
Ob Offline oder Online: Hört auf, uns anzuschreien
“Nehmt den Onlinern die Werbung weg”, so lautet die angriffslustige Botschaft von W&V-Blogger Thomas Koch in seiner jüngsten Kolumne. Nahrung bekam der Werbexperte durch ein höchst entlarvendes Streitgespräch zwischen Stephan Noller (Nugg.ad) und Nicolas Clasen, Autor von “Der digitale Tsunami”, in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift brandeins. Besonders die Geisteshaltung von Noller bringt Koch aus nachvollziehbaren Gründen auf die Palme.
Die Aufgabe von Werbung sei es, Bedürfnisse zu wecken – und ja, auch zu nerven.
Hier werde nach Ansicht von Koch offenbar, warum Online als Werbemedium bislang nicht funktioniert.
“Die Onliner haben nicht die geringste Ahnung von Werbung. Offenbar muss man ihnen den ‘Brand bzw. Purchase Funnel’ erst erklären. Doch, Herr Noller, nach Bekanntheit kommt Sympathie und Vertrautheit, dann erst die Kaufbereitschaft. Nicht einmal der große Online-Gott (wenn es ihn denn gibt) kann diese Reihenfolge umkehren”, schreibt Koch.
Die Aufgabe von Werbung sei es nicht, zu nerven. Werbung müsse verführen, Bedürfnisse wecken und um Sympathie buhlen.
“Neuerdings muss die Werbung sich sogar mit ihren Nutzern auseinandersetzen. Nein, Herr Noller, die Aufgabe von Werbung ist es nicht, zu nerven.”
Das Selbstverständnis von Noller ist anders:
“In einer Marktwirtschaft ist Werbung nun einmal kein Freund des Konsumenten (bei dem hackt es wohl, gs)….Es gibt in unserer Branche eine Reihe kluger Köpfe, die sagen: Wir brauchen Formate, die noch stärker unterbrechen.”
Das ist nicht Klugheit, sondern arrogantes und anmaßendes Vertriebsdenken – ohne Rücksicht auf Verluste. Und die Verluste treten ja schon ein, wenn man sieht, mit welchen Gegenmaßnahmen Internetnutzer reagieren, um den Nervpegel der Online-Werber zu reduzieren.
Koch plädiert für eine radikale Umkehr: Online-Werbung müsse sich zum Freund des Konsumenten erklären (eigentlich eine Selbstverständlichkeit) und ihn verstehen: Sie sollte verführerisch, schön und unterhaltsam sein.
“Wie die Preisträger der diesjährigen New Media Awards. Dann würde auch das Branding in digitalen Medien endlich funktionieren. Wir müssten nur eins tun: Den Onlinern, die die digitalen Kanäle verschandeln, die Werbung wegnehmen.”
Vielleicht sollten die Werbe-Schreihälse des Netzes noch einmal die Schulbank drücken bei den besten Werbeikonen, die unser Universum zu bieten hat, um den Wert von kreativen Kampagnen zu erkennen. Etwa bei Marty Cooke:
“So wie wir im TV-Land schürften, übersetzen die jungen Copywriter heute die Online Kultur in fesselnde Ideen. Anstatt in Headlines und Skripts formulieren sie viel öfter Ideen, die dann in Pixel oder Events verwandelt werden.”
Nachzulesen in: The Copy Book, Taschen Verlag.
Noller und Co. wird es wohl schwerfallen, der Empfehlung von Malcom Duffy folgen:
“Wenn gute Dinge in ihren Kopf kommen, kommen auch gute Dinge wieder heraus.”
Siehe auch:
Stilvolle Anarchie mit Steve McQueen und Jackass gegen die Marketing-Schreihälse des Netzes.
Das wird auch Thema meiner The European-Mittwochskolumne. Anregungen hoch wie immer hoch willkommen 🙂
Gedanken machen könnte sich Noller auch über eine Stellenanzeige von Buzzfeed mit gewünschten Eigenschaften, die Bewerber mitbringen sollten: „Emotionale Intelligenz und die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen.”
Sehr, sehr geil. Heutzutage gilt das Gesetz des ‘schnellen Daumens’: “Was nicht gefällt wird weggewischt.” Genau deshalb ist die Aussage von Herrn Koch wahrer denn je:
“Doch, Herr Noller, nach Bekanntheit kommt Sympathie und Vertrautheit, dann erst die Kaufbereitschaft. Nicht einmal der große Online-Gott (wenn es ihn denn gibt) kann diese Reihenfolge umkehren”
Längst ist die Macht der reinen Massenmedien (‘Push’) am untergehen. Natürlich dauert das noch etwas, jedoch ist die Machtverschiebung zum Empfänger bereits im vollen Gange. ‘Pull’ lautet nun die Devise. Vielleicht würde ich daher den Punkten von Herrn Koch noch ‘Empfängnisbereitschaft’ vor ‘Bekanntheit’ setzen. Dies muss der Trigger für Werbung der Zukunft sein.
Volle Zustimmung! Der Werbetexter Howard Luck Gossage (gestorben 1969) ist auch eine schönes Vorbild dafür, wie es anders ginge – ein Zitat: “Die Leute lesen keine Anzeigen. Sie lesen, was sie interessiert – und manchmal ist es eine Anzeige”. Wir Onlinenutzer werden heute allerdings eher zugemüllt als unterhalten. Im Grunde hat Gossage mithilfe klassischen Anzeigen Content-Marketing gemacht, sehr geistreichen & unterhaltsamen Anzeigen allerdings. Dazu habe ich in unserem Blog etwas geschrieben, im Kontext Kundendialog: http://blog.brightone.de/interaktionswelten/2014/04/content-marketing-braucht-call-for-action/
Hat dies auf http://www.ne-na.de rebloggt.