Wir befinden uns im Zeitalter der Jongleure, schreibt Professor Lutz Becker in einem sehr interessanten Blogpost:
Planung sei fast nicht mehr möglich, klagen viele Manager: Zu unstet würden sich Preise, Wechselkurse und politische Verhältnisse entwickeln. Manager müssten lernen, mit Unsicherheit, fehlenden Informationen und Unvorhersehbarem zu planen. Wenn Becker mit Managern arbeitet, hört er immer wieder die gleichen Klagen:
“Wir können eigentlich nicht mehr planen. Die Marktpreise spielen verrückt, und die Wechselkurse tun es erst recht.”
“Selbst wenn wir in der Lage sind, die Preise zu zahlen, wissen wir nicht, ob und wie viele Rohstoffe wir bekommen.”
“Noch vor wenigen Jahren malte der Projektmanager mühsam riesige Pläne auf Zeichenbretter. Diese Pläne waren heilig, denn der Aufwand, diese Pläne zu ändern, war immens. Da passten die Manager lieber die Wirklichkeit an, als den Plan zu ändern. Eine Geisteshaltung, die heute noch in so manchem Projekt vorherrscht. Dieses Vorgehen hatte einen schönen Nebeneffekt: Sie leistete der Kontrollillusion vieler Manager Vorschub, die so den Erfolg Ihrer Entscheidungen bestätigt sahen”, schreibt Becker.
Das bedeute nicht, dass alle Planung obsolet wird. Aber sie spiele eine andere Rolle. Der Plan verliere immer mehr seine normative Funktion und dient vielmehr dazu, Inkonsistenzen aufzudecken und Lernprozesse anzustoßen.
“Mein akademischer Lehrer Ekkehard Kappler betonte schon in den 1980er Jahren, dass Pläne dazu da seien, Abweichungen zu produzieren, und dass Planung den Zufall durch den Irrtum ersetze. Im Zeitalter der global vernetzten Märkte gilt das mehr denn je. Planung wird weniger als Umsetzung von Prognosen verstanden. Vielmehr soll sie gemeinsame soziale Wirklichkeitskonstruktionen und selbsterfüllende Prophezeiungen provozieren”, so Becker.
„Drop your tools” müsste also die Botschaft an die Controlling-Illusionisten heißen. Wer sein Unternehmen mit starren Instrumenten führe, scheitert an dem Unvorhersehbaren. Der Nutzen eines Werkzeugs kann nur darin liegen, dass es auf Phänomene anwendbar ist, die in der Vergangenheit stabil waren. In Phasen vollkommener Stabilität muss man lediglich wissen, wie man die Werkzeuge richtig einsetzt. Doch in Zeiten, die von raschem Wandel geprägt sind, darf man ihnen nicht mehr vertrauen.
„Heute kann man es sich nicht mehr leisten, die Rolle von Zufällen und die komplexen Voraussetzungen ihrer Ausbeutbarkeit zu unterschätzen“, schreibt der Soziologe Dirk Baecker in seinem Buch „Postheroisches Management“.
Entdecker und Unternehmer sollten bei ihrer Strategie weniger auf Top-down-Planung setzen, sondern sich auf maximales Herumprobieren und das Erkennen der Chancen, die sich ihnen bieten, konzentrieren, rät der frühere Börsenhändler Nassim Taleb in seinem Opus „Der Schwarze Schwan – Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“. Er stimmt nicht mit den Anhängern von Karl Marx und Adam Smith überein, dass freie Märkte nur funktionieren, weil sie ihnen „Belohnungen“ oder „Anreize“ für ihre Fähigkeiten bieten.
„Freie Märkte funktionieren, weil sie den Leuten erlauben, dank aggressivem Trial und Error Glück zu haben“, so Taleb.
Die beste Strategie bestehe darin, möglichst viel auszuprobieren und möglichst viele Chancen zu ergreifen, aus denen sich Schwarze Schwäne ergeben könnten.
„Dass wir in Umgebungen, in denen es zu Schwarzen Schwänen kommen kann, keine Vorhersagen machen können und das nicht einmal erkennen, bedeutet, dass gewisse ‚Experten’ in Wirklichkeit gar keine Experten sind, auch wenn sie das glauben. Wenn man sich ihre Ergebnisse ansieht, kann man nur den Schluss ziehen, dass sie auch nicht mehr über ihr Fachgebiet wissen als die Gesamtbevölkerung, sondern nur viel bessere Erzähler sind – oder, was noch schlimmer ist, uns meisterlich mit komplizierten mathematischen Modellen einnebeln. Ausserdem tragen sie mit grösster Wahrscheinlichkeit Krawatten“, bemerkt Taleb.
Wenn er Leute befragt, welche drei Technologien sich heute am stärksten auf unsere Welt auswirken, nennen sie in der Regel den Computer, das Internet und den Laser. Alle drei Innovationen waren ungeplant, unerwartet und wurden nach ihrer Entwicklung zunächst nicht gewürdigt. Sie hatten allerdings grosse Konsequenzen. Sie waren Schwarze Schwäne. Im Nachhinein bekommen wir leicht den Eindruck, dass sie Bestandteile eine Masterplans waren. Kaum ein von Ratio durchtränkter Manager gibt zu, dass Innovationen häufig durch glückliche Zufälle entstehen. Charles Townes erfand den Laser, um Lichtstrahlen zu spalten. Über weitere Anwendungen dachte er überhaupt nicht nach.
„Dabei hatte der Laser dann enorme Auswirkungen auf unsere Welt: CDs, Korrekturen bei der Sehschärfe, Mikrochirurgie, Speicherung und Wiedergewinnung von Daten – lauter unvorhergesehene Anwendungen der Technologie. Wir bauen Spielzeug. Manchmal verändert eines von ihnen die Welt“, führt Taleb aus.
Controlling getriebene Führungskräfte sollten statt ihrer rückwärtsgewandten Erbsenzählerei eher wieder die Märklin-Eisenbahn aus dem Keller holen und ihrem Spieltrieb freien Lauf lassen. So wie der Automatenerfinder des 18. Jahrhunderts. Die mechanischen Spielzeuge von Kempelen, Vaucanson oder Jaquet-Droz waren das Experimentierfeld für eine noch in den Kinderschuhen steckende Technik, die alsbald in den Dienst der industriellen Revolution gestellt werden sollte.
Ja…Die Planbarkeit ist mittlerweile das Ziel geworden…Dabei leidet zweifellos Innovation und Kreativität. Sind wir echt so träge geworden? Schöne Grüße