Im Einkauf von Unternehmen und Staat stecken erhebliche Potenziale, um die sozial- und umweltpolitischen Standards der Produktion zu verbessern – in Deutschland und vor allen Dingen im Ausland. Da ist es nur konsequent, wenn das Beschaffungsamt des Bundesinnenministeriums mit seinem Einkaufsvolumen von über einer Milliarde Euro neue Wege gehen will, wenn Bundesbehörden Güter und Dienstleistungen nachfragen. Für deutsche Industrielobbyisten ist das eine schwer verdauliche Kost. Es gibt das Vergaberecht und im Vordergrund habe die Beschaffung zu stehen und nicht irgendein Wünsch-Dir-was-Gutmenschen-Denken (das sagte ein Verbandsmann in seinem Vortrag und auch in der Abschlussrunde in Richtung der NGOs). So könnte man die Positionen der Verbandsvertreter der Wirtschaft auf der Fachkonferenz des Vergabenetzwerkes im Beschaffungsamt in Bonn zusammenfassen (Titel der Veranstaltung: Der schöne Schein der Nachhaltigkeit). Wie solle man den eineindeutig in einer komplexen Lieferkette unter Beweis stellen, dass auch hohe ökologische und soziale Standards eingehalten werden.
Besonders für kleine und mittelständische Unternehmen sei das nur schwer möglich. Von der Rohstoffgewinnung bis zum Verkauf des Produktes gebe es eine Vielzahl von Wertschöpfungsstufen, die nicht vollständig kontrollierbar seien. OK – Verbandsjuristen müssen wohl so argumentieren. In den Vorträgen wurde deutlich, dass die Industrielobbyisten ein ziemlich schnoddriges Verständnis von Nachhaltigkeit haben und sich darauf zurückziehen, was so alles nicht funktionieren kann nach dem Vergaberecht. Alles sollte am besten so bleiben wie es ist. Man lagert fleißig in Billiglohnländer aus und schert sich einen Teufel um die dortigen Produktionsbedingungen. Wo diese Mentalität hinführt, kann man am Beispiel des Discounters KIK sehr gut nachvollziehen.
Erhellend sind auch die Skandale bei der Produktion von Jeans in der Türkei.
Sind das jetzt komplexe Lieferketten, die man nicht kontrollieren kann oder doch sehr einfach zu recherchierende Tatbestände, die man herausbekommt, wenn man bereit ist, etwas genauer hinzuschauen? Wenn Journalisten so etwas aufdecken können, ist es für die Heerscharen an Industrielobbyisten ein leichtes, gleiches zu tun.
Dabei geht es nicht darum, anderen Ländern irgendwelche Dinge zu diktieren oder die gleichen Standards wie in Deutschland zu verlangen. Allerdings ist es nicht akzeptabel, Industriebedingungen des 19. Jahrhunderts hinzunehmen: Also Kinderarbeit, Ausbeutung, unzumutbare und gesundheitsschädliche Arbeitsplätze. Wenn es der deutschen Industrie ernst ist mit der Nachhaltigkeit, dann sollten sie auch bei ihren Partnerfirmen im Ausland für humane, ökologische und moderne Arbeitsplätze sorgen.
Hier könnte der Staat einiges ändern, sagte Dr. Evelyn Hagenah vom Umweltbundesamt auf der Bonner Konferenz. Bund, Länder und Gemeinden haben in Deutschland mit einem jährlichen Einkaufsvolumen von etwa 260 Milliarden Euro eine erhebliche Marktmacht. Eine umweltorientierte Beschaffung könnte die Treibhausgase um rund 30 Prozent reduzieren. Hier die entsprechende Studie.
Einen interessanten Vorschlag für die Sicherstellung einer nachhaltigen Beschaffung in dem komplexen Gefüge von internationalen Lieferketten machte vorgestern Klaus-Peter Tiedtke, Direktor des Beschaffungsamtes.
Er hält es für sinnvoll und machbar, die weltweit sehr gut vernetzten NGOs einzubinden, um die Güte der Nachhaltigkeit bei der Rohstoffgewinnung, Produktion und dem Transport von Produkten sicherzustellen. Ein entsprechendes Dialogangebot soll demnächst an die NGOs gerichtet werden.
Resümee: Der Direktor des Beschaffungsamtes erwähnte in seiner Rede ja die berühmt-berüchtigten dicken Bretter von Max Weber, die man wohl bohren müsse, um im Vergabeprozess auch für einen nachhaltigen Einkauf zu sorgen. Meine Einschätzung: Es wird zu massigen politischen Machtkämpfen und Gerichtsverfahren kommen, wie wir sie auch beim Atomausstieg erleben. Man wird sich wohl warm anziehen müssen. Vorschläge über das Machbare im Einkauf des Staates will Tiedtke mit dem Wissenschaftler Ernst von Weizsäcker erörtern. Man wolle die Wirtschaft nicht überfordern aber fordern. Richtig so!
Hallo!
Ich bin schon ein wenig enttäuscht über die Bewertung unserer Position. Diese ist nicht korrekt wiedergegeben. Das ist sicherlich kein Weg, der zu einem Dialog zwischen Beschaffern, NGOs und Herstellern führt – im Gegenteil.
MfG
C. Schäfer
Einen Dialog habe ich nicht vernommen, Herr Schäfer. Und die von Ihnen dargestellten Textilketten, die man nicht kontrollieren könne, kann man merkwürdiger Weise in anderen Branchen sehr wohl kontrollieren. Auch Ihre Ausführungen über NGOs waren nicht von Sachlichkeit geprägt. Ich bin nicht der Dialogbeauftragte, sondern Wirtschaftsjournalist.