Konstantin der Rausgeworfene schießt weiter

Das DuMont-Familiendrama nimmt kein Ende. Auch nach dem Rauswurf des Verlegersohnes Konstantin geht die Schlammschlacht weiter. So hilft es wohl nichts, wenn die DuMont-Blätter sich eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten verbitten und Warnungen gegen die Konkurrenz aussprechen. Prompt folgte eine harte Replik von Stefan Niggemeier, die er vorgestern auf seinem Blog unter der Überschrift „DuMont: Kommunizieren wie Nordkorea“ veröffentlichte: „Jetzt sind sie wirklich verrückt geworden bei M. Dumont Schauberg (MDS), und ich meine damit nicht den Verlegersohn.
Seit Wochen demonstriert das Unternehmen, dass es ein Kommunikationsproblem hat, das viel größer ist als der merkwürdige Mitteilungsdrang von Konstantin Neven DuMont. Im Verlag glaubt man, selbst bestimmen zu können, wie viel in anderen Medien über den Machtkampf, der im Haus tobt, berichtet wird. Zunächst versuchte man es mit Totstellen und Schweigen, dann mit einer politbürohaften Verlautbarung. Weil sich beides als untauglich erwies, die Berichterstattung zu stoppen oder wenigstens im eigenen Sinne zu beeinflussen (was außerhalb des Verlages niemanden überrascht haben wird), greift das Haus nun zum nächsten klassischen Mittel und geht zum propagandistischen Gegenangriff über.“

Heute nun meldet sich Konstantin der Rausgeworfene wieder in der von DuMont heiß geliebten Bild Köln zu Wort. Die Gesellschafter und der Aufsichtsrat von Neven DuMont würden unverantwortlich handeln. „Von Anfang an sind Dinge kommuniziert worden, die so nicht stimmen“, kritisiert KND. Das Ganze sei eine PR-Katastrophe, die aber tragische Züge habe. „Die haben geglaubt, alle Menschen würden sich auf ihre Seite schlagen. Seit ich dort raus bin, ist die Qualität dramatisch gesunken.“ Von dem Rausschmiss erfuhr er wohl erst aus dem Internet – was so einiges zum zerrütteten Verhältnis zwischen Vater und Sohn aussagt. Der Streit sei noch lange nicht abgeschlossen – was die Medienjournalisten des Landes sicherlich genussvoll zur Kenntnis nehmen: „Ich habe immer noch keine Begründung für meine Beurlaubung. Und auch kein Angebot zur Vertragsauflösung. Außerdem zieht sich der Verkauf meiner Anteile schon viel zu lange hin.“

Da werden die Weihnachtsgeschenke von Papi in diesem Jahr wahrscheinlich etwas kleiner ausfallen. Trotzdem wünsche ich der Neven DuMont-Familie ein frohes Fest.

Siehe auch:
Geschasster DuMont kritisiert Aufsichtsrat.

Unheilige Allianz gegen einen neuen Journalismus

In einem lesenswerten Gastbeitrag erläutert Andrea Kamphuis, warum sie nach der Verabschiedung des Urheberrechtspositionspapiers aus ver.di ausgetreten ist:

„Jeder Schöpfer nutzt die Werke anderer, und insofern schadet jede Ausgestaltung des Urheberrechts oder der aus diesem abgeleiteten Schutzrechte, die den Zugriff auf Werke über das notwendige Mindestmaß hinaus beschneidet, potenziell der Erschaffung neuer Werke und dem Dialog zwischen den Werken bzw. ihren Autoren, gemeinhin Kultur genannt. Mir fällt auf, dass der Ausdruck ‚copy and paste’ fast immer negativ besetzt ist – auch im Positionspapier-Entwurf … Dabei ist ‚copy and paste’ auch ein unentbehrliches Werkzeug zur Qualitätssicherung/Fehlervermeidung, ohne das ich meine Übersetzungen und Lektorate nicht im Sinne meiner Auftraggeber erledigen könnte … Ein Urheber, der in diesem Sinne kopiert, trägt nicht zum Untergang des Abendlandes bei und bringt weder seine Geringschätzung anderer Urheber noch eine Freibiermentalität zum Ausdruck, er verrät auch nicht die Werte der Aufklärung, sondern nimmt seinen – auch gesellschaftlichen – Auftrag ernst.“

Dirk von Gehlen hatte vorher in der Süddeutschen Zeitung Verdi demontiert:

Im Positionspapier werde angeregt, „Instrumente zu finden, die es ermöglichen, dass beim Aufruf einer Seite mit illegalen Angeboten ohne Registrierung der Nutzer/innen-IP auf dem Monitor eine – von dazu legitimierten Institutionen vorgeschaltete – Information über die Rechtswidrigkeit des Angebots und dessen Nutzung erscheint.“

