
Wer in politischen, kulturellen oder wissenschaftlichen Kontexten nur seine nationale Brille aufsetzt, über den deutschen Geist von Goethe und Schiller schwadroniert, sein Selbstwertgefühl mit nationalem Pathos tränkt, verkennt, wie international das Weltgeschehen zu allen Zeiten war. So schuf Goethe eine kleine, aber sehr einflussreiche europäische Öffentlichkeit. Er suchte und fand Verbündete für sein weltliterarisches Unterfangen zur Schaffung eines transnationalen Kommunikationssystems. Weltliteratur wird von Goethe nicht als Kanon definiert, sondern als Programmatik zur Überwindung nationaler Verblendung.
Nicht die Lektüre literarischer Werke steht im Vordergrund, sondern die grundlegende Kenntnis der Kulturen anderer Länder. Der Dichterfürst verstand sich als Katalysator zur Herausbildung einer europäischen Leserschaft. Zu seiner Lieblingslektüre zählte dabei „Le Globe“, die sich nationalen Vorurteilen und kulturellen Hegemonie-Bestrebungen entgegenstellte.
Sein Anliegen wurde von nationalistischen Bedenkenträgern als undeutsche Gesinnung ausgelegt.
Auch die Architektur von Preußen atmet einen internationalen Geist. Das ist mir beim Flanieren durch Berlin im Frühsommer wieder klar geworden. Da bin ich über das Berliner Bücherfest gestolpert mit einem fulminanten Auftritt des Kunsthistorikers Professor Horst Bredekamp.