„Die Verwertungskette darf nicht unterbrochen werden“; „Die Verwertungskette darf nicht unterbrochen werden“

In Anlehnung an Hagen Rether wird jetzt gesungen: „Die Kühlkette Verwertungskette darf nicht unterbrochen werden.“ „Die Verwertungskette darf nicht unterbrochen werden.“ „Die Verwertungskette darf nicht unterbrochen werden.“ Oder vielleicht doch? Was passiert, wenn Urheber von Büchern, Musik, Kunst, Design, Software oder Produkten das Geschäft nicht mehr mit Maklern, Beratern, Agenten, Vertriebsorganisationen, Gebühreneintreibern oder Zwischenhändlern machen? Die Urheber werden nicht mehr mit mickrigen Tantiemen oder irgendwelchen Brosamen der Verwerter abgespeist, sondern können direkt am Verkauf ihrer Werke partizipieren – mit geringeren Overhead-Kosten und viel höherer Rendite.

Das schmeckt natürlich den Machtmonopolisten in den alten Industrien überhaupt nicht. Wolfgang Michal hat das treffend beschrieben:

„Dass die Spitzenverdiener ihre Interessen so vehement verteidigen, kann ich verstehen. Reichlich arrogant finde ich es aber, dass sie ihre Partikularinteressen mit den ganz großen Begriffen aufblasen. Da geht es immer gleich ums Ganze, um ‚Freiheit oder Barbarei‘. Da werden die großen Philosophen von John Locke bis Immanuel Kant zitiert und heilige Messen über die Menschenrechte gelesen, ja es wird die ganze schmerzhafte Evolution der Kultur von der Steinzeit bis heute bemüht…“

Es ist ja auch ein Skandal, dass die E-Books von Amazon zu einem Kampfpreis von 9,99 Dollar verkauft werden. Nach der Kostenlogik der Verlagskonzerne ist das Preisdumping. In Wahrheit spart man sich die Produktion von teuren Hardcover-Ausgaben und die Autoren werden sogar mit viel höheren Honoraren entlohnt und müssen sich nicht mehr mit den Knebelverträgen der Verleger herumschlagen. Die Verwertungskette ist eben sehr viel kürzer und die Zwischenverdiener machen keinen Reibach mehr – aber: „Die Verwertungskette darf nicht unterbrochen werden.“

Geht es beim Streit um „Geistiges Eigentum“ wirklich um die Interessen der Urheber oder um die Konservierung von Konzernstrukturen aus dem Zeitalter des Fordismus?

Mit den klassischen Instrumentarien aus der Zeit der industriellen Massenproduktion und des Massenkonsums kommt man aber nicht mehr weiter. In der Webwelt des Long Tail gelten andere Regeln. Mit reinen Skaleneffekten ist die Gewinnmaschine der Konzerne nicht mehr am Leben zu erhalten. Der Leitspruch „one size fits all“ gehört in die Mottenkiste und kann auch nicht mehr mit Abmahnorgien verteidigt werden – auch wenn das die liebwertesten Abmahn-Gichtlinge in der Musikindustrie nicht wahrhaben wollen.

Gierige Konzern-Lobbyisten

Es geht also nicht um „schnorrende Endverbraucher und die unentgeltlich nutznießender Netzindustrie“, die sich nach Ansicht des Welt-Redakteurs Ulrich Clauss angeblich alle unter dem Dach der Piratenpartei organisieren, sondern es geht um die Interessen der Urheber, die sich ohne Flankenschutz der Verwertungsindustrie wirtschaftlich betätigen wollen. Aber: „Die Verwertungskette darf nicht unterbrochen werden.“ Mag ja sein, liebe GEMA. Trotzdem ist es Schwachsinn, irgendwelche Musikvideos aus Youtube rauszukicken, die Mashup-Variante ist eh besser.

Mehr zu diesem Thema in meiner Montagskolumne für das Debattenmagazin „The European“.

5 Gedanken zu “„Die Verwertungskette darf nicht unterbrochen werden“; „Die Verwertungskette darf nicht unterbrochen werden“

  1. Was mir hier fehlt, ist eine etwas differenzierte Sicht gerade auf das Geschäft der Buchverlage. Zum einen investieren die guten in Lektorate, die aus guten Büchern sehr gute machen. Das sollte man nicht vergessen. Und wer z.B. Den Briefwechsel zwischen Thomas Bernhard und Siegfried Unseld liest, dem fällt es schwer, in jedem Verleger einen Ausbeuter zu sehen, der seinen Schriftstellern allenfalls Brosamen hinwirft. Ein bisschen arg einseitig ist das Ganze hier schon dargestellt.

  2. Noch besser ist der Briefwechsel zwischen Wolfgang Koeppen und Unseld. Koeppen litt ja nach seiner sehr erfolgreichen Nachkriegs-Trilogie unter manischen Schreibblockaden und ist von Unseld sehr nachsichtig behandelt worden. Das hat aber nichts mit dem klassischen Verlegertum zu tun. Da war wohl Unseld eher der Mentor. Hast Du schon mal einen Autorenvertrag mit einem großen Verlag abgeschlossen? 7,5 Prozent Tantiemen vom Verkaufspreis. Das waren bei mir schlappe 75 Cent pro verkauftem Buch. Gute Lektoren kann man sich auch auf dem Freelancer-Markt besorgen.

  3. Ich wollte ja nur mal ne Lanze brechen für Verleger. Ohne Wagenbach etc. haette es viele tolle Bücher nicht gegeben. mir ist einfach diese ganze Diskussion um Verwertungsindustrie etc. zu holzhammerartig, die momentan läuft. Obwohl man mit dem Holzhammer ja besonders gut philosophieren kann.

  4. Da hast Du natürlich recht. Diese Verleger werden hoffentlich auch weiter gute Arbeit leisten. Man muss halt sehen, mit welchen Projekten man Umsatz machen kann, um dann andere Projekte zu finanzieren. Der Steidl-Verlag macht es ja vor.

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