Netzökonom Holger Schmidt beschäftigt sich mit einer Untersuchung der Agentur Vierpartner, die jeweils zum Jahresende die Social-Media-Engagements der 30 Dax-Konzerne erfasst. Danach haben Adidas, Volkswagen, Siemens, BMW und die Deutsche Telekom im vergangenen Jahr kräftig auf Facebook, Twitter und Youtube zugelegt. “Auch Beiersdorf, Daimler, die Lufthansa, SAP und Munich Re haben sich stark in den sozialen Medien engagiert, hat Vierpartner mit der Analyse der mehr als 500 wichtigsten deutsch- und englischsprachigen Auftritte der 30 Unternehmen auf Facebook, Twitter und Youtube in aller Welt herausgefunden. Im Durchschnitt haben die Unternehmen die Zahl ihrer Facebook-Fans verfünffacht und ihre Twitter-Follower versechsfacht”, schreibt Schmidt. Er verweist aber zurecht auf die Tatsache, dass die rein quantitative Betrachtung der Fans, Follower und Abrufe wenig über die Relevanz der Social Media-Community aussagt. Für ein Unternehmen wie Adidas ist es sicherlich wichtig, möglichst viele Menschen über soziale Netzwerke zu erreichen, da das Unternehmen sich im Endkunden-Markt bewegt. Bei einem Maschinenbauer sieht das ganz anders aus.
“Gerade für B2B-Unternehmen liegt daher der Aufbau einer Fach-Community näher als das Anhäufen von Facebook-Fans. Blogs gelten dabei als sinnvolles Instrument für B2B-Unternehmen, wenn dort Fachleute aus dem Unternehmen Inhalte produzieren, die sonst im Web nicht so leicht zu finden sind. ‘Von Ingenieur zu Ingenieur’ lautet zum Beispiel die Überschrift über den Blogs des amerikanischen Unternehmens Indium, das geschickt Inhalte für seine Zielgruppe produziert und seine Ingenieure als Fachleute im Social Web aufbaut“, so Schmidt. Ein schönes Beispiel erwähnt David Meerman Scott in seinem Buch “Die neuen Marketing- und PR-Regeln im Web 2.0”: Er verweist auf The Concrete Network. Hier bekommt man alle Informationen Produkte und Dienstleistungen, die sich mit Beton beschäftigen. Da benötige ich sicherlich keine Massen, sondern eine Community, die sich mit dem Thema Bauen auseinandersetzt. Jim Peterson, Geschäftsführer von The Concrete Network, liefert qualifizierten Content über Arbeitsplatten, Pool-Umrandungen, Terrassen oder Garagenauffahrten, die für Bauherren und Hausbesitzer wichtig sind. Da kommt dann wieder der olle Pareto ins Spiel. Siehe auch: Social Media Index: Klickrate, Reichweite und Meinungsmacher – Was ist wichtiger?
Man müsse eruieren, “ob die alte Pareto-Verteilung in sozialen Netzwerken noch gilt. Wenn wir uns die Long Tail-Effekte im Netz anschauen, gibt es sehr viele Nischen mit 80/20-Verteilungen. In der einen ist man der ‚Star‘ und in der anderen mehr oder weniger der stumme Konsument und Beobachter“, erklärt Peter B. Záboji, Chairman des Frankfurter After Sales-Dienstleisters Bitronic. Entscheidend ist die Frage: 20 Prozent von was? Das kommentierte ein Leser meines Blogs:
Im Unterschied zur „alten“ Welt kann sich jede Spezialgruppe mit wenig Technik und Geld ihr Forum aufbauen. „Wenn dann 20 Prozent der 10 weltweit verteilten Liebhaber von blau-rosa Weinbergschnecken die Aufmerksamkeit in dieser Gemeinschaft auf sich konzentrieren, ist doch alles in Ordnung. In einer anderen Gruppe gehören die beiden wieder ‘nur’ zu den 80 Prozent Konsumenten. Neu ist eigentlich nur der ständige Rollenwechsel. Es gibt im Web 2.0 keine festgefügte 80/20-Aufteilung.
