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Jetzt reicht es: Bonner Stadtverwaltung agitiert mit Muster-Widersprüchen gegen Google

Gestern bekam ich Post vom Bonner Oberbürgermeister. Wie jedes Jahr flatterte der Abgabenbescheid für die Grundsteuer ins Haus, den ich natürlich brav entrichten werde. Aber welche Hornisse hat Euch gestochen, Ihr Stadtoberen, mit dem Schreiben des Steueramtes auch gleich noch auf Staatskosten das Pamphlet für die Kampagne gegen das Street View-Projekt von Google zu verschicken? Mit einem Musterschreiben will die Stadtverwaltung die Bonner Bürger dazu antreiben, mit Hausmeister-Methoden gegen das Abfotografieren von Immobilien vorzugehen.

Herr Oberbürgermeister, Sie verschwenden nicht nur Steuergelder für sinnlose Spam-Aktionen, das Ganze macht den Eindruck einer kollektiven Panikmache.

Aber Widerspruch können Sie haben, Herr Oberbürgermeister:
Ich lege Widerspruch ein gegen folgende Regelung der Sondernutzung:

“An § 2 der Satzung der Bundesstadt Bonn über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen wird folgender Satz 3 angehangen:
Der Erlaubnis bedarf es auch für jede Nutzung der Straße zu dem Zweck, eine umfassende fotografische oder digitale Darstellung des Gemeindegebietes oder eines zusammenhängenden Teils dieses Gebietes oder einzelner Straßenzüge aufzunehmen oder grafisch oder digital weiter zu verwenden”. Siehe auch die Veröffentlichung im Amtsblatt.

Ich halte die Änderungen der Satzung für rechtswidrig und bitte die Kommunalaufsicht um Überprüfung. Die Regelungen zur Sondernutzung stehen eindeutig im Widerspruch zur geltenden Rechtsprechung. Ich verweise auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Karlsruhe vom 01.12.1999, Aktenzeichen 2 K 2911/99.

Kleiner T-Shirt-ProtestIch halte das für einen Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit.

Mal schauen, wie die Antwort ausfällt. Wenn jemand eine Idee für einen Muster-Widerspruch gegen die Stadt hat, kann er das hier gerne veröffentlichen.

Über den Autor

gsohn
Diplom-Volkswirt, Wirtschaftsblogger, Livestreamer, Moderator, Kolumnist und Wanderer zwischen den Welten.

11 Kommentare zu "Jetzt reicht es: Bonner Stadtverwaltung agitiert mit Muster-Widersprüchen gegen Google"

  1. Genau richtig! Weiter so!

    Bitte auch meine beiden Bildcollagen wiedergeben (rechtefrei):

    http://archiv.twoday.net/stories/6414104/

  2. Was haben die Panoramafreiheit und der zitierte Beschluss (kein Urteil) zu tun mit einer Regelung zur “umfassenden fotografischen oder digitalen Darstellung des Gemeindegebietes oder eines zusammenhängenden Teils dieses Gebietes oder einzelner Straßenzüge” in einer Satzung?

    Stichworte: umfassend, Urheberrecht vs. Persönlichkeitsrecht

  3. Das Abfotografieren von Straßenzügen und Jägerzäunen fällt also unter das Persönlichkeitsrecht oder Urheberrecht? Das hat Michael Seemann sehr gut gekontert und auch den Sinn der Panoramafreiheit erläutert: http://mspr0.de/?p=1275

    Und zur Entscheidung, zum “Beschluss” (dann gab es wohl keine mündliche Verhandlung) des Verwaltungsgerichtes. Hier ging es um genau das, was Google Street View umsetzt:

    „Eine Gebäudedatenbank, bei der die Außenansichten der Wohngebäude von Straßenzügen in größeren Städten fotografisch erfasst und auf einer CD-ROM zusammengestellt werden, verletzt weder das Eigentumsrecht des Anliegers, noch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht, insbesondere das Recht am eigenen Bild und auf informationelle Selbstbestimmung; auch datenschutzrechtliche Vorschriften werden nicht verletzt.“

    Siehe auch: http://gunnarsohn.wordpress.com/2010/06/19/google-street-view-bonn-und-die-journalistische-berufsfreiheit-bekomme-ich-jetzt-einen-gebuhrenbescheid-herr-oberburgermeister/

    Tangieren meine Fotos irgendwelche Persönlichkeitsrechte oder Urheberrechte? Wenn ja, freue ich mich schon auf entsprechende Klagen der Betroffenen.

  4. @gunnarsohn:

    Da die Begriffe sonst nicht auftauchten, unterstelle ich mal, die Antwort richtete sich an mich.
    Wenn dem so ist, geht sie inhaltlich völlig fehl.

    Mein Hinweis bezieht sich auf die Frage, was die Panoramafreiheit mit dem Beschluss zu tun hat und der Satzung. Ebenso dürfte die Satzung nicht dein/Ihr Foto tangieren.

    Darum lauteten meine Stichworte zum drüber Nachdenken:
    umfassend, Urheberrecht vs. Persönlichkeitsrecht

    und nicht etwa:
    umfassend, Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht

    und schon gar nicht:
    Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht

    Wie so oft bei diesem Thema wurde und wird auch hier viel zu viel in einen Topf geworfen, das nicht in einen Topf gehört.