Das klinge vor allem wegen seiner einschränkenden Sprache vorsichtig abwägend, birgt aber große politische Sprengkraft. „Denn vergleichbare Warnschilder tauchten zuletzt in der sogenannten Zensursula-Debatte auf, als die damalige Familienministerin Ursula von der Leyen, mittels einer Sperrtechnologie gegen Kinderpornographie vorgehen wollte. Kritiker hielten ihr damals vor, damit mindestens billigend eine Infrastruktur aufzubauen, die geeignet ist, Zensur- und Überwachung auch in anderen Fällen zu befördern. Unter dem Slogan ‚Löschen statt Sperren‘ setzte sich die digitale Zivilgesellschaft im Jahr 2009 stattdessen dafür ein, konsequente Löschungen zu forcieren und dafür die demokratischen Grundlagen des Internet nicht in Frage zu stellen“, schreibt von Gehlen.

Allein die Tatsache, dass Verdi den Verstoß gegen Urheberrechte in einen Kontext mit der Debatte um Kinderpornographie bringe, verhöhnt die Opfer und wirft ein fragwürdiges Licht auf die Gewerkschaft. Bei der gesamten höchst fragwürdigen Debatte müsse man anerkennen, dass das digitale Kopieren für viele Menschen zu einem selbstverständlichen Bestandteil ihres Alltags geworden ist, der sich kaum vom Hören eines Lieds im Radio unterscheidet. Dabei habe niemand das Gefühl, einen Raub oder Diebstahl zu begehen.

Der Schriftsteller Walter Kempowski hätte mit dem Leistungsschutzrecht sein Collage-Opus „Echolot“ nie erstellen können. Diese unheilige Allianz aus Verdi, Döpfner und Co. steht nach meiner Ansicht auch einer neuen Form des Journalismus entgegen. Marcus Bösch hat die notwendige Überwindung des tradierten Journalismus sehr gut beschrieben: „Disruptive Storytelling plus 6 neue W“.

Innovation entstehe nicht durch das Kopieren oder Verbessern bereits vorhandener Ansätze. Daraus leiten sich die sechs neuen journalistischen W’s ab:
Wer – hat dazu bereits Sinnvolles gesagt, gesammelt, gefilmt oder geschrieben?
Wie – kann ich aus der Flut der Daten Sinn und Bedeutung extrahieren?
Was – ist der Mehrwert meiner Geschichte?
Wann – wird mein Nutzer das Stück lesen, hören, sehen? Auf welchem Gerät und in welchem Nutzungsszenario?
Wo – in meinem Werk ist der SLAT (Shit look at that) – Moment der meinen Nutzer fesselt?
Warum – sollte irgendjemand da draussen im Netz mein journalistisches Werk beachten?

Wenn man das über einen neuen Abmahn-Terror erstickt, ähnlich wie es „erfolglos“ die Musikindustrie praktizierte und immer noch praktiziert, werden wir im digitalen Journalismus in Deutschland zurückfallen im Vergleich zu Ländern, die wesentlich liberaler mit dem so genannten geistigen Eigentum umgehen.

Das Vakuum des Verlegersohnes und die Machtfrage: Er oder ich?

So langsam geht es im Hause Neven DuMont närrisch zu. Aber kein Wunder, die fünfte Jahreszeit hat bereits begonnen und da nutzt man jede Gelegenheit, um sich ins karnevaleske Treiben zu stürzen – und sei es in Interviews mit Focus und Bild. So richtig will ich das gar nicht mehr kommentieren. Rückzug des Verlegersohnes Konstantin, Rückzug vom Rückzug, Beurlaubung, nach der Beurlaubung wieder Angriff und jetzt halt die Machtfrage von Konstantin NevenDont an seinen Vater: Er oder ich? Man muss kein Prophet sein, um diese Frage zu beantworten: Er!

Aber an einer Stelle sind sich Vater und Sohn wohl einig. So stellte Focus dem Konstantin folgende Frage: „Und was passiert in den nächsten Wochen? Glauben Sie, dass Sie in der Auszeit die Probleme mit Ihrem Vater einvernehmlich lösen können und er Ihnen zur erforderlichen Macht verhilft?“

Und die Antwort von Konstantin: „Ich hatte vor meiner Urlaubsentscheidung ein sehr nettes Gespräch mit ihm, wo wir eigentlich einer Meinung waren….“ – jetzt wird es wirklich spannend und Focus fragt nach „in Bezug worauf?“….und da antwortet der Konstantin: „..dass ich jetzt erst mal drei Wochen Urlaub mache, damit sich die Wogen glätten, und ich danach wieder angreife.“

Jau, das ist dem Konstantin schon in seinem Urlaub gut gelungen, wie man an der Bild-Schlagzeile erkennen kann:

Steidl reist schneller als sein Jetlag – Der Film über den Buch-Künstler

Martin Parr gibt eine kurze Einführung – Gerhard Steidl packt die Koffer – Ed Ruscha gestaltet ein Künstlerbuch – Günter Grass schreibt noch einmal „Die Blechtrommel“ – Joel Sternfeld fotografiert mit dem iPhone – Karl Lagerfeld dirigiert im Grand Palais – Robert Adams sucht Schwarz und Weiß – Jeff Wall zeigt sein neues Studio – Robert Frank braucht noch ein Polaroid – Gerhard Steidl reist schneller als sein Jetlag – und Gereon Wetzel und Jörg Adolph sind mit der Kamera dabei! So könnte man im Stakkato-Arbeitstil von Steidl den grandiosen Film „How to Make a Book with Steidl“ zusammenfassen. Er lief gestern in 3sat und kommt im Dezember als DVD auf den Markt.

