
Für alle wirtschaftspolitischen Akteure wird es schwieriger, die drohende Rezession abzuwenden oder zu bekämpfen. Siehe auch meine Netzpiloten-Kolumne.
Eine Stellschraube ist der Kampf gegen die Monopolisierungsspirale in der Netzökonomie, die durch den Lockdown noch beschleunigt wird. Also die wachsende Marktmacht der Plattform-Riesen Google, Amazon, Facebook und Co. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dafür eine höchst sinnvolle Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorgelegt.
- Einführung des Konzepts der „Intermediationsmacht“ als ein Kriterium zur Ermittlung einer marktbeherrschenden Stellung, um die Rolle von Plattformen als Vermittler auf mehrseitigen Märkten besser erfassen zu können. Überfällig.
- Neufassung der „essential facilities doctrine“ besonders mit Blick auf Daten, um den Zugang zu „Gatekeepern“ im digitalen und nicht-digitalen Bereich zu verbessern. Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen sich weigert, einem anderen Unternehmen Zugang zu Daten zu gewähren, kann dieses Verhalten künftig unter bestimmten Umständen wettbewerbsrechtlich missbräuchlich sein. Kommt dem Vorschlag zur Pflicht der Datenteilung nahe, der von Thomas Ramge und Viktor Mayer-Schönberger in die netzökonomische Debatte eingebracht wurde.
- Etablierung eines Eingriffstatbestandes mit besonderen Verhaltenspflichten für große Plattformen, deren überragende marktübergreifende Bedeutung das Bundeskartellamt festgestellt hat. Das Bundeskartellamt kann ihnen künftig insbesondere folgendes untersagen: Beim Vermitteln des Zugangs zu Beschaffungs- und Absatzmärkten die Angebote von Wettbewerbern und eigene Angebote ungleich zu behandeln (self-preferencing). Wettbewerbern auf einem Markt, auf dem sie ihre Stellung schnell ausbauen können, zu behindern. Durch die Nutzung der von ihnen gesammelten wettbewerbsrelevanten Daten ein anderes Unternehmen zu behindern. Die Portabilität von Nutzerdaten zu erschweren und damit den Wettbewerb zu behindern.
- Schaffung einer Verbotsnorm zur Verhinderung bestimmter Maßnahmen, die ein „Tipping“ oder „Kippen“ von Märkten ins Monopol herbeiführen können. Das Bundeskartellamt kann künftig unter erleichterten Voraussetzungen einstweilige Maßnahmen erlassen, um den Wettbewerb zu sichern.
Der Referentenentwurf ist eine ordnungspolitische Meisterleistung im Geiste von Ludwig Erhard. „Das Kartellrecht gilt als Grundgesetz der Sozialen Marktwirtschaft“, betont zurecht der Wettbewerbsökonom Justus Haucap.
Blockade gegen GWB-Novelle
Nach einem Bericht der FAZ heißt es, Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) stehe zwar hinter den Verschärfungen, sie wolle ihnen aber nur dann zustimmen, wenn Altmaier im Gegenzug seine Bedenken gegen eine Vorlage ihres Hauses aufgebe. Dabei handelt es sich um den Gesetzentwurf für faire Verbraucherverträge. Was für ein kurzsichtiger Kuhhandel. Frau Lambrecht sollte jetzt sofort die Blockadehaltung zur Änderung des GWB aufgeben.
Man könnte der Justizministerin und auch anderen Protagonisten im wirtschaftlichen Geschehen zurufen: „Manch liebgewordene Tradition wird neuen Ideen, wird anderen Vorstellungen weichen müssen.“ Das sagte Eberhard Günther, der erste Präsident des Bundeskartellamtes, zum 75. Geburtstag von Ludwig Erhard. Es könnte auch der wirtschaftspolitische Slogan für die Bewältigung der Corona-Krise sein.
Im #NextTalk mit Justus Haucap werden wir das vertiefen. Am Mittwoch, um 11 Uhr im Multistream via YouTube, Facebook, Twitter/Periscope und LinkedIn.
Auf YouTube habe ich das vorher schon mal eingerichtet:
Mitdiskutieren über die Chat- und Kommentarfunktionen. Einfach auf meinen Accounts nachschauen während der Liveübertragung.
Hier der komplette Gesetzentwurf: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/G/gwb-digitalisierungsgesetz-referentenentwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=10