Von der Vergeblichkeit des Shitstorms: Können Schufa, GEMA, WDR oder ARD wirtschaftliche Schäden erleiden? #Bloggercamp.tv

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Unternehmen müssen von Shitstorms keine nachhaltigen wirtschaftlichen Schäden befürchten. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK). Sie hat die Empörungswellen von Social Media-Nutzern von Januar 2010 bis Mai 2013 analysiert. Allerdings reagierten die meisten betroffenen Unternehmen auf die Phase massiver Kritik in den sozialen Netzwerken mit Anpassungen von Krisenplänen und sogar Restrukturierungen ihrer Kommunikationsabteilungen. Ein Großteil der befragten Unternehmen erwartet eine Zunahme und den systematischeren Einsatz von Shitstorms durch Protestgruppen in der Zukunft.

„Trotz der Heftigkeit der Kritik und der hohen medialen Aufmerksamkeit, mit denen die Unternehmen sich während eines Shitstorms konfrontiert sahen, haben die betroffenen Unternehmen bislang kaum messbare Umsatz- oder Gewinneinbußen noch einen nachweisbaren Glaubwürdigkeitsverlust festgestellt. Das hat uns überrascht und das scheint Shitstorms von einer klassischen Unternehmenskrise deutlich zu unterscheiden“, so Professor Ralf Spiller, Leiter der Studie.

In der Untersuchung wurden nur solche Shitstorms berücksichtigt, über die im betrachteten Zeitraum in den Online-Ausgaben der sechs größten überregionalen deutschen Tageszeitungen berichtet wurde:

„Wir wollten nur Empörungswellen ab einer bestimmten Wahrnehmungsschwelle analysieren, die in Medienberichten explizit als Shitstorms bezeichnet wurden,“ so Spiller.

Dieses Kriterium traf zwischen Januar 2010 und Mai 2013 auf 28 in Deutschland operierende Unternehmen zu. Mit 10 Kommunikationsverantwortlichen dieser betroffenen Unternehmen konnten Leitfadeninterviews zu den Shitstorms geführt werden.

Analysiert wurden auch die Maßnahmen, die Unternehmen beim Umgang mit Shitstorms ergriffen haben. Als erfolgreichste und gängigste Maßnahmen nannten die Unternehmenssprecher die unverzügliche Kommunikation mit der Gegenpartei sowie die Beseitigung des Fehlers. Typisch war, dass Kommunikationsmaßnahmen wie Aufklärung oder Entschuldigung ausschließlich in den sozialen Medien stattfanden.

„Klassische Instrumente wie Pressekonferenzen, Pressemitteilungen oder Hintergrundgespräche wurden nur ganz selten als Reaktion auf die Kritik von Social Media Usern eingesetzt. Die Kommunikationsverantwortlichen scheinen sie im Kontext der sozialen Medien für unzureichend zu halten“, so Thomas Hintzen, Co-Autor der Studie.

Als Katalysator für Shitstorms spielen klassische Medien gleichwohl eine große Rolle. Die meisten Befragten gaben an, dass ein Katalysator in Form eines Medienberichtes oder eines prominenten Unterstützers zur Verbreitung des Shitstorms beigetragen hätten.

Gut. Mag so sein. Aber bleiben die kritischen Beiträge, die man unter Shitstorm zusammenfasst, wirklich ohne wirtschaftliche Folgen? Welche Datengrundlage konnte die Hochschule bei den betroffenen Firmen denn einsehen? Nach der Methodik der Wissenschaftler kamen lediglich Leitfadeninterviews zum Einsatz. Es ist kaum anzunehmen, dass die Befragten offen zugeben, dass sie in schweres Fahrwasser für Umsätze und Gewinn geraten sind.

Letztlich manifestiert sich die Unzufriedenheit mit Unternehmen in den Empörungswellen: Schlechte Produkte, miserabler Service, arrogantes Verhalten oder moralisch fragwürdiges Geschäftsgebaren und dergleichen mehr. Stimmt die Aussage von Jeff Bezos nicht:

„If you make customers unhappy in the physical world, they might each tell 6 friends. If you make customers unhappy on the Internet, they can each tell 6.000 friends.“

Interessant ist auch die Liste der untersuchten Unternehmen: Etwa die Schufa – wie soll ich als Kreditnehmer eine Schufa-Abfrage ablehnen, wenn mir meine Bank oder irgendein anderer Anbieter keinen Kredit gibt? Dann sind da noch Tele 5, die ProSieben-Sendung Galileo, WDR, ARD und RTL: Die öffentlich-rechtlichen sind gebührenfinanziert, da kann nichts passieren. Und die Privatsender? Das würde nur über die Werbewirtschaft laufen. Auch da sind direkte Effekte eher unwahrscheinlich.

Und dann ist auch noch die GEMA aufgeführt. Ist das ein Scherz? Wie soll man diesem Verwertungsmonopolisten denn wirtschaftlich ans Bein pinkeln? Ich halte die Studie methodisch für fragwürdig – auf den ersten Blick.

In unserer Mittwochssendung von Bloggercamp.tv um 16 Uhr ist Professor Peter Gentsch von BIG Social Media zu Gast. Sein Unternehmen hat ebenfalls Shitstorm-Wellen unter die Lupe genommen.