  5. Stichworte sind eben noch keine Diskussionsbeiträge. Die Satzung tangiert sehr wohl meine berufliche Tätigkeit. Ich habe die Aufnahmen während der Fahrt (mit dem Fahrrad) gemacht für kommerzielle Zwecke. Da die Bestimmungen nur allgemeinen Charakter haben dürfen, ich die Fahrt nicht angemeldet habe, müsste ich jetzt einen Bußgeldbescheid bekommen.

    Sowohl der VG-Beschluss als auch die Panoramafreiheit passen sehr wohl zum Thema. Es geht um die Berechtigung, Straßen, Gebäude, Jägerzäune etc. aufzunehmen und zu dokumentieren. In welcher Form auch immer.

  6. @gunnarsohn:

    1. Weil Stichworte keine Diskussionsbeiträge sind, stehen sie bei mir auch nie allein, sondern als “Vertiefungshinweise und Suchstichwörter” ergänzend zu meinem Beitrag.
    Kann man das unabsichtlich übersehen?

    2. Sie sollen zum Suchen und Nachdenken anregen, nicht zum bloßen Antworten.
    Hätten sie dieses Ziel erreicht, wäre sicherlich aufgefallen, dass der Beschluss sich nur in der äußersten Peripherie mit der Panoramafreiheit beschäftigt.
    Deutlich mehr geht es um Sondernutzung, Recht am eigenen Bild, Datenschutz u.ä. … also Dinge, die mit dem Urheberrecht nichts zu tun haben. Das ist kein Zufall.

    3. Dein Beispielbild (ich frage gar nicht erst, für welche kommerziellen Zwecke das aufgenommen sein könnte; dir fällt da sicher was ein) dürfte eben nicht von der Satzung tangiert sein und – wieder kein Zufall – meine Stichwörter weisen auch hier den Weg zur Erklärung dafür.

  7. Der Beschluss des VG Karlsruhe erwähnt nicht explizit die Panoramafreiheit, das ist schon richtig. Aber er betrifft den gleichen Sachverhalt. Meine Beispielbilder fallen zu 100 Prozent unter die Bestimmungen der Satzungsänderung. Ich habe einen zusammenhängenden Teil meiner Straße aufgenommen und kommerziell in dem Onlinemagazin NeueNachricht verwendet.

    An § 2 der Satzung der Bundesstadt Bonn über Erlaubnisse und Gebühren für Sondernutzungen an öffentlichen Straßen wird folgender Satz 3 angehangen:
    Der Erlaubnis bedarf es auch für jede Nutzung der Straße zu dem Zweck, eine umfassende fotografische oder digitale Darstellung des Gemeindegebietes oder eines zusammenhängenden Teils dieses Gebietes oder einzelner Straßenzüge aufzunehmen oder grafisch oder digital weiter zu verwenden.

  8. Ich spreche den Gegnern von Google-StreetView die echte Sorge und die persönliche Betroffenheit nicht ab. Aber die weltweite Verfügbarkeit der Abbildung des von ihnen bewohnten Hauses ist kein Eingriff, der es gestattet, in massiver Weise Bürgerrechte einzuschränken. In der Liste Netlaw-L habe ich der dort vertretenen juristischen Meute mal aufgezählt, welche Grundrechte die geplante gesetzliche Regelung, die ja nie nur eine Lex Streetview sein darf, beeinträchtigt:

    * die allgemeine Handlungsfreiheit (ich darf alles tun, was nicht verboten ist bzw. in Rechte anderer eingreift)

    * die Pressefreiheit – wer das Straßenbild in Publikationen dokumentiert kann sich auf diese berufen

    * die Meinungsfreiheit – es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass auch Dokumentationen darunter fallen

    * eventuell auch die Informationsfreiheit, also das Recht sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten

    * die Wissenschaftsfreiheit, denn auch die gewerbliche Forschung anhand von Hausabbildungen steht unter dem Schutz des GG

    * die Berufsfreiheit der Unternehmen, die Geld mit der Erstellung und der Vermarktung von Straßenabbildungen machen.

    Was die Sondernutzungssatzung angeht, so ist durch den zitierten VG-Beschluss und allgemeine straßenrechtliche Grundsätze geklärt, dass ein Fotografen-Fahrzeug, das sich normal im Verkehr bewegt (anhält, weiterfährt usw.) keine Sondernutzungsgebühr auslösen kann, weshalb auch die allermeisten derjenigen Kommunen, die in die spezifisch deutsche Anti-Streetview-Hysterie einstimmen, nicht auf das Pferd Sondernutzungsgenehmigung setzen.

  9. @gunnarsohn:

    1. Der Beschluss hat einen vergleichbaren Sachverhalt zum Gegenstand und erwähnt trotzdem (eigentlich gerade deswegen) die Panoramafreiheit wörtlich gar nicht und sinngemäß fast gar nicht. Das sollte doch zum Nachdenken anregen!?

    2. Wenn dir mit dem Zitat der Norm und meinen Stichwörtern noch nicht auffällt, warum deine Aufnahmehandlung nicht von der Satzung umfasst ist, dann weiß ich kaum noch, wie ich dir helfen soll.
    Bloßes aufmerksames vollständiges Lesen sollte doch schon auf das Wort “umfassend” stoßen lassen?

  10. wenns nicht google wäre, wärs auch nicht sooooo ein Problem. Aber diese Datenkrake sollte sich einfach mal selbst bescheiden verhalten! Geschäftsmodelle sind eben nicht das EIN + ALLES! Wenns ein Anderer macht – Hach

  11. Ist der Staat keine Datenkrake? Wir sollten da genau hinschauen, von wem die Kritik gegen Google kommt

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