Siehe auch das Interview mit dem Mind-Marktforscher Christian Halemba und den Bericht der absatzwirtschaft:
Bei Twitter ist es zudem wichtig, wie viele aktive Follower mit an Bord sind, “wie viele Leute tatsächlich die Tweets bestimmter Twitterer mitbekommen, sie lesen, retweeten oder weiterverbreiten. An interessanten Ansätzen für aussagekräftigere Zahlen arbeiten im Fall von Twitter derzeit u.a. Anbieter wie backtype, Klout oder resonancers. Aus einer Vielzahl von zusätzlichen Faktoren errechnen sie, welche Twitter-Accounts tatsächlich einflussreich sind. Wie oft werden Tweets geretweetet, wie oft als Favorit markiert, wie einflussreich sind wiederum die Follower des Accounts – das sind nur einige der Faktoren. Noch wird mit diesen Methoden herumexperimentiert – und welcher der drei Anbieter die beste Methode entwickelt, muss sich erst herausstellen. Aussagekräftiger als die reinen Follower-Zahlen dürften die Daten aber schon jetzt sein”, meint Meedia-Analyst Jens Schröder.
Reine Fliegenbein-Zählereien führen also nicht weiter. Dieses Thema würde ich gerne für eine MarketingIT-Story aufgreifen. Eure Meinung interessiert mich. Statements können hier in der Kommentarspalte publiziert werden oder per E-Mail an: gunnareriksohn@googlemail.com
Auch wenn das Fliegenbein-Zählen alleine nicht reicht, ist bereits der Fliegenbein-Quotient nutzenstiftend. Das Verhältnis von Followern und Accounts, denen man selbst folgt, verrät in der Regel bereits, ob sich ein Unternehmen auf das Medium Twitter einlässt. Medienhäuser sehen sich z.B. gelegentlich als Ursprung aller News und folgen selbst niemandem. Auch “Blue Chips” tun sich mitunter schwer, selbst anderen zu folgen, weil dies ja bereits als starke Geste oder gar Bekenntnis ihrer Unternehmensmarke gewertet werden kann. Ob dies ein guter Weg ist und welche typologischen Varianten des Twitter Nutzer sonst noch von Bedeutung sind unter http://www.result.de/aktuell/quellen-des-kommunikativen-erfolgs-auf-twitter-eine-veroffentlichung-in-planung-analyse-32010/
@Matthias Wie schaut es denn bei SAP aus?
Zunächst ist zu sagen, dass es wahrscheinlich kein großer Aufwand für die nichtaktiven DAX- Unternehmen wäre, zumindest eine Facebookseite oder eventuell einen Twitteraccount zu gestalten und relativ aktuell zu pflegen. Andererseits muss man auch feststellen, dass diese Medien für z.B. K+S im Gegensatz zu Adidas weniger interessant sind. In Zukunft bleibt deshalb abzuwarten welches B2B- Potential Facebook noch entwickelt und welche Zahlen dann wirklich aussagefähig und nützlich sind.
Jeder Konzern muss, ob wer will oder nicht, sich mit social media auseinandersetzen und möglichst rasch anfangen, dort aktiv zu werden. Er muss nicht nach hundert tausenden von “Freunden” oder “Followern” streben. Aber muss dort präsent sein. Das ist wichtig, um sich an allen relevanten Meinungsbildungsprozessen beteiligen zu können. Das ist wichtig, um in Krisenfällen reaktionsfähig zu sein.
Die Meinungsbildung findet immer mehr im Social Web statt. Jede Person, jedes Medium, jedes Unternehmen, das sich an diesem Prozess der Meinungsbildung beteiligen will, muss in Zukunft im social web aktiv werden.
@Jürgen Da sehe ich ja gar keinen Widerspruch. Allerdings muss ein Markenartikler anders präsent sein, als ein Hersteller von Maschinen für den Tiefbau oder dergleichen. Zudem sagt Euer Ranking nichts über die Dialogorientierung, über die Offenheit im Diskurs mit der Netzöffentlichkeit, über eine Enterprise 2.0-Kultur – da sind deutsche Konzerne noch meilenweit von entfernt. Aber nicht nur deutsche, auch Vodafone ist ja gnadenlos gescheitert mit einer Social Media-Mimikry-Aktion.
Siehe auch meinen Beitrag für MarketingIT: http://www.marketingit.de/content/news/monitoring-tools-muessen-auch-weiche-faktoren-und-long-tail-effekte-beruecksichtigen;73725
Interessant auch: http://ne-na.de/social-media-monitoring-datenausspuck-maschinen-oder-sinnvolle-marketingtools-bericht-vom-marketing-solution-forum-in-d-sseldorf/