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Schickt Hacker in die DAX-Vorstände – “Marktversagen” der europäischen Unternehmen im Technologie-Wettbewerb #32c3

Google

Netzaktivistin Katharina Nocun beklagt beim Jahreskongress 32c3 des Chaos Computer Clubs die Dominanz von einigen wenigen amerikanischen Plattform-Betreibern und meint dabei vor allem Facebook. Es sei kein wirklicher Wettbewerb mit dem Zuckerberg-Konzern möglich. Faktisch sei Facebook der Anbieter für soziale Netzwerke für den Großteil der Welt. Dann folgt das übliche Datenkraken-Lamento:

“Basierend auf den Informationen, welche Profile wir anklicken, weiß Facebook, in wen wir verliebt sind und ob wir nach einer Trennung noch an einer alten Beziehung hängen”, so Nocun nach einem Bericht der SZ. Die gesammelten Informationen, die normalerweise für Werbung genutzt werden, könnten gefährlich werden, wenn sie in falsche Hände gelangen.

Ich finde diese Debatte ermüdend. Ähnlich geht es wohl dem Publizisten Gunter Dueck, der ständig mit Aussagen zum Ausverkauf unserer Daten konfrontiert wird. Was die Silicon Valley-Größen bei der personalisierten Werbung praktizieren, ist erst einmal nichts anderes als ein Service. Facebook, Google und Co. geben ihre Daten nicht weiter. Wo liegt nun eigentlich die Gefahr, liebe Katharina Nocun? Dueck fordert in solchen Debatten mehr Fachwissen. Wenn man Google oder Facebook Fehler oder gar Verbrechen beim Umgang mit Daten nachweisen würde, käme es direkt zum Zusammenbruch ihrer Aktienkurse. Das können diese Unternehmen nicht riskieren. Wer dann noch den Staat ins Spiel bringt, um die Datensammlung dieser Konzerne einzuschränken, macht sich vollends lächerlich.

“Der Staat selber ist der große Sünder, weil er keinen Aktienwert am Markt hat. Die machen in den Geheimdiensten, was sie wollen”, betont Dueck.

Und wenn der Staat mit seinen Geheimdiensten so operiert, kann er wohl nicht sehr glaubwürdig die Oberaufsicht über Google und Facebook übernehmen. Viele dieser Datensünden müssen wir also eher beim Staat verorten.

“Überraschenderweise gibt es dagegen keine Montagsdemonstrationen”, beklagt der ehemalige IMB-Cheftechnologe.

Nun bringt Nocun nicht den Staat ins Spiel, sondern dezentralisierte Netzwerke. Finde ich sympathisch. Aber wenn die Wirtschaftsfachfrau und Campact-Mitarbeiterin die Dominanz der amerikanischen Plattformen als “Marktversagen” tituliert und von der Notwendigkeit einer Regulierung des Marktes (durch den Staat?) spricht, fehlen wohl noch ein paar Pflichtscheine in volkswirtschaftlicher Theorie.

Nocun meint wohl Marktmacht und nicht Marktversagen. Und dann käme das Wettbewerbsrecht ins Spiel und die Frage, ob Verbraucherinteressen durch die Marktdominanz beeinträchtigt werden. Das ist weder bei Google noch bei Facebook der Fall. Siehe auch: Für hausgemachte Geschäftsprobleme ist nicht das Kartellrecht zuständig.

Das Marktversagen liegt ganz woanders. Ursache für die digitale Macht von Apple, Google-Alphabet, Amazon und Facebook ist die Unfähigkeit der europäischen Unternehmen, mit der Digitalisierung zu spielen und neue Geschäfte zu erschließen. Um das zu erreichen, darf man eben nicht mehr auf IT-Abteilungsniveau mit klassischen CIOs arbeiten, die die bestehende Organisation nur auf Effizienz trimmen sollen, sondern muss experimentierfreudige Nerds, Hacker und Gamer an die Spitze des Managements stellen. Im Handelblatt-Ranking der 100 nach Börsenkapitalisierung größten Unternehmen sind 54 in den USA beheimatet. Und das liegt an den Champions für digitale Technologie. Allein das Trio Apple, Alphabet und Microsoft ist mit 1,4 Billionen Euro rund 300 Milliarden Euro mehr wert als die 30 größten Konzerne Deutschlands im Leitindex DAX. Bei den Europäern können nur Roche, Nestlé, Norvatis, die Baurerei Anheuser-Busch, Novo Nordisk und der Ölkonzern Royal-Dutch mithalten unter den Top 50 – also Old Economy. Im unteren Drittel findet man Bayer, SAP, Daimler, Siemens, Deutsche Telekom und Allianz. Hier liegt unser Problem.

