Wo die zentralen, digitalen Schwachpunkte der deutschen Wirtschaft liegen oder was sie konkret schädigen sollen, ist nach meinem kleinen Rundumschlag über das Versagen der Positionselite (nicht gleichzusetzen mit geistiger Elite) für Robert Basic nicht erkennbar.
“Das reine Meckern, dass Südkorea ein soviel schnelleres Breitbandnetz für Alle habe, ist kein ernstzunehmendes Argumentbeleg für die Wirtschaftsleistung und Aussichten eines Landes, wenn man nicht gerade für den Spiegel etwas populistisch und verkaufswirksam formulieren soll”, postet Basic auf Facebook und fordert mich auf, doch mal etwas konkreter zu werden.
Dann folgen die üblichen Hinweise auf unsere Exporterfolge (bei denen man allerdings die Vorleistungen in anderen Ländern abziehen muss mit Hinweis auf die sinkende Fertigungstiefe in Deutschland), unseren in der Tat recht krisenfesten Maschinenbau, die Autoindustrie (Stichwort wieder Fertigungstiefe – man kann sich beispielsweise anschauen, wo die Zulieferer produzieren) und unsere gut ausgebildeten Ingenieure. Einige industrielle Säulen funktionieren recht gut und sind das Ergebnis eines robusten mittelständischen Unternehmertums, wofür uns andere Länder zu recht beneiden. Soweit so gut. Aber was kommt dann? Schaut man sich die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung etwas genauer an, zählen die Konsumausgaben zum wichtigsten Wachstumsmotor in den vergangenen Jahren. Dagegen gingen die Investitionen zurück: Im Inland investierten Unternehmen und Staat 2013 zusammen 2,2 Prozent weniger in Maschinen und Geräte sowie Fahrzeuge als ein Jahr zuvor. Auch die preisbereinigten Bauinvestitionen gingen um 0,3 Prozent zurück. Auf der Entstehungsseite des Bruttoinlandsproduktes stagniert die Wirtschaftsleistung des produzierenden Gewerbes. Hier kommen die Impulse von den Unternehmensdienstleistern mit einem deutlichen Zuwachs von 3,4 Prozent – insgesamt lag das Wachstum bekanntlich nur bei mageren 0,4 Prozent.
Zur volkswirtschaftlichen Relevanz des verarbeitenden Gewerbes ist die Zahl der Erwerbstätigen ein aussagekräftiger Indikator (Sichtwort wieder Fertigungstiefe): Insgesamt kam das produzierende Gewerbe 2013 auf durchschnittlich 5,2 Millionen Beschäftigte, davon arbeiten 930.000 im Maschinenbau.
Die Zahl der Erwerbstätigen lag in Deutschland im vergangenen Jahr insgesamt bei knapp 42 Millionen! Das Arbeitsplatz-Potenzial des Maschinenbaus liegt bei rund 2,2 Prozent. Wir könnten uns jetzt zurücklehnen und sagen, so lange die Inlandsnachfrage stabil bleibt, Exporte funktionieren und die Zahl der Beschäftigten nicht einbricht, ist alles in Ordnung – schließlich zählen wir zu den stabilsten Volkswirtschaften der Welt. Aber wie viel Zukunft steckt in dieser Geisteshaltung? So langsam werden wir zur verlängerten Werkbank, die sich auf die Veredelung von Produkten und Diensten zurückzieht. Wie viele unserer Projekte in der Grundlagenforschung, Patente und Ingenieurleistungen bringen wir zum Markterfolg? Welchen Stellenwert hat bei uns die Digitalisierung und die Konzentration auf Anwendungen, die bei Produkten immer entscheidender wird? Von der Heimvernetzung bis zur großspurig verkündeten Energiewende, die im Streit um das EEG gerade kräftig zerredet wird, verspielen für wichtige Themen, die eng mit der vernetzten Ökonomie zusammenhängen.
Wo die Reise hingehen könnte, hat der “populistische” Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe mit einem tiefen Blick in die Forschungslabors von Google skizziert: Der Silicon Valley-Riese sei längst kein reines Internet-Untenehmen mehr, sondern ein globaler Hightech-Konzern, der im Eiltempo zur Wirtschaftssupermacht mit einem Umsatz von 60 Milliarden Dollar und einem Jahresgewinn von 13 Milliarden Dollar aufgestiegen ist. Das Betriebssystem Android dominiert nicht nur die Smartphone-Welt, sondern wird künftig das Internet der Dinge beherrschen und selbst den Maschinenbau dominieren. Google verlegt Glasfaserkabel, produziert Laptops, Tablets und Software, steigt in die Pharmaindustrie ein, experimentiert mit fliegenden Windturbinen zur Produktion von Ökostrom, bringt die Robotik in der industriellen Produktion auf ein höheres Level, engagiert die besten Genetiker, Hirnforscher, Elektrotechniker, Maschinenbau-Ingenieure (!) und Chemiker.
