
Krisen sind “Zeiten des Ausprobierens und Herantastens”, wenn es um das wirtschaftliche Überleben geht, schreibt Professorin Friederike Welter, Präsidentin des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung, in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung:
„In der akuten Krise zeigte sich vielerorts, was Joseph Schumpeter als eigentliches unternehmerisches Handeln definierte: Innovatives Unternehmertum zeichnet sich durch schöpferische Zerstörung und Querdenken aus. Unter Umständen kann die Covid-19-Pandemie daher auch einen Innovationsschub in Deutschland ausgelöst haben.“
Es bestehe allerdings weiterhin die Gefahr, dass international tätige Unternehmen unverschuldet in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, wenn ihre Lieferketten und Absatzmärkte durch neue Lockdowns in anderen Staaten zusammenbrechen. „Dennoch gilt es dem gelegentlich laut werdenden Ruf nach ‚nationalen Wertschöpfungsketten‘ entschieden entgegenzugetreten: Eine Re-Nationalisierung verringert schließlich sowohl die Produktivität als auch die Fähigkeit, auf Krisen wirksam reagieren zu können. Bestrebungen nach stärkerer nationaler – auch europäischer – Isolierung gehen daher in die falsche Richtung“, meint Welter.
Schwierig gestalte sich die Frage nach der weiteren Ausgestaltung der Mittelstandspolitik in der Pandemie. „Idealerweise sollten im weiteren Krisenverlauf vor allem solche Unternehmen unterstützt werden, die den wirtschaftlichen Aufschwung während und nach der Pandemie mittragen können. Weniger empfehlenswert ist es, auf Dauer diejenigen Bestandsunternehmen zu stützen, deren Perspektiven am Markt aufgrund des zu erwartenden Strukturwandels zweifelhaft sind.
Stattdessen könnte die Politik im Hinblick auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen prüfen, inwieweit die vorübergehenden bürokratischen Erleichterungen nicht beispielhaft für dauerhafte Lösungen sein könnten.
Kollmann sieht keine Schumpeter-Effekte
„Ob die Corona-Krise einen Digitalisierungsschub in Verbindung mit einer digitalen Innovationswelle ausgelöst hat oder nicht, muss man differenziert betrachten. Ich kann im Markt eine zunehmende Digitalisierungsschere beobachten, die sich immer weiter öffnet und zwar zwischen denen, die schon mehr oder weniger digitalisiert waren (international gesehen: andere) und denen, die es noch nicht waren (international gesehen: wir) und es immer schwerer haben, noch auf die andere Seite zu kommen. Denn Digitalisierung bedeutet Investment und Kompetenz sowie die damit verbundene finanzielle, zeitliche und inhaltliche Möglichkeit, sowohl das reale Kerngeschäft zu digitalisieren, als auch ein digitales Innovationsgeschäft aufzubauen. Für viele KMUs ein schwieriger Spagat“, erläutert Professor Tobias Kollmann von der Universität Duisburg gegenüber ichsagmal.com.
Hinzu komme, dass die Corona-Krise bei vielen Marktteilnehmern, die sowieso schon auf der schwach-digitalisierten Seite der Schere lagen, die finanziellen Möglichkeiten weiter reduziert hat.
„In der Folge sehen wir Studien, die sowohl einen Digitalisierungsschub als auch einen Digitalisierungsstopp herausarbeiten. Je nach Blickwinkel und betroffenen Unternehmen in der Untersuchung. Entsprechend sehe ich gerade in der Corona-Krise weniger einen Schumpeter-Effekt, sondern eher einen Bricolage-Ansatz, bei dem die Akteure die notwendigen Anpassungen und den Zwang für digitale Innovationen aus den Ressourcen stemmen müssen, die vorhanden sind“, betont Kollmann.
Ob das zum Ziel führe und die Digitalisierungsschere wieder schließen wird oder zumindest einigen Akteuren den Sprung von der unteren auf die obere Scherenhälfte ermöglichen wird, muss sich aber erst noch zeigen. Ähnlich kritisch sieht es Marc Wagner vom IT-Dienstleister F
“In der Corona-Krise trennt sich vielerorts die Spreu vom Weizen und es zeigt sich, welche Organisationen und Unternehmenskulturen tatsächlich dynamikrobust und innovationsfähig sind.“ Beim Mittelstand erwartet Wagner positive Effekte. Es zeigt sich, das insbesondere im Mittelstand durch die aktuelle Krise ein enormer Innovationsschub erfolgt. „Vieles was vor der Krise nicht möglich schien und enorme Überzeugungskraft erfordert hätte, wird zur Selbstverständlichkeit.”