebook nutzen, um zum Internet im Internet zu werden. Social Graph nennt Facebook-Chef Mark Zuckerberg die Idee eines personalisierten, menschlicheren Webs, dessen Informationsquelle ein Netz von Freunden, Kollegen und Familie ist. Er glaubt, dass jeder, der einen Arzt sucht, die beste Kamera oder einen Mitarbeiter, diesem Graph vertraut. Das Ganze läuft dann eben nicht mehr anonym, da Facebook-Nutzer ihre Online-Identität freiwillig ins Netz stellen. Social Commerce ist dann ein Empfehlungsprogramm mit einer noch viel höheren Wirkung – eine echte E-Commerce-Rakete. Soweit die Visionen.

Aber wie sieht die Realität des Online-Handels in Deutschland aus? Eine Studie von Novomind belegt, dass sich fast jeder zweite deutschsprachige E-Shop-Betreiber auf die reine Warenpräsentation und einzelne Dialog-Angebote beschränkt. Nur rund jedes dritte E-Commerce-Unternehmen bietet seinen Kunden beispielsweise Platz für Produktbewertungen. „Die Unternehmen riskieren damit, dass Kunden abwandern. Denn die Ansprüche von Online-Shoppern sind in den letzten Jahren gestiegen. Das ergab eine E-Shop-Studie“, teilt Novomind mit.

Interneteinkäufer würden immer häufiger darauf achten, dass sie sich im virtuellen Ladenlokal mit anderen Usern austauschen und ihre Produkterfahrungen im Netz verbreiten können. Differenzierte Suchmöglichkeiten, eine große Auswahl an Zahlungsverfahren oder hilfreiche Empfehlungen anderer Kunden sind ein Muss. „Mit dem Verzicht auf eine breite Palette an Web-2.0-Funktionen verprellen die Unternehmen nicht nur internetaffine Kunden. Gleichzeitig vergeben sie die Chance, von der Shopping-Community mehr über das Kaufverhalten im Internet zu lernen“, so Novomind.

Ein Großteil der E-Shop-Betreiber habe sich zwar in den vergangenen Jahren mit einem Update ihrer Shops für das Web-2.0-Zeitalter fit gemacht. Dennoch schöpft jeder zweite Anbieter das technisch Machbare seiner IT-Systeme nicht aus. Das ergab ein Funktionalitätentest bei 15 ausgewählten E-Shops, die in den vergangenen zwölf Monaten einen Relaunch ihrer Shopping-IT durchgeführt haben. „Für viele Shop-Manager ist der Einsatz von Web-2.0-Funktionen noch Neuland“, erklärt Peter Wiedekamm, Technischer Vorstand von novomind. „Die Mehrheit legt den Fokus derzeit auf den Ausbau von Funktionen, die den Gang zur virtuellen Ladenkasse abkürzen und den Dialog zwischen Kunde und Anbieter komfortabler gestalten. Den Schritt zum Community-Shop haben sie noch vor sich“, so Wiedekamm. Von Social Commerce sind die deutschen Online-Händler dann allerdings noch Lichtjahre entfernt.

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