
Intuitiv geht beim Thema Fachkräftemangel der Blick nach außen in den Arbeitsmarkt. „Mit welchen Personalmarketing-Maßnahmen lassen sich Kandidaten gewinnen, um offene Stellen zu besetzen?“, scheint die wichtigste Frage im Kampf um die besten Köpfe.
Doch was, wenn es Unternehmen gelingt, vakante Positionen zu reduzieren, weil weniger Mitarbeitende gehen? “Dieses Potenzial ist gar nicht so klein, wie wir mit unserer Civey-Umfrage herausgefunden haben. Demnach würde sich ein Drittel der Belegschaft nicht zweifelsfrei noch einmal beim aktuellen Arbeitgeber bewerben. 34,6 Prozent aller Beschäftigten hat also innerlich bereits gekündigt, ist schon aktiv auf Jobsuche oder zumindest empfänglich für Abwerbeversuche”, sagt Wolf Reiner Kriegler von der Deutsche Employer Branding Akademie (DEBA). Gallup geht sogar von noch höheren Werten aus.
Diese Mitarbeitenden gelte es zurückzugewinnen, zu überzeugen und zu halten. “Deshalb ist Bindung nach innen mindestens genauso wichtig wie die Kommunikation der Arbeitgebermarke nach außen. Denn in Zeiten schwindender Potenziale auf dem Arbeitsmarkt verliert das klassische Recruiting an Bedeutung. Was hier an Ressourcen frei wird, muss in Identität und Identifikationspotenzial nach innen investiert werden. Plastisch gesprochen: Als Schutzimpfung oder Firewall gegen Abwerbung von außen. Wer dabei hilft, sind loyale Mitarbeitende, die andere überzeugen”, erläutert Kriegler.
Wer jetzt denkt: Das koste Geld, das wir nicht haben, dem sei gesagt, dass er lange nicht mehr so viel in Personalwerbung investieren muss wie gehabt. “Letztlich muss es doch darum gehen, mit dem eingesetzten Geld eine Wirkung zu erzielen. Sehr viel Geld in der Personalwerbung erzeugt aber immer weniger Wirkung. Wie viel mehr Geld wollen wir denn noch aufbringen, um dem Wettbewerb die immer weniger verfügbaren Talente abspenstig zu machen? Und wie laut, schrill, kurios oder sonst wie auffällig wollen wir dabei werden? Und treffen wir damit dann überhaupt noch den Nerv der Zeit, oder stürzen wir uns nicht eher in einem Strudel des Aktionismus, der uns am Ende nur noch rotieren lässt? Dazu kommt, dass die meisten Kampagnen gegenwartsbezogen sind – „so schön ist es hier gerade“. Der Zukunftsbezug, die Perspektive, die Vision, sie fehlen oft. Und damit auch die Attraktivität, die über den Moment hinausreicht. Mein Erleben tagtäglich: Die Zeit, in der die passenden Kandidaten angeworben werden wollen, ist vorbei. Wesentlich sinnvoller ist es, in passende Identifikationsangebote zu investieren, auf das sich Menschen einlassen können”, so Kriegler.
Die Konsequenz aus den diesen Erkenntnissen sei auch: Es gebe keinen Unterschied mehr zwischen „innen“ und „außen“. Es gehe um Offenheit, es geht um Begegnungen, auch zwischen derzeitigen und potenziell zukünftigen Mitarbeitenden. “Darin findet HR seine neue Rolle: Diesen Austausch zu ermöglichen. Und zwar ungefiltert. Damit Lisa und Tom erzählen können, wie es wirklich ist, hier zu arbeiten. Dazu muss man sie auch nicht notwendigerweise zu Testimonials machen und ihnen vorgetextete flotte Sprüche über die hippe Unternehmenskultur in den Mund legen. Wer sich mit der Marke seines Arbeitgebers identifiziert, braucht dafür kein Marketingkonzept, sondern schlicht eine Plattform zum Dialog, um andere zu überzeugen und zu gewinnen”, resümiert Kriegler, den ich für die Sendung #ZukunftPersonalNachgefragt interviewen werde.
Ausstrahlung am Dienstag, 15. August, um 15 Uhr.
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