Weil es so einfach sei, die schwachen Verbindungen aufrecht zu erhalten, steigt die Zahl unserer Beziehungen insgesamt massiv an, schreibt Blogger Thomas Knüwer in einem sehr interessanten Beitrag. “Diese Kontakte nehmen wir sogar ein Leben lang mit, wenn wir wollen. Junge Menschen, die heute über Instant Messenger oder Social Network miteinander in Verbindung bleiben, verlieren – so sie und der andere es will – niemand mehr aus den Augen”, so Knüwer. Die neuen Verbindungen würden etwas verändern. “Wir sind bereit, uns aktivieren zu lassen. Wir setzen uns ein für Menschen, denen wir uns aus welchen Gründen auch immer nahe fühlen. Nehmen wir nur jenes Düsseldorfer Ehepaar, beide Blogger, die durch ein Feuer ihre Wohnung verloren. Wie ein Sturm verbreitete sich die Suche nach einer Ersatzwohnung via Twitter. Eine Spendenaktion brachte ein unfassbares Ergebnis: über 20.000 Euro. Allein die gemeinsame Nutzung einer Technik, der Blog-Software und der Plattform Twitter sorgte hier schon für eine gewisse Nähe, die Geschichte der beiden berührte emotional”, führt Knüwer weiter aus.
In meinem Vortrag in Perinaldo (Von der Idiotie der Masse zur Intelligenz der Menge: Die Macht der Netzwerkökonomie) den ich morgen halte, gehe ich auf die Kraft der schwachen Verbindungen ein. Für die Web 2.0-Freaks verkünde ich mit Sicherheit keine Neuigkeiten. Aber es ist doch schon ganz interessant, sich mit den Wegbereitern des Soical Media-Gedanken ab und zu auseinanderzusetzen.
Beispielsweise mit Horward Rheingold, der den Wandel der Netzkultur bereits 2002 in seinem Artikel „Smart Mobs – Die Macht der mobilen Vielen“ vorweggenommen hat.
Die Konvergenz der Technologien bewirke neue Formen der Kommunikation. Ortungsfähige drahtlose Organizer, Drahtlos-Netzwerke und zu Computerverbünden zusammengeschlossene Kollektive haben eines gemeinsam: Sie befähigen Menschen, auf neue Arten und in unterschiedlichen Situationen gemeinsam zu agieren.
Die Killerapplikationen von morgen werden nicht Hardware oder Software sein, sondern soziale Praktiken. Die technische Infrastruktur verändert Unternehmen, Gemeinschaften und Märkte, so Rheingold vor acht Jahren. Hier noch ein paar Statements, die ich morgen vortragen möchte:
Wer sich auf Facebook mit anderen verbindet, ist fortan auch eingebunden in die sozialen Interaktionen seiner „Facebook-Freunde“ eingebunden = Mark Granovetter-Theorie der schwachen und starken sozialen Bindungen.
Mit den engeren Kontakten kommuniziere ich über E-Mail, Skype, Telefon – die öffentliche Kommunikation in sozialen Netzwerken zielt auf die entfernteren Bekanntschaften und auf die anonyme Gemeinschaft aller anderen Mitglieder.
Onliner, die sich in Netzgemeinschaften organisieren sind keineswegs lichtscheue Elemente oder Bildschirmjunkies, die sich hinter ihren Monitoren verkriechen – eingebettet von Pizzakartons.
Sie verbringen ihre Zeit im Netz nicht auf Kosten der Pflege von Offlinekontakten, sondern auf Kosten ihres Konsums von klassischen Massenmedien.
Onliner sind in der Regel sozial hochkompetente, kommunikationsfreudige und engagierte Menschen.
Onliner publizieren Texte, Bilder, Filme und Musik – eigene und fremde Produktionen.
MashUp – Rekombination bestehender digitaler Inhalte zu neuen Werken.
Es blüht die künstlerische Collage und filmische Montage auf – es entsteht sogar avantgardistische Kunst.
Aushebelung der Masseneffekte – es regiert nicht Menge und Quote.
Netz ist zufallsgesteuert und interessengeleitet.
Im Netz hat man Erfolg, wenn man die Bedürfnisse und Vorlieben anderer Nutzer am besten trifft.
Experimentierfeld Musik als Beispiel – Plattenlabel kalkulieren nach den Charterfolgen.
Independent Bands ohne Chancen.
Im Netz kaum Produktionskosten – Beispiel britische Band Arctic Monkeys – Hier liegt die eigentliche Gefahr der Musikindustrie, nicht illegale Distribution über Filesharing-Netze.
Web 2.0 bietet Geschäftsmodell für die ausgefallensten Güter und Dienstleistungen – Long Tail – es fördert heterogene Märkte.
Und zum Schluss muss wieder einmal der olle Goethe das Rätsel der kollektiven Intelligenz lösen: „Man spricht immer von Originalität, allein was will das sagen! Wenn ich sagen könnte, was ich alles großen Vorgängern und Mitlebenden schuldig geworden bin, so bliebe nicht viel übrig“.
Oder doch lieber die alten Griechen:
Web 2.0 als Agora – als öffentlicher Marktplatz. Die Netzwelt wirkt vor allem durch die permanente Korrektur ihrer Wissensprojekte über die öffentliche Diskussion und Disputation. Das zeichnete die antike Öffentlichkeit aus. Es sind allerdings keine elitären Zirkel wie in der Antike oder in der Gelehrtenrepublik des 18. Jahrhunderts.
Hier der komplette Vortrag:
Wer noch Ideen, Anregungen oder Kritik beisteuern möchte, kann das bis morgen Mittag machen. Ich bin erst so gegen 16 Uhr an der Reihe.