“All die Projekte, Ideen und Experimente verbindet die Vision, das Leben mit intelligenten Maschinen zu verbessern, sei es im Büro, zu Hause oder im Auto”, schreibt der Spiegel.
SAP, Daimler, Siemens, BMW, Bosch, ABB, Conti und Co. werden weiterhin zu den Schwergewichten in der Wirtschaft zählen. Aber wie viel “Made in Germany” wird künftig in diesen Firmen stecken? Welche Organisation packt rund acht Milliarden Dollar nur in das Forschungsbudget, wie Google im vergangenen Jahr? Entsprechend groß ist die Verwunderung von Google-Chef Larry Page über die Zaghaftigkeit vieler traditioneller Firmen, die nur das weiter machen, was sie immer schon gemacht haben. Wo ist sind die großen Moonshot-Projekte im Land der Ingenieure, Dichter und Denker? Warum arbeitet ein Multitalent wie der Solinger Sebastian Thrun als anerkannter Experte für Robotik und Künstliche Intelligenz für das Forschungslabor Google X und nicht für Bosch?
Müssten wir nicht wagemutiger sein, um technologische Visionen nicht nur in der Grundlagenforschung anzugehen, sondern sie zu Erfolgen auf dem Weltmarkt zu führen? Die digitale Infrastruktur ist dafür nur ein Baustein für die Entfaltung eines neuen Unternehmertums. Aber selbst auf diesem Feld stümpern wir herum. Wenn es die Netzbetreiber und der Staat nicht schaffen, wird auch hier Google eingreifen und über Stratosphären-Ballons Wifi-Signale zur Erde senden, bis in die entlegensten Winkel unserer Republik. Klingt verrückt, könnte scheitern und würde hier in Deutschland wohl keinen Investor begeistern. Wer wilde Phantasien hat, darf damit bei Google auch scheitern. So macht man Zukunft.
Siehe auch:
Bosch und das Vorgangsverfolgungssystem – Internet der Dinge mit Hängeregister.
Beliebt auch die Bullshit-Bingo-Laberei.
VOM NIEDERGANG DER SLIPPERSCHUH-MANAGER.
Google X, the Secret Google Lab.
Was entwickelt Google in seinen X Lab?
Udacity founder: MOOCs can help the economy, even if they can’t replace college
Mut zum Risiko (und damit auch Scheitern) ist was Deutschland abhält, Innovationen aus dem Labor in wirtschaftlich relevante Produkte und Services zu wandeln.
Doch warum ist das so viel anders in den Innovationshochburgen an der US-amerikanischen Ostküste, Silicon Valley und anderswo (auch in Europa)? Was fehlt, was andere haben?
Die Industrie Deutschlands, mit der Wiedervereinigung in einen fast euphorisch nennenden Aufschwung geraten und mit der Finanzkrise abrupt in das “alte Verhalten” zurückgeholt, traut sich nichts mehr. Da nach wie vor die Devise zählt, “Großes kann nur mit Großem gelöst werden!” haben es die Lean Startups (wie auch Google und Facebook einmal begonnen haben) extrem schwer in einer Umgebung in der Kleines (auch wenn es exponentiell wächst) als irrelevant angesehen wird selbstverständlich schwierig.
Der Artikel im Spiegel hält dem Lesen den Spiegel vor, und zeigt (teilweise) was möglich wäre und was (zur Zeit) nicht geht.
So sehe sich das auch. Die Industrie-Lobbyisten sehen das anders.
Hat dies auf http://www.ne-na.de rebloggt.
Hallo,
ich kenne nun den Artikel im Spiegel nicht. Aber ich kenne das als Landwirt nur zu gut, dass wir Risiko scheuen, weil das mögliche Scheitern gesellschaftlich als Versagen interpretiert wird.
So haben wir es gelernt. Und bisher haben ja auch bei uns diejenigen, den meisten Erfolg, die nicht “spinnig” Ideen nach vorn bringen, sondern abwarten (können) bis die Masse sich eh in die Richtung bewegt.
Als Landwirt bist Du so erzogen worden. Mache nichts, bevor es nicht eine Förderung dafür gibt! Und dieses Prinzip hat inzwischen so um sich gegriffen, dass selbst auf kommunaler Ebene sich Landräte wählen lassen (grad kommunlaer Wahlkampf), die “Förderungen in den Landkreis” holen. Als ob mit Förderungen irgendwelche Probleme gelöst werden?
Eher ist Förderung die Erlernung der Hilflosigkeit.
Sicherheitsdenken überall, über alles!
Alois