Ach Frau Piel, Frau Schäferkordt, Herr Doetz und Herr Moor….

was der Was-mit-Medien-Blog über das gestrige Streitgespräch beim NRW-Medienforum dankenswerter Weise dokumentiert, hätte Iwan Petrowitsch Pawlow einige Forschungsarbeit über klassische Konditionierung erspart. Die Reaktionen der WDR-Intendantin Monika Piel auf die kleine Despoten-Provokation von Richard Gutjahr beweist, dass die Vertreter der alten Medienwelt den Sturz von ihrem Nachrichten-Thron immer noch nicht verkraftet haben: „Ja, ich find’ das so anmaßend zu behaupten, dass da alle sitzen und nicht wissen, was im Internet passiert. Was denken Sie sich denn eigentlich, wie man solche Häuser leitet, wenn man … Wir nehmen nichts um uns wahr? Wir arbeiten nicht mit dem Internet, wir merken nicht, was da passiert? Das ist eine so dumme Anmaßung“, sagte Piel. Ich möchte hier jetzt nicht auf die politische Entgleisung des Tutti-Frutti-TV-Lobbyisten Doetz und seinem Hass auf die Republica-Blogger eingehen. Er könnte sich im nächsten Jahr in Berlin der Disputation auf der Bloggerkonferenz stellen, wenn er kein Feigling ist.

Generell sollten die Apologeten der Massenmedien endlich kapieren, was sich im Web 2.0 abspielt und warum der massenmediale Baukasten einstürzt, den Enzensberger in der Zeitschrift Kursbuch 1970 publizierte und sich dabei auf die Medientheorie von Brecht bezog. Es geht um die Polarität von Repression und Emanzipation. Ein repressiver Mediengebrauch ist gekennzeichnet: durch ein zentral gesteuertes Programm, ein Sender und viele Empfänger, passive Konsumhaltung, Produktion durch Spezialisten, Kontrolle durch Eigentümer, Gremien oder Bürokraten. Beim Gegenpol, der in idealtypischer Weise das Web 2.0 charakterisiert, geht es um dezentrale Programme, jeder Empfänger ein potenzieller Sender (siehe mein Youtube-Video), Interaktion der Teilnehmer, kollektive Produktion, gesellschaftliche Produktion durch Selbstorganisation. Da ist es völlig wurscht, ob Frau Piel oder der WDR auf Facebook, Twitter oder sonstwo unterwegs sind. Die Machtverhältnisse ändern sich – mit Republica-Bloggern hat das nichts zu tun. Auch das Fernsehen bekommt das zu spüren. Der WDR-Mitarbeiter Ranga Yogeshwar kann es Ihnen erläutern, Frau Piel. Hier schon mal eine Kostprobe zum Hören.

Auf eine Aussage von Frau Piel bin ich in meiner Video-Botschaft näher eingegangen. So sagte die WDR-Intendantin: „Es geht hier nicht um uns als Privatpersonen, da würde ich Ihnen auch nicht erzählen, ob ich twittere oder nicht, da können Sie nachgucken. Es geht darum, was wir in den Sendern machen. Selbstverständlich benutzen wir auch im Sender Twitter. Ich möchte Sie aber auch mal darauf aufmerksam machen, dass für uns als Sender – ob in Blogs oder in Twitter oder auf sozialen Plattformen – die Regeln gelten, die auch sonst für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten. Wir können nicht da einfach hingehen, und völlig subjektive Dinge verbreiten, wie das jeder andere macht. Ich sehe doch jeden Tag, was bei mir ankommt in meiner E-Mail-Box. Jeder Mensch kann von sich geben, was er will, Persönlichkeitsrecht spielt keine Rolle, Urheberrecht spielt keine Rolle, es spielt gar nichts ‘ne Rolle. Okay. Aber das können wir umgekehrt nicht machen. Für uns gelten die gleichen Regeln.“ Warum Frau Piel auch mit ihrem Subjektivismus-Beispiel falsch liegt und warum wir einen Objektivismus-Streit führen sollten, erläutert der Bonn-Duisdorfer Ich-Sender in diesem Video:

3 Gedanken zu “Ach Frau Piel, Frau Schäferkordt, Herr Doetz und Herr Moor….

  1. Super! Neun Minuten ungeschnittener, spannender und unterhaltsamer Vortrag zur Medienentwicklung und den Defiziten der allgemeinen Mediendiskussion – ganz großartig!

  2. NN

    Danke für die Diskussionsmöglichkeit(en).

    Nehmen wir z.B. mal die sogenannte anthropogene globale Erwärmung, dann fällt mir momentan aus den letzten Jahren kein einziger „objektiver“ Bericht aus der ARD zu diesem Thema ein, der einem skeptischen Standpunkt in dieser „Frage“ entgegengekommen wäre (Ich habe „leider“ überwiegend die öffenntlich-rechtlichen Sender verfolgt und bin nahezu am Verzweifeln.).

    In die „Paläste“ der Sender kommt der gewöhnliche Zuschauer nicht – er darf sich tausende schlecht recherchierte und/oder „propagandistische“ Beiträge ansehen, oder er darf/kann unter Umständen sein Land verlassen, wenn er gegen diesen Massenwahn, der sich einer Klimadiktatur annähert, nicht mehr mitmachen will. Die Radiosender sind mindestens genauso schlecht – und ich höre seit Jahren nicht mehr ‚rein.

    Richard Gutjahr: „Mir kommen, mit Verlaub, also auch die Mächtigen in den Sendern und in den Verbänden, kommen mir so ein bisschen vor wie die Machthaber in den arabischen Ländern …“

    Mit Verlaub, mir auch.

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