Über ein Jahr lang waren Wetzel und Adolph immer wieder in der Göttinger Düsteren Straße 4, um das organisierte Chaos im Steidl Verlag zu filmen, das sich Arbeitsalltag nennt. Von der ersten Konzeptidee bis zum Layout und vom Lektorat bis zum Druck dokumentieren sie, wie Steidl den Buchdruck zur Perfektion bringt – keine Massenware, sondern bibliophile Meisterwerke, die sich von der Haptik bis zum Geruch unterscheiden. Sie begleiten Steidl auf seinen Reisen zu Künstlern und Galerien nach New York und Mabou, Doha und Vancouver. Dabei porträtieren Wetzel und Adolph nicht allein den Verleger – vor allem sind sie mit ihrer Kamera ganz nah dabei, wenn Charaktere aufeinanderstoßen und kreative Prozesse stattfinden. Er trifft weltberühmte Künstler wie Robert Frank, Jeff Wall, Günter Grass, Ed Ruscha, Robert Adams und Karl Lagerfeld. „Er lässt sich in einer dunklen Limousine durch New York chauffieren, sitzt teetrinkend in der arabischen Wüste an einem Lagerfeuer und begutachtet zusammen mit Karl Lagerfeld die letzten Vorbereitungen zur großen Fashionshow von Chanel in Paris. Neben Lagerfeld wirkt praktisch jeder, als hätte er einen alten Kittel an, nur Gerhard Steidl nicht. Steidl sieht neben Lagerfeld aus wie jemand, der seinen alten Kittel gerade schrecklich vermisst“, schreibt Hubert Spiegel in der FAZ.

Was zeichnet Steidl aus, was unterscheidet ihn von den Verlagen, die auf auswechselbare Buchware setzen? Er vereinigt sämtliche Produktionsschritte unter einem Dach – von der Programmarbeit über die Bildbearbeitung, Grafik und Herstellung bis zum Marketing und Druck in der hauseigenen Druckerei. Einmalig im Produktionsablauf ist wohl die Möglichkeit zur engsten Einbindung der Fotografen und Künstler in sämtliche Arbeitsschritte. Das dokumentiert der Film sehr eindrücklich. „Vor allem Joel Sternfelds Buch „iDubai“, dessen Entstehungsprozess sich wie ein roter Faden durch den Film zieht, ist hier aufschlussreich. Das Buch enthält Fotografien, die Sternfeld mit seinem iPhone in Dubai geschossen hat, und seine allmähliche Entstehung demonstriert, wie Steidl seine Überzeugung, dass Buchkunst individuell sein müsse, also nicht auf standardisierte Formate und Layouts zurückgreifen dürfe, in die Tat umsetzt“, so Hubert Spiegel. Der FAZ-Redakteur vermisst Fragen der Filmemacher zu Leben und Arbeit von Steidl. Das macht die Dokumentation erst recht interessant. Ich möchte nichts über die Schulzeit, über die Erlernung des Druckerhandwerks und über das Privatleben von Steidl wissen. Entscheidend ist die Buchkunst, die er kreiert. Und wer die Dialoge mit den Künstlern genau verfolgt, wird einiges zum Charakter des Verlegers erfahren.

Sex, Alkohol, Feuer, Musik, Ehekrisen, Korruption, Kriege, Hinrichtungen – Pepys Tagebücher liegen nun vollständig vor

Bei Eichborn gab es eine sehr liebevoll gestaltete Auswahl der geheimen Tagebücher von Samuel Pepys. Die möchte ich nicht missen. Nun gibt es aber eine wunderschöne vollständige Ausgabe im Haffmanns Verlag bei Zweitausendeins.

Die Post hat das liebevoll illustrierte Werk gerade ins Haus gebracht. Ein wenig werde ich schon heute meine Nase zwischen die Buchdeckel stecken. Hier schon mal ein optischer Anreiz zum Kauf der Ausgabe in neun Bänden nebst einem Companion.

Ich hatte es leider verpennt, den Subskriptionspreis wahrzunehmen. Dann hätte ich nur 129,90 und nicht 169,90 Euro berappen müssen. Dumm gelaufen. Aber egal. Die 4.416 Seiten in Leinen gebunden, im Format 12 x19 cm; mit einem Companion, 128 Seiten, werden mir sicherlich Freude bereiten.