Telekom öffnet Glasfasernetze für Konkurrenz – Alleingang des Ex-Monopolisten chancenlos

 

Es gibt sie noch, die positiven Nachrichten von der Deutschen Telekom. So überraschte Festnetzchef Timotheus Höttges die Telekommunikationswelt am Wochenende positiv mit der Ankündigung, den Glasfaserausbau in Deutschland gemeinsam mit alternativen Anbietern voran zu treiben. Nach Ansicht von Branchenexperten ist das eine glatte 180-Grad-Wende, nachdem die Telekom die Konkurrenten noch vor zwei Jahren per Gesetz von ihren superschnellen Anschlüssen im Kupfernetz hatte ausschließen lassen. Das neue Modell sieht nach Informationen der Wirtschaftswoche http://www.wiwo.de nun vor, dass sich die Telekom mit dem jeweiligen Wettbewerber ein Stadtgebiet aufteilen und die Partner das Netz des anderen jeweils nutzen dürfen, um ihren Kunden so Fernsehen, Internet und Telefon als Komplettpaket anbieten zu können.

 

Von einer Zeitenwende könne nach Ansicht von Georg Stanossek, Chefredakteur des Fachdienstes Portel http://www.portel.de, allerdings nicht gesprochen werden. „Die Telekom steht im Festnetz mit dem Rücken zur Wand und hat gar keine andere Wahl, als bei so einer Mammut-Aufgabe wie dem Glasfaserausbau mit den Konkurrenten zusammen zu arbeiten. Nach wie vor verliert der rosa Riese jeden Monat zigtausende Kunden entweder an die Konkurrenz im Festnetz oder zunehmend auch im Mobilfunk. Besonders in den Ballungsgebieten, wo gleich ein halbes Dutzend oder mehr Anbieter die Kunden mit Dumpingpreisen und Pauschalen für Telefon und Internet umwerben, liegen die Marktanteile der Wettbewerber in Teilbereichen bereits bei über 70 Prozent“, erläutert Stanossek. Vor allem bei den Geschäftskunden oder der öffentlichen Hand könnten die lokalen Anbieter ihre engen wirtschaftlichen und politischen Kontakte voll ausspielen und zudem noch mit deutlich besseren Serviceangeboten gegenüber dem Ex-Monopolisten punkten. Der Konzern spüre immer stärker die Folgen permanenter Änderungen der Organisation, häufiger Führungswechsel und des Stellenabbaus.

 

„Dabei hat die Zukunft im Telekommunikationsmarkt noch gar nicht einmal so recht begonnen. Und dort wo sie begonnen hat, gehören die Netze in der Regel nicht der Telekom“, weiß Stanossek.

Brandherde gebe es Köln und München, wo Netcologne und M-Net als Lokalmatadoren in enger Zusammenarbeit mit den Stadtwerken und Wohnungsbaugesellschaften schon vor Jahren begonnen haben, in einzelnen Wohnblocks aber auch in ganzen Stadtteilen tausende von Haushalten per Glasfaser direkt auf das eigene Netz zu nehmen. „Ganz ohne die Telekom können die Kunden nun plötzlich einen Internet-Zugang mit 100 Mbit/s zum marktüblichen Preis erhalten. Schlagendes Argument für den Wechsel auf die Glasfaser ist dabei für die Kunden häufig nicht das deutlich schnellere Internet, sondern – Marcel Reich-Ranicki und Elke Heidenreich zum Trotz – das im Triple Play-Paket enthaltende TV-Angebot“, sagt Stanossek.

 

Der Aufbau der Glasfasernetze sei dabei keineswegs auf die Metropolen beschränkt. Im Gegenteil: Gerade auf dem Land mehren sich die Breitbandinitiativen, nachdem dort selbst wichtige mittelständische Unternehmen, beispielsweise aus der Zuliefererindustrie, lange genug und meistens vergebens bei der Telekom um DSL gebettelt haben. Alveslohe, Hamm, Meschede, Neuler, Nordhorn, Premnitz, Schwerte, Steinfurt, Zernsdorf – gerade diese vermeintlich unbedeutenden ehemals ‚weißen Flecken’ auf dem deutschen Breitbandatlas sind es, welche die Telekom nun anscheinend zur Vernunft gebracht, um nicht zu sagen in die Knie gezwungen, haben“, glaubt der Portel-Chefredakteur. Abseits der „großen“ Telekom-Themen Stellenabbau, Datenklau und Abhörskandal hätten sich diese Orte klammheimlich von der Telekom-Fessel „Teilnehmeranschlussleitung (TAL)“ befreit und auf eigene Faust und in einer Art Bürgerbewegung teils mit eigenen, teils öffentlichen Fördergeldern bessere und preiswertere Kommunikationsinfrastrukturen geschaffen. 

 

„Offenbar hat sich mittlerweile auch bis in den Vorstand herumgesprochen, dass der Konzern hier im Wettbewerb keine Chancen hat, seine Kunden zu behalten, wenn eine Gemeinde sich einmal entschließt, ihre Bürger mit Glasfaser zu versorgen. Gleichzeitig hat die Telekom nicht die Mittel, den flächendeckenden Ausbau ihres Glasfasernetzes auf der letzten Meile, also den letzten Metern vom Kabelverzweiger bis ins Gebäude, aus der eigenen Kasse zu finanzieren. Bis zu 60 Milliarden Euro sind dafür nach Einschätzung von Experten erforderlich. Timotheus Höttges zieht für die Telekom also lediglich die Notbremse, wenn er nun beim Glasfaserausbau die Zusammenarbeit mit den lokalen Anbietern sucht“, kommentiert Stanossek.

 

Und selbst wenn die Telekom die finanziellen Mittel hätte: Die EU-Kommissarin Viviane Reding habe längst klar gemacht, dass sie auch die Glasfasernetze in Europa regulieren und für den Wettbewerb öffnen will. Die Kommission führt zum Next Generation Access (NGA) derzeit entsprechende Konsultationen durch. Über einen gemeinsamen regulatorischen Rahmen für NGA-Netze soll eine einheitliche Behandlung der Netzbetreiber in der EU erreicht und so die für Investitionen erforderliche Rechtssicherheit geschaffen werden. „Ein flächendeckendes Glasfasernetz, das alle Dienste-Provider als Open Access-Netz zu gleichen fairen Konditionen nutzen können, ist für den Wirtschaftsstandort Deutschland von entscheidender Bedeutung im internationalen Wettbewerb“, meint Stanossek. Am Ende wäre es für den Markt aber auch schon ein positiver Effekt, wenn die Fixierung der Deutschen Telekom und anderer Unternehmen auf kurzsichtige Gewinnmaximierung und die damit verbundenen kurzfristigen Abschreibungszeiten für Investitionen nun einem nachhaltigen Investitionsverhalten und einem Denken in langfristige Renditen weichen würde. Siehe auch: http://www.inside-digital.de/news/2137.html; http://www.voip-info.de/news/newsartikel__968.php; http://www.dsl-magazin.de/news/telekom-konkurrenz-fordert-zugang-zu-ip-glasfasernetzen_21507.html; http://www.portel.de/nc/nachricht/artikel/14348-vatm-bnetza-will-wettbewerbern-eingeschraenkten-zugang-zum-glasfaser-netz-gewaehren/; http://www.portel.de/nc/nachricht/artikel/20245-diw-studie-deutschland-muss-bei-telekom-investitionen-nachlegen/.