Vielleicht sollte man darüber stärker auf dem nachweihnachtlichen Kongress des Chaos Computer Clubs reden und weniger im Abwehrmodus lamentieren. Gefragt ist also netzökonomische Expertise – bei den Netzaktivistin und bei den Führungskräften der Wirtschaft. Wäre zu einem Streitgespräch auf dem 33c3-Event in Hamburg bereit 🙂

In diesem Sinne. Man hört, sieht und streamt sich im nächsten Jahr. Wünsche Euch einen guten Rutsch.

Update:

Sieht nicht nach Facebook-Enthaltsamkeit aus

Sieht nicht nach Facebook-Enthaltsamkeit aus

Campact und der Einsatz von Social Media-Buttons

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

6 Kommentare zu "Schickt Hacker in die DAX-Vorstände – “Marktversagen” der europäischen Unternehmen im Technologie-Wettbewerb #32c3"

  1. Hat dies auf http://www.ne-na.de rebloggt.

  2. Ganz offensichtlich geben schon die großen Unternehmen – ob mehr oder weniger freiwillig sei dahingestellt – die gesammelten Daten weiter. Ein Stichwort ist „Prism“ (Snowden, 2013).

    Und bei den ganzen kleineren Unternehmen, die Tracker betreiben und Werbenetzwerke nutzen, werden die ermittelten Daten sowieso ausgetauscht. So funktionieren Tracker und Werbenetzwerke nun einmal.

    Aber auch wenn Google, Facebook und Konsorten die gesammelten Daten nicht weitergeben und nur für sich behalten würden, sind sie alleine schon durch die massive Anhäufung der Daten fast jeden Internetnutzers eine Gefahr. Dank der dämlichen Social-Media-Buttons auf fast jeder Webseite wissen Facebook und Google, wer was liest und macht. Da braucht es noch nicht einmal ausführlich ausgefüllte Profile in diesen Netzwerken.

    Von den datengierigen Staaten ist natürlich keine Hilfe zu erwarten. Mit ihren Geheim- und „Sicherheits“-Diensten sowie ihrer Bürokratie sind Staaten sowieso die größten Datenkraken. Und den Datensammlern des Staates kann man sich nicht entziehen – im Internet kann man es mit einigem Aufwand schon noch zu einem großen Teil.

    Die Lösung ist, wie von Katharina Nocun genannt, die Nutzung dezentraler Systeme. So wie das Internet und das Web konzipiert wurden. Nicht eine zentrale Instanz Google und eine zentrale Instanz Facebook, die alles wisssen und kontrollieren. Sondern viele kleine, die dann auch nur einen Teil der Daten über ihre Nutzer und somit weniger Macht haben.

  3. Letztlich gibt Katharina aber den dezentralen Angeboten, wenn sie den dezentral bleiben, keine großen Chancen und plädiert am Schluss ihrer Rede für Regulierung. Wie die ausschauen muss, sollte sie dann noch ergänzen.

  4. Und wie steht es mit der Nutzung von Social Media-Buttons bei Campact 😉

  5. Der Vortrag von Fr. Nocun wurde nicht verstanden. Es ging nicht um den Markt, noch um Marktanteile, noch um Wettbewerb. Genauso wenig wie GNU/Linux (ist keine Firma) gegen Mircosoft antritt.
    Es geht um Freiheit und Kontrolle.
    Es geht um die Vermeidung von “gated communities”, bzw wie man aus diesen heraus kommt.
    Denn “gated communities” sind einfach zu kontrollieren und zu manipulieren.
    Dazu muss man aber die Funktionsweise von “gated communities” verstehen und darum ging es in dem Vortrag.
    Eigentlich möchten “die Hacker” nicht wirklich politisch aktiv sein.
    Der Chaos Communication Congress ist ein Hackertreffen und keine Bilderbergerkonferenz. Entsprechend ist es auch keine Konkurenzveranstaltung. Am Rande wird wohl immermal wieder auf politische Mißstände hingewiesen, jedoch für die Politik (und somit auch für Regulierung) ist die Regierung zuständig und kein Hackertreffen.

  6. Ich habe sie an einer Stelle zitiert und nicht den gesamten Vortrag in Abrede gestellt. Siehe meine Formulierungen: Nun bringt Nocun nicht den Staat ins Spiel, sondern dezentralisierte Netzwerke. Finde ich sympathisch. Aber wenn die Wirtschaftsfachfrau und Campact-Mitarbeiterin die Dominanz der amerikanischen Plattformen als “Marktversagen” tituliert und von der Notwendigkeit einer Regulierung des Marktes (durch den Staat?) spricht, fehlen wohl noch ein paar Pflichtscheine in volkswirtschaftlicher Theorie.

    Nocun meint wohl Marktmacht und nicht Marktversagen. Und dann käme das Wettbewerbsrecht ins Spiel und die Frage, ob Verbraucherinteressen durch die Marktdominanz beeinträchtigt werden. Das ist weder bei Google noch bei Facebook der Fall. Siehe auch: Für hausgemachte Geschäftsprobleme ist nicht das Kartellrecht zuständig.

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