Wer eigene Erkenntnisse zu diesem Thema gesammelt hat und präsentieren möchte, kann gerne noch als Interviewgast dazu kommen. Ich starte den Hangout rund 15 Minuten vor dem Beginn der Sendung. Einfach unten in den Kommentaren eine Nachricht hinterlassen oder mir direkt eine E-Mail schicken an: gunnareriksohn@gmail.com

Mal schauen, was Professor Gentsch zur MHMK-Studie sagt. Ihr könnt wieder mitdiskutieren über die Frage-Antwort-Funktion von Google Plus. Da ich morgen alleine moderiere, werde ich wohl nicht auf die Tweets achten.

Update:

Tim Ebner macht morgen auch mit. Danke für die Vermittlung, liebe Astrid 🙂 Tim ist Shitstorm Schnüffler, Social Media Geek und Marketing Freak, Berater bei @kpunktnull. Da passt er ja wie die Faust aufs Auge!

https://twitter.com/A_Christofori/status/476423938168606721

Update:

Grafik hat jetzt direkt nichts mit Shitstorms im Social Web zu tun, aber ein wenig passt es noch zum Thema unserer Sendung.

VW Toyota.001

Update:

Die Empörungswelle über BSE hatte massive wirtschaftliche Auswirkungen.

BSE-Krise.001

Siehe auch:

Udo Lindenbergs #panikparty – Anatomie eines Shitstorms. Bleibt das für den Konzertveranstalter auch ohne Konsequenzen?

Werber unzufrieden mit Facebook: Mit Einweg-Geblubber wird sich das auch nicht ändern


WPP-Chef Martin Sorrell zweifelt nach einem Bericht von W & V an Facebooks Qualitäten als Werbemedium:

„Ich glaube, Facebook ist das beste oder eines der besten Branding-Instrumente der Welt, aber ich glaube nicht, dass es auch notwendigerweise ein Werbe-Instrument ist,“ sagte Sorrell laut der britischen Zeitung „Guardian“ in Cannes. Ähnliches sagte er wohl auch auf dem Werbegipfel in der südfranzösischen Stadt.

200 Milllionen Dollar habe WPP laut Sorrell vergangenes Jahr in Facebook investiert, was immerhin fünf Prozent des Umsatzes des Social Networks ausmacht. Dieses Jahr soll das Budget noch verdoppelt werden – wobei der Anteil am Facebook-Umsatz wohl gleich bleiben dürfte. Aber im Vergleich zum Gesamt-Volumen von WPP sei diese Umschichtung nicht weltbewegend, so Sorrell. Gerade was die Response-Rate beträfe, sei Facebook nicht gerade brillant.

Facebook habe wegen seiner Größe gute Voraussetzungen, aber es gäbe Themen, die unbedingt angepackt werden müssten – wie etwa die Werbung für mobile Anwendungen. Dabei müsse man sich ansehen, wie sich Facebook längerfristig entwickle. „Dies ist ein Marathon, kein Sprint,“ sagte er. Bestätigung findet diese Position in einer Studie der Agentur Serviceplan. Es sei ein Gerücht, dass sich auf Facebook besonders gut die Aufmerksamkeit jüngerer Konsumenten erreichen lassen. Auf Platz 1 in der Werbewirkung stünden immer noch Fersehspots – etwa der Darth Vader-Werbefilm von VW.

Vielleicht existiert in den Köpfen der Werber immer noch ein großes Missverständnis über das Wesen sozialer Netzwerke. Warum sollte mir auf Facebook die Einweg-Werbeberieselung besser gefallen als in klassischen Medien. Und wenn hier schon von der Response-Rate die Rede ist. Wie oft reagieren denn Firmen auf Anfragen und Meinungen, die Kunden in sozialen Netzwerken? 9 von 10 Anfragen landen im Nirwana und werden nicht bearbeitet.

Ein Beleg, dass die Wirtschaftswelt Social Media einseitig als Marketinginstrument versteht, wie mir Peter Gentsch von der Business Intelligence Group im Interview bestätigte:

Die Media-Planer seien auch auf Facebook immer noch auf Massenorientierung gepolt. Man habe eine klassische Marketing-Botschaft, die fast 1 zu 1 in Social Media reingedrückt werde. Social im Sinne von Dialog fehle in der Denke der Marketingmanager. Wenn man den Modus auf Personalisierung umstellen müsse, um auf die Belange eines Einzelnen einzugehen, ist das wesentlich anstrengender als auf die Skalierungseffekte von klassischer Werbung zu setzen. Personalisierte Dienste werden auf Facebook bislang nicht geboten.

„Es reicht eben nicht auf, nur pauschal meine Genehmigung für die Verarbeitung meiner Daten auf Facebook einzuholen. Die dürfen dann alles mit meinen Daten machen. So funktioniert Personalisierung nicht. In dem Moment, wo ich eine klare Ursache-Wirkungsbeziehung habe, um nur das zu verarbeiten, was für mich wichtig ist, wäre die Akzeptanz auf Kundenseite viel höher. Die Mechaniken und Logiken zur Profilierung müssen sich ändern“, so Gentsch.

Man rede nun schon so lange von One-to-One-Marketing und Dialogmarketing und sei auf Plattformen wie Facebook immer noch so unterwegs, wie in der klassischen Werbung.

In meiner Kolumne für Service Insiders werde ich das Interview mit Gentsch verarbeiten. Wer mir zu diesem Thema noch Statements schicken möchte, kann das bis heute Abend tun. Hier als Kommentar oder per E-Mail an: gunnareriksohn@googlemail.com

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